Protocol of the Session on November 12, 2009

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Ich danke Ihnen, Frau Friedel, und erteile nun das Wort der FDP-Fraktion, Herrn Biesok.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir haben uns im Koalitionsvertrag verpflichtet, bis zum 13. Februar 2010 einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Versammlungsrecht dahin gehend verändert, dass Extremisten in Sachsen eine deutliche Grenze gesetzt wird.

Genau das machen wir mit dem Gesetzentwurf, den wir demnächst hier in diesem Plenum zu beraten haben. Alle juristischen Bedenken, die gegen diesen Gesetzentwurf vorgebracht werden sollen, können wir in der Gesetzesberatung noch ausführlich erörtern. Sehr geehrter Herr Kollege Bartl, die Anhörung gibt uns sicherlich genügend Gelegenheit. Ich habe bislang die Liste der Fachleute gesehen, die kommen werden; die ist beachtlich. Da werden wir die Möglichkeit haben, uns entsprechend mit einzubringen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Biesok, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, ich gestatte.

Herr Bartl, bitte.

Herr Kollege, würden Sie uns, dem Plenum, offenbaren, woher Sie eine Liste der Experten kennen? Es ist immer so, dass die Fraktionen ihre Experten melden, und wir haben noch keine Meldung abgegeben.

Also, mir sind Namen genannt worden und ich vermute, dass diese auch kommen werden. Das ist meine Information. – Sie wissen, dass ich heute meinen zweiten Tag hier im Parlament habe. – Ich gehe davon aus, dass entsprechende Fachkompetenz vorhanden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was mich an diesem Antrag der Fraktion DIE LINKE stört, ist, dass geradezu apodiktisch verboten wird, über Veränderungen im Versammlungsrecht nachzudenken. Wir haben in den letzten Jahren gerade hier in Dresden, besonders am 13. und 14. Februar 2009, Situationen gesehen, die uns die Grenzen des bisher geltenden Versammlungsrechtes deutlich aufgezeigt haben.

Deshalb möchte die Regierungskoalition die Möglichkeit nutzen, ihre Gesetzgebungskompetenz auf Landesebene auszuüben und hierauf zu reagieren.

Das Versammlungsrecht ist ein hohes Verfassungsgut, aber es wird nicht schrankenlos gewährt. Auch das Grundgesetz und die Sächsische Verfassung geben die Möglichkeit, hier entsprechend einzugreifen. Es muss verhältnismäßig sein.

Meine Damen und Herren! Unsere Verfassung in Sachsen und das Grundgesetz schützen friedliche Demonstranten.

Was wir am 13. Februar 2009 hier in Dresden gesehen haben, waren eben gerade keine friedlichen Demonstranten bei Teilen der links- und rechtsextremistischen Szene. Die Ausschreitungen, die damit einhergingen, haben es friedlichen Versammlungsteilnehmern kaum ermöglicht, ihrem stillen Gedenken hier in Dresden nachzugehen. Deshalb ist unser Auftrag, die Versammlungsfreiheit für die friedlichen Demokraten in unserer Stadt wieder herzustellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich denke da insbesondere an ältere Menschen, die die Bombenangriffe selbst miterlebt haben, oder an Bürger, die ihrer bei den Angriffen getöteten Angehörigen gedenken wollen. Diese Menschen verdienen unseren Schutz. Diese Menschen stehen auch unter dem Schutz unserer Verfassung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir geben mit dem neuen Versammlungsrecht den Ordnungsbehörden die Möglichkeit, gegen Demonstranten vorzugehen, die sich gegen andere, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter wenden. Diese Möglichkeit, sehr geehrter Herr Kollege Bartl, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Brokdorf-Entscheidung ausdrücklich zugelassen. Sie steht sogar im Leitsatz unter Ziffer 2b.

Mit unserem Gesetzentwurf konkretisieren wir lediglich die Gefahrenprognose, die die Ordnungsbehörden anzustellen haben. Wir schaffen, sehr geehrter Herr Kollege Bartl und sehr geehrte Kollegin Friedel, eben gerade keinen demonstrationsfreien Raum, wie es noch im ursprünglichen Gesetzentwurf, den auch die SPDFraktion in der vorangegangenen Legislaturperiode mitgetragen hat, steht.

Herr Biesok, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Frau Jähnigen, bitte.

Sie haben gerade gesagt, dass Sie die Gefahrenprognose konkretisieren und der Polizei eine Handlungsgrundlage geben wollen. Mit der Einschränkung der Versammlungen in der Dresdner Stadt, also sozusagen mehreren Bannmeilen in der Innenstadt, erschweren Sie meiner Meinung nach das Polizeihandeln. Wie sind Sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Polizei das überhaupt zweckmäßig einsetzen und dieser Entwurf in irgendeiner Art zur Verfolgung Ihrer Ziele geeignet sein kann?

Sehr geehrte Frau Kollegin Jähnigen! Im Gesetzentwurf sind sehr klar und deutlich die Eingriffsvoraussetzungen benannt. Sie werden dadurch konkretisiert, dass wir eine Anlage anfügen, welche Bereiche damit geschützt sind. Dadurch ist es sehr viel konkreter als der bisherige Begriff der öffentlichen

Ordnung und Sicherheit. Damit konkretisieren wir das entsprechende Versammlungsrecht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist auch gewährleistet, dass ein Verbot oder eine Auflage im Versammlungsrecht lediglich die Ultima Ratio sein kann, das heißt, wenn keine anderen Möglichkeiten greifen, um die Versammlungen in einen friedlichen Verlauf zu bekommen. Auch das setzen wir mit unserem Gesetzentwurf nicht außer Kraft.

Ein zweiter Punkt aus dem Antrag ist ebenso überflüssig wie dieser Antrag insgesamt. Selbstverständlich werden wir auch künftig den Kernbereich des Grundrechts achten. Deshalb ist es unnötig, dass der Landtag hierüber noch einmal beschließt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal zusammenfassen: Mit dem Gesetzentwurf reagieren wir maßvoll und verhältnismäßig auf die neue Qualität von Aufzügen, wie wir sie jedes Jahr in Leipzig am 1. Mai und in Dresden am 13. und 14. Februar erleben. Mit der Gesetzesinitiative stellen wir insbesondere die Freiheit der Dresdner wieder her, am 13. Februar still und in Ruhe und ohne Angst vor gewaltbereiten Demonstranten rechtsextremistischer und linksextremistischer Couleur der Opfer der Bombenangriffe zu gedenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Abg. Lichdi.

(Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie sich freuen, wenn ich hier nach vorn trete. Ich freue mich auch, dass ich jetzt ein paar Dinge sagen kann.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion erzwingt hier im Hohen Hause eine Debatte, die die schwarz-gelbe Koalition durch eine Änderung der Geschäftsordnung vermeiden wollte.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die Koalition hat sich eine Ermächtigung geschaffen, Gesetzentwürfe nicht ins Plenum einbringen zu müssen, sondern gleich an die Ausschüsse verweisen zu lassen. Schwarz-Gelb enthebt sich so der Pflicht, den Gesetzentwurf vor dem Landtag und der Öffentlichkeit zu begründen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und der NPD)

Die Koalition hat am letzten Mittwoch die Anhörung zum Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Opposition auf den 25. November, also in zwei Wochen, festgelegt, also sage und schreibe keine vier Wochen nach Einbringung.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

In dieser Zeit ist es der Opposition schlicht und ergreifend nicht möglich, kompetente Sachverständige zu gewinnen.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Was als Beschleunigung des Verfahrens daherkommt, meine Damen und Herren, ist die bewusste Verschleierung eines Anschlags auf die Freiheitlichkeit unserer Verfassung. Dass die vorgebliche Rechtsstaatspartei dazu ihre Hand reicht, zeigt, dass ihr Macht und Pöstchen wichtiger sind als ihre angeblichen Werte. Und ich füge eines hinzu, Herr Dr. Martens: Die Unterstützung dieses Gesetzes beschmutzt Ihren Ruf, den Ruf eines Mannes, der noch in diesem Jahr in diesem Hause Absichten zur Einschränkung des Versammlungsgrundrechts zu Recht gegeißelt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Der Gesetzentwurf gibt vor, die Menschenwürde insbesondere der Opfer des Nationalsozialismus und der kommunistischen Gewaltherrschaft schützen zu wollen. Und, meine Damen und Herren, wer wollte die Menschenwürde in diesem Haus denn nicht schützen – außer natürlich der NPD? Aber die Vorantragung der Menschenwürde als Gesetzeszweck ist die alte verlogene Kommunikationsstrategie zur Abschaffung der Freiheit, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen. Man nehme einen unbestrittenen Wert wie etwa die Menschenwürde und male eine besonders abscheuliche Gefahr wie Terrorismus oder Kinderpornografie mehr oder weniger berechtigt an die Wand und verspreche Abhilfe mit der Einführung neuer Verbote und Überwachungsmethoden. Die Schäubles dieser Welt hoffen so die Aufmerksamkeit des besorgten Publikums zu täuschen. Genau das versuchen Sie hier, meine sauberen Damen und Herren von der schwarzgelben Koalition. Denn auch der Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb leidet unter offensichtlichen verfassungsrechtlichen Mängeln.

Was mich aber besonders empört, Herr Dr. Martens, ist der offene Ungehorsam gegenüber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Denn Karlsruhe hat seit Jahren klargestellt, zuletzt in der Entscheidung aus dem Jahre 2001 in der Auseinandersetzung mit dem OVG Münster – Ihnen dürfte das bekannt sein –, dass Versammlungen nicht wegen Meinungsäußerungen, die strafrechtlich erlaubt sind, verboten werden dürfen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Kennen Sie eine Strafvorschrift, die die Befürwortung des SEDUnrechtsregimes unter Strafe stellt? Ich kenne keine.