Protocol of the Session on November 12, 2009

Stattdessen ist eine Stärkung demokratischer Kultur gefordert, und zwar unter Teilnahme aller Fraktionen, worauf Kollegin Friedel schon hingewiesen hat. Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, in Sicht- und Rufweite ihre Ablehnung gegenüber braunen Brandstiftern ausdrücken zu können.

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie dürfen nicht durch eine verfehlte Sicherheitsplanung ans andere Ende der Innenstadt verfrachtet werden, wodurch der unbeeinträchtige Marsch der Nazis erst richtig ermöglicht wird, während die Bürgerinnen und Bürger sich nicht direkt artikulieren können.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wer gegen Nazis auf die Straße geht, will auch zeigen, dass er gegen Nazis steht. Dieser Diskussionsstand wurde in vielen Städten in Deutschland erreicht, ist auch in Dresden seit einigen Jahren eine Forderung der Bürgerschaft und wird vom Versammlungsgesetz der Koalition untergraben anstatt aufgegriffen.

Natürlich muss die Sicherheit bei solchen Veranstaltungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und insgesamt für die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt gewährleistet sein. Bekanntlich gehört auch die An- und Abreise dazu. Herr Biesok, die Teilnehmerinnen der Geh-denkenDemonstration und alle Teilnehmer weiterer Demonstrationen hatten natürlich das Interesse, friedlich und direkt gegen Nazis zu demonstrieren.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ein solcher Überfall wie auf den Gewerkschaftsbus im vergangenen Jahr hätte zum Beispiel nicht passieren dürfen, wenn man Leib, Leben und das Recht auf Teilnahme an den Demonstrationen schützen will. Aber dazu müssen die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, statt den demokratischen Horizont mit weiteren Verboten einzuschränken.

Statt für die Gemeinschaft bedeutende Ereignisse und Daten von der öffentlichen Debatte auszunehmen und damit eine gewisse Deutung gesetzlich festzuschreiben und Versammlungsverbote zu verhängen, muss die Diskussionskultur eine Aufwertung durch die Teilnahme aller erfahren, die zur demokratischen Gemeinschaft

gehören. In Dresden hat auch die Oberbürgermeisterin eine Initiative ergriffen, die entsprechenden Aktivitäten zusammenzuführen. Sie wird künftig auch dazugehören. Die von ihr mitvertretene Kundgebung an jenem Tag zu verbieten würde ebenfalls Anliegen Ihres Gesetzentwurfes sein.

Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch in einer Diskussion zu dem Thema sein werden und dass die Öffentlichkeit und vor allem Initiativen der verschiedensten Spektren das so nicht hinnehmen werden. Es war unser Anliegen, dieses Thema schon jetzt in die öffentliche Diskussion zu tragen; deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Bonk. – Meine Damen und Herren, die zweite Runde ist eröffnet. Möchte noch jemand das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Antrag zum Versammlungsrecht nicht in den originären Zuständigkeitsbereich des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa fällt, ich aber gleichwohl hier persönlich angesprochen bin, nehme ich mir auch die Freiheit, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen.

Ich komme zum Antrag selbst – und da sollten wir bleiben und nicht ins Ungefähre, in wolkige Beteuerungen und Beschwörungen von Grundrechten ausweichen, sondern wir sollten zunächst beim Antrag bleiben; denn das hilft in der Diskussion wesentlich weiter. Hier wird die Staatsregierung aufgefordert, sich jeglicher Gesetzesinitiativen zu enthalten, die auf die Regelung oder die Beschränkung der Versammlungsfreiheit gerichtet sind. Die Staatsregierung soll gegenüber dem Bund darauf hinwirken, dass Änderungen des Bundesrechtes unterbleiben und dass insbesondere keine Straftatbestände eingeführt oder erweitert werden, die solche Bürger sanktionieren, die sich friedlich und ohne Waffen versammeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann diesem Hohen Hause versichern, dass die Staatsregierung mit Sicherheit nichts in der genannten Art und Weise plant oder vorhat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok – Klaus Bartl, Linksfraktion: Das hat damit nichts zu tun!)

Sie ist auch nicht bereit, die genannten Punkte auch nur ins Auge zu fassen, Herr Kollege Bartl. Nebenbei muss ich darauf hinweisen, dass es nicht nur daran liegt, dass die Staatsregierung den von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurf gar nicht vorgelegt hat, sondern dass es ein

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP war. Nein, es geht auch inhaltlich darum, dass Sie hier Dinge beschwören, die jemand auch nur im Entferntesten in den Raum zur Diskussion gestellt hätte.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Auch die von Ihnen angesprochenen Änderungen des Bundesrechtes kann es so gar nicht geben; denn aufgrund der Föderalismusreform – lassen Sie mich das anmerken – ist der Gegenstand des Versammlungsrechtes in die Ländergesetzgebungshoheit übergegangen. Der Bund kann hier gar nicht mehr handeln.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Eine erste Bewertung des Antrages ergibt damit: Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wie die Antragstellerin DIE LINKE zu den hier so lauthals geäußerten Befürchtungen gelangt.

Zur Antragsbegründung. Dort verweisen Sie auf den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf und teilen dem überraschten Leser mit, dass nach diesem Gesetzentwurf jede örtliche Verwaltung nach Belieben entscheiden könnte, an welchen Tagen bzw. Orten sie Versammlungsfreiheit außer Kraft setzen will. Es folgt dann ein Hinweis auf eine prophylaktische Aufhebung der Versammlungsfreiheit, die Sie wortreich an die Wand gemalt haben. Als ob das in irgendeiner Weise in diesem Gesetzentwurf stehen würde! Das stimmt einfach nicht.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Selbstverständlich!)

Es gibt keine prophylaktische Aufhebung von Versammlungsfreiheit, schon gar nicht durch jede örtliche Behörde. Eine Kleinigkeit nebenbei – als Jurist werden Sie dafür Verständnis haben –: Die Kommunen sind gar keine Versammlungsbehörden, außer drei von 500 Kommunen im ganzen Land. Ja, das ist eine Petitesse, Herr Kollege. Bei anderen Sachen sind Sie nicht so großzügig, sondern da wird genau gesucht, bis Sie endlich den Grund finden, um hier eine hysterische Angstattacke zu präsentieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Der Gesetzentwurf selbst berührt nicht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Keinerlei!)

Er wird auch nicht in der Weise genutzt, um etwa die Versammlungsfreiheit unter Verwaltungsvorbehalt zu stellen, wie Sie den Eindruck erwecken. Dies würde übrigens allenfalls der Gesetzeswirklichkeit in der DDR entsprechen, aber nicht jener unter Geltung des Versammlungsrechtes.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Klaus Bartl, Linksfraktion: Er geht wesentlich weiter!)

Der Gesetzentwurf schränkt Versammlungsfreiheit eben nicht ein, sondern er konkretisiert die bereits vorhandenen Schranken der Grundrechtsausübung.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Er erweitert Schranken!)

Es werden weder neue Schranken eingeführt, noch werden Schrankenbereiche erweitert.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Es geht hier insbesondere um die Konkretisierung des altbekannten Schrankenbegriffes „Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Sie werden nicht bestreiten, dass es sich hierbei um eine anerkannte und seit Langem gebräuchliche Schrankenbestimmung handelt. Wenn Sie das tun wollten – ich will es Ihnen nicht unterstellen –, dann wäre das unredlich.

Mit dem Gesetzentwurf zum sächsischen Versammlungsgesetz wird das im Bund bereits bestehende und vom Bundesverfassungsgericht mehrfach als zulässig angesehene Bundesversammlungsgesetz

(Klaus Bartl, Linksfraktion: …. extensiv erweitert!)

in Landesrecht überführt und in seinen Regelungen, § 15 Abs. 1 und 2, entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung konkretisiert. Das verkennen Sie bewusst im Interesse einer politischen Auseinandersetzung, die Sie mit unredlichen Mitteln führen wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Zur Handlungsnotwendigkeit: Auch hier dürften unter Demokraten im Wesentlichen keine Verständigungsschwierigkeiten bestehen. Immer wieder kommt es in Sachsen zu Aufmärschen von mehr oder minder gewaltbereiten Rechtsextremisten, bei denen, wie in Dresden, angeblich der Opfer des Krieges gedacht werden soll, allerdings nur der deutschen Opfer.

(Zurufe von der NPD: Ja! – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nachher, bitte. – Und dies in einer Weise, die klarmacht, dass hier zunächst Opferkategorien gebildet und dann gegeneinander zur Aufrechnung gebracht werden sollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Der Zweck dieser Veranstaltung ist kein Gedenken an Opfer, sondern in Wirklichkeit der Versuch, nationalsozialistischen Geschichtsrevisionismus auf der Straße zu etablieren.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Andreas Storr, NPD: Reden Sie nicht solch einen Blödsinn!)

Dies dient letztendlich der von den rechten Feinden der Demokratie stets gewünschten Delegitimierung des

demokratischen Staates und damit auch der von ihm gewährleisteten Grundfreiheiten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)