Protocol of the Session on June 29, 2011

Wenn Ihnen zwei Monate nicht ausreichen, um einige Probleme zu entdecken, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise Ihrer Arbeit.

Ich möchte nun auf die heutige Debatte zurückkommen. Ich sage es noch einmal ganz langsam: Es geht um einen Anspruch aus dem Grundgesetz. Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz gibt keinen Anspruch auf einen bestimmten Umfang und eine bestimmte Form der Förderung. Nur die Unterlassung der Förderung insgesamt wäre grundgesetzwidrig. Ich glaube und hoffe, dass es bei Ihnen jetzt angekommen ist.

Was ich an dieser Stelle dankenswerterweise noch einmal anmerken kann, weil Sie von Unklarheiten und unbeantworteten Fragen sprachen, ist: Ich habe Ihnen eine Zwischenfrage gestellt und Sie haben mir mit einem Wortschwall über längere Zeit geantwortet. Sie haben keinen Punkt genannt, bei dem wir die Medizinforschung oder andere Formen der Nichtreaktorforschung angegriffen hätten. Meine Pressemitteilung, die Sie in den Händen hielten, sagt im ersten Satz klipp und klar – ich glaube, dass er auch für Abgeordnete der FDP-Fraktion lesbar ist, wenn sie lesen und verstehen wollen –: Wenn Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, ist es aberwitzig, zwei Professuren mit sächsischen Steuergeldern zu finanzieren, die weiter an der Nutzung der Atomenergie arbeiten. Bitte schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das waren Kurzinterventionen und Reaktionen. – Jetzt hat für die NPDFraktion der Abg. Gansel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist einleuchtend, dass sich infolge des deutschen Atomausstiegs auch die Wissenschafts- und Forschungspolitik im Land ändert. So wie sich die GRÜNEN die neue Forschungslandschaft aber vorstellen, darf und kann sie nach unserer Auffassung nicht aussehen. Es ist entweder naiv oder volksverdummend, wenn der Abg. Gerstenberg mit Blick auf die Kernforschung fordert: „Die Professuren sowie das dazugehörige Personal sollten so schnell wie möglich für die Forschung zu erneuerbaren Energien, Netz- und Speichertechnologien sowie Energieeffizienz umgewidmet werden.“

Zwar können Forschungsgelder, wie man weiß, schnell in andere Kanäle umgeleitet werden. Was aber passiert in diesem Fall mit dem hoch spezialisierten Personal? Sollen die Atomforscher von der Arbeitsagentur nun zu Ökobauern oder Landschaftspflegern umgeschult werden? Wollen die GRÜNEN dieses Wissenschaftspersonal in die Auswanderung treiben, damit sie später als buchhalterischen

Ersatz wieder nach Ausländern rufen können – nach den mythenumwitterten „ausländischen Fachkräften“?

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sie wissen es: Die NPD ist ganz klar für den Atomausstieg. Wir halten es allerdings für kurzschlüssig und verantwortungslos – und damit für typisch grün –, ausgerechnet den Forschungszweig amputieren zu wollen, der wertvolle Erkenntnisse bei der Folgenbewältigung der Atomenergie liefern kann. Weil Atomforschung etwas anderes ist als die Erzeugung von Atomstrom, will die Bundesregierung übrigens trotz ihrer Energiewende die Mittel für diesen Forschungsbereich ausweiten. Nach Angaben der Bundesforschungsministerin werden Einrichtungen wie die Helmholtz-Gesellschaft mit 35 Millionen Euro im Jahr gefördert und weitere 10 Millionen Euro werden in weitere Forschungsprojekte fließen.

Mit Blick auf die ungelöste Endlagerfrage soll so etwa das Verfahren der Transmutation verbessert werden, das radioaktive Stoffe wie Plutonium entschärfen kann. Geld für solche Forschungsprojekte kann nach NPDAuffassung sehr wohl eine wertvolle wissenschaftliche Begleitmaßnahme für den richtigen und wichtigen Atomausstieg sein.

(Beifall bei der NPD)

So ist Steuergeld unserer Auffassung nach wesentlich besser angelegt als in Rettungsschirmen für den Teuro, Zockerbanken oder Pleitestaaten wie Griechenland.

Der NPD erschließt sich deswegen auch nicht, was die GRÜNEN dagegen haben, dass beispielsweise 2007 ein neues Neutronenlabor im Forschungszentrum DresdenRossendorf in Betrieb genommen wurde. Gerade dort wird untersucht, wie langlebiger radioaktiver Abfall so umgewandelt werden kann, dass er nur noch für überschaubare Zeiträume endgelagert werden muss. Dieses Verfahren bezeichnet man als Transmutation. Darüber hinaus dient die Kernforschung – es ist bereits angeklungen – auch der Entwicklung neuer Medikamente und neuer medizinischer Verfahren sowie der Werkstoffkontrolle. Das alles wollen die GRÜNEN aber nicht zur Kenntnis nehmen, sondern einen ganzen Forschungszweig abwickeln.

Auch das grüne Parteitagsgezänk über die Zustimmung zu den Atomausstiegsplänen der Bundesregierung zeigt, mit was für einer grünen Heuchlerbande man es zu tun hat. In ihrer siebenjährigen Regierungszeit – ich habe es in meiner Zwischenfrage bereits angesprochen – unter Gerhard Schröder haben die GRÜNEN lediglich den faulen Atomkompromiss aus dem Jahr 2000 ausgehandelt. Rot-Grün hat aber kein einziges Atomkraftwerk abgeschaltet. Kein einziges AKW haben die grünen ÖkoBlender während ihrer Regierungszeit abgeschaltet und Mutti Merkel schaltet jetzt gleich mal acht ab.

(Zuruf von der NPD: Richtig!)

Die Heuchelei der GRÜNEN ist beispiellos in der bundesdeutschen Parteiengeschichte, und das heißt in dieser Republik der Strolche und Berufslügner schon einiges.

(Beifall bei der NPD)

Herr Gansel, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, weil Sie die Bundesrepublik Deutschland eine Republik der Strolche genannt haben.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

(Alexander Delle, NPD: Da möchte ich keine Umfrage machen!)

Auch in diesem Haus haben die Grünlackierten bei atompolitischen Debatten gezeigt, dass sie an die wirklich heißen Eisen gar nicht rangehen, nämlich die Schrottmeiler an Sachsens Grenzen und den Euratom-Vertrag, mit dem die Atomindustrie ihren europaweiten Einfluss sichert. Die GRÜNEN verschweigen, dass mit dem deutschen Atomausstieg nur wenig gewonnen ist, wenn nicht gleichzeitig auch der europaweite Atomausstieg zumindest auf den Weg gebracht wird. Es ist doch Augenwischerei, wenn die vergleichsweise sicheren und modernen deutschen Atomkraftwerke vom Netz genommen werden und um Deutschland herum weiter munter Atomstrom produziert und sogar noch nach Deutschland importiert wird. Gerade die mit deutschen EU-Geldern aufgepäppelten Nachbarländer Tschechien und Polen produzieren weiter Atomstrom in technisch überholten AKWs und wollen sogar noch neue Meiler bauen. Als die NPD-Fraktion unlängst in diesem Landtag den Bruch mit der europäischen Atomlobby und –

Die Redezeit läuft ab.

Ich komme zum Ende.

die Aufkündigung des Euratom-Vertrages von 1957 forderte, äußerten die grünen Fukushima-Profiteure kein einziges Wort der Kritik an der ausländischen Atomlobby. Daran sieht man, dass die GRÜNEN zwar wohlfeile Reden halten, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– sich aber an die Atomlobby, die europaweit organisiert ist, nicht herantrauen. Auch das ist ein Beleg für ihre abgrundtiefe Heuchelei.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der NPD sprach der Abg. Gansel.

Die erste Rednerrunde ist damit absolviert. Die Staatsregierung hat in dieser ersten Runde keinen Redebedarf signalisiert. Wir eröffnen also die zweite Runde. Für die

einbringende Fraktion der CDU ergreift Kollege Prof. Schneider das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gerstenberg, Sie haben immerhin erkannt, dass Ihre Pressemitteilung vom 15.06.2011 viel zu weit ging. Sie sind heute – Stichwort Nuklearmedizin – ein Stück zurückgerudert. Ich halte das für gut so.

Meine Damen und Herren! Meines Erachtens kommt in der heutigen Debatte zu kurz, dass das Wort Kernforschung einen Teilbereich der Physik meint, der sich mit dem Aufbau und dem Verhalten von Atomkernen beschäftigt. Die Aufgabe dieser – wenn man so will – „reinen“ Kernphysik im Sinne von Grundlagenforschung ist die Aufklärung der Kernstruktur, also der Einzelheiten des Aufbaus der Atomkerne.

Alle drei Oppositionsfraktionen haben in der heutigen Debatte diesen Ausgangspunkt der Kernforschung auf ein einziges Thema reduziert, und zwar auf das Thema Kernspaltung und die darauf basierenden Technologien, also die Kernenergie und den Einsatz für Waffenzwecke. Darauf haben Sie das gesamte Thema reduziert. Allerdings greift dies viel zu kurz. Es wäre irreführend, Kernspaltung und Kernenergie als, Herr Gerstenberg, „die Kernphysik“ zu bezeichnen. Hier liegt der Kern des Fehlers Ihres Herangehens.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Sie reden in Ihrer Pressemitteilung von Atomforschung. Darum geht es nicht. Das ist ein kleiner Teil.

Soweit es um Kernenergie und erst recht um Waffenproduktion geht, besteht hier natürlich Konsens.

Meine Damen und Herren! Unter dem Begriff Kernenergie ist Kernforschung für den Wissens- und Wissenschaftsstandort Sachsen unverzichtbar. Das ist so und das bleibt so.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie grenzen sich an dieser Stelle auch vom fortschrittlichen Denken ab. Sie sind vom Thema Kernmedizinforschung zurückgerudert. Ich sage Ihnen: Sie können diese Bereiche nicht von der Grundlagenforschung abkoppeln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Bitte, Kollege Jurk.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr verehrter Abgeordneter, ich hoffe, die Zeit ist gestoppt, damit die Redezeit nicht vergeht. Sie haben ja so wenig.

Herr Prof. Schneider, meinen Sie mit Kernforschung auch die Kernfusion als Gegenteil der Kernspaltung?

Die Kernfusion ist Teil der gesamten Grundlagenforschung.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: 6 Milliarden Euro!)

Ich sage unter dem Blickwinkel von Denkverboten und Denkfreiheit: Natürlich muss die Grundlagenforschung, auch die Kernforschung, zunächst einmal alles beinhalten. Wie man damit umgeht, das ist in der Tat eine andere Frage. Auf die hat Herr Gerstenberg auch hingewiesen.