Protocol of the Session on April 19, 2011

Landesbühnen kurzerhand zerschlagen würde. Offensichtlich haben Sie erst im Haushalt einen Zuschussbetrag festgelegt, und jetzt schauen Sie zu, welche Folgen das hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Kulturpolitik braucht Weitblick, Sie aber handeln nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ ohne Rücksicht auf Verluste.

(Beifall der Abg. Johannes Lichdi und Eva Jähnigen, GRÜNE)

Was sich angesichts dieses erpresserischen Vorgehens abzeichnet, sind einschneidende Folgen für die Musik- und Theaterkultur in Sachsen. Das Landesbühnenorchester soll aufgelöst und nur ein Teil seiner Musiker in einer dann gewissermaßen erweiterten Elbland Philharmonie angestellt werden. Diese neue Orchester-GmbH müsste sowohl das Musiktheater der Landesbühnen als auch die Konzerte im Kulturraum gleichermaßen stemmen, und zwar auch bei gleicher Qualität und zeitgleich. So können Sie vielleicht Stellen beim Freistaat einsparen, aber im Ganzen ist fraglich, welche Einsparungen da außer bei der Kultur noch übrig bleiben; denn das kulturelle Angebot würde deutlich schrumpfen. Die Landesbühnen könnten statt jährlich 180 nur noch 120 Aufführungen in der Sparte Musiktheater durchführen, davon 50 % in der Fläche. Die Nachfrage nach Musiktheater in der Fläche ließe sich nicht mehr befriedigen.

Hinzu kommt, dass das Landesbühnenorchester ein wichtiger und verlässlicher Partner der Hochschulen, der Singakademie und vieler Chöre im Rahmen der musikalischen Ausbildung in Sachsen ist. Diese Leistungen dürfen nicht wegbrechen.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin von Schorlemer, Sie wollen wahrscheinlich eine Ministerin werden, welche die Kultur in Sachsen durch Strukturreformen auf sichere Beine stellt. Im Moment sind Sie in Gefahr, eine Kulturvernichtungsministerin zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Die Umstrukturierung der Landesbühnen und ihres Orchesters läuft geradezu in die Misere. Das sehen auch Mitglieder zahlreicher anderer Ensembles. Das sehen der Studierendenrat der Musikhochschule und viele Unterstützerinnen und Unterstützer so, deren Proteste heute vor dem Landtag wir ausdrücklich begrüßen. Und um die rhetorische Frage auf den Plakaten zu beantworten: Ja, das ist Kultur, und das kann nicht weg!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, natürlich kann ein Kulturraum nicht einfach zur Beteiligung an einer Landeseinrichtung verpflichtet werden. Insofern haben Sie recht. Aus unserer Sicht tragen jedoch

der Freistaat, die Stadt Radebeul und der Kulturraum Meißen/Sächsische Schweiz/Osterzgebirge eine gemeinsame Verantwortung. Ein „Weiter so!“ kann es in der jetzt durch die Koalition geschaffenen Lage wirklich nicht geben. Wenn wir also die sächsische Theaterstruktur langfristig sichern wollen, dann sollten wir uns der Herausforderung steigender Kosten stellen. Notwendig ist eine langfristig tragfähige Regelung. Wir haben unsere Vorstellungen im gemeinsamen Änderungsantrag mit der SPD niedergelegt.

Aufgabe des Ministeriums ist es jetzt, eine solche Entwicklungsplanung im Sinne des Kulturerhaltes in Sachsen sensibel voranzutreiben, statt lediglich Kürzungspläne straff durchzuboxen. Ich lebe immer im Prinzip Hoffnung. Deswegen glaube ich auch, dass die heutige Debatte vielleicht doch zum Nachdenken und zum Umdenken in dieser wichtigen Frage beitragen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPD-Fraktion spricht der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrere Redner haben bereits viel von dem vorweggenommen, was auch aus Sicht der NPD zu dieser Debatte zu sagen wäre. Deswegen kann ich mich ausgesprochen kurzfassen.

Die NPD-Fraktion, der auch zwei Kreisräte des Landkreises Meißen angehören, wird sowohl den Antrag der Linkspartei als auch den rot-grünen Änderungsantrag selbstverständlich unterstützen. Wir treten sowohl aus kulturpolitischen als auch aus lokalpatriotischen Gründen für die Erhaltung des Landesbühnenorchesters und der Neuen Elbland Philharmonie ein. Aus verschiedenen Gründen lehnen wir die Fusion ab, weil ganz offensichtlich ist, dass es hier nicht um Maßnahmen der Kulturbewahrung oder der Kulturveredelung geht, sondern hier regiert der eiskalte Rotstift, und das darf definitiv nicht zulasten der vielgerühmten Kultur- und Orchesterlandschaft gehen.

Wie gesagt, aus kulturpolitischen und lokalpatriotischen Gründen stimmt die NPD-Fraktion den vorliegenden Anträgen zu.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Für die Linksfraktion spricht Herr Külow. Herr Dr. Külow, ich erteile Ihnen das Wort.

Ich fange einmal mit der leichtesten Übung an: Herr Tippelt, ich weiß nicht, ob ich bei Ihren Beiträgen lachen oder weinen soll.

(Nico Tippelt, FDP: Mir egal!)

Unsere Partei hat das Credo „Sozial und solidarisch“. Ich biete Ihnen Folgendes an: Geben Sie mir die Telefonnummer Ihres Redenschreibers, der wahrscheinlich auch Ihr Sprechzettelschreiber ist, weil Sie offensichtlich von der Sache nichts verstehen. Sie können auch nicht lesen.

(Widerspruch bei der FDP)

Sie haben genau das Gegenteil von dem gesagt, was im Antrag steht. Wir sind nämlich der Auffassung, dass die Staatsregierung eben nicht in die Neue Elbland Philharmonie hineinregieren kann. Sie haben genau das Gegenteil behauptet. Gucken Sie doch einfach in den Text.

Ihre Unverfrorenheit gegenüber der Staatsministerin ist erstaunlich. Jetzt komme ich in die unglückliche Situation, Frau Dr. Schorlemer gegen Ihre fast unflätigen Angriffe in Schutz nehmen zu müssen, aber wer solche Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde.

(Zurufe von der FDP)

Sie kann sich wahrscheinlich nachher allein verteidigen. Aber sie hat es bei aller Kritik, die auch ich teile, nicht verdient, dass sie von der FDP so abgewatscht und abgemahnt wird.

Frau Fiedler, bei Ihnen weiß ich auch immer nicht so ganz genau, ob Sie das so meinen, wie Sie es sagen. Wenn Sie es denn so meinen, dann ist das, was Sie hier abgeliefert haben, ein unglaublicher Zynismus. Das muss ich in aller Klarheit sagen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Sie werfen uns vor, dass wir angeblich Kultureinrichtungen gegeneinander ausspielen. Frau Stange hat ja gesagt, was Sie in Wirklichkeit treiben. Bei den Landesbühnen und der Elbland Philharmonie machen Sie es. Ich habe mit dem Begriff der brachialen Residenzpolitik darauf verwiesen, dass es um eine kulturpolitische Grundsatzentscheidung geht. Da werden die Leuchttürme mit hohen einstelligen Millionenbeträgen weiter aus- und aufgebaut – darüber kann man diskutieren, und darüber muss man hier auch einmal diskutieren –, während man das Geld aus den Kulturräumen wegnimmt. Sie können sich daran erinnern, dass es im August beim ersten Haushaltsplanentwurf sogar um 7 Millionen Euro ging. Das war übrigens exakt die Summe, die an die Semperoper und das Staatsschauspiel weitergereicht wurde. Dieser Debatte sollten Sie sich schon einmal stellen.

Ich bitte Sie, auch noch einmal genau in das Orchestergutachten zu schauen. Sie haben es ja zitiert, aber ich habe den Eindruck, dass Sie es nicht verstanden haben. Sie zitieren folgende Passage: „Das Orchester der Landesbühnen wird durch Fusion mit der Neuen Elbland Philharmonie so ausgestattet, dass die bisherige umfangreiche Konzerttätigkeit und pädagogische Arbeit der Elbland Philharmonie erhalten bleibt.“

Sie verstehen die Logik? Da steht aber nichts davon, dass die Landesbühnen abgewickelt werden sollen, was jetzt

faktisch passiert. Das hat also mit dem Orchestergutachten und dessen Intentionen überhaupt nichts mehr zu tun.

Zur Kritik von SPD und GRÜNEN: Ich weiß, Ihr Änderungsantrag folgt einer gewissen inneren Logik. Das ist unstrittig. Uns ist er aber einfach zu defensiv. Den Begriff der Unumkehrbarkeit würde ich an dieser Stelle nicht teilen wollen. Natürlich ist der Rechtsträgerwechsel durch die Beschlusslage im Landtag unumkehrbar eingeleitet. Es ist aber aus meiner Sicht nicht so, dass damit zwangsläufig und unmittelbar die Auflösung des Orchesters der Landesbühnen Sachsen einhergeht. Ich denke, hier ist ein anderer Weg möglich.

Ich will noch einmal mit einer sachkundigen Stimme von außen vor den Gefahren warnen. Der Brief von Prof. Siegfried Kurz aus Radebeul liegt, glaube ich, allen Mitgliedern des Kulturausschusses vor. Er ist ein international renommierter Dirigent, der auch viele Jahre mit der Staatskapelle Dresden und der Staatskappelle Berlin zusammengearbeitet hat. Er sagt, was im Grunde genommen droht, wenn man das Orchester der Landesbühnen aus der Verantwortung der Landesbühnen herauslöst. Er sagt nämlich: „Jede andere Lösung führt meiner Erfahrung nach mittelfristig zum Exodus des Musiktheaters, wenn nicht gar des gesamten Hauses.“

Das ist also kein linkspopulistischer Antrag, kein Schreckgespenst oder was auch immer, was hier formuliert wird. Gucken Sie doch einfach mal in die Briefe, in die Stellungnahmen der Experten. Davon wird man bestimmt nicht dümmer. Wir sehen also weiterhin die große Gefahr des „Aus zwei mach eins“.

Dann noch einmal zu dem Zynismus von vorhin und zu Ihrer Milchmädchenrechnung, Frau Fiedler: Es gehört wirklich viel Chuzpe oder eigentlich Unverfrorenheit dazu zu sagen, dass das künftige Orchester sogar noch größer ist als das Landesbühnenorchester. Also, aus 111 wird 72, aber da 72 mehr ist als 61, sollen sich alle Beteiligten noch freuen. Das ist mir völlig rätselhaft und widerspricht allen Grundrechenarten, aber nicht nur diesen, sondern auch allem kulturpolitischen Sachverstand.

Ich kann nur hoffen, dass die heutige Diskussion ein klein wenig zum Umdenken im SMWK beigetragen hat oder beitragen wird. Wir werden ja gleich die Staatsministerin hören. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, Frau Prof. Schorlemer. Möglicherweise werde ich die Gelegenheit nutzen, im Schlusswort auf das einzugehen, was Sie uns mitzuteilen haben.

Zunächst einmal ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Nächster Redner ist für die CDU-Fraktion Herr Clemen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Gäste! „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, so der große deutsche Dichter und Philosoph

Friedrich Nietzsche. In Mitteldeutschland, insbesondere aber in unserem Freistaat Sachsen, kann das Leben also kein Irrtum sein, verfügen wir doch über die reichhaltigste und wohl auch qualitativ führende Orchesterlandschaft der Welt. So ist Sachsen als einzige Region der Welt mit zwei Orchestern unter den Top 10 des Rankings von Musique de la Monde vertreten.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, um diese hervorragende und reichhaltige Musiklandschaft zu bewahren, bedarf es konzeptioneller und struktureller Anstrengungen, anders als etwa in Brandenburg oder in Sachsen-Anhalt. Dort, meine Damen und Herren von den LINKEN und von der SPD, hätten Sie beweisen können, wie ernst es Ihnen mit dem Erhalt einer Orchesterlandschaft ist.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Thomas Jurk, Dr. Eva-Maria Stange und Stefan Brangs, SPD)

Schauen Sie mal dorthin und sehen Sie, was dort noch vorhanden ist! Kein Ballett mehr in Brandenburg, kaum noch Orchester. Insofern sollten Sie sich sehr stark zurückhalten.

Wir in Sachsen, vor allen Dingen auch die CDU-Fraktion, haben es in den letzten Jahren verstanden, diese hervorragende und weltweit einzigartige Orchester- und Theaterlandschaft zu erhalten

(Beifall des Abg. Steffen Flath, CDU)

und diese auch dank dem Kulturraumgesetz fortzuführen. Für uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet das nämlich Freiheit in Verantwortung und nicht Freiheit von Verantwortung.