Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es weiteren Redebedarf? – Den vermag ich nicht festzustellen. Ich frage die Staatsregierung. – Es gibt keine weitere Runde, es gibt keinen Redebedarf mehr. Herr Staatsminister Prof. Wöller, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden Anträge von SPD und LINKEN befassen sich, wie wir gehört haben, eingehend mit den Fachkräften in Kindertageseinrichtungen.
Mein Haus hat zu beiden Anträgen bereits ausführlich Stellung genommen und die für einzelne Fragestellungen relevanten Zahlen übermittelt.
Der Antrag der SPD-Fraktion zur Sicherung des Fachpersonals für Kindertagesstätten stammt vom April letzten Jahres. Daher gibt es vom Landesamt für Statistik inzwischen aktuelleres Zahlenmaterial. Auch die neuen Zahlen untermauern die zentrale Aussage weiter, die die Staatsregierung zum Thema Sicherung des Fachpersonals für Kindertagesstätten treffen kann. Eine exakte Prognose der Bedarfsentwicklung an Kita-Plätzen und damit des Personalbedarfs ist nicht möglich. Aber es steht fest, dass wir für den Erziehernachwuchs vorgesorgt haben. Die Geburtenzahlen gehen seit 2009 zurück, dennoch konnten bzw. können wir die Zahl der Absolventen im Zeitraum von 2008 bis 2013 vervierfachen. Zum Schuljahr 2010/2011 wurden insgesamt 2 489 Fachschülerinnen und Fachschüler, davon immerhin 350 Männer – und ich räume auch ein, es könnten mehr sein – neu in das erste Ausbildungsjahr aufgenommen, so viele wie noch nie in Sachsen. Unter anderem aus der erst am 18. Januar 2011 dem Hohen Hause übermittelten Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Kollegin Stange geht klar hervor: Mit einem Personalnotstand in diesem Bereich ist derzeit nicht zu rechnen.
Meine Damen und Herren! Wir haben über Prognosen gesprochen. Prognosen sind bekanntermaßen schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Wir haben über die Faktoren gesprochen, die diese Prognosen nachhaltig
beeinflussen können. Ich habe gehört, dass es auf den Anteil der Kinder ankommt, die Betreuungsangebote in Anspruch nehmen. Ich habe gehört, dass es auch um die Renteneintrittszeitpunkte geht. Es geht natürlich auch um die Beschäftigtenquote. Frau Kollegin Giegengack, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen. Ich wusste gar nicht, dass die Quote in Chemnitz noch höher ist als der Landesdurchschnitt. Wir haben 77 % aller Erzieherinnen und Erzieher in Teilzeit. Das ist ein relativ großes Beschäftigungsreservoir, das in den nächsten Jahren ausgeschöpft werden kann.
In der Debatte ist auch über die Beziehungen zwischen Schule und Kindertageseinrichtung gesprochen worden. Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es? Ich bin nachhaltig der Auffassung, dass, genau wie die Schule in allererster Linie eine Veranstaltung für Schüler ist, auch wenn dabei sachfremde Interessen immer eine gewisse Bedeutung haben, Kindertageseinrichtungen für Kinder da sind. Was ich in der Debatte nicht gehört habe, war die Frage: Wie sieht es eigentlich mit den Kinderzahlen aus? Das ist doch der Haupteinflussfaktor für die Prognosen.
Wir haben mittlerweile die 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose vorliegen. Auch sie verstärkt den Trend nach unten. Wenn man sich die Zahlen genau ansieht, dann haben wir einen Rückgang der Geburten pro tausend Einwohner von 2008/2009 etwa 34 auf jetzt 25. Das ist ein deutlicher Rückgang von 25 bis 30 %. Auf den haben wir uns auch einzurichten. Das ist für mich die absolut maßgebliche Steuerungsgröße, wenn es um den Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern geht. Dem müssen wir uns stellen.
Frau Giegengack hat auch die Übergangsquote erwähnt, die sehr beachtlich ist. Wenn man sich anschaut, dass – wenn man Rauschenbach folgen will – nur 65 von 100, die diesen Beruf erlernt haben, auch tatsächlich in diesem Beruf eingesetzt werden, dann frage ich mich: Was ist mit den übrigen 35?
Die gehen in die Jugendarbeit, und da weiß ich nicht, ob die Bezahlung dort unbedingt besser ist, Herr Kollege Hahn. Die fehlen dann auch.
Ich komme nun zum Antrag der LINKEN. Der behandelt ausführlich das Thema „Situation der Erzieherinnen und Erzieher“ und mündet in der Forderung, ein Fachkräftesicherungskonzept mit allen Konsequenzen zu entwerfen. Wenn ich die dazu aufgestellten Forderungen alle beachten würde, könnte ich vom Grundsatz her alle 25 000 Fachkräfte gleich in den Landesdienst übernehmen.
Meine Damen und Herren! Wir kennen und berücksichtigen die Schwierigkeiten, die die Arbeitssituation der Fachkräfte birgt. Ich möchte aber deutlich darauf hinwei
sen, dass es nicht Sache der Staatsregierung sein kann und darf, den Trägern, die die Personalhoheit und damit auch die finanzielle Verantwortung haben, und darüber hinaus vielleicht noch den einzelnen Erzieherinnen und Erziehern vorzuschreiben, wie sie ihre Personal- bzw. persönliche Entscheidung treffen sollen. Das würde bedeuten, die staatliche Allmacht in einer Form heraufzubeschwören, wie sie glücklicherweise schon seit über 20 Jahren nicht mehr gegeben ist.
Anstelle eines staatlichen Gesamtkonzepts, das am Ende auch noch die Mobilität von Fachkräften einschränkt, bin ich jedoch gern bereit, in anstehenden Gesprächen mit Trägern auf die Problemlage hinzuweisen und Lösungswege zu beraten. Der staatlichen Vorsorge für genügend gut ausgebildetes Fachpersonal stellen wir uns selbstverständlich. Im Umgang mit den über 500 Trägern von Kindertageseinrichtungen in Sachsen müssen wir deren Eigenständigkeit allerdings unbedingt beachten.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Die antragstellenden Fraktionen haben nun die Gelegenheit, ihr Schlusswort zu halten. Wir beginnen mit der Fraktion der SPD. Frau Abg. Dr. Stange, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir wollen ein Perspektivkonzept haben, und zwar auch bei einer unsicheren Prognose. Das schicke ich gleich vorweg.
Frau Schütz, natürlich ist es Aufgabe von Politik – und der haben wir uns auch gestellt –, aus den uns vorliegenden Zahlen entsprechende Empfehlungen und Anstöße zu formulieren. Genau das ist es, was wir eigentlich von der Landesregierung erwarten. Insofern war das eher ein Lob als ein Tadel, das Sie hier ausgesprochen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition und auch Herr Minister, ich finde es sehr beachtlich, dass keiner von Ihnen darauf eingegangen ist, dass 75 % der Ausbildung an privaten Einrichtungen stattfindet und mit Schulgeld belegt ist. Stellen Sie sich vor, wir würden diese Diskussion bei den Metallfacharbeitern, bei den Elektrikern, bei den Maurern oder bei den Köchen führen, wo Sie es gerade zurückgenommen haben, dass die privaten Einrichtungen diese Ausbildung finanziert bekommen. Dann würde die Diskussion mit Sicherheit ganz anders laufen. Aber bei den Erzieherinnen leisten wir uns das. Die lassen wir ihre Ausbildung bezahlen, und zwar mit ziemlich viel Geld. Ich finde: Es ist schon ein Skandal, was der Freistaat hier macht. Das nicht einmal zu erwähnen, Herr Schreiber, Frau Schütz und auch Herr Wöller, finde ich schon ziemlich ignorant. Da bitte ich dringend um eine Kurskorrektur.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein Wort sagen. Das fast gebetsmühlenartige Aussprechen von Dank an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheint manchmal wie ein Hohn daherzukommen. Natürlich leisten die Erzieherinnen eine tolle Arbeit, und zwar unter widrigen Arbeitsbedingungen. Darüber haben wir hier auch schon mehrfach gesprochen. Da geht es nicht nur um die Größe der Gruppen, Herr Schreiber, die wir natürlich auch weiterhin ansprechen werden. Mit 18 Kindern kann man keine vernünftige pädagogische Arbeit machen. Da kann man keinen Bildungsplan qualitativ umsetzen. Was denken Sie, warum dieser Beruf so hoch mit Teilzeit belegt ist? Zum einen liegt das daran, dass es ein typischer Frauenberuf ist und den Männern der Rücken freigehalten wird, und zum anderen daran, dass die Frauen es gar nicht durchhalten, 40 Stunden in der Woche am Kind zu arbeiten. Sie bekommen eben keine Stunden zur Vor- und Nachbereitung.
Wenn Sie es ernst meinen mit dem Dankeschön, dann ändern Sie diese Bedingungen. Dann werden Sie auch sehen, dass mehr Männer in diesen Beruf kommen und dass mehr Frauen aus der Teilzeit in Vollzeit arbeiten gehen. Das ist unser Anliegen, wenn wir von einem Personalentwicklungskonzept reden.
Es geht uns nicht darum, dass wir auf den Punkt genau sagen können, ob wir zukünftig genügend Personal haben.
Noch eines möchte ich korrigieren, Herr Minister. Wir haben nicht von einem Personalnotstand gesprochen. Wir können die Zahlen auch lesen und haben sehr wohl gesehen, dass aufgrund der unsicheren Prognosesituation und der von Ihnen angelegten Perspektive für die Kindertagesstätten gegebenenfalls ausreichend Personal ausgebildet werden kann, wenn es uns gelingt, die Erzieherinnen hier zu behalten. Insofern war von Personalnotstand nicht die Rede, sondern von einem Personalentwicklungskonzept.
Ich bitte darum, dass in diesem Hohen Haus noch einmal darüber nachgedacht wird, ob wir es zulassen, dass wir einen Ausbildungsbereich, der für die Zukunft unseres Landes enorm wichtig ist, tatsächlich weiter in private Hand geben, wie das gerade bei den Erzieherinnen und Erziehern geschieht.
Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Klepsch. Frau Klepsch, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir haben das Thema umfassend erörtert. Alles Wesentli
Lieber Kollege Schreiber! Selbstverständlich nutze auch ich die Dienstleistungen des Statistischen Landesamtes. Man kann sich dort nämlich im Internet alle möglichen Daten herunterladen. Das habe ich heute auch getan, und die letzte aktuelle Betreuungszahl ist vom März 2009. Wir haben jetzt Februar 2011.
Was ich aber vorhin gemeint habe, was einfach ärgerlich ist und auch Bände spricht, ist, dass in der Stellungnahme zum SPD-Antrag zu mehreren Punkten steht – ich darf einmal zitieren –: „Statistische Erhebungen zu den Ausbildungskapazitäten werden nicht durchgeführt. Statistische Erhebungen zur Auslastung der Aufnahmekapazitäten werden nicht durchgeführt.“ So setzt sich das durch die Stellungnahme fort. Deshalb, denke ich, ist es schon notwendig, an bestimmten Stellen auch die entsprechenden Daten zu erheben, wenn wir uns einig sind, dass dort ein Fachkräftebedarf besteht.
Sie haben vorhin meine Zwischenfrage nicht zugelassen. Ich will das Problem deshalb an dieser Stelle nochmals ansprechen. Wir waren uns ja darin einig, dass das Land für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zuständig ist und nicht die Kommune. Diese ist für die Einstellung zuständig, wenn sie Träger von Einrichtungen ist. Das ist richtig so. Aber natürlich können die staatlichen Berufsschulzentren nur mehr ausbilden, wenn sie dafür auch mehr Lehrpersonal zur Verfügung gestellt bekommen. Das heißt, das Land – in diesem Fall das SMK – muss Stellen für Berufsausbilder in den Fachrichtungen Sozialwesen und Erzieher schaffen. Wenn das Land dies nicht tut, weil es der Meinung ist, es will hier 17 000 Stellen abbauen, dann erfolgt zwangsläufig eine Umlenkung auf die privaten Schulen. Damit sind wir wieder bei der Frage: Wer kann sich das leisten, und liegt das im Interesse der Qualität der Ausbildung?
An der Notwendigkeit der Berichte, wie sie in beiden Anträgen, auch von unserem, gefordert werden, gibt es zumindest aus unserer Sicht und auch aus der Sicht anderer Fraktionen wenig Zweifel. Deshalb komme ich zum Schluss und bitte um Zustimmung.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung, zunächst über die Drucksache 5/2145, Antrag der Fraktion der SPD. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Nun die Abstimmung über die Drucksache 5/3742, Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier stelle ich dasselbe Abstimmungsverhalten fest. Bei
zahlreichen Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.