Protocol of the Session on January 20, 2011

Die Bahn, so Dr. Grube, hat einen Investitionsstau im rollenden Material von 50 Milliarden Euro ermittelt. Davon wurden 44 Milliarden Euro im Vorstand der Bahn zur Investition bereits entschieden und teilweise auch beauftragt. Dieses Investitionspaket „Rollendes Material“ gehört nicht zur Aufgabe des Bundes. Im Bereich der Bahnfinanzierung ist die Aufgabe des Bundes die Trassenfinanzierung. Bahnchef Grube hat erklärt, dass dieses rollende Material vollumfänglich über den Kapitalmarkt

finanziert werden kann, es also keinerlei finanzielle Engpässe bei diesen Investitionen gibt.

(Andreas Storr, NPD: Das ist nicht der politische Wille!)

Sie können sich vorstellen, dass, wenn Sie als Bahn auf einmal mit 44 Milliarden Euro Investitionen in den Fahrzeugpark auf den Markt kommen und überlegen, welcher Umfang an Fertigungskapazitäten für diese Wagen zur Verfügung steht, die Industrie selbst bei allem guten Willen die Fahrzeuge nicht innerhalb eines halben Jahres bereitstellen kann. Das ist die Situation.

Jetzt überlegen Sie einmal: Wenn wir einen Investitionsstau von 50 Milliarden Euro haben, ist das die Investition von einem Jahr, von zwei Jahren, von zehn oder 20 Jahren, die unterblieben ist. Da steht schon die Frage nach der politischen Verantwortlichkeit. Da, liebe Kollegen, haben Sie sicher auch Verständnis, dass ich jetzt nicht den Kollegen Mücke kritisiere, weil der Kollege Mücke als Staatssekretär natürlich in den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit nicht an den 50 Milliarden Euro schuld ist. An den 50 Milliarden Euro ist auch Herr Ramsauer nicht schuld. Die Verantwortlichen dafür heißen Tiefensee und Stolpe und sie haben das Parteibuch der SPD.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Hermenau, Ihre 2 Milliarden Euro Schienennetz, die Sie zu Recht angesprochen haben, sind auch nicht ursächlich für die Ausfälle im Winter gewesen, weil diese Ausfälle eben gerade mit dem rollenden Material zusammenhängen und nicht mit den Trassen.

Im Trassenbereich haben wir eine Unterfinanzierung von 1 Milliarde Euro. Das habe ich auch öffentlich angemahnt, weil es hier die Aufgabe des Bundes ist, endlich als der Verantwortliche für die Schienentrassen dieses Geld bereitzustellen. Das ist ein anderes Thema und das muss man auch fein in der Diskussion auseinanderhalten. Hier geht es nicht um das rollende Material.

Wir haben als Staatsregierung, als die Probleme auftauchten, sofort interveniert. Als Hoyerswerda abgekoppelt wurde – übrigens nicht wegen der zugefrorenen Weichen, sondern wegen der fehlenden Fahrzeuge –, haben wir sofort interveniert und Oberbürgermeister Skora hat sich dafür ausdrücklich bei der Staatsregierung bedankt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auf meine Initiative hin wurde Bahnchef Grube zur Verkehrsministerkonferenz am Montag voriger Woche eingeladen, um genau diese Themen zu besprechen und diese Information zu geben, die ich Ihnen heute weitergeleitet habe.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Gern.

Bitte, Herr Pecher.

Herr Minister, ich habe einiges nicht verstanden. Sie haben ausgeführt, die Bahn ist für das rollende Material zuständig, der Bund für die Trassen. Wenn das so ist, was haben dann die Verkehrsminister Tiefensee und wer auch immer mit dem rollenden Material und den Entscheidungen der Bahn mit ihren Gremien, Vorständen und Aufsichtsrat, zu tun?

Herr Pecher, wenn Sie Erfahrungen in der Wirtschaft und im Industrieunternehmen hätten, dann wüssten Sie, dass Investitionen dieser Größenordnung auch ein Bahnchef – heißt er Dr. Grube oder Mehdorn – nicht einfach einmal allein entscheiden kann, weil er Bahnchef ist. In solchen Unternehmen gibt es Gremien – die heißen bei öffentlichen Unternehmen Verwaltungsräte und bei privatwirtschaftlich orientierten Unternehmen Aufsichtsräte. Wenn Sie Erfahrungen aus diesen Gremien hätten, dann wüssten Sie, dass in diesen Gremien in der Regel Wirtschaftspläne und andere Dinge wie Investitionspläne der Geschäftsführung und des Vorstandes vorgelegt werden und diese in diesen Gremien zu bestätigen sind oder eben auch nicht. Genau diese Gremien wurden durch die verantwortlichen Politiker der SPD geführt, wie ich es gerade benannt habe. In diesen Gremien wurde nichts über diese Investitionen entschieden und deswegen sage ich, der Schlamassel, den wir heute mit der Bahn haben, hat zwei Namen: Tiefensee und Stolpe.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Pecher, Sie haben in Ihrem ersten Debattenbeitrag zu Recht die frierenden Fahrgäste angesprochen. Dabei ist auch ganz klar, dem frierenden Fahrgast ist es vollkommen egal, aus welcher Quelle die Bahn ihr Geld bekommt, ob es die Dividende ist oder der Bundeszuschuss. Der frierende Fahrgast setzt sich in den Zug und das ist das einzige, was ihn interessiert.

(Beifall bei der FDP)

Ein letztes Wort zum Thema Privatisierung. Ich meine sehr wohl, dass bei einer Privatisierung der Bahn ein Wettbewerb auch in diesem Bereich zu besseren Ergebnissen führen wird.

(Zurufe von den Fraktionen)

Denken Sie einmal daran, wie wir alle heute im Bereich Telefon unterwegs sind. Aus dem Bereich der alten Republik weiß ich noch, dass damals der Monopolkonzern die Möglichkeit hatte, unter vier verschiedenfarbigen Telefonen auszuwählen und dies als große Errungenschaft pries. So sehen Sie doch an dem heutigen Stand sehr deutlich, was Privatisierung und Wettbewerb alles positiv bewirken können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn man privatisiert, muss man ein Unternehmen nachhaltig für den Wettbewerb fit machen. Nachhaltig fit

machen heißt, auch durch ausreichende Investitionen das Unternehmen vor einer Privatisierung auf die Privatisierung vorzubereiten. Genau das ist im Bereich der Bahn unterblieben. Man hätte sich auch im Bereich dieser Privatisierung von vornherein darüber klar werden müssen, dass eine Privatisierung im Bereich der Bahn nur dann Sinn machen kann, wenn die Bahnprivatisierung ohne die Trasse, also nur das Fahrgeschäft, erfolgt. Auch hier hat Tiefensee versagt, weil er sich von Bahnchef Mehdorn hat einreden lassen, dass die Bahnprivatisierung nur mit der Trasse möglich wäre. Das ist mit Sicherheit kein guter Weg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie möchten jetzt eine Kurzintervention halten?

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Zunächst möchte ich einmal feststellen, dass dieses parteipolitische Abklatschgeschäft hier im Hause sicherlich auch der Gesamtsituation nicht zuträglich ist.

Zweitens. Die 50 Milliarden Euro Investitionsstau beim rollenden Material sind mit Sicherheit nicht in den letzten Jahren entstanden, sondern bestimmt über eine Dauer von 15, 16, 17 Jahren. Das ist vollkommen richtig. Aber Fakt ist auch, dass ein solches Chaos, wie wir es heute haben, bei der alten Deutschen Bundesbahn, Staatskonzern, nicht vorhanden war.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Minister, möchten Sie antworten?

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Herr Kollege Stange, dass die alte, wie Sie es genannt haben, Deutsche Bundesbahn

(Zuruf von der NPD: Die gute alte!)

mit dem Winter besser zurechtgekommen ist. Aber wenn wir uns anschauen, welche Qualitätssteigerungen wir inzwischen im Bereich der Bahn haben – sind wir doch einmal alle ehrlich! –, möchten wir auf das Niveau der alten Deutschen Bundesbahn nicht mehr zurück.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Jähnigen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich muss meine Einschätzung Ihrer Äußerung korrigieren. Sie haben keine Ahnung, wo das Problem liegt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Richtig!)

Das Problem liegt nicht im Betrieb durch die Deutsche Bahn. Wenn die Deutsche Bahn so falsch in Betriebsbereiche investiert hat, dass sie keine Reparaturkapazitäten und keine ordentlichen Wagenkapazitäten hat, dann suchen wir uns als Besteller Unternehmen, die es besser können und die gibt es. Nachdem es nun im Bahnnahverkehr endlich einen Flächentarif gibt – nicht nur Lob, sondern auch Gratulation an die Arbeitnehmer –,

(Beifall bei den LINKEN)

werden wir einen Qualitätswettbewerb machen können und keinen Dumpingwettbewerb.

Das Problem liegt nicht im Betrieb, sondern im Netz. Warum gehen Sie denn den Schönfärbereien der Deutschen Bahn auf den Leim? Die Deutsche Bahn hat im tiefen Winter eine einzige Schneefräse im Regierungsbezirk Dresden im Einsatz gehabt. Private Unternehmen haben ihr Unterstützung angeboten. Darauf hat die Bahn nicht einmal reagiert. Die bundesweit eingefrorenen Weichen haben den sächsischen Nahverkehr de facto mit lahmgelegt. Lassen Sie sich doch von den Zweckverbänden einmal die Verspätungszeiten und die Betriebsläufe vorlegen! Machen Sie sich doch einmal sachkundig!

Die Fahrgastinformationen der Deutschen Bahn auf den Bahnhöfen waren unterirdisch, nicht nur keine oder automatische Ansagen, sondern auch noch falsche Ansagen. Die Bahn fordert Höchstpreise in Sachsen für die Bedienung ihrer Infrastruktur, aber sie kann die Abferti

gung auf den Bahnhöfen und die Installation von TicketAutomaten nicht gewährleisten.

Das ist die Situation, und hier liegt das Problem im Netz und im Betrieb. Das darf nicht privatisiert werden, und daraus dürfen keine Gewinne gezogen werden. Darum geht es, und das muss man bundespolitisch thematisieren.

Summa summarum: Sie sind dem Bahnvorstand voll auf den Leim gegangen. Sie brauchen die Task-Force mit den Aufgabenträgern, die wir vorgeschlagen haben, dringend. Machen Sie Ihre Hausaufgaben!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf von den Fraktionen, die noch Redezeit haben? – Das ist nicht der Fall. Damit sind die Aktuelle Debatte und der Tagesordnungspunkt beendet.