Protocol of the Session on September 30, 2010

Sehr geehrte Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass sich die NPD nun für eine Würdigung dieser Sozialpolitik ausspricht. In anderer Lesart ist es höchst interessant, dass sich die NPD insgeheim für geringere Renten und zum Teil den Wegfall anderer Sozialleistungen einsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte weiter zu bedenken geben, dass Deutschland seit jeher ein Einwanderungsland ist. Ein kurzer Verweis auf die im 17. Jahrhundert eingewanderten Hugenotten sei hier erlaubt.

(Zuruf von der NPD: Ach herrje!)

Dass Ihr Geschichtsvermögen so weit nicht zurückreicht, ist völlig verständlich.

Sie hatten maßgeblichen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung Preußens. Gleiches gilt im Übrigen für das Ruhrgebiet.

In Deutschland leben zurzeit 6,7 Millionen Ausländer. 35 % davon haben einen Pass aus einem der europäischen Mitgliedsstaaten. Sie wissen, dass in der EU das Gebot der Niederlassungsfreiheit besteht. Diese Niederlassungsfreiheit gehört zur Grundfreiheit der Personenfreizügigkeit in der EU, und zwar seit 1957.

Sie sehen, meine Damen und Herren, bereits aus den hier aufgezeigten Gründen ist der vorliegende Antrag in keiner Weise zustimmungsfähig. Vielmehr ist er ideologisch populistisch und geht völlig an dem eigentlichen Problem des Rentensystems vorbei.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich möchte mit dem Artikel 22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 schließen. – Vielleicht hören Sie jetzt einmal genau zu. – Ich zitiere: „Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit. Er hat Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rechte zu gelangen.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der SPD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Schreiber. – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Dr. Pellmann.

Herr Dr. Pellmann, einen ganz kleinen Moment. Ich habe übersehen, dass es eine Wortmeldung am Mikrofon Nr. 7 gibt. – Herr Abg. Schimmer.

Ja, ich würde gern von der Kurzintervention Gebrauch machen, weil ich es einfach beschämend finde, wie ein Vertreter der CDU, Herr Schreiber, das Erbe von Bismarck in den Dreck zieht.

Ich möchte auch daran erinnern, dass einer der wichtigsten DDR-Historiker, nämlich Ernst Engelberg, damals Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR, eine fast 2 000-seitige sehr anerkennende Biografie über Bismarck geschrieben hat, die ich derzeit gerade mit großem Interesse lese.

(Zurufe von der CDU, der Linksfraktion und der SPD)

Und Ernst Engelberg ist damals von Wolf Jobst Siedler verlegt worden. Engelberg hat ausgesprochen positiv die Leistungen Bismarcks gewürdigt, weil er der Erste war, der eine Arbeitslosen- und Rentenversicherung eingeführt hat. Das haben Sie anscheinend schon vergessen.

Zu den Hugenotten möchte ich Folgendes sagen: Die Hugenotten waren natürlich alles Einwanderer aus europäischen Ländern. Das waren arme Bergbauern aus Salzburg, teilweise auch Religionsflüchtlinge aus Frankreich, die Preußen integriert hat, aber die kamen alle aus Mitteleuropa und nicht aus allen anderen Kontinenten von Afrika bis Asien. Insofern besteht ein großer qualitativer Unterschied.

(Beifall bei der NPD)

Herr Dr. Pellmann, ich darf Sie bitten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde, wenn ich mir den Antrag anschaue und mir die soeben erfolgte Kurzintervention anhöre, von einem Erstaunen ins andere geschleudert. Wenn sich ausgerechnet dieser Herr von der NPD auf den nach wie vor lebenden über hundertjährigen Prof. Ernst Engelberg bezieht, den ich persönlich sehr gut kenne, der an meiner Universität gelehrt hat,

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: An meiner auch!)

dann sage ich: Schlimmer als Sie das hier betreiben, kann die Vereinnahmung von Menschen nicht sein.

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Das weise ich zurück, auch im Namen der Ehre dieses alten Professors.

(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Johannes Müller, NPD: Vielleicht sollten Sie sich auch bilden, Herr Pellmann!)

Nun zum Antrag: Ich denke, wir können es uns nicht ganz so leicht machen. Dieser Antrag hat das gesamte Arsenal

der rückwärts gewandten, menschenverachtenden Politik und Denkweise dieser Partei aufgezeigt.

Verehrte Damen und Herren! Ich komme nicht umhin zu versuchen, dies an vier Punkten deutlich zu machen. Wer sich mit dieser rückwärtsgewandten Partei auseinandersetzen will und muss, der kann durchaus zu diesem Antrag greifen. Hier wird sehr viel an NPD-nationalistischer Politik geboten. Folgende Merkmale lassen sich erkennen, zu denen ich dann jeweils sprechen werde:

Erstens. Selbstverständlich verzichtet auch dieser Antrag nicht auf Ausländerfeindlichkeit.

Zweitens. Dieser Antrag enthält ein nationalistisches Familienbild und ist zutiefst frauenfeindlich.

Drittens. Dieser Antrag bedient sich einer Art Steinbruchpraxis.

Viertens. Herr Kollege Schreiber hat sich dazu bereits ausführlich aus seiner Sicht geäußert und die Dinge dargestellt. Der Antrag betreibt erneut eine klassische Form der Geschichtsklitterung.

Zu erstens. Sie wollen in der Tat eine separate Sozialversicherung für Ausländer. Sie bedienen damit ein Menschenbild, das in dieser reaktionären Weise kaum noch steigerbar ist. Sie bedienen das von Ihrer geistigen Vorgängerpartei praktizierte Menschenbild von Menschen erster und zweiter Klasse.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Prof. Dr. Martin Gillo, CDU)

Ich komme später darauf zurück, was das im Einzelnen heißt.

Sie meinen, dass es nur für Deutsche einen Kinderbonus geben soll.

(Gitta Schüßler, NPD: Natürlich!)

Frau Schüßler – dies als Zwischenbemerkung –, Sie tun mir wirklich leid. Sie haben hier einen Text, den man Ihnen vorgegeben hat, mehr oder weniger abgestottert. Wahrscheinlich mussten Sie das auch tun. Sie sind die einzige Frau. Wenn es um Kinder geht, wären die meist kinderlosen Herren in Ihren Reihen kaum in der Lage gewesen, die Dinge darzustellen.

(Gitta Schüßler, NPD, tritt ans Saalmikrofon)

Herr Dr. Pellmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schüßler?

Ich gestatte von der NPD prinzipiell keine Zwischenfragen.

(Gitta Schüßler, NPD: Das ist aber jetzt sehr schade!)

Das ist schade, ja.

(Arne Schimmer, NPD: Sehr demokratisch!)

Mit Undemokraten muss ich nicht demokratisch umgehen.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Das kennen wir doch aus alten Zeiten, Herr Pellmann!)

Sie wollen Ausländer aus Sozialversicherungssystemen ausgrenzen. Dazu sage ich Ihnen zwei Dinge: Steuern dürfen die Ausländer, die hier arbeiten, die zum Teil Unternehmen haben, bezahlen. Aber aus den Sozialversicherungssystemen werden sie ausgegrenzt. Das ist völlig unlogisch.

Ich sage Ihnen noch etwas, was heute früh auch schon zur Sprache kam: Sie leben letztendlich auf Kosten der Ausländer. Denn die zahlen hier Steuern. Die tragen zur Mehrung unseres Reichtums bei, und mit vielen Dingen bereichern sie unser Leben.

(Zuruf von der NPD: Lesen Sie mal Sarrazin!)