Protocol of the Session on September 30, 2010

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die Aussprache beendet ist. Ich sehe keine Wortmeldung. Wir kommen zum Schlusswort. Herr Abg. Lichdi steht schon bereit. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.

Zu Herrn Prof. Degenhart brauche ich nichts zu sagen.

Ich habe eine große Befürchtung. Mit Ihrer Betonpolitik, die Sie auch in der Atomfrage betreiben – wenn Sie jetzt sogar noch ein neues Atomkraftwerk bauen wollen –, nähern Sie sich langsam, aber sicher – so fürchte ich – genau der Situation, wie wir sie im Augenblick in Stuttgart haben. Dort hat auch eine schwarz-gelbe Regierung versucht, gegen den Willen breiter Volksschichten ein sinnloses Projekt durchzusetzen. Wir sehen heute Abend, wozu es führt, wie die Polizei versucht, die Demonstranten wegzuprügeln

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche – wie im Schlusswort üblich – auf meinen Vorredner einzugehen. Herr Kollege Heidan, ich habe Sie schon richtig verstanden. Sie plädieren also tatsächlich dafür, dass wir uns in Sachsen wieder dafür einsetzen mögen, ein Atomkraftwerk zu bauen. Bisher hat der Kollege Günther – war es, glaube ich – in der letzten Legislaturperiode

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU) (Zurufe von der Linksfraktion und der NPD: Lehmann!) und es Hunderte von Verletzten gibt. Ich erkläre ausdrücklich meine Solidarität damit – das schöne Wort davon – nein! Aufpassen! – – Der Kollege Günther hat das schöne Wort vom Block „Heinz 1“ geprägt. Ich freue mich, dass wir künftig auch vom Block „Frank 2“ im Vogtland sprechen können. Ich fordere Sie auf, insoweit bei der Bundesregierung vorstellig zu werden, dass auch der Neubau von Atomkraftwerken wieder zulässig sein soll. Sie haben sich wirklich nicht damit befasst. 2. Vizepräsident Horst Wehner: Bitte zum Schluss kommen. Johannes Lichdi, GRÜNE: – und ich fordere Sie auf, hier endlich von diesem verhängnisvollen Kurs abzugehen. Vielen Dank. Schauen Sie sich einmal diesen finnischen Reaktor – Olkiluoto 3 heißt das Teil – an, wie der zustande gekommen ist. Der ist nur deshalb zustande gekommen, weil die Bayern LB – ich glaube, mittlerweile auch eine Pleitebank, die mit 15 Milliarden Euro vom bayerischen Steuerzahler gestützt werden muss – im Jahre 2003 einen Kredit zu äußerst günstigen Bedingungen gegeben hat. Die Baukosten haben sich mittlerweile mehr als verdoppelt. Die Bauzeit hat sich mehr als verdreifacht. Dieses ganze neue Atomkraftwerk, das Sie immer hochhalten, ist überhaupt nur deshalb wirtschaftlich – eigentlich auch nicht – einigermaßen darstellbar, weil der finnische Staat eine 30-jährige Abnahmegarantie gegeben hat. Diesen Neubau in Finnland jetzt als Beleg für eine Renaissance der Atomwirtschaft herbeizuziehen ist einfach lächerlich. (Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/3588. Es war punktweise Abstimmung beantragt. Ich rufe auf zur Abstimmung Punkt 1 des Antrages. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei vielen Stimmen dafür hat der Punkt 1 des Antrages dennoch nicht die Mehrheit gefunden.

Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 2. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür gibt es auch hier nicht die erforderliche Mehrheit. Herr Heidan, wenn Sie also Herrn Thomas Prauße, den Chef der Stadtwerke Leipzig, Herrn Böge, den ehemaligen Präsidenten der Monopolkommission, oder die VKOLandesgruppe Sachsen einfach so wegwischen und sagen: Na ja, die Stadtwerke sind da ja nicht betroffen, das interessiert uns nicht!, dann bin ich gespannt, wie Sie das den Kolleginnen und Kollegen beim nächsten Treffen erklären sollen.

Wir kommen zu Punkt 3 des Antrages. Auch hier bitte ich Sie um die Dafür-Stimmen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür gibt es auch hier nicht die erforderliche Mehrheit für den Punkt 3. Da alle drei Punkte nicht die erforderliche Mehrheit erhalten haben, bedarf es keiner weiteren Abstimmung, meine Damen und Herren. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Bei Herrn Hauschild habe ich mich gefragt: Hat er jetzt eine neue Rede für heute Abend vorbereitet oder die von heute früh noch einmal genommen? Ich glaube, es war so.

Tagesordnungspunkt 9

Bismarcks sozialpolitisches Erbe bewahren – Bevölkerungspolitische Anreize im Rentensystem setzen – Generativen Beitrag zum Generationenvertrag würdigen

Drucksache 5/3061, Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung wenn gewünscht. Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Aussprache. Es beginnt für die NPD Frau Abg. Schüßler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die langfristige Sicherung der Rentenversorgung in Deutschland ist ein sehr komplexes Thema. Man sollte sich daher vielleicht erst einmal den Grundgedanken vor Augen führen, der dem bestehenden umlagefinanzierten Rentensystem bei seiner Etablierung und Ausgestaltung zugrunde lag. Andernfalls gerät man in Gefahr, sich in Details und in endlosen, letztlich aber vor allem fruchtlosen Reformdiskussionen zu verlieren, wie sie uns die etablierten Parteien nun schon seit Jahrzehnten zumuten, wie wir sie gestern erst wieder erlebt haben, und die sicher mit der Einsetzung einer Kommission gegen Altersarmut nicht beendet sein werden.

Das bismarcksche Sozialversicherungssystem beruht auf dem Prinzip des Zusammenhalts der Generationen, da zum Beispiel die Altersvorsorge Mitte des 19. Jahrhunderts angesichts der durch die industrielle Revolution ausgelösten Strukturveränderungen nicht mehr ausschließlich durch den Familienzusammenhalt organisiert werden konnte. Der Staat musste nun den sozialen Ausgleich zwischen der erwerbstätigen und der nicht mehr erwerbstätigen Generation organisieren. Er setzte dabei auf ein Prinzip, dass heute nur noch von den Nationaldemokraten, von der NPD, vertreten wird – das Prinzip der nationalen Solidarität.

Wenn dieses Prinzip vernachlässigt oder gar mit Füßen getreten wird, wird alles, was an sozioökonomischen Errungenschaften jemals für unser Volk erreicht wurde, infrage gestellt. Das System des Dreigenerationenvertrages, meine Damen und Herren, wird heutzutage verkannt, wenn der erwerbstätigen Generation eingeredet wird, bereits durch die Zahlung ihrer Beiträge sichere sie sich den eigenen Rentenanspruch. Das ist eben nicht der Fall. Vielmehr zahlt die Generation der Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen nur das zurück, was sie zuvor von ihren Eltern an Unterstützung erfahren hat, und sichert damit dieser Generation den Rentenbezug; nicht mehr und nicht weniger.

Nichts, überhaupt nichts ist damit für die Zukunft geleistet oder gesichert. Erst wenn die Generation der Erwerbstätigen selbst für Nachwuchs sorgt und wenn die Politik die Voraussetzungen dafür schafft, dass dieser Nachwuchs

auch einen produktiven Beitrag zu leisten vermag, sind alle Teile des Generationenvertrages erfüllt.

Der frühere Sozialrichter Jürgen Frohrieb unterstrich diese Auffassung, indem er in einem Kommentar zu einem Urteil des BGH in Sachen Unterhaltspflicht ausführte, es sei das Wesen der Familie, füreinander einzustehen, und gleichzeitig kritisierte, dass es in Deutschland keinen echten Familienlastenausgleich gebe.

Wer Kinder großzieht, so Großert am 17.09.2010 in WELT ONLINE, müsse erhebliche Nachteile bei seinen eigenen Versorgungsleistungen in Kauf nehmen und trage zudem große Kosten. Wer keine Kinder habe, stehe in jedem Fall finanziell besser da. Diese Asymmetrie zulasten der Familien mit Kindern muss die Politik beseitigen, forderte der Richter.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Grund, warum Ihnen heute dieser Antrag der NPD-Fraktion vorliegt, weil wir endlich ernst machen müssen, nicht nur diesen Familienlastenausgleich herzustellen, sondern eben auch den generativen Beitrag, den Familien mit Kindern zum Erhalt unseres Renten- und Sozialversicherungssystems leisten, angemessen zu würdigen, und weil es an der Zeit ist, nicht nur an den Symptomen der demografischen Katastrophe herumzupfuschen, sondern eine bevölkerungspolitische Wende einzuleiten.

Es kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu, der bisher von allen politischen Kräften – wiederum außer uns, der NPD – außer Acht gelassen wird. Eine unterschiedslose, ohne Ansicht der Herkunft und des kulturellen Hintergrunds betriebene Politik des Sozialtransfers zugunsten der Familien würde nur dazu führen, dass die große Zahl ökonomisch überwiegend nutzloser und die deutschen Sozialversicherungssysteme letztlich ausbeutender kulturfremder Ausländer weiter zunehmen würde. Die Ergebnisse dieser, also Ihrer Politik können Sie jetzt in den westdeutschen Großstädten, in Berlin-Neukölln, in den Metropolen Nordrhein-Westfalens oder im Rhein-MainGebiet, aber in Ansätzen auch schon in mitteldeutschen Großstädten wie Leipzig anschauen.

Es ist ein großes Verdienst Thilo Sarrazins, dass er die besondere Belastung, die insbesondere muslimische Migranten für Arbeitsmarkt und Sozialsystem darstellen, so mutig herausgestellt hat, wenn er bei diesen unter anderem eine – so wörtlich – unterdurchschnittliche Integration in den Arbeitsmarkt, überdurchschnittliche Abhängigkeit von Sozialtransfers, unterdurchschnittliche

Bildungsbeteiligung und überdurchschnittliche Fertilität in unser aller Bewusstsein gerückt hat.

Was das für unser Rentensystem bedeutet, mögen folgende Zahlen verdeutlichen: Von den offiziell knapp 5 Millionen Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund – die meisten davon aus der Türkei stammend – gehen nur knapp 1,4 Millionen einer Erwerbstätigkeit nach. Deren Erwerbsquote und damit der relative Beitrag zur sozialen Absicherung ihrer eigenen Gruppe beträgt also gerade einmal ein Drittel.

Gerade die Diskussion um die Thesen Thilo Sarrazins bringt es an den Tag, worauf wir, die NPD, schon seit Jahrzehnten hinweisen. Der mit Abstand größte Teil der Einwanderer der letzten 30, 40 Jahre nach Deutschland erfolgte direkt in die sozialen Sicherungssysteme, und diese stehen jetzt bald vor dem Kollaps.

Unabhängig davon bedarf es allerdings nach wie vor einer Steigerung der Erwerbsquote bei der einheimischen Bevölkerung, wie sie nur durch eine Stärkung der Binnenwirtschaft, einer Bildungsoffensive für die deutsche Jugend und einem wirkungsvollen Schutz des einheimischen Marktes vor den zweifelhaften Segnungen eines entfesselten Freihandelsextremismus erreicht werden kann.

Vor allem aber, meine Damen und Herren, bedarf es endlich einer Bevölkerungspolitik, die zuallererst kinderreiche deutsche Familien bzw. den Kinderwunsch junger deutscher Paare stärkt. Ein Schritt dorthin könnte zum Beispiel das in diesem Antrag vorgeschlagene Kinderbonussystem sein, während gleichzeitig die hier lebenden Ausländer aus dem deutschen Sozialversicherungssystem auszugliedern sind.

(Dr. Martin Gillo, CDU: Frechheit!)

Mein Kollege Dr. Müller wird Ihnen das im zweiten Redebeitrag näher erläutern.

(Ach nein, bei der CDU und der FDP)

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Für die Koalition spricht der Abg. Schreiber. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schüßler, man merkt, wie schwer Ihnen diese Wortgruppe „kinderreiche deutsche Familien“ in der Aussprache fällt. Man muss sich fragen, warum das so ist.

(Gitta Schüßler, NPD: Wie viele Kinder haben Sie denn?!)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Es ist wieder einmal so weit: Wir beschäftigen uns dieses Mal auf Antrag der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag mit einem bundespolitischen Thema. Mitten in den Haus

haltsberatungen fällt der Dame bzw. den noch übrig gebliebenen Herren der NPD-Fraktion nichts Besseres ein, als das deutsche Rentensystem ändern zu wollen.

Bevölkerungspolitische Anreize sollen gesetzt werden, um das Rentensystem gerechter zu machen. Im Grunde – und das steht eigentlich hinter Ihrem Antrag – geht es einfach nur um Fremdenfeindlichkeit und die allgegenwärtig wabernde diffuse Angst vor Überfremdung.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Nichts anderes ist gemeint, wenn die NPD von Volkserhalt, einer gesonderten Ausländergesetzgebung und einer Volksrentenkasse spricht.

Meine Damen und Herren! In ihrer gewohnt populistischen Art versucht die NPD nun Otto von Bismarck vor ihren braunen Karren zu spannen. Was Ihr Antrag allerdings mit Bismarcks Sozialpolitik zu tun hat, bleibt schleierhaft.

Als Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts die Krankenversicherung 1883, die Unfallversicherung 1884 und die Alters- und Invalidenversicherung 1889 einführte, hatte er alles andere im Sinn, als bevölkerungspolitische Anreize zu setzen. Er bezweckte vielmehr eine Integration der lohnabhängigen Arbeitermassen in den Obrigkeitsstaat. Denn Bismarck sah diesen Staat durch die sozialistische Arbeiterpartei Deutschland bedroht; vielleicht ist hier die Parallele zur NPD.

1875 war sie aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei entstanden. Gerade in diesem Zusammenhang wird für die bismarcksche Sozialgesetzgebung immer wieder die Redewendung von Zuckerbrot und Peitsche zitiert. Einerseits wollte Bismarck die sozialistische Bewegung mithilfe des Sozialistengesetzes unterdrücken. Andererseits versuchte er mithilfe der Sozialpolitik die Arbeiter in den monarchisch autoritären Obrigkeitsstaat zu integrieren. Dies funktionierte, wie wir heute wissen, allerdings nur bedingt.

Denn die Sozialpolitik war zum Ersten quantitativ nur bescheiden. Bismarck selbst sagte 1881 dazu – ich zitiere –: „Ich hatte das Bestreben, dass dem müden Arbeiter etwas Besseres und Sichereres als die Armenpflege gewährt werden solle, mäßig, gering meinethalben.“

Zudem war das Leistungsvolumen vor allem auf akute Erkrankungen, Unfälle und eine Absicherung bei Invalidität ausgerichtet. Die Altersgrenze in der Rentenversicherung lag bei 70 Jahren. Sie war somit eher symbolischer Natur. Witwen- und Waisenrente gab es nicht. Wer arbeitslos wurde, stand weiterhin mittellos da.

Zum Zweiten war die bismarcksche Sozialpolitik Arbeiterpolitik. Bismarck war bewusst, dass die soziale Frage nicht allein durch Unterdrückung der Sozialdemokratie zu beseitigen sein würde. Er hoffte, wenn der Staat ein wenig an sozialer Sicherheit garantieren würde, müsste es

gelingen, die Arbeiter von der Sozialdemokratie abzubringen und für den Staat zu gewinnen.

Zum Dritten war Bismarcks Sozialpolitik damit repressiv und staatsautoritär, auch wenn sie gemessen daran, dass die Arbeiter bis dahin einer kapitalistischen Ausbeutung schutzlos ausgeliefert waren, als beträchtlicher Fortschritt bezeichnet werden kann.