Protocol of the Session on June 16, 2010

Zu den Härtefällen sage ich ganz klar: Sie werden gerade gesammelt. Ihrer Lösung soll die Härtefall-Richtlinie dienen. Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass wir mit unserem Paket und dem Engagement der Menschen vor Ort tatsächlich allen Betroffenen helfen können.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Die 1. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

„Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!“ – die Auswirkungen der Beschlüsse der Klausur der Bundesregierung vom 6. und 7. Juni auf die Menschen in Sachsen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Antragstellerin ist die Linksfraktion. Ich erteile Herrn Abg. Dr. Pellmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben soeben über schlimme Auswirkungen einer Naturkatastrophe auf die Menschen in einer unserer beliebten Regionen in Sachsen sprechen müssen. Das, worüber wir jetzt zu reden haben, ist keine Naturkatastrophe, richtet aber zumindest ähnlich großen Schaden an, und zwar im ganzen Land.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Geschadet wird der Demokratie in unserem Land und dem sozialen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Bei alledem, meine sehr verehrten Damen und Herren, scheint sich die Bundesregierung auf die Methode der spätrömischen Kaiser besonnen zu haben, die nämlich nach der Methode „Brot und Spiele“ versuchten, die Menschen in ihrem Reich ruhigzustellen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Historisch falsch!)

Ich denke nur daran, dass der Termin für die Beschlüsse der Bundesregierung zum Sparpaket unmittelbar vor der Fußballweltmeisterschaft lag. Man meint vielleicht, davon ausgehen zu können, die Protestwogen würden sich bis zum Ende der Weltmeisterschaft geglättet haben. Dazu stelle ich fest: Dereinst haben Brot und Spiele das Römische Reich nicht gerettet. Ich füge hinzu: Auch die Bundesregierung scheint bereits verdächtig zu wackeln.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir uns das Wesen der Sparbeschlüsse an und stellen wir uns die Frage, was sie für Sachsen bedeuten. Gestrichen werden die Zuschüsse für die Rentenversicherung der von Hartz IV Betroffenen und deren Elterngeldanspruch. Das Elterngeld generell wird gekürzt. Bei der Bundesagentur für Arbeit kommt es zu Einsparungen. Wenn wir das hochrechnen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir bereits im nächsten Jahr 350 Millionen Euro weniger zur Verfügung haben, was mit unmittelbaren Auswirkungen auf Sachsen verbunden wäre. Eine Hochrechnung bis 2014 – bis dahin soll die Sparorgie dauern – ergibt ein Kürzungsvolumen von einer halben Milliarde Euro. Das ist nicht wenig.

Ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie dem Widerstand entgegensetzt. Dass dieser Widerstand selbstverständlich von den Menschen im Land kommen wird, dessen bin ich mir sicher. Wir werden sicherlich nicht nur einen heißen Sommer, sondern auch – zu Recht! – einen heißen Herbst erleben.

(Beifall bei der Linksfraktion und der NPD)

Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob ich auf die Koalition hier vertrauen kann; denn der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Krauß, der das sicherlich noch untersetzen wird, meinte – laut einer weitgehend unbeachteten Meldung von dpa vom vergangenen Donnerstag –, die sozialen Belastungen seien vertretbar. Hört, hört! Sie seien vertretbar – und das aus dem Munde des Vorsitzenden der Arbeitnehmerschaft in der sächsischen CDU. Ich konnte auch lesen, die Vorschläge seien sogar gut, da auch die Wirtschaft betroffen sei.

Hierzu stelle ich fest: Während bei den Sozialkürzungen klare Kante gezeigt wird, wo genau gekürzt werden soll,

handelt es sich bei den Wirtschaftseinsparungen gegenwärtig um glatte Luftbuchungen, die bislang überhaupt nicht untersetzt sind. So wird hier vorgegangen.

Herr Krauß, Ihre Diskreditierung von Langzeitarbeitslosen nehme ich Ihnen besonders übel, und das immer wieder. In einem Interview meinten Sie sagen zu müssen, wenn die „normalen“ Arbeitnehmer mit der Heizung sparsam umgehen müssten, dann sollten das bitte schön endlich auch die Langzeitarbeitslosen tun. Angesichts dieser Äußerung muss ich Ihnen unterstellen – neben einer grundlegenden Kritik an Ihrem Gewissen, was diese Frage angeht –, dass Sie keine Ahnung vom Wesen und von den Wirkungen des Sozialgesetzbuchs II haben. Wäre es anders, wüssten Sie, dass jeder mit einer, wie es in dem Sprachgebrauch heißt, „unwirtschaftlichen Lebensweise“ zur Kasse gebeten wird. Es ist bereits so, dass niemand, der von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen ist, etwa schludrig mit der Heizung umgehen kann. Es ist nicht so, dass die Kommune die Heizkosten ohne Abstriche übernimmt.

Bitte zum Schluss kommen.

Letzter Satz: Ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie sich endlich auch den Benachteiligten in unserer Gesellschaft zuwendet und auch für sie etwas tut, anstatt sie durch Schweigen oder sogar Zustimmung zu diesen Sparbeschlüssen auszugrenzen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU Herr Abg. Krauß, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Da kann er sich gleich entschuldigen!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Pellmann, Sie haben die heutige Aktuelle Debatte unter den Titel gestellt: „Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!“ Ich glaube, richtig müsste es heißen: „Wer heute nicht kürzt, zahlt morgen drauf, nämlich Zins und Zinseszins!“ So ist die Logik in der Finanzwelt.

Das Ziel der Bundesregierung, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, damit man morgen nicht draufzahlen muss, ist richtig. Sie wissen ja, dass der sächsische Weg der ist, dass wir sagen, wir leben heute sparsam und achten aufs Geld, damit wir auch heute schon mehr Geld zum Beispiel für Soziales, Kultur oder Bildung zur Verfügung haben. Die Einsparquote liegt bei 700 Millionen Euro. Wir haben im Landeshaushalt 700 Millionen Euro mehr als die anderen neuen Bundesländer zur Verfügung, weil wir uns in den letzten Jahren nicht so stark verschuldet haben. Dieser Weg ist richtig. Wenn die Bundesregierung jetzt auch diesen Weg geht, ist das erst recht in Ordnung. Es kann ja nicht sein, dass ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland 40 Jahre lang mehr Geld

ausgibt als es einnimmt. Das weiß jeder Privathaushalt. Das kann nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber zu einer Bewertung aus sozialpolitischer Sicht kommen. Natürlich sind manche Punkte schmerzlich. Das sagt selbst die Kanzlerin. Ich glaube aber, insgesamt ist die soziale Balance gewahrt. Der Bundeshaushalt besteht bekanntermaßen zur Hälfte aus Sozialausgaben. Die Kürzungen beziehen sich nur auf ein Drittel. Das heißt, der Sozialbereich ist dabei unterdurchschnittlich weggekommen. Das ist auch so in Ordnung.

Ich kann auch nicht das Gerede vom Sozialabbau leiden, das immer von den Linken kommt. Man muss sich einfach einmal ansehen, wie sich die Sozialausgaben entwickelt haben. Sie lagen 1980 bei 18 % des Bundeshaushaltes, 1990 bei über 30 %, und wir sind jetzt bei den Sozialausgaben bei über 50 %. Da ist das Gerede vom Sozialabbau vollkommener Blödsinn.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der NPD: Das ist doch eine Milchmädchenrechnung!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Verehrter Herr Krauß, wie bewerten Sie den Umstand, dass im Zusammenhang mit dem aufgelegten Sparpaket von 26 Milliarden Euro in Spanien die internationalen Ratingagenturen Spanien um eine Stufe heruntergestuft haben?

Die zweite Frage, die ich habe: Wie bewerten Sie den Umstand, dass der US-amerikanische Notenbankchef vor 14 Tagen bei Herrn Schäuble war und ihn inständig gebeten hat, ein nicht so großes Sparpaket aufzulegen, weil wir uns damit konjunkturell nicht aus der Rezession herausbewegen werden? Wie bewerten Sie diese Umstände?

Sie haben richtig festgestellt haben dass Länder wie Spanien oder Griechenland im Rating sinken und damit höhere Zinsen zahlen müssen, weil jede Bank sagt, sie sind nicht so zuverlässig. Es ist nicht klar, ob sie das Geld zurückbekommen. Das ist ein ganz normales System. Ich kann uns nur raten aufzupassen, dass wir nicht in diese gleiche Spirale geraten und besser sagen, wir kommen mit dem Geld aus. Wir haben stabile Finanzen und sind in der Lage, auch später unsere Kredite zu bedienen. Deshalb ist die Sparsamkeit wichtig. Je mehr sie sich verschulden, umso höher sind die Zinssätze. Das ist die Logik der Finanzmärkte. Das sollten Sie einmal mit bedenken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Der Schwerpunkt, den die Bundesregierung gesetzt hat, ist richtig. Er heißt, wir wollen auf Bildung und Forschung

setzen, denn Bildung ist der Schlüssel für ein gelingendes Leben. Das ist die Voraussetzung dafür, dass man sein Leben eigenständig gestalten kann. Wenn jemand eine gute Bildung hat, wird er auch eine Arbeit bekommen. Er wird nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Deswegen ist das präventiv, es ist vorsorgende Sozialpolitik, wenn man auf Bildung setzt. Das ist gut so.

(Holger Apfel, NPD: Zynismus!)

Ich möchte aber auf ein paar Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben.

Heizkostenzuschuss für Arbeitslosengeld-II-Empfänger: Er ist eingeführt worden, als die Heizölpreise auf einem Hoch waren. Wir haben das nicht mehr. Deswegen ist es auch gerechtfertigt zu sagen, wir müssen sie nicht weiter zahlen. Klar ist aber auch, dass jeder seine Heizkosten ersetzt bekommt, wenn er Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist. Das hat mit dieser Regelung überhaupt nichts zu tun.

Herr Pellmann, das Problem ist: Wir können nicht für jemanden, der die Heizung im Winter aufdreht und gleichzeitig das Fenster öffnet, einen Kontrolleur schicken, der 24 Stunden am Tag vorm Fenster sitzt.

(Zuruf von der NPD: Das macht doch keiner!)

Die meisten machen das nicht. Darin sind wir uns einig. Aber es gibt leider auch welche, die das missbrauchen.

Das Thema Elterngeld: Das Absenken von 67 auf 65 % ist schmerzlich. Aber es ist auch kein Weltuntergang. Ich glaube, das kann man verkraften.