Protocol of the Session on June 16, 2010

Ich möchte mich auch bei Herrn Ulbig dafür bedanken, dass er uns eine erste Schadensbilanz nannte. Diesen Beitrag habe ich als wesentlich informativer für die Aktuelle Debatte empfunden als das, was ich bisher an Profilierungsreden der Vertreter der Koalition gehört habe.

(Christian Piwarz, CDU: Na, na, na!)

Meine Vorstellung von dieser Aktuellen Debatte ist, dass wir neben einem Bild, das uns der Staatsminister gezeichnet hat, auch Probleme ansprechen, die wir in den folgenden Wochen der Schadensbearbeitung noch sehen werden. Hierfür möchte ich die Aktuelle Debatte nutzen.

Es ist ein erstes Schadensbild vorgestellt worden. Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen, dass die Schadensermittlungen noch andauern. Das, was wir am Ende brauchen, um uns auch hier ein Bild machen und Maßnahmen einleiten zu können, ist ein ehrlicher Schadens- und Sachstandsbericht, nachdem diese Ermittlungen erfolgt sind. Deshalb bitte ich, dem Landtag einen solchen Bericht möglichst zeitnah, soweit sich alles ermitteln lässt, vorzulegen, damit wir dann auch im Rahmen der Haushaltsdiskussion über die Schäden und die damit verbundene finanzielle und organisatorische Hilfe für Betroffene sprechen können.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Heute Vormittag war so oft die Rede von Verbraucherschutz. Das, was man aus vergleichbaren Situationen kennt, ist, dass sich Betroffene – auch dieses Thema ist bereits angesprochen worden – nun mit ihren Versicherungen auseinandersetzen müssen. Wenn man sich vorstellt, wie es einem geht, wenn man vielleicht gerade die Hälfte des Hauses verloren hat und momentan nicht weiß, wo man bleiben soll, auch keine Vorstellung hat, wie man das alles jemals wieder aufbauen oder bezahlen soll, dann ist so eine Situation, als Betroffener mit einer Versicherung zu verhandeln, nicht einfach. Was wir oft erleben, sind unlautere Praktiken der Versicherungen, Pauschalentschädigungen anzubieten, indem sie sagen: Hier habt ihr eine konkrete Summe, kommt damit zurecht, und dann ist alles abgegolten. Hinterher stellen die Betroffenen fest, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen haben und in der Kürze der Zeit, in der sie so viel um die Ohren hatten, nicht gut beraten wurden.

Wenn wir über Verbraucherschutz reden und ihn ernst nehmen, dann müssen wir uns auch in diesem Fall Gedanken machen, wie wir als Freistaat Sachsen nicht nur mit dem Innenministerium, sondern auch mit anderen zuständigen Stellen dabei helfen können, dass die Betroffenen ihr Recht in den privatrechtlichen Auseinandersetzungen bekommen.

Als dritten Punkt möchte ich die Auffangrichtlinie ansprechen, die bereits genannt worden ist. Es ist wichtig, dass so etwas eingerichtet wird; aber ich bin mir nicht sicher, ob der derzeitige Umfang und die derzeitige Einschätzung zutreffend sind. Das, was wir haben – gerade im Bereich des Landkreises Meißen –, sind viele eingestürzte Bauten, die älteren Datums sind, also Scheunen mit Mörteldecken, die man nie wieder so bauen würde, wenn sie heute aufgebaut würden. Man muss nach dem Stand der Technik bauen und da unterschreiten die Versicherungssummen, die gezahlt werden, bei Weitem das, was für einen Wiederaufbau erforderlich ist.

Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir dafür sorgen, dass die Betroffenen eben nicht auf den Kosten sitzen bleiben? Ob dafür eine Auffangrichtlinie für Härtefälle reicht, wage ich zu bezweifeln, weil wir gerade im Landkreis Meißen ungeheuer viele Härtefälle in dieser Definition haben.

Der Ministerpräsident, die Staatsregierung und die Regierungskoalition sind in der Pflicht, all diese Fragen zu lösen und Verantwortung dafür wahrzunehmen. Wir bieten unseren Mitarbeitern dafür gern unsere Unterstützung an – sowohl im Interesse der Betroffenen als auch im Interesse des Freistaates Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Die Fraktion GRÜNE, bitte; Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich die Anteilnahme der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Opfer aussprechen. Ich möchte auch nicht versäumen, den vielen Rettungskräften und Helfern, die immer noch weiter im Einsatz sein werden – ich habe erst gestern eine Mail bekommen „Aufräumaktion im Seifersdorfer Tal“ –, ausdrücklich zu danken. Es ist ja eigentlich üblich, dass man als Oppositionsabgeordneter Dinge sucht, bei denen man die Regierung zu kritisieren hat.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist Ihr Denkmuster!)

Mir ist es jetzt allerdings – – Ganz ruhig, Herr Piwarz, ganz ruhig!

Ich wollte gerade sagen: Das ist nicht die Stunde und ich habe auch keinen Anlass, jetzt und hier die Staatsregierung zu kritisieren. Vielmehr haben wir den Eindruck, dass tatsächlich schnell und konsequent gehandelt wurde

(Beifall des Abg. Rolf Seidel, CDU)

und dass die entsprechenden Stellen vor Ort das ihnen Mögliche getan und in einer sehr engagierten und zupackenden Art und Weise gehandelt haben.

Es wurde hier schon das Programm der Staatsregierung angesprochen: die verschiedenen Richtlinien, die es gibt, die Privatkredite, die Kommunalkredite, die Auffangrichtlinie. Ich denke, zum jetzigen Zeitpunkt können wir keine Kritik anbringen. Es bleibt natürlich abzuwarten, ob es ausreicht; aber ich denke, das wissen Sie. Was Kollegin Friedel und Kollegin Lauterbach gesagt haben, ist natürlich richtig, aber wir haben derzeit eigentlich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass Sie entsprechend nachsteuern. Vielleicht können Sie, Herr Minister Ulbig, das noch einmal versichern.

Wir sollten bei diesen Themenbereichen – vielleicht erwarten Sie das auch von mir als GRÜNEM – noch ein Thema ansprechen, das beispielsweise auch in der „Torgauer Zeitung“ eine gewisse Rolle gespielt hat, nämlich die Frage: Ist der Tornado eine Folge des Klimawandels – ja oder nein? Ich habe in der „Torgauer Zeitung“ gelesen, dass ein Experte des Deutschen Wetterdienstes das verneint habe. Ich habe etwas nachgeforscht und festgestellt: Ja, der IPCC, also der UN-Klimarat, sagt: Es ist nicht davon auszugehen – so jedenfalls in der Meldung.

Ich habe daraufhin weitergesucht und bin auf ein Projekt des Bundesumweltamtes namens RegioExAKT gestoßen, das ist ein Forschungsprojekt; Herr Ulbig kennt es. Dort wird gerade im süddeutschen Raum, Großraum München – gesponsert von der Münchner-Rück-Versicherung –, ein Projekt gemacht, weil die genau wissen wollen: Wie sieht es am Münchner Flughafen mit den sich häufenden Tornados aus? Dort schließt man nicht aus – so viel kann man sagen, das ist der derzeitige Kenntnisstand –, dass ab 2030 bei zunehmendem Klimawandel das tatsächlich miteinander signifikant verknüpft werden kann.

Wir sollten auch diesen Aspekt im Hinterkopf behalten. Wir hatten viele Katastrophen in Sachsen – 2002, 2003, 2006, nun 2010 diesen Tornado. Ich fürchte, dass sich diese Ereignisse häufen werden und dass diese Ereignisse zunehmend auf diese Fragen zurückzuführen sein werden.

Ansonsten bedanken wir uns noch einmal herzlich bei den Rettungskräften, bei den Verantwortlichen. Wir werden den weiteren Ablauf verfolgen. Aber bisher haben wir keine Veranlassung, Kritik an Ihnen zu üben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Die NPD-Fraktion; Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Pfingstmontag fegte ein Tornado über die Region Großenhain und richtete Schäden an, wie man sie in Deutschland bisher nur aus den Katastrophenfilmen Hollywoods kannte. Bei dem Tornado mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde starb tragischerweise ein kleines Mädchen und ungefähr 50 Personen wurden verletzt. Viele Landsleute in und um Großenhain befürchten nun, Haus und Hof nie wieder in ihren Ursprungszustand versetzen und den Wiederaufbau wirtschaftlich nicht aus eigener Kraft stemmen zu können.

In den ersten Tagen nach Pfingsten erklärten Versicherungsvertreter vor laufenden Fernsehkameras noch, die Schäden der Betroffenen großzügig regulieren zu wollen. Nun, nachdem das Medieninteresse weitgehend abgeklungen ist, werden sich die Versicherungen jedoch einen zermürbenden bürokratischen Papierkrieg mit den Betroffenen liefern, um die Schadenssummen drücken zu können.

Nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ wird auch eine andere Strategie verfolgt: Die Versicherungsvertreter tauchen unvermittelt auf den Höfen der Betroffenen auf und wedeln mit Sofortschecks, um die Schäden pauschal zu regulieren. So wollen die Versicherer die Geschädigten mit möglichst wenig Geld abspeisen; denn wer sich auf eine solche Abfindungsregelung einlässt, ist von weiteren Zahlungen für Folgeschäden ausgeschlossen.

Hier steht auch die Politik in der Pflicht, Druck auf die Versicherungskonzerne auszuüben, damit die Geschädig

ten zu ihrem Recht kommen und den Wiederaufbau ihrer Häuser stemmen können. Manche Leute scheint dieser Glaube aber schon verlassen zu haben, weshalb sie – zumindest nach Medienberichten – etwa im besonders betroffenen Walda-Kleinthiemig ihre zerstörten Häuser zurücklassen und einfach wegziehen. Ob und wann die Versicherung zahlt, interessiert die Menschen viel mehr als symbolpolitische Besuche etablierter Politiker, darunter auch des Ministerpräsidenten, der eine geschlagene Woche Zeit brauchte, um sich ein eigenes Bild von den Sturmschäden zu machen.

Wenige Tage nach der Katastrophe wurde die Schadenssumme für die mehr als hundert beschädigten städtischen Gebäude in Großenhain auf mindestens 10 Millionen Euro geschätzt – darunter neben Verwaltungsgebäuden auch Turnhallen und Schulen. Die Kosten für die beschädigte Verkehrsinfrastruktur sind in dieser Zahl noch nicht enthalten.

Auf der letzten Sitzung des Verwaltungsausschusses des Kreistages Meißen wurde die Schadenssumme an kreiseigenen Gebäuden auf 1,4 Millionen Euro beziffert. Insgesamt – wir haben es schon gehört – wurden in der Region Großenhain annähernd 3 000 Häuser beschädigt und – ein etwas unterbelichteter Aspekt –: Allein an den Deichen in und um Riesa entstand nach Angaben der Landestalsperrenverwaltung ein Schaden von über 500 000 Euro.

Vor dem Hintergrund der Sturmschäden von über 10 Millionen Euro allein an den öffentlichen Gebäuden in Großenhain nimmt sich das Hilfsprogramm der Staatsregierung sehr dürftig aus. Insgesamt 5,5 Millionen Euro stellt sie für zinsverbilligte – wohlgemerkt: nicht zinsfreie – Darlehen der Sächsischen Aufbaubank zur Verfügung; inbegriffen sind auch die Zahlungen für besondere Härtefälle.

Aber wen wundert diese bescheidene Hilfssumme für die tornadoverwüstete Region angesichts der Milliardenverschwendung von deutschen Steuergeldern für die Bankenrettung, die Griechenland-Hilfe oder die Absicherung des Euro.

Nach dem entsprechenden Beschluss von Bundestag und Bundesrat steht Deutschland mit bis zu 148 Milliarden Euro für die Stabilisierung des schwächelnden Euro gerade. Wer so viel Geld für internationale Solidarität übrig hat, hat natürlich nur noch wenig Geld für nationale Solidarität übrig.

Umso beeindruckender ist aber die konkrete Hilfe, die die Großenhainer von ihren Landsleuten erhalten haben. Am Wochenende des 29./30. Mai waren nach Medienberichten über 800 freiwillige Helfer aus den umliegenden Gemeinden nach Großenhain zum Hilfseinsatz gekommen. Auch aus Westdeutschland meldeten sich THW- und Feuerwehrleute freiwillig zum Einsatz, um bei der Beseitigung der Sturmschäden zu helfen. Das erinnert in abgeschwächter Form an die großartige kollektive Kraftanstrengung nach dem Jahrhunderthochwasser im Sommer 2002 und geht über bloße Nachbarschaftshilfe weit hinaus. Es zeigt beeindruckend, dass trotz der Entsolidari

sierungspolitik der etablierten Parteien noch praktische nationale Solidarität unter den Menschen möglich ist.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Oooh!)

Damit die Öffentlichkeit über die genaue Schadenshöhe, den Fortgang der Aufräumarbeiten und die Wirksamkeit der finanziellen Hilfszusagen unterrichtet werden kann, hat die NPD-Fraktion eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gerichtet. Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, werden wir die Tornado-Katastrophe und ihre Folgen noch einmal im Landtag thematisieren; denn für uns als NPD ist klar: Nach diesem Drama darf nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen werden.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es vonseiten der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Wünscht die Staatsregierung noch einmal das Wort zu nehmen? – Herr Minister, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den zuletzt gehörten Beitrag kommentiere ich nicht.

(Jürgen Gansel, NPD: Nun machen Sie es doch!)

Ich möchte einige Punkte, die in der Debatte angesprochen worden sind, aufnehmen, um sie klarzustellen bzw. um aus der Sicht der Regierung eine kurze Antwort zu geben; denn ich denke, diejenigen, die sich tatsächlich mit dem Thema beschäftigt haben, haben darauf Anspruch.

Frau Lauterbach, wenn ich mit einer kurzen politischen Kommentierung einsteige, dann möchte ich zu dem Handeln des Ministerpräsidenten feststellen: Er hat tatsächlich ein Signal ausgesendet. Nachdem er vor Ort gewesen war, verabschiedete noch am gleichen Tag das Kabinett, das heißt die gesamte Staatsregierung, das schon genannte Hilfsprogramm. Das war ein ordentliches, sichtbares Zeichen in unser Land, speziell in die betroffenen Regionen hinein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bezüglich dessen, was Sie zur Kreditwürdigkeit von Privaten gesagt haben, möchte ich richtigstellen: Zuerst muss belegt werden, dass überhaupt ein Versicherungsvertrag besteht. Dann gibt es einen Stempel von der zuständigen Gemeinde als Nachweis der Betroffenen für die Lage im Schadensgebiet. Schließlich gehen wir mit der Absicherung des Kredites an jeden Rang im Grundbuch. Insofern spielt die Kreditwürdigkeit in keiner Weise eine Rolle. Das sollte in der Öffentlichkeit nicht falsch stehen bleiben.

Frau Friedel, was die Forderung nach einem Schadens- und Sachstandsbericht angeht, so können wir uns klar darauf verständigen, dass er von uns vorgelegt wird. Nach einem solchen Schadensereignis hat auch das Parlament Anspruch darauf. Grundlage für den Bericht sollten allerdings Zahlen und Fakten sein.

Von einigen Rednern sind Probleme mit der Versicherung angesprochen worden. Ich bin daran interessiert, über konkrete Fälle, so sie ihnen vorliegen, zu sprechen, gern auch im Nachgang. Uns sind solche Fälle nicht bekannt. Die SAB ist vor Ort. Wir haben eine Hotline geschaltet. Dort können sich auch betroffene Private beraten lassen. Wenn an der Auszahlung mit Schecks Kritik geübt wird, dann stelle ich dazu fest: Das ist bei Versicherungen durchaus üblich. Niemand soll über den Tisch gezogen werden. Nach unserer Kenntnis sind das Abschlagszahlungen, damit die Betroffenen schon erste Schäden bezahlen können. Wenn Sie andere Informationen haben, würde ich davon gern wissen.

Zu den Härtefällen sage ich ganz klar: Sie werden gerade gesammelt. Ihrer Lösung soll die Härtefall-Richtlinie dienen. Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass wir mit unserem Paket und dem Engagement der Menschen vor Ort tatsächlich allen Betroffenen helfen können.