Ich möchte gern hartnäckig bleiben, Herr Prof. Schmalfuß, weil meine Frage nicht beantwortet worden ist. Ich habe Sie gefragt, ob Ihnen
bekannt ist, dass sich seit 1993 bis heute die Studierendenzahlen bei gleichzeitiger Halbierung der Beschäftigtenzahlen verdoppelt haben.
Die Zahlen waren so, aber Sie wissen auch durch meine Kleinen Anfragen in der letzten Legislaturperiode, dass wir im Rahmen der Stellenbesetzung offene Professorenstellen von 5 bis 8 % hatten und dass von über 2 000 Professorenstellen, die im Freistaat Sachsen vorhanden waren, regelmäßig über 200 Stellen nicht besetzt gewesen sind. Diesbezüglich muss man natürlich fragen, wie es in der Vergangenheit passieren konnte, dass wir diese Stellen nicht besetzen konnten.
Ich möchte daran erinnern – ich beantworte immer noch Ihre Frage –, dass wir im Jahr 2009 – dazu gibt es eine Pressemitteilung vom 21.01.2009 – kooperative Studiengänge eingerichtet haben. Ich zitiere: „In Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium sind neue kooperative Studiengänge entstanden, die den Kammerabschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einem Bachelorstudium an einer Fachhochschule kombinieren.“
Ich beantworte immer noch die Frage. Herr Jurk sagte – ich zitiere –: „Das ist eine tolle, neue Möglichkeit, die gezielt den kleinen und mittleren Unternehmen helfen wird, ihren Bedarf an Führungskräften zu decken.“ – So der Wirtschafts- und Arbeitsminister Jurk, SPD. „Schon während des Studiums erwerben die jungen Frauen und Männer betriebsbezogene berufliche Fähigkeiten.“ Und jetzt kommt’s: „Für das Projekt stehen bis 2015 17,9 Millionen Euro zur Verfügung, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert werden. Mit Studienbeginn September 2009/2010 stehen rund 400 Studienplätze vor allem in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der Informatik zur Verfügung.“
Frau Stange, wissen Sie, wie viele Studenten dort aktuell studieren? Die Zielgröße für 2009 waren 208 Studierende, wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe. Aktuell haben wir 41 Studenten. Sie bieten eine Ausbildung über fünf Jahre an. Erst erlernen sie einen Beruf und dann studieren sie für 17,9 Millionen Euro. Wenn ich das runterrechne, wären das pro Ausbildungsplatz, wenn Ihre Zielgröße damals erreicht worden wäre, 44 750 Euro. Da es aber nur 20 % der Studierenden sind, nehmen wir das mal fünf und dann kostet ein Ausbildungsplatz 220 000 Euro. Ich frage Sie: Warum haben Sie in Ihrem Ministerium nicht die 17,9 Millionen Euro genommen und haben die entsprechenden Stellen geschaffen?
Ich habe jetzt zweimal gewartet und würde gern noch zu meinem letzten Satz kommen. Ich hatte die Staatsmodernisierung angesprochen. Zur Staatsmodernisierung gehören ebenso leistungsfähige und kraftvolle Hochschulstrukturen. Diese zukünftigen Strukturen werden die Koalitionsfraktionen schaffen.
Ich muss leider intervenieren – entschuldigen Sie, Frau Präsidentin –, weil man das so nicht im Raum stehen lassen kann. Herr Prof. Schmalfuß, Sie wissen ganz genau – und, ich denke, auch alle anderen im Raum –, dass es sich dabei um europäische Sozialfondsmittel gehandelt hat. Sie haben es gerade zitiert.
Diese Mittel dürfen für grundständige Aufgaben des Staates nicht eingesetzt werden. Die Schaffung von Studienplätzen ist eine grundständige Aufgabe des Staates. Deshalb war das ein Zusatzangebot, das leider aufgrund der Ausbildungsmöglichkeiten, die die Betriebe in der Krisenzeit nicht schaffen konnten, nicht in der Form umgesetzt werden konnte, wie wir uns das gewünscht hätten.
Ich würde gern auf die Kurzintervention von Frau Dr. Stange reagieren. Sie haben natürlich vollkommen recht, dass wir ESF- oder EFRE-Mittel nicht für den laufenden Betrieb verwenden können. Sie haben das ja in Ihrem Ministerium in der letzten Legislaturperiode gemacht, als es um die Finanzierung des Zweckverbandes Sächsische Industriemuseen ging. Ich hatte Sie in der Rede darauf hingewiesen.
Wir hätten aber die Mittel – diese 17,9 Millionen Euro – aus dem ESF nehmen und in den EFRE umschichten können. Sie hätten damit beispielsweise an der Berufsakademie Sachsen mehrere Gebäude errichten können. Das wäre sicherlich möglich gewesen. Für diese Maßnahmen können wir – das ist kein laufender Geschäftsbetrieb – die Mittel aus der Strukturfondsperiode verwenden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion empfiehlt eine Bestandsaufnahme der Lehrangebote, Forschungsaktivitäten, des Personalbestandes und der Betreuerrelation in den letzten zehn Jahren. Meine Damen und Herren, das alles liegt doch längst vor oder lässt sich problemlos bei den Hochschulen abrufen.
Wie schon gestern erwähnt, haben wir in den letzten zehn Jahren einen erheblichen Teil unserer Zeit damit verbringen müssen, Leistungsbilanzen aufzulisten, jede Forschungsregung zu dokumentieren und die Lehre immer wieder zu evaluieren. Wir haben Anträge schreiben müssen, um etwas Geld zu bekommen.
Die Frage nach Doppel- und Mehrfachangeboten scheint darauf hinzudeuten, dass man auf Synergieeffekte hofft – also dass man auf diesem Wege Geld sparen möchte –, indem man Hochschulen fusioniert, Standorte schließt usw. Dass es auch neue und vielversprechende Initiativen geben kann, zum Beispiel die Berufsakademie in Plauen, sollte dabei nicht untergehen,
Nicht nur in Sachsen, aber auch hier wurden jahrelang Professorenstellen eingespart, nicht besetzt, und gleichzeitig wurde behauptet, man strebe eine bessere Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studierenden an. Im Bildungsbericht lässt sich nachlesen, dass sich die Betreuungsverhältnisse immer weiter verschlechtert haben. Immer häufiger wird ein Teil der Lehre von „Lehrkräften mit besonderen Aufgaben“ und Lehrbeauftragten wahrgenommen. Das Besondere dieser Lehrkräfte besteht darin, dass sie sehr gering bezahlt werden und eine hohe Stundenzahl ableisten müssen. Die Universitäten haben die Aufgabe, Bildung durch wissenschaftliches Arbeiten zu vermitteln.
Der 2006 verstorbene Historiker Reinhart Koselleck, ein international anerkannter Wissenschaftler, hat einmal die Hauptaufgabe eines Historikers so formuliert – ich zitiere –: „zunächst einmal davon auszugehen, dass immer alles anders war als gesagt“. Diese Regel trifft fast immer zu, meinte er. Die zweite Regel sei, „dass alles immer anders ist als gedacht“. Wenn man diese Regeln kennt, dann hat man etwas gelernt. Dann muss man immer neu fragen, wie es dahinter aussieht, wenn es anders war als gesagt und anders ist als gedacht.
Sehen Sie, das ist deutsche Wissenschaftstradition: zu fragen, wie es dahinter eigentlich aussieht. Das ist die professionelle Skepsis, die das Selbstbewusstsein mit Selbstkritik verbinden kann.
Im Prozess der Vermarktwirtschaftung unserer Universitäten scheint genau das unterzugehen. Genau das fehlt unseren Universitäten immer mehr. Wenn Studierende zu
Kunden und Professoren zu Kostenstellen werden, wenn Rektoren zu Vorstandsvorsitzenden und Dekane zu Abteilungsleitern mutieren – mit deutlich erhöhtem Salär –, dann ist etwas faul an unseren Universitäten.
Universitäten sind Stätten des Geistes und keine Zulieferfirmen für den sächsischen Beschäftigungs- und Arbeitsmarkt, wie Sie zu glauben scheinen.
(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD – Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Oh Gott!)
Selbstverständlich hat Exzellenzforschung etwas mit Finanzierung zu tun. Der Dekan der Fakultät für International and Area Studies der Staatlichen Universität in Berkeley antwortete auf die Frage nach dem entscheidenden Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Universitäten: „Es mag etwas grob klingen, aber es ist das Geld.“ Deutsche Spitzenuniversitäten verfügen über circa 28 % der Einnahmen von Berkeley.
Meine Fraktion hat Ergänzungsvorschläge für die Fortschreibung des Sächsischen Hochschulentwicklungsplanes unterbreitet. Es sind durch die Bank, wenn Sie so wollen, „konservative“ Vorschläge, wie überhaupt die alten Feindbilder zu wanken scheinen. Diese Vorschläge basieren auf den guten Erfahrungen, die deutsche Hochschulen in der Vergangenheit mit einer Stärkung der Mitbestimmung, also dem sozialen Miteinander von Lehrenden und Lernenden, gemacht haben.
Meine Fraktion plädiert für die Rückkehr zu überkommenen Wertesystemen an der Universität. Ist nicht etwas verschoben in diesem Wertesystem, wenn ein Forschungsbericht „Produktinformation“ heißt?
Meine Fraktion plädiert implizit – wie die Bundeskanzlerin – gegen das Rasenmäherprinzip, eine Fortsetzung dieses Rasenmäherprinzips bei Einsparungen, ein Verfahren, das wir seit Jahren praktizieren. Immer noch ein bisschen und noch ein bisschen – da stellt sich die Frage: Geht das denn noch?
Die absolute Priorität von Bildung und Forschung im Interesse der nächsten Generationen erfordert den mutigen Schritt, diese Bereiche von den Sparmaßnahmen auszunehmen und an anderen Stellen schmerzhafte Einschnitte vorzunehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute nicht einfach, diese Debatte mit der Regierungskoalition zu führen. Zum einen sicherlich, weil hier teilweise eine Geschichtsstunde
abgehalten wird oder jeder einmal seine Privatprojekte – Stichwort BA – abfeiert. Zum anderen aber, weil vor allem in den letzten Tagen nicht klar war, was die Regierungskoalition in der Bildungspolitik eigentlich will.