Protocol of the Session on April 28, 2010

Bitte, Frau Kollegin Stange.

Herr Colditz, Sie haben gesagt, die Schüler sollen in Klasse 5 und 6 an den Mittelschulen jetzt besser gefördert werden. Vielleicht können Sie dazu nähere Ausführungen machen, denn das ist mir bisher nicht bekannt. Bisher ist mir nur bekannt – vielleicht ändert sich daran etwas –, dass die Schüler in Klasse 6 keine zweite Fremdsprache erlernen und dass ein Teil der Schüler die Leistungen in Englisch gar nicht erbringen kann, um den Notendurchschnitt in Klasse 6 für die Bildungsempfehlung zu bekommen. Vielleicht können Sie etwas zu den entsprechenden Förderelementen sagen.

In meinem Redebeitrag habe ich darauf verwiesen, dass es in Klasse 5 und 6 angedacht ist,

Leistungsgruppen einzurichten, die der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern gerecht werden sollen. Die Fremdsprachen betreffend, muss dann selbstverständlich gewährleistet werden – das soll auch unser Anliegen sein –, die zweite Fremdsprache ab Klasse 6 an den Mittelschulen anzubieten. Das ist seit Längerem in der Diskussion und ein Anliegen, das wir weiter verfolgen werden.

Frau Falken, Sie sprachen davon, dass die Öffentlichkeit nicht ausreichend beteiligt worden sei. Ich erinnere noch einmal an die Stellungnahmen vom Sächsischen Lehrerverband, vom Philologenverband, also von den Lehrern, die besonders mit der gymnasialen Ausbildung befasst sind. Es kamen von dort deutliche Signale, dass mit dem Durchschnitt von 2,5 kein optimaler Bildungsweg gestaltet werden kann und dass damit eine Schwächung der Mittelschule und des Gymnasiums gleichermaßen verbunden ist.

Die Öffentlichkeit betreffend, habe ich eingangs gesagt, dass wir diese Debatte gerade deshalb führen, um eine öffentliche Diskussion zu ermöglichen. Denn damit kann auch die Öffentlichkeit ihre Bedenken äußern. Im Übrigen gibt es ein Anhörungsschreiben des Kultusministeriums an verschiedene öffentliche Institutionen, wodurch es möglich wird, unterschiedliche Positionen entsprechend zu berücksichtigen.

Eine Sache möchte ich noch ausräumen: Frau Falken, Sie sprachen davon, dass die Einrichtung von Leistungsgruppen der Tatsache gleichkäme, dass damit Haupt- und Realschulgruppen schon in Klasse 5 und 6 gewährleistet würden. Liebe Frau Falken, an irgendeiner Stelle müssen Sie sich mal dazu bekennen, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie, wie Sie es immer wieder eingefordert haben, tatsächliche, individuelle Förderung an unseren Schulen? Diese findet nämlich über die Leistungsgruppen statt. Oder wollen Sie das nicht? Aber dann so tun, als ob, wenn wir das realisieren und die individuelle Förderung umsetzen, wir dann wieder in Haupt- und Realschulgruppen unterteilen würden, ist eine Unterstellung, die so nicht stimmt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Für die Fraktion der CDU sprach Kollege Colditz. Die FDP signalisiert keinen Redebedarf. Die Fraktion DIE LINKE ist an der Reihe; Frau Kollegin Falken, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich noch einmal auf meinen Vorwurf der Konzeptionslosigkeit eingehen, den ich vorhin gebracht habe. Ich denke, Konzeptionslosigkeit zeigt sich darin, dass nicht klar formuliert wird, wie sich die Staatsregierung oder die Koalition vorstellen, wie es umgesetzt werden soll. Frau Dr. Stange hat eben noch einmal nachgefragt, Herr Colditz. Das war keine Beantwortung der Frage, sondern es war wieder so ein Herumlavieren.

Was sind Leistungsgruppen? Das ist nach meiner Auffassung eine äußere Differenzierung von Schülern und damit eine klare Einstufung von Haupt- und Realschülern ab Klasse 5. Eine individuelle Förderung, Herr Colditz – das wissen wir beide doch ganz genau –, sieht doch ganz anders aus. Die kann und muss man anders gestalten. Auf dieser Forderung beharren wir nach wie vor als Linke. Da gibt es überhaupt keine Diskussion. Dann schreiben Sie es aber doch so hinein. Wenn Sie Leistungsgruppen hineinschreiben, ist es für alle sofort eine äußere Differenzierung und damit eine Trennung schon ab Klasse 5, Schwächere und nicht Schwächere oder Gute und nicht Gute zu trennen, wo wir genau wissen – das ist wissenschaftlich nachgewiesen –, dass man in einer 4. oder 5. Klasse nicht sagen kann, wie eine Schullaufbahn eines Kindes wirklich aussieht. Das ist zu früh, das ist eindeutig zu früh. Gehen Sie deshalb den Schritt, nehmen Sie das auf, und überdenken Sie die Entscheidung, die Sie hier getroffen haben oder treffen werden, ganz genau!

Konzeptionslos ist auch ganz klar. Sie können doch nicht eine Bildungsempfehlung ab Klasse 6 einführen, wenn Sie genau wissen, dass die zweite Fremdsprache in der Klasse 6 noch gar nicht in allen Schulen eingeführt ist. Ich habe den Kultusminister dazu in der Schulausschusssitzung gefragt, wie wir im Freistaat Sachsen realisieren werden, dass an allen sächsischen Mittelschulen die zweite Fremdsprache ab Klasse 6 eingeführt wird, weil – hören Sie zu, liebe Kollegen der CDU! – das Personal kostet. Sie müssen zusätzlich Personalstellen im Haushalt dafür einstellen, wenn Sie das wirklich machen wollen.

(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Der Kultusminister hat uns geantwortet, dass er noch nicht sagen kann, ob er das mit der zweiten Fremdsprache schafft, weil es davon abhängig ist, wie die Abgeordneten den neuen Haushalt gestalten. Da haben wir uns ja wieder im Kreis gedreht. Ich muss doch erst die Voraussetzungen schaffen, damit ich dann eine entsprechende Veränderung vornehmen kann.

Aus unserer Sicht ist auch wichtig, dass nicht nur die zweite Fremdsprache ab Klasse 6 an den Mittelschulen eingeführt wird, sondern dass auch die Wahlmöglichkeit in der 10. Klasse, bezogen auf Geschichte und Geografie, wieder abgeschafft wird, um hier den Schülern fundiertes Wissen mitzugeben.

Ein Bereich, der viel zu selten in diesem Landtag und auch im Schulausschuss eine Rolle spielt, ist die kulturelle, musische Erziehung. Auch da fordern wir vorm Kultusministerium, dass die Wahlmöglichkeiten in Klasse 10, wo die Schüler zwischen Kunst und Musik wählen müssen, wieder abgeschafft werden.

Wir sind auch der Auffassung, dass die Astronomie wieder eingeführt werden muss – ein ganz wichtiges, entscheidendes Fach, das naturwissenschaftliche Fächer bündelt.

Zu diesen 15 %, die jetzt herumgeistern, haben wir leider im Schulausschuss kein Material bekommen – ich hoffe,

dass wir es noch erhalten –, in dem der Kultusminister festgestellt hat, dass 15 % der Schüler an die Mittelschule gehen. Die gehen übrigens nicht zurück, die waren noch nie an der Mittelschule, weil sie aus der Grundschule kommen. Diese 15 % der Schüler, die an die Mittelschule gehen, sind doch ein deutlicher Beweis dafür, dass die Schüler viel zu früh nach der 4. Klasse auf das Gymnasium geschickt werden. Daher fordern wir eine richtige Reform, eine gründliche Reform. Im Interesse der Schüler wäre ganz klar das längere gemeinsame Lernen und nicht solch eine konzeptionslose Reform.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Abg. Falken. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Die CDU hat keinen Redebedarf mehr. Die Staatsregierung hat das Wort. Herr Staatsminister Wöller, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren! Wir wollen die Bildungschancen für Kinder und Jugendliche verbessern. Wir wollen die Eigenverantwortung der Eltern stärken. Das tun wir, indem wir unser bewährtes sächsisches Schulsystem weiterentwickeln.

In der heutigen Diskussion geht es um den ersten Schritt. Es geht um die veränderte Bildungsempfehlung. Sie ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung unseres sächsischen Schulsystems.

Ich möchte gern in Erinnerung rufen, wie die Lage 2005 war. Damals war in der Tat der Zugang zum Gymnasium erleichtert worden. Im Ergebnis hatten wir dann 15 Prozentpunkte mehr Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium. Man könnte sagen, dass das Ziel erreicht ist. Wir haben uns ja selbst das Ziel gesetzt, mehr Schüler mit dem Abitur zu erreichen. Aber für uns zählt jeder. Das heißt nicht nur, dass jeder einen optimalen Abschluss bekommt, der möglichst hoch ist, sondern dass jeder auch die Möglichkeit hat, seinen optimalen Weg zum Abschluss zu gehen.

Der Weg zum Abitur war für viele erfolgreich, ist auch für viele erfolgreich. An dieser Stelle möchte ich einmal hervorheben, dass diejenigen, nämlich die Pädagogen, die diese Einschätzung treffen, im Übrigen nicht nur aufgrund einer Note, sondern aufgrund eines intensiven Beratungsgespräches, das bereits in der Klassenstufe 3 einsetzt und aufgrund der Abschätzung des Lern- und Arbeitspotenzials für den einzelnen Schüler erfolgt, ihre Prognose erfolgreich treffen.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Denn die meisten, meine Damen und Herren, gehen ihren Weg erfolgreich. Deswegen geht mein Dank auch an die Grundschullehrer. Aber für viele ist dieser Weg nicht erfolgreich. Wenn wir von unserer Maxime – jeder zählt –

tatsächlich ausgehen wollen, dann sind es einfach noch zu viele, die aufgrund einer fehlinterpretierten Bildungsempfehlung eine falsche Bildungslaufbahn einschlagen und deswegen Misserfolge erleben.

In der Tat ist es so – Kollege Colditz hat darauf hingewiesen, wir haben es beobachtet –, dass im letzten Jahr 1 300 Gymnasiasten, die mit einer Bildungsempfehlung auf das Gymnasium gegangen sind, entweder die Klasse wiederholen oder auf die Mittelschule gehen mussten. Das sind etwa 4 bis 5 % insgesamt, und bei denjenigen, die mit der Bildungsempfehlung von 2,5 auf das Gymnasium gegangen sind, sind es dreimal mehr. Das sorgt für Frustration und Demotivation. Das haben diese Kinder nicht verdient.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Staatsminister?

Ja, bitte.

Bitte, Ihre Zwischenfrage, Frau Kollegin Stange.

Sehr geehrter Herr Wöller! Können Sie mir bitte sagen, auf welcher Grundlage diese Zahlen ermittelt worden sind, da die Antwort auf unsere Kleine Anfrage ja gelautet hat, diese Daten, sprich die Bildungsempfehlung von 2,5, werden nicht erfasst?

Diese Beobachtung haben wir gemacht. Wir haben natürlich die Jahrgänge fortlaufend angesehen und auch die Gespräche und die Rückmeldungen von den Lehrern beachtet. Das haben wir zusammengefasst, sodass es so ist, dass ein Kind, das mit einer Bildungsempfehlung von 2,5 auf das Gymnasium gegangen ist, eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit hat, entweder das Klassenziel nicht zu erreichen oder dann auf die Mittelschule zu gehen. Das sind die klaren Erkenntnisse, die wir im Laufe der jüngeren Vergangenheit gewonnen haben und die dazu geführt haben, dass wir jedem Kind nicht nur den optimalen Abschluss, sondern auch den richtigen Weg weisen wollen.

Herr Staatsminister, es gibt hier noch eine Nachfrage. Lassen Sie diese zu? –

Ja, bitte.

Ich will das für mich übersetzen. Beobachtung heißt also nicht, wissenschaftliche Untersuchung, das können Sie gern dementieren. Meine Frage zielt auf etwas anderes: Ist Ihnen bekannt, dass auch im Schuljahr 2006/2007 circa 1 300 Schüler vom Gymnasium an die Mittelschule gewechselt sind? Das hatte zu diesem Zeitpunkt nichts mit der veränderten Bildungsempfehlung zu tun.

Wir beobachten natürlich im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Rückmeldungen der Lehrer sehr sorgfältig und auch, was die Bildungsempfehlung insbesondere betrifft, die Durchlässigkeit unseres Schulsystems. Es gehen nicht nur Schüler vom Gymnasium auf die Mittelschule, sondern auch von der Mittelschule aufs Gymnasium. Man kann darüber diskutieren, ob es nicht mehr sein sollten. Das spricht aber generell für die Durchlässigkeit unseres Systems. Es wird darüber diskutiert, das ist ja richtig.

Ich möchte Ihnen gern noch einmal ein Zitat von Herrn Blazejezyk entgegenhalten, der Schulleiter ist. Er hat gesagt, dass er diese Entscheidung, die 2,0, als gesamtgesellschaftlich sinnvoll wertet. Das ist eine Stärkung der Mittelschulen. Wir bekommen dort wieder eine neue Leistungsspitze. Für Mädchen und Jungen, die mit 2,5er Schnitt an das Gymnasium kamen, besteht eine erhöhte Gefahr, in der 7. Klasse wieder an die Mittelschule wechseln zu müssen. Das deckt sich genau mit unseren Überlegungen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Er ist nebenher noch Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat von Hoyerswerda, und deswegen kann man sagen, der Mann teilt unsere Auffassung und er hat recht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Es gibt eine weitere Zwischenfrage, Herr Staatsminister.

Nein, jetzt nicht. Sie hatten im Rahmen der Aktuellen Debatte Gelegenheit; jetzt möchte ich gern in meinen Ausführungen fortfahren.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Meine Damen und Herren, wir tragen für diese Kinder genauso Verantwortung wie für alle anderen, wenn wir sie auf einen verfehlten Bildungsgang schicken. Deswegen ist die Frage nicht, komme ich auf ein Gymnasium, sondern die Frage muss sein: Welcher Weg zum Abitur ist der richtige für mich?

(Beifall bei der CDU und der FDP)