Thomas Colditz

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Schneeberg muss sich wehren. Aber nicht gegen ein Asylbewerberheim, mit dem die Schneeberger über Jahre hinweg immer schon gelebt haben, sondern gegen ein Image der Menschenfeindlichkeit, und dieses Image ist von den Kundgebungen, die die NPD vor Ort organisiert hat, ausgegangen.
Meine Damen und Herren! Ja, an dieser Kundgebung haben auch Schneebergerinnen und Schneeberger teilgenommen. Es sind Menschen, die Vorbehalte, Ängste und Fragen zu diesem Asylbewerberheim haben. Damit muss umgangen werden, es muss Aufklärung erfolgen, und es müssen Informationsveranstaltungen stattfinden.
Aber ich finde es unerträglich, meine Damen und Herren, die Ängste und Vorbehalte von Menschen für politische Aufmärsche
und dafür, die eigene parteipolitische Vorstellung im Land salonfähig zu machen, zu instrumentalisieren. Meine Damen und Herren, das ist unerträglich!
Meine Damen und Herren, ich halte es durchaus für legitim – das hält eine Demokratie auch aus –, dass wir zur Asylpolitik unterschiedlichste Meinungen haben, die von weit rechts bis weit links reichen. Das ist in der Diskussion alles legitim. Aber es ist meines Erachtens geradezu perfide, meine Damen und Herren, diese Auseinandersetzung auf dem Rücken von Menschen auszutragen, die mittlerweile bei uns angekommen sind und um Hilfe ersuchen.
Da werden diese Menschen – ohne, dass man sie kennt – als Kriminelle und Asylmissbräuchler stigmatisiert.
Jetzt schauen wir doch einmal in die Einrichtungen hinein, meine Damen und Herren: Nahezu 50 % der dort angekommenen Menschen sind Kinder unter 13 Jahren – unter 13 Jahren!
Meine Damen und Herren, jetzt frage ich Sie alle miteinander – auch Sie sind Mütter und Väter –: Welche Mutter oder welcher Vater auf der ganzen Welt mutet es seinem Kind zu, die Heimat zu verlassen und ins Ungewisse zu gehen, wenn dahinter nicht eine wirkliche Not steht?
(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der NPD – Gegenruf von der CDU: Halt‘ die Klappe! – Gegenruf von der NPD: Sag' das doch euren Schreihälsen! Proleten!)
Meine Damen und Herren, deshalb ist es wichtig, dass es auch andere Signale aus Schneeberg gibt. Es gibt Friedensgebete, zu denen wir Christen uns versammeln und ein Zeichen für Nächstenliebe und für Toleranz setzen. Es gibt mittlerweile auch Besuche, die nicht von den Medien begleitet werden, obwohl sich Menschen aufmachen in das Heim – mit Spenden, mit Kleiderspenden, mit Spielzeug, Kontakt herstellen, Verständigung herbeiführen. Es gibt auch das überparteiliche Bündnis der Mitmenschlichkeit, das nicht aufgesetzt, sondern aus der Region heraus gewachsen ist.
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle einen Satz sagen, den wir zur Kenntnis nehmen müssen und den ich in gewisser Weise auch selbstkritisch sage.
Sicherlich wäre es möglich gewesen, mit einer vergleichsweise besseren Kommunikation – auch bei allem Handlungsdruck, der in Chemnitz entstanden ist – die Probleme, die sich hier aufgestaut haben, zu umgehen. Wir können – das sollte für die Zukunft für uns gemeinsam bedacht werden – eine Willkommenskultur nicht nur propagieren oder einfach nur voraussetzen; diese Willkommenskultur muss wachsen. Und sie kann wachsen – wenn wir die Menschen mitnehmen, meine Damen und Herren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dies auch in Schneeberg gelingen wird.
Deshalb gestatten Sie mir zum Schluss ein sehr persönliches, ein ganz unpolitisches Wort. – Hören Sie doch einfach mal zu! – Meine Damen und Herren, ich wohne im Erzgebirge und ich bin dort verwurzelt; deshalb dieses sehr persönliche Wort. Das ist kein frommes Anhängsel, sondern meine zutiefst ehrliche Meinung dazu.
Am Sonnabendabend, um 18 Uhr, wird wieder ein Signal von Schneeberg ausgehen. Schneeberg wird hell erleuchtet sein – aber nicht durch den Schein von Fackeln, sondern durch den Schein von Lichtern, die in den Fenstern stehen.
Meine Damen und Herren, das ist kein falsches Pathos, sondern das ist Realität. Weihnachten und die Botschaft von Weihnachten ist bei den Erzgebirgern tief verwurzelt, und sie prägt auch unser menschliches Miteinander – unter uns selbst und auch zu Außenstehenden. Ich bin der
festen Überzeugung, dass uns dieses Miteinander und dieses Verständnis, das über Weihnachten hinausreicht, helfen werden, auch diesen dunklen Konflikt zu lösen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Diskussion zu diesem Gesetzentwurf möglicherweise nicht die Spannkraft einer schulpolitischen Debatte beinhaltet, freue ich mich doch, aus regionaler Sicht zu diesem Antrag reden zu können.
Der vorliegende Gesetzentwurf regelt abschließend und nach mittlerweile relativ langwierigen Verhandlungen die Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund und den neuen Ländern.
Besagter Artikel sieht die hälftige Aufteilung des vom Bund treuhänderisch verwalteten Finanzvermögens
zwischen dem Bund und den neuen Ländern vor. Problematisch war im Laufe der Zeit die unauflösbar unterschiedliche Rechtsauffassung des Bundes und der Länder zu einzelnen Vermögensmassen. Über mittlerweile zehn Jahre hinweg war es nicht gelungen, die divergierenden Rechtsauffassungen zusammenzuführen. Abhängig vom jeweiligen Rechtsstandpunkt stand einem Überschuss von etwa 3,5 Milliarden Euro aufseiten der Länder ein Fehlbetrag von rund 4 Milliarden Euro auf der Positionsseite des Bundes gegenüber.
Meine Damen und Herren! Die Alternative zum jetzt vorliegenden Staatsvertrag wäre eine weiter fortzusetzende rechtlich ungewisse Auseinandersetzung gewesen, die zu einem weiteren, möglicherweise nicht zu rechtfertigenden materiellen und zeitlichen Aufwand in der Auseinandersetzung geführt hätte. Insofern mag die vorliegende Vereinbarung ein Kompromiss sein, aber mit Blick auf die
bislang vollzogene Auseinandersetzung auch ein wünschenswerter und durchaus nachvollziehbarer Schritt nach vorn.
Es ist gelungen, einen rechtlichen und sachlichen Themenkomplex letztlich einvernehmlich zu regeln. Bestehende Milliardenforderungen aus Bundessicht konnten abgewendet und strittige offene Vermögensfragen weitestgehend geklärt werden. Die Beilegung erheblicher Bewertungsdifferenzen und die jetzt erzielte Nulllösung sind ein politisch tragfähiger Kompromiss für alle beteiligten Seiten.
Mit Blick auf den Artikel 3 und das darin vereinbarte gesonderte Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Freistaat Sachsen zur Sanierung von WismutAltlasten ist der Vertrag aber aus sächsischer Sicht mehr als nur ein Kompromiss. Er ist auch ein Erfolg. Dies sollte nicht nur von der Erzgebirgsregion, sondern auch von anderen Regionen, die von diesem Problem nicht unmittelbar betroffen sind, so gesehen werden.
Ich denke, in dieser Relation sollte man auch die Stellungnahmen des Landkreistages und des Sächsischen Gemeindetages zum Staatsvertrag bewerten. Unstrittig ist, dass insbesondere die Erwartungshaltung der kommunalen Ebene bezüglich der noch nicht geordneten Vermögensgegenstände im vorliegenden Staatsvertrag nicht umfänglich befriedigt wird. Dies wird auch in den Stellungnahmen des SSG und des Landkreistages deutlich.
Gleichwohl hat der Bund zugesagt, insbesondere bei der Zuordnung von noch nicht zugeordneten Grundstücken über die Bundesanstalt für Immobilienfragen vermittelnd tätig zu werden. Dies wird sicherlich zu beobachten und zu unterstützen sein. Auch wenn dies nicht die durch die Kommunen geforderte und wünschenswerte eindeutigere gesetzliche Regelung ist, kann dieser erreichte Kompro
miss meines Erachtens durchaus als Fortschritt in der geführten Verhandlung gesehen werden.
Nicht unerwähnt kann auch bleiben, dass es keinen Erlösauskehr vollzogener Grundstücksverkäufe an den Bund, zu denen die Kommunen bislang berechtigt waren, geben wird. Diese Position hat sich im Laufe der Zeit – auch seitens des Bundes – durch das Verhandlungsgeschick von Ländern und Kommunen geändert, genauso wie der Verzicht des Bundes auf ein Gesetz über die Aufteilung des Bodenreformvermögens. Dies hätte allein für Sachsen eine Summe von 20 Millionen Euro bedeutet.
Meine Damen und Herren, weit mehr – und gerade auch für die sächsische Region und für bestimmte Landesteile ein echter Fortschritt – sind die Regelungen, die im Artikel 3 zum Aufwand ehemaliger Wismut-Standorte getroffen worden sind. Der Bund und der Freistaat Sachsen bekennen sich in Verknüpfung mit diesem vorliegenden Staatsvertrag zu einem gesonderten Verwaltungsabkommen zur Sanierung der sogenannten WismutAltlasten.
Dieses ergänzende Verwaltungsabkommen hat eine große Bedeutung für alle Regionen, für alle Kommunen, die noch ehemalige unsanierte Wismut-Standorte haben. Nach über 20 Jahren sehr intensiver Sanierungsarbeiten des Bundes wird damit eine Lücke geschlossen, die durch die bislang geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen entstanden ist. Es war in den zurückliegenden Jahren Anliegen jeder Staatsregierung in Sachsen und der jeweiligen sächsischen Regierungsverantwortlichen von CDU, SPD und FDP, aber auch der regionalen Verantwortungsträger, diesem Anliegen abschließend gerecht zu werden, und dies möchte ich an dieser Stelle würdigen.
Ich darf aber auch kurz auf die Genese dieser vollzogenen Entwicklung eingehen. Die Grenzen der Sanierungsverpflichtung der Wismut GmbH aus reinen Bundesmitteln ergeben sich bekanntermaßen aus dem Wismut-Gesetz. Danach fallen die sogenannten Wismut-Standorte, die im Wesentlichen bis zum 31. Dezember 1962 stillgelegt worden sind, nicht in die Sanierungsverpflichtung der Wismut GmbH. Gleichwohl sehen der Bund und der Freistaat Sachsen die Sanierung der Wismut-Altstandorte als herausragende gesellschaftliche Aufgabe an.
Zu diesem Zweck haben der Bund und der Freistaat Sachsen für die sächsischen Wismut-Altstandorte bereits 2003 ein Verwaltungsabkommen mit einer Laufzeit bis 2012 abgeschlossen. Beide Seiten haben bis Ende 2012 jeweils 39 Millionen Euro für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt. In diesem benannten Zeitraum sind insgesamt 259 Maßnahmen in über 40 Regionen bzw. Gemeinden realisiert und damit auch Perspektiven für eine gefahrlose Nachnutzung eröffnet worden. In die Planung und Sanierung wird eine Vielzahl mittelständischer und regional ansässiger Baufirmen sowie Ingenieurbüros einbezogen. Dadurch ergibt sich nicht nur eine Sanierungsmöglichkeit für diese Standorte, sondern es ist damit auch eine echte Wirtschaftsförderung für die Region verbunden.
Für künftige Jahre hat der Freistaat Sachsen den restlichen Finanzierungsbedarf mit 138 Millionen Euro zur abschließenden, endgültigen Sanierung der Wismut
Altstandorte ermittelt. Vor diesem Hintergrund verständigten sich Bund und Freistaat auf die Fortführung durch ein ergänzendes, fortführendes Verwaltungsabkommen. Bis 2022 sollen jeweils weitere 69 Millionen Euro hälftig von Bund und Freistaat Sachsen in die Stilllegung, Sanierung und Rekultivierung von Wismut-Altstandorten fließen. Die abschließende Zustimmung zum ergänzenden Verwaltungsabkommen „Wismut-Altstandorte“ macht der Bund von der abschließenden Aufteilung des Finanzvermögens nach Artikel 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages abhängig.
Mit Inkrafttreten des ergänzenden Verwaltungsabkommens „Wismut-Altstandorte“ wird die Wismut GmbH in die Lage versetzt, die Arbeiten an den sächsischen Wismut-Altstandorten weiter kompetent und verantwortungsvoll bis zum Jahr 2020 fortzuführen und sie dann – Gott sei Dank – endgültig abzuschließen.
Ich hatte bereits gesagt, dass dieses Abkommen von großer Bedeutung, insbesondere für die Erzgebirgsregion, ist, hier insbesondere für die arg gebeutelte Region Johanngeorgenstadt, die allein mit 15 Millionen Euro an diesem Vorhaben partizipiert und damit letztlich auch eine strukturelle und wirtschaftlich unabdingbare Unterstützung erfährt. Aber auch Standorte in Schneeberg, Aue und Breitenbrunn, Annaberg und Wolkenstein sowie Oberwiesenthal werden von diesen in Aussicht gestellten Mitteln profitieren. Damit kann in den kommenden Jahren wohl ein über lange Zeit und auch nach 1990 fortdauerndes Problem endlich gelöst werden.
Dies ist meines Erachtens auch eine durchaus bemerkenswerte Solidarleistung des Bundes und des Freistaates für die betroffenen Gebiete. Deshalb an dieser Stelle auch aus regionaler Sicht noch einmal Dank für das Engagement all derer, die sich um diese Abkommen bemüht haben – um das erste Abkommen genauso wie um das jetzt nachfolgende. Ich möchte Sie bitten, dass wir überfraktionell – auch vor dem Hintergrund der Bedeutung, die dieses Folgeabkommen in Ergänzung zum Staatsvertrag hat – diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen inhaltlichen Anmerkungen komme, möchte ich zunächst eine Vorbemerkung anbringen: Ich denke, wir können gemeinsam davon ausgehen – das ist sicher auch bei der Opposition unstrittig –, dass sich in den letzten Jahren in Sachsen eine vielfältige Angebotsstruktur für die berufliche Erstausbildung und für die berufliche Fort- und Weiterbildung entwickelt hat. Diese Angebotsstruktur reicht von freien Trägern über staatliche Träger, von vollzeitschulischen Maßnahmen über die duale Ausbildung bis hin zum Engagement der Wirtschaft.
Dieses breite Engagement hat uns in den zurückliegenden Jahren sehr geholfen, die angespannte Ausbildungssituation hier im Land in den Griff zu bekommen. Auch angesichts der jetzt eingetretenen Entwicklung darf man das nicht leugnen und das wollen wir auch nicht leugnen.
Meine Damen und Herren, dieses breite Engagement wird auch weiterhin notwendig sein. Sicherlich – und das möchte ich an dieser Stelle auch selbstkritisch für die Koalition anmerken – hat die jetzt eingetretene öffentliche Diskussion diesen Eindruck getrübt, und die Kabinettsentscheidung, die im Raum stand und steht, hat möglicherweise zu Verunsicherungen und Irritationen geführt.
Aber, meine Damen und Herren, das sage ich auch an dieser Stelle: Ich bin der Kultusministerin dankbar, dass sie in kürzester Zeit das Ruder herumgerissen hat, nicht nur aufgrund von Protesten, die von außen kamen. Auch wir von der Koalition haben uns konstruktiv und kritisch mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ich bin ihr persönlich sehr dankbar, dass sie dieses Thema in den Griff bekommen und versucht hat, das Problem zu lösen und die Weichen richtig zu stellen.
Sicher ist festzustellen – und darüber können wir noch stundenlang diskutieren –, dass das, was öffentlich kommuniziert wurde, falsch war. Das ist alles richtig und das habe ich soeben eingestanden. Aber jetzt lassen Sie uns bitte nach vorn blicken und gemeinsam darüber nachdenken, welche Handlungsbedarfe vorhanden sind.
Meine Damen und Herren! Der Maßstab, den wir zurzeit im Blick behalten müssen, ist, dass sich die bislang angespannte Ausbildungssituation verändert hat. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir haben – Gott sei Dank! – wieder die Chance – das war bisher auch ein Markenzeichen von Sachsen –, zu einer verstärkten dualen Ausbildung zurückzukehren. Das ist ein Markenzeichen nicht in dem Sinne, dass wir uns damit selbst beweihräuchern, sondern im Sinne der betroffenen Schülerinnen und Schüler, die durch eine betriebsnahe Ausbildung nicht nur eine gute Ausbildung erhalten, sondern auch die Möglichkeit haben, danach in eine gute Beschäftigung zu kommen. Es nützt doch keinem etwas, ausge
bildet zu werden und danach in der Wirtschaft keinen Platz zu finden.
Meine Damen und Herren, bestmögliche Ausbildung für die Betroffenen ist für mich persönlich und für uns alle der alleinige Maßstab der Entscheidungen, die jetzt zu treffen sind.
Bestmögliche Ausbildung für die Betroffenen ist der Maßstab und weder Möglichkeiten der Einsparung beim Personal, noch, dass wir sagen, es müsse alles beim Alten bleiben.
Beides ist falsch. Da ist es mir auch egal, was als Überschrift über irgendwelchen Kabinettsbeschlüssen steht. Der Maßstab ist die Steigerung der dualen Ausbildung im Sinne der Betroffenen, im Sinne einer bestmöglichen Ausbildung für die Jugendlichen unseres Landes.
Meine Damen und Herren! Von daher ergeben sich grundsätzlich vier Aspekte – die die Ministerin jetzt noch einmal deutlich ins Blickfeld gerückt hat –, die ausschlaggebend sind für die zu treffenden Entscheidungen.
Erstens – Frau Falken hat es schon angesprochen: Dort, wo es Alternativen zum dualen System gibt, soll die duale Ausbildung auch Vorrang haben. Aber dort, wo dem nicht so ist, können wir auch nicht ganz einfach vollzeitschulische Maßnahmen einsparen; da spreche ich insbesondere für den Sozialbereich, dass die deutlichen Korrekturen, die dort vorgenommen wurden, völlig berechtigt sind.
Zweitens – auch das ist Maßstab des Handelns – müssen wir an Förderschüler und an Schüler denken, die keinen Schulabschluss erworben haben. Gerade die berufliche Ausbildung hat in den letzten Jahren trotz der Schulabbrüche und trotz der Schüler ohne Abschluss gute Möglichkeiten gebracht, auch diesen Schülern eine Perspektive zu geben. Das geht sogar so weit, dass dort möglicherweise nach der Ausbildung noch der Hauptschulabschluss vergeben werden konnte. Diese Dinge müssen auch weiter im Blick bleiben.
Drittens – eine Forderung, die die Wirtschaft hat – müssen wir darüber reden, welche Möglichkeiten wir auch zukünftig für Ergänzungsausbildung und Fort- und Weiterbildung haben. Hier spreche ich das Thema Fachschulen an. Welche Bedarfe hat dort die Wirtschaft zum Beispiel im Blick auf das mittlere Management an Unternehmen, um auch in diesen Bereichen tätig sein zu können? Da kann ich eben die Meisterausbildung, die zurzeit beim Handwerk stattfindet, nicht zum alleinigen Maßstab machen, sondern ich brauche auch Fachschulen, die hochqualifizierte Fachkräfte haben.
Viertens – eine Besonderheit, die eine Rolle spielt – sind es die besonderen regionalen Gegebenheiten. Auch das muss eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der beruflichen Ausbildung spielen, und das muss auch der Maßstab für die anstehenden Entscheidungen sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns einig: Es geht wieder einmal um ein hochsensibles Thema, es geht um die Zukunft junger Menschen in unserem Land.
Es ist richtig, dass in dieser Debatte beides angesagt ist: eine kritische Aufarbeitung dessen, was gelaufen ist – auch dessen, was falsch gelaufen ist; das habe ich angedeutet; Sie haben es etwas breiter vorgetragen –, aber auch ein Blick nach vorn. Letzteres ist vor allem notwendig.
Meine Damen und Herren! Botschaften in dieses Land gehen nicht nur von Kabinettsbeschlüssen aus, sondern auch von diesem Landtag – zumindest noch ab und zu.
Wenn wir nur das Szenario aufbauen, hier sei alles ganz furchtbar und alles sei falsch gelaufen, dann ist das ganz einfach zu wenig. Es ist einiges falsch gelaufen. Aber es wurde auch korrigiert!
Ich wiederhole: Das, was die Ministerin an dieser Stelle getan hat – sie hat mit den Trägern, auch den freien, gesprochen, sie hat Kontakt mit der Wirtschaft hergestellt –, ist anerkennenswert, trotz einer falschen Entwicklung, die stattgefunden hat.
Ich sage es noch einmal: Es geht nicht um die Deckung eines Mehrbedarfs an Lehrern. Es geht auch nicht darum, freie Träger in ihrer Tätigkeit einzuschränken.
Klammer auf: Ich muss aber den freien Trägern sagen dürfen – auch angesichts der eingetretenen Wende in der betrieblichen Ausbildung –: 25 % freie Träger auf dem beruflichen Ausbildungsmarkt sind falsch, sind nicht gut, sind zu viel. Insoweit wird es Korrekturen geben müssen. Wir müssen auch die Kraft haben, dort mögliche Einschnitte hinzunehmen. Klammer zu; denn das will ich jetzt nicht vertiefen, weil es ein anderes Thema ist. Diese Dinge müssen jedoch ehrlich aufgearbeitet werden.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund – das ist der alleinige Maßstab –, dass wir den Jugendlichen eine ordentliche Ausbildung anbieten wollen.
Ja.
Frau Kollegin Stange, ich habe es doch gesagt: Es gab dazu eine kontroverse Diskussion. Ich will aber das Zustandekommen dieses Kabinettsbeschlusses – an dem übrigens nicht nur das Kultusministerium beteiligt war – jetzt nicht interpretieren. Es ist ein Fehler gemacht worden. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Auch Politiker machen Fehler. Sie sind keine Heiligen – auch die Staatsregierung nicht.
Für mich ist es viel wichtiger, Fehler anzuerkennen und zu korrigieren, sie aber nicht auszusitzen. Das ist für mich der Maßstab, worüber ich auch wieder Anerkennung entwickeln kann.
Ich komme noch einmal zum Sozialbereich; die Ministerin wird darauf detailliert eingehen. Von uns geht ganz deutlich die Botschaft in das Land hinein – vielleicht hört es ja doch der eine oder andere draußen mit –: Im Sozialbereich ist der Prozess, der angedacht worden war, rückgängig gemacht worden. Es ist so, dass beispielsweise die Pflegehilfeausbildung – das sage ich auch mit Blick auf das, was Frau Werner zum Bedarf an Pflegekräften gesagt hat – natürlich weiter vollzeitschulisch stattfinden muss; das wird so sein. Das betrifft genauso andere Sozialberufe; ich denke nur an den Sozialassistenten. Wenn wir heute Nachmittag über die Kindergärten reden, werden wir wieder deutlich ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass wir gerade, was die Erzieherausbildung anbelangt, auch die Sozialassistenten weiterhin brauchen. Sie
werden auch in Zukunft vollzeitschulisch ausgebildet. Das sollte man an dieser Stelle einmal feststellen.
Ähnlich sehe ich es im Hinblick auf die Fachschulen. Sicherlich steht da noch eine Prüfung an. Aber wir können nicht auf der einen Seite unsere Berufsschulzentren als Kompetenzzentren deklarieren und entsprechend ausweiten – das ist eine ganz tolle Geschichte: Kompetenzzentren in den Regionen in Verbindung mit der Wirtschaft –, aber dort die Fachschulen wegschneiden. Das wäre völliger Blödsinn, das geht nicht!
Ich habe es vorhin schon gesagt: Für das mittlere Management ist der Bedarf der Wirtschaft da. Die sagen: Leute, das brauchen wir! Haltet uns bitte an dieser Stelle dieses Ausbildungsangebot!
Obwohl es in dieser Debatte nicht im Kern darum geht, will ich an dieser Stelle dennoch das BGJ ansprechen. Insoweit hat die Wirtschaft eine Chance vertan. Ich weiß zwar nicht, wie der Wirtschaftsminister das sieht, aber ich sehe es als vertane Chance. Bisher erkennen nur 10 bis 15 % der Unternehmen das BGJ wirklich als Bestandteil der Ausbildung an. Mit welchem Recht denn? Warum denn? Warum wird es nicht von der Wirtschaft stärker anerkannt, etwa als erstes Jahr der Ausbildung im dualen System? Hier hätte es viele Entkrampfungen geben können. Das liegt aber nicht in der Verantwortung der Politik, sondern das liegt bitte schön in der Verantwortung der Wirtschaft.
Deshalb brauchen wir auch den Dialog mit der Wirtschaft über diese Fragen.
Meine letzte Anmerkung bezieht sich auf das BVJ; die Ministerin wird auch das sicherlich konkretisieren. BVJ und auch gestrecktes BVJ haben weiter Sinn – im Blick auf Förderschüler, im Blick auf Hauptschulabgänger, im Blick auf benachteiligte Schüler, die keinen Abschluss haben. Insoweit sind mittlerweile einige Dinge korrigiert worden.
Ich will das Zustandekommen dieser Situation nicht schönreden. Aber lassen Sie uns bitte auch die Botschaft in das Land geben: Wir in Sachsen werden weiterhin Sorge dafür tragen, dass eine ordentliche Berufsausbildung unserer Jugendlichen stattfindet und dass unsere Jugendlichen, nachdem sie über Jahre hinweg das Land verlassen haben, hier wieder eine berufliche Perspektive finden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines ist sicher klar: Die aktuelle Diskussion um die Situation zur Umsetzung der Lernmittelfreiheit in Sachsen ist nicht optimal. Frau Falken, ich denke, es ist
legitim, wenn Sie in diesem Zusammenhang eine parlamentarische Initiative ergreifen und einen Gesetzentwurf vorlegen, um dieses Problem zu lösen.
Aber ich muss schon sagen: Es hilft uns bei dieser Diskussion und zur Begründung Ihres Gesetzentwurfes herzlich wenig, wenn Sie die Situation, die ohnehin zurzeit nicht überschaubar ist, noch weiter dadurch dramatisieren, indem Sie Einzelfälle und Einzelaussagen zum Nonplusultra erklären und Probleme verallgemeinern, die lösbar sind. Dieses Problem ist lösbar – sicherlich in anderer Weise als mit Ihrem Gesetzentwurf.
Es ist problemlos lösbar, nicht nur allein von Landesseite aus, sondern durch Wahrnehmung der Verantwortung, die auf den verschiedenen Ebenen besteht. Wir haben eine klare Rechtslage, was die kommunale Ebene anbelangt. Wir haben einen Brief der Ministerin an die Schulleiter, wie mit der Lernmittelfreiheit aufgrund des getroffenen Urteils umzugehen ist. Auch das ist eine klare Ansage. Ich gehe davon aus, dass unsere Schulleiter ihre Hosen nicht mit der Beißzange anziehen und wissen, wie man mit einem Übergangsprozess umgeht. Das sind alles Dinge, die man sachlich und vernünftig diskutieren kann und die man meines Erachtens nicht zur Begründung eines Gesetzentwurfes benötigt, um irgendwie zu rechtfertigen, warum man solch einen Gesetzentwurf vorlegt.
Damit komme ich zu meinen eigentlichen Ausführungen. Meine Damen und Herren! Die Frage des Umfanges in der Ausgestaltung der Lernmittelfreiheit obliegt den Ländern. Auch bei uns in Sachsen ist das Anliegen – Frau Falken hat es bereits angesprochen – sowohl durch die Verfassung als auch durch das Schulgesetz grundsätzlich geregelt. Nun muss man sich eingestehen, dass durch den Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung Rechtsunsicherheit entstanden und deutlich geworden ist, dass es zwischen Verfassung und Schulgesetz eine eher ungünstige Interpretationslage gibt.
Deshalb will ich an dieser Stelle für unsere Fraktion deutlich hervorheben – an anderer Stelle habe ich das schon gesagt –: Es ist notwendig, Rechtssicherheit wiederherzustellen. Es kann nicht sein, dass Eltern ihr Recht per Gesetz einklagen müssen, und es darf auch nicht eintreten – damit gehe ich kurz auf Ihre Beispiele ein, Frau Falken –, dass an den Schulen ein Chaos entsteht und niemand weiß, wie man damit umgehen muss. Das alles kann nicht gewollt sein.
Meine Damen und Herren! Inhaltlich wird es bei der Umsetzung der Rechtssicherheit vor allem darum gehen, dass wir uns das getroffene OVG-Urteil noch einmal vornehmen und uns daran orientieren. Das ist fast ein Vorteil bei allen Problemen, die jetzt entstanden sind: dass
wir durch das OVG-Urteil eine klare Rechtsgrundlage haben und wissen, was geltendes Recht ist. Deshalb möchte ich aus dem Urteil zitieren, weil in der öffentlichen Diskussion, auch durch den Gesetzentwurf, Interpretationen vorgenommen werden, die nicht zutreffend sind.
Dort heißt es: „Schulbücher sind Druckwerke für die Hand des Schülers, die dazu dienen, den Lehrplan eines Faches schulartbezogen in Zielen und Inhalten zu erfüllen. Schulbücher müssen in der Regel gebunden sein. Den Schulbüchern gleichgestellt sind folgende Druckwerke: Atlanten, Arbeitshefte für die Hand des Schülers, die Schulbücher begleiten, ergänzen und ersetzen, Ganzschriften und für den Schulgebrauch aufbereitete Textsammlungen, Wörterbücher, fremdsprachliche Grammatiken und Nachschlagewerke sowie Aufgaben-, Gesetzes-, Formularsammlungen und Tafelwerke.“
Das ist die klare Aussage des Gerichtsurteils und an dieser sollten wir uns, wenn wir Rechtssicherheit herstellen wollen, ohne Wenn und Aber orientieren.
Dahingestellt bleiben kann meines Erachtens die Frage, auf welcher Grundlage das erfolgt. An dieser Stelle will ich anmerken, dass in zwölf von insgesamt 16 Bundesländern – es ist nicht nur in Sachsen beabsichtigt, sondern anderswo ist es bereits Regel – die Frage der Lernmittelfreiheit auf dem Verordnungsweg geregelt wird. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass der Landtag daran nicht beteiligt wird. Selbstverständlich – und das wissen alle, die im Schulausschuss sitzen – können und werden wir uns damit auseinandersetzen. Davon gehe ich aus. Das wird auch Ihre Initiative sein – das war sie schon immer –, solche Themen in den Schulausschuss zu bringen. Das ist richtig und gut so und das werden wir in dieser Angelegenheit auch tun.
Wir werden daran beteiligt sein. Aber der Vorteil einer solchen Regelung ist natürlich auch der, dass wir mit einer Rechtsverordnung wesentlich flexibler umgehen können als mit einer Gesetzeslage. Es ist dann schon auf dem Verordnungswege leichter, auch zusätzliche Lernmittel, die wir vielleicht noch gar nicht im Blick haben, mit aufzunehmen, weil wir feststellen, dass sie für die Unterrichtsgestaltung nötig sind. Das sollte man nicht unberücksichtigt lassen.
Unberücksichtigt und unberührt bleibt aus unserer Sicht auch die Frage nach der Kostenerstattung. Diese ist, wie gesagt, eindeutig geklärt und liegt beim Schulträger. Das ist im Schulgesetz so geregelt. Auch das ist nicht unbedingt der Anlass für die jetzt zutage getretenen Kontroversen.
Weil die Kommunen, meine Damen und Herren, aber vordergründig in der Verantwortung stehen, war und ist es richtig und wird es auch in Zukunft, wenn die Rechtsverordnung entstanden ist, richtig bleiben, mit der kommunalen Ebene die Verständigung herbeizuführen und auf dieser Grundlage letztlich eine Verständigung zu finden, die die Kommunen in die Lage versetzt, diese Aufgabe zu erfüllen. Auch aus diesem Grund lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab.
Meine Damen und Herren! Seitens des Kultusministeriums ist inzwischen sichergestellt, dass, wie schon im Ausschuss verlautbart wurde, die Schulen von der Rechtslage informiert worden sind. Das ist passiert, und auch die Frage der Kostenerhebung ist damit vorgegeben. Es ist eine Abstimmung mit dem SSG erfolgt. Das heißt, sowohl Schulträger als auch die Schulleiter vor Ort sind über das Problem informiert. Insofern dürfte es nicht zu chaotischen oder missverständlichen Handhabungen an den Schulen kommen.
Gleichwohl will ich an dieser Stelle auch sagen, dass wir zeitnahen Handlungsbedarf haben. Ich gehe schon davon aus, dass zu Beginn des Schuljahres möglichst das Verfahren soweit gediehen ist, dass wir dann eine ordentliche Rechtsgrundlage haben, von mir aus auch im Sinne einer Rechtsverordnung. Das muss natürlich gewährleistet sein, und ich gehe davon aus, dass dies durchaus zu leisten ist, ohne die Verwaltung dazu zwingen zu können oder zu wollen. Das ist ein gemeinsames Anliegen, das auch vom Ministerium so gesehen wird.
Meine Damen und Herren! Was die inhaltliche Seite anbelangt, werden wir uns auch weiterhin nicht – das werde ich am Schluss begründen – von einer unbeschränkten Lernmittelfreiheit leiten lassen. In anderen Bundesländern ist die Lernmittelfreiheit ebenfalls nicht unbeschränkt. So wird flächendeckend mittelbar oder unmittelbar ein Elternbeitrag für solche Lernmittel vorgesehen, die beispielsweise geringwertig oder auch außerhalb des Unterrichts gebräuchlich sind, bei denen es sich um Gebrauchs- und Übungsmaterialien handelt, die ausgeliehen werden können oder die nicht vom Haushaltsbudget des jeweiligen Schulträgers abgedeckt werden. Von dieser differenzierten Sicht werden wir uns auch weiter leiten lassen.
Ich will aber an dieser Stelle noch einen weiteren Aspekt, der vielleicht in der gegenwärtigen Diskussion nur eine untergeordnete Rolle spielt, mit benennen, der auch zu einer deutlichen Kostenminimierung führt. Da sehe ich besonders die Verwaltung in der Verantwortung. Das ist die Frage der Vorgabe von ganz konkreten Lernmitteln und der Standards, die an diesen Lernmitteln formuliert werden. Hier kann man durchaus durch noch engere Orientierung am wirklichen Lehrplaninhalt und auch durch Berücksichtigung der anfallenden Kosten, egal, für wen sie anfallen, einfach einmal abwägen, welche Lernmittel wirklich unabdingbar notwendig sind, welche eingesetzt werden müssen und sollen, um den Lehrplaninhalt zu erfüllen. Ich will einmal unkommentiert feststellen, ob dort wirklich der Taschenrechner mit Grafikfunktionen an allen Schulen notwendig ist. Das sollte hinterfragt werden.
Meine Damen und Herren! Fazit: Wir werden Rechtssicherheit in der Frage der Lernmittelfreiheit herstellen und dabei sowohl die Verantwortung, aber auch die Leistungsfähigkeit aller unmittelbar und auch mittelbar Betroffenen an der Finanzierung der schulischen und außerschulischen
Veranstaltungen, die daran beteiligt sind, berücksichtigen. Was allerdings die Finanzierung der Lernmittel betrifft, muss Klarheit herrschen. Das hatte ich eingangs schon gesagt. Das Urteil zeigt, dass die bisherige Rechtslage eine Interpretation zulässt, die – auch das will ich einmal unterstreichen – nicht zu rechtfertigen ist, was insbesondere die Rolle der Eltern dabei anbelangt.
Wir werden uns als Fraktion am Grundsatzurteil und an der Begründung orientieren und dies auch mit zur Grundlage der Mitberatung machen. Wir brauchen zum Thema Lernmittelfreiheit mehr Verlässlichkeit und Transparenz für die Eltern, aber auch vergleichbare landesweite Vorgaben, die auch unterschiedliche Handhabungen in unterschiedlichen Gemeinden in Zukunft nicht mehr so zulassen, wie das bisher der Fall war.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Abschluss eine grundsätzliche Bemerkung zum Thema Lernmittelfreiheit. Die Diskussion um die Lernmittelfreiheit geht – ich habe das einmal im Internet recherchiert – über Jahrzehnte weit zurück in die Vergangenheit. Der ursprüngliche Ansatz war die Intention, Bildungschancen für Kinder aus sozial schwachen Familien zu verbessern und den Zugang zur Bildung auch für sozial schwache Schüler zu ermöglichen. Man kann sicherlich davon ausgehen, dass genau diese Intention auch die heutige Diskussion noch prägt.
Aber ich denke, angesichts der jetzt eingetretenen Diskussionslage wird auch der Bogen teilweise weit überspannt. Sowohl was gesellschaftliche als auch soziale Bedürfnisse anbelangt, bewegen wir uns nicht mehr auf den grundsätzlichen Intentionen, die eigentlich einmal der Lernmittelfreiheit zugrunde gelegt wurden. Deshalb an dieser Stelle, ungeachtet der geltenden Rechtslage, die es sicherlich zu konkretisieren gilt, noch einmal die deutliche Feststellung, dass Eltern in der Mitverantwortung für die Lernmittel stehen. Das wird von den Eltern sehr wohl so gesehen. Es muss ganz einfach möglich sein, auch wenn es nicht sehr populär ist, dort Eltern mit zu beteiligen, diese Beteiligung politisch zu rechtfertigen und einzufordern.
Ich möchte aus einem Beitrag zitieren, den ich im Internet gefunden habe und der das, was ich eben gesagt habe, noch einmal sehr plastisch untersetzt. Der Artikel war überschrieben „Lernmittelfreiheit – wie viel darf Bildung Eltern kosten?“ Darin ein Vergleich: Deutschlandweit lagen die staatlichen und privaten Ausgaben für Schulbücher und Unterrichtssoftware im Jahr 2005 bei etwa 460 Millionen Euro. Das waren aber weniger als 40 Euro pro Schüler. Dafür mussten die Eltern geschätzt 240 Millionen Euro aufbringen, was von manchem Politiker als Überforderung angeklagt wird.
Ein Vergleich mit den Ausgaben von Familien zum Beispiel für Software mit Spielkonsolen spricht da eine andere Sprache. Im Jahr 2004 stieg der Umsatz nur mit dieser Spielsoftware, die vorrangig von Kindern und Jugendlichen genutzt und von Familien gekauft wird, auf knapp 640 Millionen Euro, rund 14 % mehr als im Vor
jahr. Die Rede ist hier also nicht nur von Kosten für die Software. Die Ausgaben für die Spielgeräte – mehr als 20 Geräte sind in jedem Haushalt vorhanden – werden noch zusätzlich von den Familien geleistet. Bei der Diskussion um die Lernmittelfreiheit geht es auch darum, welche Ausgabenpriorität Bildung in unserer Gesellschaft hat.
Meine Damen und Herren! Wir haben an dieser Stelle jetzt schon mehrfach in jüngerer Vergangenheit über die Ausgabenpriorität für die Bildung in unserem Land gesprochen. Ich denke, es ist fair und richtig, diese Verantwortung aber nicht nur auf der staatlichen Ebene zu diskutieren, sondern viel breiter in der Gesellschaft anzusetzen. Auch das sollten wir in der Diskussion um die Lernmittelfreiheit nicht ganz aus dem Blick verlieren.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Mit Blick auf das, was wir gerade getan haben, finde ich es gut und richtig, dass wir so engagiert, so vielgestaltig und auch so kontrovers um das Thema Bildung hier im Hause und auf anderen Ebenen miteinander ringen.
Meine Damen und Herren, das ist dem Thema auch völlig angemessen. Es ist dem Thema auch angemessen, dass wir die Diskussion so vielgestaltig zwischen den Fraktionen, aber auch bei uns in der Koalition mit großem Engagement und Emotionalität und auch mit großer Kontroverse führen. Ich sage an der Stelle auch, dass ich es gut finde, dass heute vor dem Landtag junge Menschen aufmarschieren und für Bildung in diesem Land protestieren.
Meine Damen und Herren, das ist nicht nur etwas Gutes für Sie als Opposition, weil damit eine gewisse Schelte an die Koalition und an die Staatsregierung erteilt wird, sondern für uns ist es auch gut. Das sage ich einfach so. Protestieren heißt im Grunde genommen nicht nur, gegen etwas zu sein, sondern auch, für etwas einzutreten.
So sehe ich die heutige Veranstaltung der jungen Leute. Es kann uns doch als Politiker gar nichts Besseres passieren, als so eine breite gesellschaftliche Diskussion, noch dazu von jungen Menschen, denen die Zukunft dieses Landes gehört, und dass so ein breites gesellschaftliches Eintreten für gute Bildung in Sachsen vorhanden ist. Das hilft uns doch auch, und den Optimismus habe ich nach wie vor, dann, wenn es zu Entscheidungen kommt, eine komfortable Ausgangssituation zu haben und Prioritätensetzungen vorzunehmen.
Gegenstand des vorliegenden Antrages ist auch Punkt 4, die Unterrichtsversorgung, wozu ich in meinem Redebeitrag einiges sagen will. Die wirksamste und verlässlichste Maßnahme gegen Unterrichtsausfall ist sicher die bedarfsgerechte, schulart- und fächerspezifische Planung und Ausstattung der Schulen mit Personal. Da bin ich wieder bei dem, was ich vorhin gesagt habe: die nach wie vor anstehende Aufgabe, der wir uns im Rahmen des bevorstehenden Haushaltes zu stellen haben. Und ich sage auch noch einmal, dass das bisher vorliegende Bildungspaket zur Lösung nicht ausreicht.
Die kürzlich beschlossenen Personalmaßnahmen sind sicher ein erster ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und ich bin froh, dass es der neuen Ministerin vergönnt war, dies gleich zum Amtsantritt so auf die Reihe zu bringen, wobei wir uns auch vergegenwärtigen müssen, dass diese Maßnahmen mit Blick auf das Schuljahr in einem sehr engen zeitlichen Rahmen zu realisieren sind. Es ist das Notwendigste, das getan werden muss, möglicherweise auch mit Konflikten behaftet, aber – und das sollte man nicht kleinreden – es ist auch ein deutliches Signal für junge Lehramtsabsolventen, dass sie in Sachsen eine Perspektive haben. Diese 565 geschaffenen Stellen – unabhängig davon, ob es reicht – sind ein wichtiges Signal, dass wir jungen Menschen diese Perspektive aufzeigen.
Wir müssen aber über diese Entwicklung hinaus weiterdenken an die kommenden Jahre. Das wird Gegenstand des kommenden Haushalts sein. Diese Verpflichtung haben wir uns als Fraktion auferlegt.
Meine Damen und Herren! Die aktuelle Situation ist nicht zu rechtfertigen und es bedarf tatsächlich eines Gegensteuerns, so wie ich es eben gesagt habe. Als Fachpolitiker sind wir uns überfraktionell einig – so ehrlich muss man sein –, dass es trotzdem immer Unterrichtsausfall geben wird. Die Frage ist letztlich nur: Wie kann es gelingen, das Ausmaß des Unterrichtsausfalls so zu begrenzen, dass die Qualitätsverluste schulischer Ausbildung aufgehoben werden? Die zweite Herausforderung ist, wie es gelingen kann, dass wir flexibel und schnell auf dieses Problem reagieren können und das Ganze zu Akzeptanz vor Ort führt.
Unterrichtsausfall an Schulen ist sicher kein rein sächsisches Problem. Nun kann der Blick in andere Bundesländer keine Rechtfertigung dafür sein, dass wir sagen, bei anderen sieht es nicht viel anders aus. Ich denke aber, ein Blick darauf, wie anderswo mit diesem Problem umgegangen wird, lohnt sich dennoch. Der Vergleich mit anderen Ländern, der in der Vergangenheit zu Rechtfertigungen bestimmter Personalvorgaben geführt hat, ermunterte mich, einmal den Blick über die Landesgrenzen hinaus zu richten, wie man anderswo mit dem Unterrichtsausfall umgeht. Im Internet habe ich von Bayern eine ganz interessante Anmerkung gefunden. Dort hat der Kultusminister im Oktober vergangenen Jahres einen Runden Tisch gegen Unterrichtsausfall einberufen und Lehrer, Eltern und Schuldirektoren eingeladen. Dabei ging es um gemeinsam getragene Konzepte, um dem Problem, das auch in Bayern offensichtlich ein Thema ist, gerecht zu werden. Eine Woche zuvor hatte der Minister die Aufstockung mobiler Lehrerreserven und ein Budget zur Finanzierung eigenständiger Vertretungen und bezahlter Mehrarbeit für die Lehrer in Aussicht gestellt und dann auch wirklich realisiert.
Warum erwähne ich das an dieser Stelle, meine Damen und Herren? Meines Erachtens löst eine solche Herangehensweise das Problem am zielführendsten und sollte, wenn auch nicht ad hoc, auch bei uns zu Überlegungen
Anlass geben. Neben der generellen bedarfsgerechten Bereitstellung von Lehrern für das Gesamtsystem bedarf es mit Blick auf die konkrete Unterrichtsabsicherung immer auch des konkreten Blicks auf die Schule vor Ort, wobei es nicht darum gehen kann – auch das müssen wir offen und ehrlich diskutieren –, die Verantwortung dorthin zu delegieren und nicht auch die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Handlungsmöglichkeiten vor Ort bestehen.
Meine Damen und Herren! Es ist auch wenig hilfreich, wenn staatliche Konzepte entwickelt werden, die dann von Dresden aus dem ganzen Land übergestülpt werden. Der in Bayern eingeschlagene Weg der Verständigung mit den Betroffenen vor Ort ist da ein wesentlich zielführenderer Weg. Er ermöglicht eine konkrete und differenzierte Sicht auf die Probleme und nimmt die unmittelbar und mittelbar Betroffenen mit in die Verantwortung und die Lösungsfindung hinein. Damit werden sicher nicht alle Schwierigkeiten von vornherein aufgelöst, aber die Akzeptanz und das Engagement im Umgang mit diesem Thema werden anders befördert, als dies bisher bei uns gelungen ist.
So wenig planbar und vorhersehbar Unterrichtsausfall bei einer vorausgesetzten Personalplanung in Gänze ist, so flexibel muss die Reaktion darauf erfolgen. Das lässt sich aber nicht mit zentraler Steuerung effektiv erreichen. Wenn man sich vergegenwärtigt – und da sind wir bei dem Thema, das wir vor Augen haben –, dass zum Beginn des jetzt schon laufenden Schuljahres Tausende von Personalmaßnahmen realisiert worden sind und hinter diesen Maßnahmen ebenso viele Lehrkräfte standen, die kurz- und mittelfristig oftmals schulart- und fächerfremd abgeordnet werden mussten und das Ganze von der Schulbehörde durchexerziert wurde, dann muss man sich über den daraus erwachsenden Frust, den wir gemeinsam vermittelt bekommen haben, nicht wundern.
Eine ähnliche Gefahr besteht dann, wenn wir von einem Konzept ausgehen, das zentral vom Kultusministerium vorgegeben und letztlich auf der Ebene der Regionalschulämter durchgesteuert wird. Demgegenüber sehe ich in der genannten bayerischen Initiative einen zielführenderen Weg aus zweierlei Sicht.
Durch die Einbeziehung von Eltern und Schülern vor Ort in die Probleme lassen sich erstens Gestaltungsmöglichkeiten besser finden und Konflikte, die es trotzdem geben wird, im Vorfeld abbauen und Akzeptanz bei den Betroffenen herstellen. Durch den Einsatz eines flexibel handhabbaren Budgets lässt sich zweitens der Einsatz einer mobilen oder integrierten Lehrerreserve oder die finanzielle Unterstützung von Mehrarbeit von Lehrern ermöglichen.
Nun könnte ich an dieser Stelle Schluss machen und sagen: Nun lasst uns den Startschuss geben, lasst uns genau das realisieren. Jedoch denke ich, dass spätestens
nach der Kritik am Hause Kultus bezüglich des Umgangs mit Haushaltsvorgaben der jüngeren Vergangenheit es kaum einen im Kultusressort geben wird, der das jetzt nur aufgrund von kreativen Ideen und schöpferischem Engagement lostritt. Das heißt, dass wir für einen solchen sinnvollen und eigentlich alternativlosen Weg auch haushalterische Vorgaben treffen müssen. Insofern kann die Diskussion zu diesem Punkt eine Empfehlung sein – auch an das Kultusministerium und an die Staatsregierung –, diesen Ansatz weiter zu verfolgen und dabei jene Überlegungen einzubinden, die ich am Anfang genannt habe, um das Bildungspaket inhaltlich weiterzuentwickeln. So sind sicherlich auch die angedachten Überlegungen im Maßnahmenkatalog mit Blick auf das Programm „Unterrichtsgarantie“ zu sehen, wobei 1 Million Euro als Mittelansatz zur Verfügung gestellt werden soll, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Das ist sicherlich eine gute Grundlage, um darauf qualitativ und inhaltlich weiter aufzubauen.
Das Programm „Unterrichtsgarantie“ macht sehr deutlich auf die Notwendigkeit eines flexiblen und bedarfsgerechten Umgangs mit dem Unterrichtsausfall im Land aufmerksam. Das ist eine neue Sichtweise, die es bisher so nicht gab. Darauf können Konzepte wie die eben genannten aufgebaut, abgestimmt und weiterentwickelt werden.
Ob die bisher zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 1 Million Euro wirklich ausreichend sind, ist sicherlich mit einem Fragezeichen zu versehen. Ende des Jahres gibt es Haushaltsberatungen. Möglicherweise können wir dann darauf aufbauend Mittel im Haushalt aufstocken.
Wir haben außerdem die Möglichkeit, in dem uns zur Verfügung stehenden Zeitraum und mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln Konzepte zu erproben und zu entwickeln, wie ich sie gerade beschrieben habe, um des Problems Herr zu werden.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Politik wird von Menschen gemacht, Menschen machen Fehler und Menschen sind fehlbar. Ich halte es für ein Zeichen der Stärke, auch von Politik, wenn sie die Kraft hat, diese Fehler einzugestehen.
Meine Damen und Herren! Das wird Ihnen als Opposition leichter fallen als Politikern in der Regierung oder als Politikern in unserer Koalitionsfraktion, aber dieses Eingeständnis ist alternativlos. Ich denke, und damit bin ich beim Thema dieser Debatte, es darf nicht der Eindruck vermittelt werden, dass wir die Probleme, die sich mittlerweile angehäuft haben, dadurch lösen, dass wir Köpfe in der Staatsregierung austauschen. Das reicht nicht.
Meine Damen und Herren! Das drängendste Problem in diesem Land in der Bildungspolitik hat einen klaren Namen. Der Name lautet nicht Kurth und nicht Wöller, der Name lautet Lehrermangel. Das ist das Thema, das ist allein das Thema.
Wir tun gut daran, wenn wir an dieser Stelle im Sinne dessen, was ich eingangs gesagt habe, Fehler eingestehen und korrigieren. Auch wenn ich nicht der Staatsregierung angehöre, will ich den Finger nicht in den Raum richten an irgendwelche Stellen, wie wir es gestern Abend gemacht haben, sondern ich richte den Finger auch auf mich selbst. Ich sehe in meinem begrenzten Aktionsradius Fehler in der Vergangenheit ein und muss sie einsehen. Wir waren in den vergangenen Jahren nicht konsequent genug, egal in welchen Konstellationen, ob alleinregierend oder in der Koalition. Auch ich war nicht ausreichend konsequent, als es um die demografische Vorsorge für den Lehrerbedarf ging.
Ich will aus der jüngeren Vergangenheit sagen, auch das Bildungspaket war und ist fehlerbehaftet. Auch das müssen wir so ehrlich eingestehen. Ich habe schon ein Problem damit, wenn das Ganze im Nachgang als Einmannshow dargestellt wird und so getan wird – ich finde das auch menschlich ein bisschen unanständig –, wenn man das Problem in der Auseinandersetzung zum Bildungspaket an der Person des ehemaligen Kultusministers festmacht. Das reicht so nicht.
Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt den Blick zurück gerichtet, um auch den Blick in Richtung Frau Kurth zu schärfen. Die Erwartungshaltung an Frau Kurth und an die neue Hausspitze läuft völlig schief, wenn wir davon ausgehen, dass die neue Hausspitze jetzt alles richten wird. Das wird garantiert nicht der Fall sein. Wir sind gemeinsam in der Verantwortung des Problems – die Staatsregierung in Gänze und wir als Koalition auch – und nur so kann Frau Kurth Erfolg haben.
Ich weiß, dass Frau Kurth mit hoher Fachlichkeit und hohem, fast übermenschlichen Ehrgeiz an das Thema herangeht, und das habe ich auch immer an ihr geschätzt. Aber allein das wird nicht ausreichen. Es bedarf auch einer politischen Weichenstellung, um das Problem zu lösen.
Da sehe ich das Problem – und da bin ich auch beim Eingeständnis von Fehlern –, dass wir ein politisches Gleichgewicht zwischen einer verantwortungsvollen Finanzpolitik – völlig richtig – und einer vernünftigen und guten Bildungspolitik als der zweiten Seite wiederherstellen müssen. Ich habe den Schülerinnen und Schülern vorige Woche gesagt: Wir sparen um euretwillen, damit ihr eine Zukunft in diesem Land habt, damit ihr Gestaltungsmöglichkeiten habt. Aber damit ihr wirklich eine Zukunft habt, können wir nicht nur sparen, sondern wir müssen euch auch eine so gute Bildung vermitteln, dass ihr in diesem Land eine gute Zukunft bekommt.
Und, meine Damen und Herren, auch das lassen Sie uns gemeinsam bedenken: Die Grundlage der aktuellen Diskussion ist die Realität. Wir sollten uns nicht schon wieder in neue Fehler verstricken. Die Realität ist nicht interpretierbar, die Fakten und Zahlen liegen auf dem Tisch und müssen ungeschminkt zur Kenntnis genommen werden, und es muss gehandelt werden.
Es liegt zurzeit ein wenig an meinem Nervenkostüm, wenn ich bestimmte Begriffe in der Öffentlichkeit hochsensibel aufnehme. Wir reden nicht über Horrorszenarien. Wir brauchen auch keine noch differenziertere Betrachtung der Realitäten. Und wir reden auch nicht vom Zahlenwirrwarr. Wenn wir uns auf diese Argumentation einlassen, laufen wir schon wieder Gefahr, uns ein X für ein U vorzumachen.
Die Fakten liegen auf dem Tisch. Wir haben sie gestern Abend gehört. Denen müssen wir uns ganz einfach stellen.
Wir sollten auch nicht neue Zahlenszenarien in die Welt setzen, meine Damen und Herren.
Wir sollten uns auf das stützen, was wir über Monate hinweg erörtert haben, auch aus den letzten Tagen des ausgeschiedenen Kultusministers, und dies als gute Grundlage nehmen, um das Problem zu lösen. Ich habe, wenn auch eingeschränkt, aber ich habe den Optimismus, dass uns das gelingt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will vor allen Dingen noch einmal auf die Anmerkungen, die nicht unberechtigt sind, von Herrn Mann eingehen. Nicht, dass wir irgendwelche Missverständnisse haben, Herr Mann: Unsere Fraktion hat im Sommer vorigen Jahres ein Maßnahmenpaket, eine Konzeption erarbeitet, was zu tun ist, um dem Lehrermangel entgegenzutreten. Richtig. Eingeständnisse gibt es an dieser Stelle ebenfalls: Wir sind die Umsetzung bisher schuldig geblieben. Okay, das ist ebenfalls richtig.
Aber was die Zahlen anbelangt, dazu will ich in aller Deutlichkeit sagen – das sage ich nicht nur für meine Person, sondern auch für meine Kollegen –: Wir haben Klarheit über die Zahlen.
Die vorliegenden Zahlen sind auch für uns nicht interpretierbar. Ich habe Frau Kurth gebeten – sie hat uns an ihrer Seite –, ich habe es dem Finanzminister und auch dem Ministerpräsidenten gesagt, und wir sind uns in der Fraktion einig: Wir können uns weitere Zahlenspiele nicht leisten;
weil wir sonst wirklich Gefahr laufen – die Situation ist jetzt schon dramatisch genug, als dass es wieder ein neues Bildungspaket 3, 2.0 oder wie immer das heißen mag, gibt –, uns lächerlich zu machen.
Sie weniger als wir; aber wir auf jeden Fall.
Wir müssen hierzu Lösungen finden, und die Lösungen liegen vor. Ich hatte vorhin gesagt: Diese drei Stichpunkte – Horrorszenarien, Abgleich der Zahlen und Verwirrspiele – sind alles Begriffe, die eher in die Irre führen. Wir haben Klarheit. Wir wissen, wohin wir müssen, und wir haben die Grundlagen, dafür auch die Entscheidungen zu treffen.
Ich nehme auch meine Regierung in die Verantwortung, das so zu tun, wie wir es – übrigens gemeinsam – mit der Fraktion erarbeitet haben. Der einzige Irrweg, der sich in den letzten Wochen vollzogen hat – diese Kritik kann ich meinem ehemaligen Minister nicht ersparen –, war der Irrweg dieses Bildungspakets.
Ja.
Herr Mann, ich kann Ihnen nicht für die Staatsregierung antworten, aber ich habe es in meinem Redebeitrag gesagt: Das hat etwas mit dem gestörten Gleichgewicht zu tun: dass aus Sicht der Finanzen und des Staatsministers der Finanzen sicherlich die Sicht auf die Probleme eine etwas andere ist als die Sicht, die der Kultusminister oder die Kultusministerin darauf hat.
Wir müssen dieses Gleichgewicht wiederherstellen, dann haben wir auch keine Zahlenprobleme.
Aber wenn das Finanzministerium fachlich in das Kultusministerium hineindirigiert – bis in fachliche Detailfragen –, dann ergibt sich genau der Konflikt, den Sie beschrieben haben. Den sehen wir genauso und den müssen wir ausräumen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Egal ob Finanz- oder Schulpolitiker, egal ob Regierungsmitglied oder Parlamentsmitglied, egal ob Opposition oder Koalition – über einen Punkt sind wir uns meines Erachtens einig: Schule ist eine Veranstaltung für Schüler, aber diese Veranstaltung kann nur gelingen, wenn wir gut ausgebildete und hochmotivierte Lehrer in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, das ist auch die Erwartungshaltung der Bevölkerung dieses Landes an uns Politiker: dass wir Rahmenbedingungen dafür schaffen, die diese Veranstaltung wirklich so erlebbar machen, dass sie auch den Erwartungen der Schülerinnen und Schüler und der Eltern entspricht.
Da kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir angesichts der jetzt eingetretenen Situation, angesichts der mittlerweile vorliegenden Prognosen, die sehr eindeutig und auch nicht interpretierbar sind, weiteren Handlungsbedarf, weiteren Diskussionsbedarf haben und weiter um Lösungen ringen werden. Wir sind nicht am Ende einer Diskussion, meine Damen und Herren. Da gibt es auch keine Dogmen. Es gibt nicht das Dogma des bereits beschlossenen Haushalts, der nicht vor dem Hintergrund dieser Analyse beschlossen wurde. Wir hätten damals die Analyse vorliegen haben müssen. Wir hatten sie nicht so detailliert vorliegen, wie sie jetzt vorliegt. Und es gibt auch nicht das Dogma der Vorgaben des Koalitionsausschusses.
Meine Damen und Herren, das Bildungspaket ist eine Grundlage zum Weiterdenken, zum Miteinanderdiskutieren, zum Ausdiskutieren dessen, was dort beschrieben ist, aber möglicherweise zum Gespräch darüber, was an zusätzlichen Dingen erforderlich ist. Wir werden über Annahmen des Pakets reden müssen, die untersetzt
werden müssen. Wir werden über Zahlen auch in Bezug auf ihre Tragbarkeit reden müssen. Wir werden auch darüber reden müssen, ob gewisse Vorgaben wirklich das widerspiegeln, was Realität ist. Dafür müssen wir uns die Zeit nehmen, und dafür wollen wir uns auch innerhalb unserer Fraktion die Zeit nehmen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das an einem ganz konkreten Beispiel festmachen. Es ist eine ambitionierte und begrüßenswerte Vorgabe des Bildungspaketes, die Anzahl der Referendare auf 1 700 hochzufahren. Aber dahinter muss ein Komma gesetzt werden. Wir müssen Perspektiven aufzeigen. Wir müssen deutlich machen, dass hinter der Referendarausbildung auch die Möglichkeit besteht, dass die Leute zeitnah in den Schuldienst eingestellt werden,
und das nicht mit einer Teilzeitperspektive, sondern mit einer Vollzeitperspektive, meine Damen und Herren.
Wir können gern weiter mit Teilzeitstellen planen. Das können wir wunderbar machen. Wir können weiter von 400 Stellen ausgehen, die wir auf Teilzeit verteilen. Aber diese Stellen werden nicht angenommen werden, meine Damen und Herren. Wir wissen um die Attraktivität des Lehrerberufs bei uns im Land. Das hat objektive Gründe. Das will ich nicht vertiefen. Aber wenn wir den jungen Leuten etwas Attraktives anbieten wollen, dann ist das die Vollzeitperspektive.
Da muss die Vollzeitperspektive ihren Niederschlag auch in der Stellenplanung finden. Da muss ich ganz einfach, ohne das jetzt weiter diskutieren zu wollen, die Frage stellen, ob die Stellen, die bis 2015 ausgebracht worden sind, wirklich die Stellen sind, um die Leute ins System zu bekommen. Da kann ich diesen Leuten auch nicht Hoffnung machen und sagen, dass sie 2015 oder 2016 eingestellt werden. Bis dahin sind die Leute weg.
Meine Damen und Herren, auch im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen möchte ich eines anmahnen. Wir dürfen nicht nur die Frage stellen: Was können wir uns leisten? Wir müssen gleichberechtigt – ich will nicht sagen übergeordnet – auch die Frage stellen: Was müssen wir uns leisten?
Und, meine Damen und Herren, wir müssen uns auch die Frage stellen: Was können wir uns nicht leisten? Ich denke, es gibt eine Reihe von Punkten, die wir uns nicht leisten können. Wir können es uns nicht leisten, dass auch nur ein junger Lehrer noch dieses Land verlässt.
Wir können es uns nicht leisten, Entscheidungen weiter zu verzögern oder zu vertagen und danach 2015 erneut darüber zu diskutieren. Wie ich schon gesagt habe, können wir es uns nicht leisten, die Anzahl der Referendarstellen hochzufahren, ohne adäquate Neueinstellungen mit zu planen. Wir können es uns nicht leisten, Vollbeschäftigung als Attraktivität der Lehrerbeschäftigung in Sachsen zu deklarieren, und gleichzeitig intern weiter mit Teilzeitmaßnahmen planen.
Wir können es uns auch nicht leisten – auch darüber müssen wir reden –, Abordnungen und Abminderungsstunden undifferenziert nur anhand von Statistiken zu hinterfragen und zur Disposition zu stellen. Die Aussage „Lehrer vor die Klasse“ kann ich problemlos unterschreiben, aber wir haben auch Abordnungen, die dann durch Stellen in der Verwaltung bzw. in der Lehrerausbildung ersetzt werden müssen. Darüber müssen wir reden. Es muss diskutiert werden, ob das alles so ohne Weiteres geht.
Meine Damen und Herren, all das sind Bemerkungen zu der Frage, was wir uns nicht leisten können. Es sind aber auch Fragen, die wir in der Auseinandersetzung mit dem, was auf dem Tisch liegt, erörtern müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das als Fraktion auch tun werden – gemeinsam mit der Staatsregierung, kritisch und selbstkritisch, ehrlich
und vielleicht auch ein Stück weit mit Leidenschaft. – Herr Präsident ich schließe, weil ich diesen Satz noch hier stehen habe, mit einem Zitat von Benjamin Franklin. Mir wurde gesagt, dass ich ein wenig zu markigen Aussagen neige.
Deshalb der letzte Satz von Benjamin Franklin, den ich ganz einfach in den Raum stellen will: „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahlen und Fakten liegen auf dem Tisch. Sie sind transparent und sie sind vor allen Dingen nicht interpretierbar. Wir erwarten bis 2020 einen Altersabgang von insgesamt 8 000 Lehrern. Wir haben jetzt schon – seit Schuljahresbeginn – Probleme in der Unterrichtsversorgung. Das liegt nicht – wie heute in der Zeitung nachzulesen – am Schneefall im Erzgebirge und auch nicht daran, dass es bei den Berufsschulen vielleicht mehr geschneit hat als bei den Mittelschulen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir offensichtlich jetzt schon personelle Probleme haben. Es liegt auch nicht am Streik der Lehrer. Lehrer haben nun einmal, wenn sie in Sachsen nicht verbeamtet sind, auch Streikrecht. Das gefällt mir zwar nicht, aber sicherlich hat das auch Ursachen.
Meine Damen und Herren! Der Handlungsbedarf lässt sich also sehr deutlich herleiten. Ich denke, wir sind uns darüber im Klaren – zumindest spreche ich im Namen meiner Fraktion: Wir brauchen eine schrittweise Erneuerung des Lehrkörpers. Wir müssen die ältere Lehrergeneration schrittweise ersetzen und im Blick auf die Zahl, die uns dazu bevorsteht, müssen wir jetzt damit beginnen und nicht erst nächstes oder übernächstes Jahr.
Wir müssen jedem Referendar eine zeitnahe Ausbildung ermöglichen, einen zeitnahen Abschluss realisieren und wir können nicht differenzieren, ob er das Lehramt für Gymnasium oder für Mittelschule studiert hat. Wir brauchen jeden Lehrer in diesem Land. Alles andere ist eine verheerende Botschaft in die Richtung der Lehramtsstudenten. Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass uns jeder ausgebildete Student als Junglehrer zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen Einstellungsmöglichkeiten auch im Blick auf Junglehrer. Wir werden es sicherlich nicht mit einem Mal stemmen, 8 000 Stellen im Haushalt einzustellen. Aber wir müssen deutliche Botschaften in die Gesellschaft in Sachsen senden, dass wir willens sind, dem Problem des Lehrermangels, der sich abzeichnet, und dem Problem der Überalterung unserer Lehrer letztlich auch gerecht zu werden.
Meine Damen und Herren! Das ist keine politische Ermessensentscheidung. Das ist einfach eine dringende und eine zwingende Notwendigkeit. Meine Damen und Herren, ich sage in aller Deutlichkeit und vielleicht begebe ich mich damit auch ein Stück weit in Kontroverse zu den Finanzpolitikern dieses Landtages: Diese Aufgabe hat mindestens den gleichen Stellenwert wie eine solide Haushaltspolitik.
Meine Damen und Herren! Ich kann nicht über die Zukunftsfähigkeit eines Landes im Zusammenhang mit einer soliden Haushaltspolitik allein diskutieren. Zukunftsfähigkeit dieses Landes macht sich an jungen Menschen fest, die gut gebildet sind, die gute Betreuungsangebote im Jugendbereich haben und die sich in diesem Land wohlfühlen. Daran macht sich auch Zukunft fest.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will damit überhaupt nicht
die bisherige solide Finanzpolitik unserer Fraktion und der Staatsregierung infrage stellen. Ich bin nicht derjenige – auch wenn mir das teilweise unterstellt wird – der an den Vorgaben vorbeiziehen will. Das will ich nicht. Es ist eine Notwendigkeit im Blick auf die Zukunft dieses Landes, die Prioritäten deutlicher zu verschieben, deutlicher für die Bildung zu setzen.
Meine Damen und Herren! Wir müssen, wie gesagt, zeitnah handeln. Das ist das Problem, das ich sehe. Dies
findet bislang nicht statt, Frau Giegengack, leider nicht. Da gebe ich Ihnen recht. Ich freue mich nicht, das hier so feststellen zu müssen; ich finde das traurig. Ich will auch niemanden hier vorführen. Ich fühle mich mit in der Verantwortung. Das möchte auch nicht falsch verstanden werden.
Meine Damen und Herren! Es ist das Gebot der Stunde zu handeln. Deshalb müssen die Diskrepanzen, die zwischen den beiden Häusern, insbesondere zwischen dem Kultus- und dem Finanzministerium, vorhanden sind, abgebaut werden. Ich kann beim besten Willen in der Öffentlichkeit nicht darstellen, dass wir ein hochbrisantes politisches Problem haben. Das ist die größte Baustelle, die diese Koalition zu bearbeiten hat. Ich gehe davon aus, dass dem so ist. Wir können es nicht daran scheitern lassen bzw. gegen die Wand fahren, weil wir nicht in der Lage sind, Zahlen abzugleichen und uns zu verständigen, was an Bedarfen an Stellen da ist.
Meine Damen und Herren! Zeitnahes Handeln ist notwendig. Ich gehe davon aus, dass das einsetzt, auch seitens der Staatsregierung. Patrick Schreiber wird noch einmal darauf eingehen, was wir als Fraktion bereits als Maßnahmenstrauß verabschiedet haben, um dieses Problems Herr zu werden. Es geht also nur noch um die Umsetzung.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch eine persönliche Anmerkung. Ich denke, es bedarf in einer Demokratie nicht unbedingt des Mutes, um unterschiedliche Positionen innerhalb der eigenen Partei auszuhalten und auch öffentlich zu machen. Das hält die Demokratie aus. Das hält auch eine demokratische Partei aus.
Insofern glaube ich, dass es weniger darum geht, ob wir uns intern auch möglicherweise zu unterschiedlichen Positionen verständigen und das auch öffentlich machen. Das ist nicht das Thema. Entscheidend ist, dass wir die Probleme lösen und nicht aussitzen und damit vor allen Dingen auch Politikverdrossenheit entgegenwirken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Sachverhalt etwas sagen, der bekannt sein dürfte.
Ja, es ist eine Kurzintervention.
Es geht um einen Sachverhalt, der allen Fraktionen bekannt ist. Es ist mein Name gefallen.
Ich finde es erst einmal nicht sehr gut, mit Schuldzuweisungen zu agieren.
Das würde draußen falsch aufgefasst werden. Die Leute erwarten Lösungen und keine gegenseitigen Schuldzuweisungen. Das ist ein Thema. Wenn es eine Schuldzuweisung gibt, müssten wir diese ein Stück weit in die Richtung der Staatsregierung formulieren – mehr aber auch nicht.
Zweitens sprechen wir einmal über die Vergangenheit: Es war über die Fraktionen bis hin zu den Oppositionsfraktionen hinweg unstrittig – auch bei der FDP, als sie in der Opposition war –, dass wir Lehrern, die zu viel vorhanden waren, nicht kündigen. Wir haben alle Lehrer über 20 Jahre im System gehalten. Wir haben Teilzeitverträge abgeschlossen. Wir wussten um die Altersstruktur unserer Lehrer. Uns war es allerdings auch wichtig – das hatte die gleiche Priorität –, unsere älteren Lehrer und diejenigen Lehrer, die aufgrund der Fächer nicht gebraucht wurden, im System zu belassen.
Das war ein Konsens mit den Gewerkschaften, der Opposition, den Regierungsfraktionen und der Regierung. Daraus nun einen Vorwurf zu formulieren und zu sagen, dass wir schon sehr viel eher hätten handeln können, finde ich – Entschuldigung, lieber Norbert – schäbig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema dieses vorliegenden Antrages ist zweifellos hochbrisant, aber wir sollten ehrlich miteinander umgehen. Es geht um mehr als nur um Geld. Das merkt man sehr schnell, wenn man die Diskussion um die Abschaffung des Kooperationsverbots etwas differenzierter und genauer betrachtet. Das gilt auch – und ich stehe dazu, dass das in meiner Partei kontrovers gesehen ist – für unsere Bundesbildungsministerin. Frau Dr. Stange, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie wirklich einen Erkenntnisprozess durchgemacht hat oder nicht ein wenig der Versuchung der Macht erlegen ist. Das sage ich ganz deutlich.
Meine Damen und Herren! Angesichts klammer Kassen der öffentlichen Hand, angesichts des Verschuldungsverbots, dem sich die Länder zunehmend unterziehen wollen, ist es zweifellos notwendig und richtig, die Ausgaben für die Bildung zu bündeln. Der Bildungsgipfel der Bundesregierung 2008 zusammen mit den Länderchefs, wo unterschiedliche Parteien vertreten waren, hat dazu sicherlich einen optimistischen Impuls gesetzt, aber leider ist es bei einem Impuls geblieben. Die hehre Botschaft, 10 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 in Forschung und Bildung auszugeben, klingt zwar gut, aber sie ändert sichtbar bislang nichts an der Finanzierungsmisere des deutschen Bildungssystems. Daran hat auch die Proklamierung einer Bildungsrepublik Deutschland nichts geändert. Die Ungleichgewichtung der Bildungsausgaben zwischen den Ländern, die mit 66 % im Boot sind, den Kommunen mit 20 % und dem Bund mit 40 % hat sich damit nicht verändert. Die eben genannten Zahlen gehen auf ein Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung zurück, das vor Kurzem veröffentlicht wurde.
Meine Damen und Herren! Nicht nur an dieser Stelle kommt der Bildungsföderalismus anscheinend an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Kein Wunder also – und meine beiden Kolleginnen haben das im Vorfeld schon sehr deutlich gesagt –, dass der Bildungsföderalismus generell hart in der öffentlichen Kritik steht und auch infrage gestellt wird und eine hoher Prozentsatz der Bevölkerung, von Lehrern angefangen bis zu Eltern, diesen Bildungsföderalismus rundweg ablehnt.
Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle einmal eine deutsche Zeitung zitieren, die das sehr hart und sehr deutlich auf den Punkt gebracht hat, was wir alle in den eigenen Reihen auch immer wieder diskutieren. Es heißt dort: „Vielen Bildungspolitikern ist er ein Heiligtum, vielen Normalbürgern ein Graus – der Bildungsföderalismus. Die Idee ist gut und sie ist grundlegend, doch klafft zwischen theoretischem Anspruch und der Praxis in den deutschen Ländern eine Riesenlücke. Es ist ein Skandal,“ – heißt es dort weiter – „dass in Zeiten weltweiter Mobilität ein bloßer Umzug von Düsseldorf nach Berlin für Kinder zur persönlichen Bildungskatastrophe
werden kann, denn die Schulsysteme sind nicht nur verschieden, sondern oft auch inkompatibel. Wer dieses Problem nicht löst, setzt sich dem Verdacht aus, dass Föderalismus für ihn ein bloßer Vorwand ist, um ideologische Grabenkämpfe von vorgestern auszutragen.
Noch immer sind einheitliche Standards eher eine Willensbekundung als nachprüfbare Praxis. Nur wer die gesamtstaatliche Verantwortung ernst nimmt, kann erreichen, dass Normalbürger im Bildungsföderalismus wieder mehr sehen, als einen parteipolitischen Popanz.“
Meine Damen und Herren! Ich denke, wir tun als Landespolitiker und insbesondere auch als Bildungspolitiker in diesem Land gut daran, solche kritischen und ehrlichen Worte sehr ernst zu nehmen, denn sie treffen tatsächlich die Situation, wie wir sie zurzeit in Deutschland haben.
Meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Wir haben in Sachsen meines Erachtens durchaus vom Bildungsföderalismus profitiert und bei allen offenen Baustellen, die wir noch haben, auch vergleichsweise eine recht gute bildungspolitische Entwicklung vollzogen. Aber: Wir haben die Situation auch von Sachsen aus in Deutschland nicht grundlegend verändern können. Als Politiker eines Landesparlamentes können wir diese Sicht auf Gesamtdeutschland nicht vernachlässigen, wenn wir denn dem Anspruch von einem höheren Bildungsanspruch für Deutschland gerecht werden wollen.
Meine Damen und Herren! Was ist nun der Ausweg aus diesem Dilemma? – Ist es die Abschaffung des Bildungsföderalismus und die zentralstaatliche Ordnung des Bildungswesens einschließlich seiner Finanzierung? Damit würde man meines Erachtens wohl diesen eben zitierten Zeitungsausschnitt falsch verstehen und ebenso auch die vorliegenden Anträge. Es kann auch nicht im Sinne der vorliegenden Anträge darum gehen, den Bildungsföderalismus in Bausch und Bogen infrage zu stellen. Ich habe es gerade vorgelesen: Die Idee ist gut und sie ist nachvollziehbar. Aber die praktische Umsetzung krankt zunehmend und führt zu Recht zu den eben genannten Akzeptanzproblemen.
Aber, meine Damen und Herren, gesamtstaatliche Verantwortung und Bildungsföderalismus schließen einander nicht unbedingt aus. Dies gilt auch und gerade für die Finanzierung des Schulsystems. Auch wenn die eigentlich wünschenswerte Mitfinanzierung des Bundes dabei nicht automatisch Entscheidungskompetenzen beinhalten muss, profitiert doch letztlich auch die Bundesebene von einer aktiven finanziellen Mitgestaltung der Bildungsausgaben in den Ländern. Allein schon durch die absehbar sinkenden Sozialausgaben, aber auch durch die steigenden Einnahmen von damit dann besser Qualifizierten bei den Steuern und Sozialversicherungen sind das Vorhaben und ganz nüchterne fiskalische Aspekte, die sich damit auch für den Bund ergeben. Insofern muss sich der Bund eigentlich auch bei der Frage nach der Mitfinanzierung
von Bildungsausgaben nicht von der eitlen Vorstellung leiten lassen, damit auf Länderkompetenzen einwirken zu müssen, sondern löst damit indirekt auch seine eigenen Probleme.
Das ist aber genau die entscheidende Frage auch im Umgang mit dem Kooperationsverbot. Ich denke, man muss an dieser Stelle noch einmal diesen etwas irreführenden Begriff in seiner Interpretation kritisch hinterfragen. Dabei bleibt Folgendes festzustellen: Eine kontinuierliche Mitfinanzierung des Bundes bei der allgemeinen Bildungsfinanzierung gab es auch vor der Föderalismusreform 2006 so nie in diesem Land. Es gab vielmehr häufig eine spontane, zeitlich begrenzte und auf einzelne Projekte bezogene Bundesfinanzierung, die noch dazu oft an den Gegebenheiten in den Ländern vorbei stattgefunden hat; denn nicht immer wurde alles, was aus Ländersicht sinnvoll und richtig war, kofinanziert, zumindest nicht vonseiten des Bundes. Damit wurde doch das Dilemma, das auf der Landesebene ist – so wie ich es gerade mit Blick auf den Bildungsföderalismus dargestellt habe –, eigentlich noch verstärkt.
Zweitens. Mit einer solchen Vorgehensweise hat sich der Bund auch Kompetenzen landespolitischer Entscheidungen angemaßt; denn er hat seine Förderung immer davon abhängig gemacht, in Strukturen und in Bildungsmaßnahmen der Länder hinein zu dirigieren, egal, ob das für die 16 Länder zu verallgemeinern war oder nicht. Es wurde von Berlin aus gesagt, was in 16 Ländern flächendeckend durchgeführt werden muss. Das, meine Damen und Herren, war eine deutliche Unterlaufung des Bildungsföderalismus. Das hat nichts mit der Eitelkeit eines Landespolitikers zu tun. Aber wir müssen dann die Frage stellen: Wollen wir diese Kompetenz derartig vor dem Hintergrund preisgeben, dass irgendjemand mit den Wurstzipfeln winkt, oder wollen wir diese Kompetenz beibehalten und nach anderen Möglichkeiten der Mitfinanzierung suchen?
Ja, bitte.
Ich möchte da eigentlich nicht unbedingt einen Unterschied machen, Frau Stange. Das ist genauso problematisch wie beispielsweise das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes, mit dem der Bund meinte, uns segensreich einen Gefallen zu tun, wenn wir das Geld gehabt hätten – wir haben gemeinsam schon darüber diskutiert, um beispielsweise Schulsozialarbeit in Sachsen damit aufzubereiten –, das wäre für uns viel wertvoller gewesen, als dass wir eine solche Vorgabe bekommen haben. Das möchte ich gar nicht differenzieren. Das ist ein Problem. So, wie der Bund seine Mitfinanzierungsverantwortung versteht, habe ich ganz einfach – ich werde das dann noch einmal untersetzen und vertiefen – ein Problem damit. Geht es wirklich um den politischen Willen, in Deutschland die Finanzierung des Schulsystems gemeinsam zu tragen und dabei Länderkompetenzen auszuhebeln oder nicht auszuhebeln, oder geht es darum, Eitelkeiten des Bundes dahin gehend zu befriedigen, dass die Probleme, die im Bund ohnehin noch nicht gelöst sind, jetzt noch mehr angehäuft werden, indem man sich auch noch die Bildungspolitik aneignet?
Das ist doch das Kernproblem.