Protocol of the Session on January 22, 2008

Fahrt in die Stadt Grimma mehr als 45 Minuten einplanen, und nach Borna müssen mehr als 45 000 Einwohner weit über diese 45 Minuten fahren. 10 000 Einwohner haben sogar eine Anfahrtszeit bis über eine Stunde.

Es ist, wie es ist: Grimma ist die starke Stadt – es sei denn, Sie vergeben den Kreissitz nach anderen Kriterien –; Grimma ist Lokomotive und Leuchtturm. Damit der Kreis von einer starken Lokomotive gezogen und einem großen Leuchtturm beleuchtet wird, bitte ich Sie, dem Änderungsantrag von Pfeiffer und Schmidt zuzustimmen.

Frau Präsidentin, ich beantrage die Auszählung der Stimmen, damit wir genau wissen, wie abgestimmt wurde.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Dr. Hahn, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Pfeiffer, ich finde es durchaus löblich, dass Sie hier einen Änderungsantrag einbringen; ich füge aber hinzu: Besser und glaubwürdiger wäre das Ganze, wenn all jene zwölf Abgeordneten aus den Reihen der CDU-Fraktion, die erklärtermaßen für Grimma sind, heute bei der Entscheidung auch entsprechend abstimmen würden.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren und auch Frau Pfeiffer: Wohlfeile Worte nützen den Bürgerinnen und Bürgern von Grimma herzlich wenig; am Ende zählen allein Taten, am Ende zählt die Abstimmung, und daran werden Sie und wir alle gemessen werden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion hat sich ihre Entscheidung bezüglich des Kreissitzes im künftigen Landkreis Leipzig nicht leicht gemacht. Es gibt sowohl für Borna als auch für Grimma gewichtige und nachvollziehbare Gründe. Da letztlich aber nur eine von beiden Städten den Zuschlag bekommen kann, ist ein Abwägungsprozess und letztlich eine Entscheidung zwingend erforderlich. Ein solcher Abwägungsprozess – und das ist die entscheidende Frage – muss aber auf einer sachorientierten und objektiven Grundlage erfolgen. Die Entscheidung darf vor allem nicht willkürlich sein und nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Doch genau das ist im vorliegenden Fall bei der Favorisierung von Borna durch die Staatsregierung nachweisbar geschehen und für uns ist das ein ganz gewichtiger Grund, dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Kreissitz nicht zuzustimmen.

Die Fraktion der Linken wird demzufolge bei der nachfolgenden Abstimmung für den Kreissitz Grimma stimmen und wir werden dabei sowohl die entsprechenden Anträge der CDU-Kolleginnen Pfeiffer und Schmidt wie auch den gemeinsamen Antrag von FDP und GRÜNEN unterstützen.

Den Antrag der NPD-Fraktion werden wir aus den bekannten grundsätzlichen Gründen ablehnen; aber diesmal kommt noch ein weiterer Grund hinzu: Die NPD verteilt im Muldentalkreis Flugblätter, in denen sie sich sowohl für den Erhalt des Kreissitzes in Borna als auch für den Erhalt des Kreissitzes in Grimma ausspricht.

(Unruhe und Verwunderung – Dr. Johannes Müller, NPD, tritt ans Mikrofon.)

Das, meine Damen und Herren, ist nun fachlich so absurd und an Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten, und deshalb kann Ihren Antrag niemand ernst nehmen, Herr Müller; und deshalb beantworte ich Ihnen auch keine Zwischenfragen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich will nun in der gebotenen Kürze auch noch begründen, warum sich die Linksfraktion im Ergebnis der Abwägung letztlich für Grimma als künftigen Kreissitz im Landkreis Leipzig entschieden hat. Es gibt bekanntlich eine ganze Reihe von Kriterien, die dazu herangezogen werden können und auch müssen. Wenn man diese Kriterien betrachtet, dann gibt es mehrere zentrale Punkte, die eindeutig für Grimma sprechen. Zwar sind beide Orte im gültigen Landesentwicklungsplan des Freistaates als Mittelzentrum ausgewiesen, jedoch nur Grimma als echtes Mittelzentrum. Borna ist dort lediglich als Ergänzungsstandort im ländlichen Raum aufgeführt. Der Landesentwicklungsplan wurde im Übrigen bekanntlich nicht von der Linken, sondern von der CDU aufgestellt.

Wenn man sich die Dauer der Erfahrung als Verwaltungsstandort betrachtet, dann liegt Grimma ganz offenkundig vorn, und auch die historische und überregionale Bedeutung der Stadt spricht aus unserer Sicht für die Muldestadt.

Was die zentrale Lage im künftigen Großkreis betrifft – auch das ist ja ein Kriterium –, so liegen auch hier die Vorteile aufseiten von Grimma – erst recht, wenn man die Pendlerströme und die vorhandenen Strukturen des Öffentlichen Personennahverkehrs einbezieht. Für viele Bürgerinnen und Bürger aus dem jetzigen Muldentalkreis wäre die Fahrt zur Kreisverwaltung nach Borna mit dem ÖPNV bei den jetzigen Linien und den jetzigen Fahrplänen eine Tagesreise. Das wäre ganz sicher, nicht nur aus unserer Sicht, unzumutbar.

Frau Köditz hat vorhin von den Kriterien gesprochen, die sich die Staatsregierung bekanntlich selbst gegeben hat. Wenn sich die Regierung auch nur halbwegs an ihre eigenen Kriterien gehalten hätte, dann müsste im Gesetzentwurf schon jetzt Grimma als Kreisstadt stehen. Dass

das nicht der Fall ist, hat letztlich mit sach- und sittenwidrigen Koalitionsabsprachen zu tun.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich sage hier ganz klar, eine Lex SPD ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Pfui-Rufe von der SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein Zweifel, auch Borna braucht eine Perspektive und auch Borna braucht politische Unterstützung durch die Landesebene. Das mahnen wir ausdrücklich an. Die Zukunftsfähigkeit der Stadt kann und darf aber nicht allein am Kreissitz hängen. Trotz großer Sympathie für Borna stimmen wir daher heute für Grimma.

Eine letzte Bemerkung: Die Frage des Kreissitzes im Landkreis Leipzig ist einer der neuralgischsten Punkte

(Stefan Brangs, SPD: Was?)

des Gesetzespaketes. Noch besteht die Chance, das gesamte Paket auf eine verfassungsrechtlich saubere Grundlage zu stellen. Dann müssen Sie dem Antrag zustimmen. Anderenfalls, und auch das ist völlig klar, werden die Verfassungsrichter in Leipzig entscheiden müssen. Wir waren dort bekanntlich bislang sehr erfolgreich. Sie werden Ihre Reform womöglich dort verlieren, wenn Sie jetzt weiter stur bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Dr. Müller, Sie haben zum Änderungsantrag das Wort.

Zum Änderungsantrag zwangsläufig, ja.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir bleibt ja gar nichts anderes übrig, als zum Änderungsantrag zu sprechen, aber ich muss in dem Zusammenhang natürlich auf die Anwürfe von Kollegen Hahn eingehen. Was Sie gesagt haben, sind wieder einmal Halbwahrheiten. Das kommt ganz oft in Ihrer Fraktion vor. Das Flugblatt, welches Sie genannt haben, betrifft schlicht und ergreifend die gesamte Kreisgebietsreform, die wir in Gänze ablehnen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Grimma und Borna steht dort!)

Da wir die Reform genauso wenig wie Ihre Fraktion verhindern können, müssen wir zusehen, dass wenigstens nur das kleinste Übel passiert. Wenn man sich die Landkarte ansieht, braucht man mit gesundem Menschenverstand nicht weiter zu überlegen, welche Stadt im neu gebildeten Landkreis Kreisstadt sein soll. Deswegen stehen die klare Entscheidung und der Änderungsantrag meiner Fraktion. Was daran doppelzüngig sein soll, bleibt Ihrer Fantasie überlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Bitte, Herr Abg. Bandmann.

(Zuruf von der Linksfraktion: Nicht schon wieder!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat ein Abwägungsprozess zwischen Borna und Grimma. Herr Dr. Hahn hat der NPD-Fraktion gerade einen Vorwurf der Doppelzüngigkeit gemacht. Interessanterweise hat die Linksfraktion ihre Kreisgeschäftsstelle bereits von Grimma nach Borna verlagert.

(Oh-Rufe bei der CDU und der SPD – Gelächter bei der NPD)

Das war dort in den Zeitungen zu lesen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das stimmt doch gar nicht!)

Das wurde aber mit den günstigeren Mieten begründet.

(Unruhe im Saal)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bandmann?

Ja, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Lügner! Lügner!)

Herr Bandmann, könnten Sie bitte die Adresse bekannt geben, unter der die Linkspartei in Grimma eine Kreisgeschäftsstelle hatte?

Die Adresse kann ich Ihnen nicht nennen.