Insofern, Frau Orosz, hätten Sie heute – so will ich es einmal formulieren – selbst die Chance, mit solchen eventuellen Spekulationen oder Gerüchten aufzuräumen, indem Sie mit dafür Sorge tragen, dass die Fakten, nämlich der Bericht, die Möglichkeit hat veröffentlicht zu werden. Nur darum geht es. Ich denke, dass man sich darauf auch verständigen kann. Wir haben als Landtag ein Recht, wenigstens so viel zu erfahren wie die Presse, ansonsten können wir künftig hier einen Presseball machen und den Landtag auflösen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag wird deutlich, dass die Opposition unsere Verfassung und unsere darauf beruhenden Gesetze nach so langer Zeit immer noch nicht verinnerlicht hat.
Der Rechnungshof ist eine eigenständige Institution mit einem eigenständigen Prüfungsrecht, das auch keinerlei Weisungen unterliegt, insbesondere nicht von diesem Hause, lieber Herr Pellmann. Von daher verwundert es mich doch sehr, dass man hier den Rechnungshof mit einem solchen Antrag derart brüskiert.
Es ist allein Sache des Rechnungshofes, wann er sein Verfahren abschließt und welche Ergebnisse er dann in seinem Prüfungsbericht niederlegen möchte. So kann dies
Liebe Kristin Schütz, anknüpfend an unser Gespräch gestern Abend gehe ich davon aus, dass du mir insofern beipflichtest. Sie wollen hier nichts anderes tun, als vermeintliche Fakten in den Raum stellen. Darin haben sie Übung, wenn man an die Pressekonferenzen im 2. Untersuchungsausschuss denkt. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass sich die Staatsregierung keineswegs einer Verschleierungs- oder Verzögerungstaktik bedient.
Sie, Herr Dr. Pellmann, haben mit Ihrer Kleinen Anfrage vom 31. Mai 2006 verschiedene Fragen an die Staatsregierung gerichtet. Die Staatsministerin Frau Orosz hat darauf dem Ausschussvorsitzenden Herrn Wehner geantwortet, der im Übrigen auch Mitglied Ihrer Fraktion ist. Sie hat darauf geantwortet, indem sie eine Kopie des zweiten Berichtes der Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vorwürfe gegen die ehemalige LVA Sachsen in der Fassung vom 27. April 2006 vorgelegt und angeboten hat, hier zu jeder Zeit dazu Stellung zu nehmen und auch im Sozialausschuss die Fragen zu beantworten.
Betrachtet man diesen Fakt ebenso, so haben Sie sich endgültig selbst entlarvt. Sie tun mit der Art und Weise Ihres Vorgehens diesem Hohen Hause keinen Gefallen. Sie sollten sich Ihrer Verantwortung als Parlamentarier und Gesetzgebungsorgan bewusst werden. Aus meinen Ausführungen wird deutlich, dass wir diesen Antrag ablehnen werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Steinbach, logischerweise sieht das natürlich die Opposition schon etwas anders, denn schon seit über einem Jahr machen negative Meldungen über Ungereimtheiten vor allem auch im Klinikbereich der früheren LVA Sachsen, die vor zwei Jahren mit den mitteldeutschen Nachbarländern zur Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland fusionierte, die Runde. Dabei ging es immer wieder um angeblich dubiose Patientenströme, LVA-Kredite oder die mögliche Begünstigung einzelner Klinikbetreiber. Diese Vorwürfe sind offensichtlich in einem Prüfbericht zum Finanzgebaren der früheren LVA voll bestätigt worden.
So ist einem Artikel der „Leipziger Volkszeitung“ vom 15.11.2007 zu entnehmen, dass die Genehmigung des Sozialministeriums für ein an eine Rehaklinik in Ahlbeck ausgereichtes Darlehen über rund 44 Millionen Euro rechtswidrig gewesen sei, da die rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung nicht vorgelegen haben und darüber hinaus der Bau der gesamten Klinik als nicht erforderlich betrachtet wurde. Ähnlich niederschmetternd fällt das Urteil des Rechnungshofes in Bezug auf eine
Klinik im österreichischen Bad Gastein aus, die von den Prüfern unter die Lupe genommen wurde. Bis zum Jahr 2001 waren Reha-Maßnahmen auch im EU-Ausland im Regelfall unzulässig. Die LVA nutzte diese Möglichkeit trotzdem. Die Bewertung der Rechnungsprüfer auf Seite 35 dazu ist eindeutig. Das Sozialministerium habe es „bewusst“ unterlassen, gegen den Rechtsbruch vorzugehen.
Als Abgeordneter des Sächsischen Landtags würde man natürlich gern mehr über diesen hoch brisanten Komplex erfahren. Leider muss man sich aber mit Zitatenschnipseln, zum Beispiel aus der „Leipziger Volkszeitung“, begnügen. Der Grund liegt darin, dass ausgerechnet die Unregelmäßigkeiten bei der früheren LVA Sachsen im Rechnungshofbericht 2007 fehlen. Der Gedanke liegt dabei nahe, dass dahin gehend auf den Landesrechnungshof Druck ausgeübt wurde, um eine Veröffentlichung des Berichtes zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
Wie kann es denn sonst sein, Frau Staatsministerin, dass offensichtlich gleich mehrere Journalisten schon im Besitz des Berichtes oder zumindest von Teilen davon sind, nicht aber die Abgeordneten des Sächsischen Landtages, die dies als Erste mit hätten zu Gesicht bekommen müssen? Wenn hier doch tatsächlich, von wem auch immer, Druck in Richtung Landesrechnungshof ausgeübt wurde, dann haben wir es wieder einmal mit einem Skandal erster Güte zu tun. In dem Bericht soll es nämlich offensichtlich nicht nur um eklatante Unregelmäßigkeiten im Klinikbereich gehen, sondern auch um üppig ausgestattete Dienstlimousinen und eine rätselhafte Frühpensionierung von Beamten, von denen der jüngste laut Zeitung sage und schreibe 38 Jahre alt gewesen sein soll.
Schon im Mai 2006 hatte die frühere LVA für Skandalschlagzeilen gesorgt, als herausgekommen war, dass der langjährige Vorstandsvorsitzende Hanjo Lucassen, seines Zeichens auch DGB-Landeschef in Sachsen, in dubiose Praktiken rund um die LVA-Geschäftsstelle in Chemnitz verwickelt war. So habe der Rententräger 2002 Räume einer städtischen Gesellschaft gemietet, obwohl ein deutlich günstigeres Angebot vorgelegen habe. Dadurch sei ein Schaden in Höhe von 86 700 Euro entstanden. Lucassen, der nach außen hin gern den moralisierenden Saubermann unter anderem auch im Kampf gegen Rechts gibt, hat hier wohl Selbstverwaltung mit Selbstbedienung verwechselt.
Ich kann die Staatsregierung nur auffordern, sich umgehend und intensiv dafür einzusetzen, den vorliegenden Bericht korrekterweise offenzulegen oder offenlegen zu lassen und ihn endlich auch in die Hände der Landtagsabgeordneten zu geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal hilft ja ein Blick ins Gesetz, diesmal in das höchste, in unsere Verfassung des Freistaates Sachsen. Hier heißt es im Artikel 50: „Die Staatsregierung ist verpflichtet, über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.“ Da steht, dass die Staatsregierung uns zu informieren hat und nicht nur die Presse.
Seit geraumer Zeit haben wir aber das Phänomen, dass bei zentralen Themen der Ressorts der Artikel 50 der Sächsischen Verfassung plötzlich offenbar nicht mehr gelten soll und wir hier im Parlament vom Informationsfluss abgehängt werden. Das ging los bei der Sachsen LB. Dort waren es erst kleinere Sachen wie Anhängerkupplungen von Vorstandsmitgliedern, dann ging es um Urkundenfälschung und dann der Notverkauf in diesem Sommer. So war es auch bei der Affäre um den Verfassungsschutz und nun auch so beim heutigen Thema, der Aufsicht des Sozialministeriums über die ehemalige Landesversicherungsanstalt Sachsen. Darin, lieber Christian Steinbach, muss ich dir hier vehement widersprechen, dass dies nur Populismus sei.
Jedes Mal dürfen wir als Abgeordnete – zumindest der Opposition, vermute ich – aus den Medien Inhalte aus Akten der Behörden erhalten und den Schriftverkehr der Ministerien lesen. Aus der Presse durften wir zum Beispiel erfahren, dass der Verfassungsschutz rund 15 000 Aktenseiten unter dem Stichwort „Organisierte Kriminalität“ angelegt hat. Bisher ist aber nicht eine Seite davon beim zuständigen Untersuchungsausschuss dieses Hauses angekommen.
Im Sommer haben wir dann aus der Presse den Inhalt des Grundlagenvertrages mit der Landesbank BadenWürttemberg zum Notverkauf der Sachsen LB erfahren, und vor wenigen Wochen durften wir Teile des Inhalts der Prüfungsergebnisse des Sächsischen Rechnungshofes zum Thema Landesversicherungsanstalt Sachsen in der „LVZ“ und der „FAZ“ lesen.
Eine Standardauskunft der Staatsregierung zu Fragen aus unserer Runde häuft sich in allen Fällen: Das ginge uns nichts an, da hier der Kernbereich der Exekutive gemäß Artikel 51 der Verfassung berührt sei. Herr Kollege Pellmann hat erst kürzlich wieder diese Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Komplex der ehemaligen Landesversicherungsanstalt Sachsen erhalten. Dass sich die Vorgänger von Frau Orosz im Hinblick auf die Rechtsaufsicht nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, dürfte doch inzwischen jedem in unserem Hause klar geworden sein. Wir hatten das Thema am 15. März vergangenen Jahres im Parlament beschlossen.
Frau Orosz, Sie hatten zu den dortigen Anträgen sehr ausführliche Stellungnahmen abgegeben und stets betont, dass das Sozialministerium nur die Rechtsaufsicht hat – was weniger als eine weitergehende Fachaufsicht ist. Insofern wundern wir uns schon, warum Sie sich jetzt plötzlich so zieren.
Vergangenes Jahr waren Sie sehr darum bemüht, ein wenig Licht in das Dickicht der Geschehnisse der ehemaligen Landesversicherungsanstalt Sachsen zu bringen, und einige Vorwürfe zu Einzelkomplexen wurden meines Wissens damit auch nicht mehr erhoben. Sie haben vergangenes Jahr ein etwas anderes Krisenmanagement versucht – anders, als es die Staatsregierung bei der Aktenaffäre oder bei der Landesbank Sachsen praktiziert hat –; jetzt ist offenbar nicht mehr viel davon übrig geblieben.
Wir als FDP-Fraktion halten den Antrag der Linken inhaltlich für begründet und werden ihm daher zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“? – Schade, dass hier nicht irgendwo Bill Murray zu sehen ist. Ich sehe in dem Film und der heutigen Diskussion schon eine gewisse Ähnlichkeit. Offensichtlich widmen wir uns alljährlich dem Thema LVA. Im Film befreit sich der Held durch Wandlung aus der Zeitschleife, und es ist zu hoffen, dass uns das in Sachsen auch gelingen kann.
Für die Vergangenheit gilt unserer Meinung nach Aufklärung und für die Zukunft brauchen wir Transparenz. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Linksfraktion.
Allerdings – das muss ich deutlich sagen – sehen wir nicht in gleicher Weise wie Sie eine Verzögerungstaktik. Wenn Sie im Punkt 2 schreiben, „umgehend“ dafür Sorge zu tragen, und im Punkt 3, „unverzüglich“ den Bericht des Landesrechnungshofes vorzulegen, dann wäre uns an dieser Stelle mit einem milderen Artikel ausreichend geholfen. Im Gegenteil, wir wollen Frau Orosz ermuntern: Gehen Sie weiter auf diesem Weg, den Sie 2006 eingeschlagen haben. Auf die Kleine Anfrage von Herrn Pellmann im Juni 2006 antworteten Sie, dass es keine Verpflichtung gebe, dem Landesparlament Unterlagen und Prüfberichte vorzulegen; trotzdem erhielt der Sozialausschuss im Juli 2006 den zweiten Prüfbericht. Wir gehen davon aus, dass wir auch in diesem Jahr den Prüfbericht erhalten werden.
Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland erklärte sich bereit – ich zitiere –, „dass ihre Repräsentanten, insbesondere der Vorsitzende der Geschäftsführung, interessierten Abgeordneten des Sächsischen Landtages
jederzeit Auskunft in den Angelegenheiten geben werden, die im zweiten Prüfbericht“ – und ich gehe davon aus, dass es mit dem dritten genauso ist – „angesprochen werden“.
Seit 2005 gibt es die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland und Fakt ist, dass sich dort nicht die sprintstärksten Rentenversicherungen zusammengefunden haben, sondern man könnte sagen, es sind eher die Fußkranken gewesen. Also sollten wir den Trainingsfortschritt und das Programm, das diese Rentenversicherung noch vor sich hat, um einmal zu den Sprintstarken zu gehören, begleiten.
Sie, Frau Orosz, sollten sich der Initiative des Sächsischen Rechnungshofpräsidenten anschließen und ihn unterstützen, der gemeinsam mit seinen Kollegen für die Landesrechnungshöfe umfassende Prüfberichte für alle Bereiche der Sozialversicherung fordert. Für die Zukunft brauchen wir diese Transparenz und die funktionierende Selbst- und Fremdkontrolle, damit die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland nicht wie die LVA in den Neunzigerjahren zum Staat im Staate wird.