Protocol of the Session on July 6, 2007

Ich weiß auch, dass Volker Külow sich in dieser Auseinandersetzung eine sehr kritische Position zum MfS und zu seiner eigenen Tätigkeit erarbeitet hat. Er hat für mich glaubwürdig dargestellt und bewiesen, dass er sich von einem dogmatischen zu einem demokratischen Sozialisten weiterentwickelt hat. Ich bin davon überzeugt, dass Volker Külow einen langen Weg der Auseinandersetzung hinter sich hat. Das respektiere ich, das achte und das schätze ich. Ich finde, Sie könnten so fair sein, das auch einmal anzuerkennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile das Wort dem Abg. Gerlach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich vorhin als Einreicher meinen Redebeitrag gehalten habe, möchte ich jetzt sehr persönlich ganz speziell auf das eingehen, Frau

Lay, was Sie gesagt haben und was auch Herr Dr. Külow angemahnt hat.

Sie nehmen die Begriffe Gnade, Reue und Vergebung auf. Ich gehe als bekennender Christ auf diese Problematik ein, sage aber ganz klar, dass ich keinerlei theologische Ausbildung habe. Es ist Ihr gutes Recht, dass Sie von uns allen einfordern, dass wir uns zu dem Prinzip Vergebung bekennen. Jawohl, das ist richtig. Vergebung geht für mich in einer persönlichen Beziehung. Ich habe das selbst durch. Ich habe eine Akte mit 2 000 Seiten, in der unter anderem einige Leute auftauchen, die bei mir aus- und eingegangen sind. Das war eine schwere Auseinandersetzung, die durchzustehen war. Es war auch schwer, denen zu sagen, ich schau dich wieder an und du kannst in meiner Familie wieder ein- und ausgehen, auch wenn das eine oder andere schiefgegangen ist. Jawohl, das geht, und darauf haben IMs oder welche Verfehlungen Leute auch immer gemacht haben, ein Recht, von anderen Vergebung zu erwarten. Ob der andere dazu in der Lage ist, ist eine andere Geschichte.

Im gleichen Atemzug, und zwar einen Absatz tiefer, sagen Sie, der Rechtsstaat kenne Prinzipien. Als Nichttheologe sage ich Ihnen, für mich kennt Gott nur ein Prinzip, und das heißt Liebe und daraus folgende Vergebung. Mit der gleichen Berechtigung könnten Sie zum Innenminister gehen und ihn auffordern, alle Leute aus dem Knast zu entlassen, die ihm sagen, dass es ihnen leidtue.

(Vereinzelt Widerspruch bei der Linksfraktion)

Wenn das konsequent durchdacht wird. Moment. Sie können gern ans Mikrofon treten.

Sie berufen sich auf den Rechtsstaat, in dem es Fristen und Maßstäbe der Beurteilung gibt. Hier geht es darum, dass Menschen, die er angesprochen hat und wofür er meinen Respekt hat, in einer ganz persönlichen Art und Weise – wir kennen nicht alle Akten, davon bin ich überzeugt, wo niemand direkt zu Schaden gekommen ist, aber das ist nicht der Verdienst von Dr. Külow, sondern das hat sich aus den Umständen so ergeben – ihm diese Vergebung aussprachen. Diese Vergebung kann aber das Parlament nicht aussprechen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Damit bin ich bei Herrn Hahn. Herr Hahn, ich weiß nicht, von welcher Bürgerbewegung Sie vorhin gesprochen haben, in der Sie waren. In der Bürgerbewegung, in der ich mitgearbeitet habe, bestand die Forderung, dass wir ehemalige Zuträger des MfS – so hieß das damals, es wurden noch andere Worte gebraucht, die ich nicht wiederholen will – nicht wieder in herausgehobenen Positionen des Staates haben wollen, in denen sie über andere entscheiden.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Heinz Eggert, CDU, steht am Mikrofon.)

Das war die Forderung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich. Ich weiß aber nicht, wer als Erster hier war.

Ich habe das schon entschieden.

Herr Kollege Gerlach, ich war am zentralen Runden Tisch der DDR, und dort sind genau solche Forderungen von Vertretern der Bürgerinitiativen erhoben worden. Die Frage, die ich Ihnen stellen möchte, nachdem Sie ausgeführt hatten, wer aus Ihrer Sicht oder aus Sicht der Mehrheit nicht im Landtag sitzen sollte, lautet: Für wie lange soll Ihrer Meinung nach das passive Wahlrecht eines ehemaligen Mitarbeiters des Ministeriums für Staatssicherheit eingeschränkt werden? Wie lange soll das passive Wahlrecht eingeschränkt werden? Denn nichts anderes ist es ja.

Ich bin der Meinung, und das war die Meinung der Mehrheit derjenigen, die an dieser Verfassung geschrieben haben, bei der wir lange über diese Frage diskutiert haben, dass jemand, der für die Staatssicherheit spioniert hat und der in einer Art und Weise, wie ich es einschätze und wozu ich gleich noch zwei Worte sage, wie es Dr. Külow macht, also das scheibchenweise und offene Zugeben dessen, was auf dem Tisch liegt, nicht mehr in diesen Landtag hineingehört. Nein, nicht!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das halte ich für den Willen derjenigen, die damals diese Verfassung geschrieben haben. Ich weiß nicht, ob das rechtsstaatlich zulässig ist, aber es war der Wille derjenigen, die diese Verfassung geschrieben haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin gleich fertig mit der Antwort.

Wenn Sie eine andere Auffassung haben und irgendwann eine andere Mehrheit besteht, werde ich dagegen stimmen, sollte ich noch hier sein. Ich akzeptiere Mehrheiten, aber das war die Mehrheitsmeinung derjenigen, die dieses Land, den Freistaat Sachsen, wieder neu aufgebaut haben. So habe ich das damals empfunden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Herr Eggert, bitte.

Herr Kollege Gerlach, geben Sie mir recht, dass ein Opfer wohl einem Täter verzeihen kann und dass die wieder zusammen leben können, nachdem aufgearbeitet worden ist, was dort passiert ist, der Rechtsstaat aber trotzdem diesen Fall nach Recht und Verfassung aufarbeiten muss?

Ja, das Erste ist für mich überhaupt die Grundlage des Zusammenlebens von Menschen. Wenn es das nicht gäbe, hätten wir nur Krieg. Zweitens hat sich ein Staatswesen – dazu gehört der Freistaat Sachsen mit dem Landtag als die gesetzgebende Versammlung – Regeln aufzustellen, die mit Mehrheiten entschieden werden müssen – anders geht es ja nicht –, und dieser Freistaat mit diesem Landtag hat sich dieses Reglement gegeben. Das haben wir nach bestem Wissen und Gewissen im Bewertungsausschuss zu berücksichtigen versucht.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Ich habe eine Nachfrage. Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass man diese beiden Ebenen argumentativ nicht miteinander vermischen darf?

Das habe ich versucht mit dem Beispiel von Gnade und Vergebung, welches immer angreifbar ist, deutlich zu machen.

Der Sächsische Landtag hat nie behauptet, dass er in allen Dingen immer die absolute Wahrheit weiß; aber wenn Sie Demokratie anerkennen, müssen Sie auch Mehrheiten anerkennen. Auch Mehrheiten können Fehler machen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber nicht beim passiven Wahlrecht!)

Mehrheiten sind veränderbar, Mehrheiten sind offen diskutierbar usw. usf. Das gehört zu einer Demokratie. Ich habe es auf anderen Ebenen schon mehrfach erlebt, als ich zu einer Minderheit gehörte. Das hat für mich die Konsequenz, dass ich sagen muss, ich kann nicht bei dieser Mehrheit bleiben, aber ich werbe für meine Meinung. Das können Sie ja machen. Der Sächsische Landtag hat sich bei der Bewertung solcher Tätigkeiten einmal anders entschieden, als Sie das sehen, und das halte ich persönlich für richtig.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Diese Bewertung war für mich persönlich sehr viel anders als alle anderen Bewertungen, die ich in diesem Sächsischen Landtag gemacht habe, weil hier nicht von vornherein gesagt wurde, ja, war nicht, war nie dabei, habe ich nicht gesehen, weiß von nichts usw. usf., sondern Herr Dr. Külow hat uns immer den Eindruck vermittelt, dass er keinerlei Interesse an den vorliegenden – das betone ich – Akten hat, etwas zu beschönigen oder auszubessern. Er hatte mehr Interesse an der Aufklärung der damaligen Vorgänge als seine Kollegen im Bewertungsausschuss. Das muss ich dazusagen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Bitte, Herr Bartl.

Herr Kollege Gerlach, ich habe Sie so verstanden, dass Sie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als eine Einheit sehen und dass selbstverständlich Demokratie für sich als Voraussetzung hat, dass Rechtsstaatlichkeit eingehalten wird. Ist Ihnen bekannt – bekannt sein müsste es Ihnen, weil ich es im Bewertungsausschuss vorgetragen habe –, dass es eine „Richtlinie über Maßnahmen zur Beseitigung des Erbes der früheren kommunistischen totalitären Systeme“ gibt, die in der Drucksache 13/5543 des Deutschen Bundestages der 13. Wahlperiode veröffentlicht ist, und dass in dieser Richtlinie, die der Europarat beschlossen hat – der Europarat, der gemeinhin als die Moralinstanz der Europäischen Gemeinschaft gilt –, Richtlinien zur Sicherstellung, dass die Säuberungsgesetze und Injurianzmaßnahmen im Einklang mit den Erfordernissen des Rechtsstaates stehen, wörtlich der Buchstabe E lautet: „Die Säuberung ist nicht auf Ämter anwendbar, die durch Wahl vergeben werden, es sei denn, der Kandidat beantragt dies. Wähler haben das Recht zu wählen, wen immer sie wollen. Das Wahlrecht darf nur einem verurteilten Straftäter auf Gerichtsbeschluss entzogen werden. Dies ist keine administrative Säuberung, sondern eine strafrechtliche Maßnahme.“?

Meinen Sie, dass im Maßstab dieser Europäischen Richtlinie Ihre Auslegung von Rechtsstaatlichkeit einer Überprüfbarkeit standhält?

Lieber Herr Bartl! Grundsätzlich einmal dazu. Ich schätze Sie als Mensch, auch wenn Sie politisch in Ihren Ansichten oft unendlich weit von mir entfernt sind.

Ich habe als Nichtjurist keinerlei Chance – ich bin Physiker –, Ihnen auch nur annähernd Paroli bei dem zu bieten, wie Sie bestimmte Gesetze, vorliegende Papiere usw. auslegen. Aber ich habe großes Vertrauen in die Leute, die ich vor einigen Monaten hier mit gewählt habe, die im Verfassungsgericht des Freistaates Sachsen sitzen,

(Beifall bei der SPD und der CDU)

dass sie genau das, was Sie jetzt anzweifeln, in einer von mir zu akzeptierenden Art und Weise richtig auslegen werden. Das ist meine Position dazu.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?