Kollege Gerlach, geben Sie mir dennoch recht, dass der Bewertungsausschuss bei seiner Tätigkeit, zumal wir das beantragt hatten, diese europäische Richtlinie zugrunde legen musste und in seinen Überlegungen zumindest gegenüber dem Parlament erklären musste, weshalb er sie für nicht anwendbar hält?
so wissen Sie genauso wie ich, dass es zu der Ansicht, die Sie dort vertreten haben, was Sie auch eingebracht haben, wozu uns auch ein Gutachten vom Juristischen Dienst gegeben wurde, andere Auffassungen und andere Auslegungen gab, als Sie sie vertreten. Ich habe als Nichtjurist dann die Möglichkeit, mich für Ihre Auslegung oder für eine andere zu entscheiden.
Ich habe mich in dem Fall für die andere entschieden und wiederhole noch einmal das, was ich gesagt habe, wissend, dass ich nicht über die Aberkennung des Mandates von Herrn Dr. Külow entscheiden werde, sondern dass das hoch ausgebildete Juristen machen werden – oder auch nicht –, denen ich mit meiner Stimme hier im Sächsischen Landtag mein Vertrauen ausgesprochen habe.
Ich muss noch einmal persönlich betonen, dass es für mich nach wie vor schwierig ist – so ist es auch heute wieder rübergekommen –, wenn Herr Külow nach wie vor der Meinung ist, dass es sich bei dem MfS und im Besonderen der HVA um einen Spionagedienst handelte, wie es so viele in dieser Welt gibt. Weil hier von Aufheben von Mythen gesprochen wird, möchte ich noch einmal ganz klar betonen, auch wenn es schon angeklungen ist, und das ist auch in den Bewertungsverfahren wieder sehr klar herausgekommen – ich habe es mir auch an anderen Stellen schon schwarz auf weiß zeigen lassen:
Die HVA, die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS, war zu keiner Zeit und nicht erst etwa 1989 beginnend, als die DDR langsam anfing zu zerfasern, bereit, einen Unterschied zwischen Außenaufklärung und Innenaufklärung zu machen. Alle Berichte, die ankamen, wurden dorthin geschickt, wo sie aus ihrer Sicht den maximalen Effekt hatten. Das kam ganz klar bei der ganzen Geschichte, die wir hier behandeln mussten, rüber. Diejenigen, die berichtet haben, hatten null Einfluss. Sie wussten in der Regel auch nicht, wo diese Berichte hingehen, an welche Unterabteilung, an welche Nebenabteilung oder was auch immer. Es ist eine Mär, dass die HVA sozusagen die saubere Abteilung des MfS war, und die anderen waren die Schmutzigen, die hier im Innendreck gearbeitet und die Kirchen bespitzelt haben usw. Das ist eine Mär, und das muss einmal ganz klar gesagt werden,
auch wenn sich viele ehemalige Offiziere heute hinstellen und sagen, ja, ich muss mich nicht schämen, dass ich beim Aufklärungsdienst war. Das kann ja jeder von sich behaupten, aber das gehört auch zu dieser Wahrheit dazu.
Ich möchte noch einmal betonen, weil es auch für die Öffentlichkeit wichtig ist, dass ich es schlecht fand, wie Dr. Külow versucht, mit seiner Aufarbeitung umzugehen, dass er sich von falschen Freunden drängen ließ, aus seinem Fall eine öffentliche Show zu machen, und zwar hier im Sächsischen Landtag, unmittelbar nachdem der Bewertungsausschuss getagt hatte. Das war für viele
Besucher wirklich unerträglich. Aber das war Ihre freie Entscheidung, nur müssen Sie bitte auch akzeptieren, dass andere das mit bewerten.
Herr Dr. Külow, Sie erwarten, dass wir Ihr Handeln von heute mit bewerten. Das haben wir auch getan. Dazu gehört für mich persönlich – ich spreche jetzt nur für mich – auch das dazu, was Sie an dieser Stelle gemacht haben. Ob Sie da gut beraten waren oder nicht, das ist nicht mein Problem.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Erst recht! – Beifall bei der SPD und der CDU – Caren Lay, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)
Herr Kollege Gerlach, Sie haben ja eine Einladung zu dieser Veranstaltung bekommen. Ich möchte Sie fragen, warum Sie und auch andere Mitglieder Ihrer Fraktion der Einladung nicht gefolgt sind
und dort vielleicht auch eine kritische Auseinandersetzung gesucht haben. Da haben Sie gekniffen. Warum haben Sie denn im Vorfeld eine Vorverurteilung der Veranstaltung ausgesprochen, bevor sie überhaupt stattgefunden hat? Ist das die Art der fairen und kritischen Auseinandersetzung, die Sie hier dem Hohen Hause empfehlen wollen?
Erster Fakt. Sie haben von mir keine Vorverurteilung dieser Veranstaltung gehört. Das gab es nicht. Entschuldigung, im Moment steht hier Johannes Gerlach und nicht Stefan Brangs. Wenn Sie mir eine Frage stellen, können Sie mich nicht fragen, was Stefan Brangs gedacht hat, als er irgendetwas gemacht hat.
Sie wollen nicht kollektiv in Haftung genommen werden, also halten Sie bitte das Persönliche auch mit dem auseinander, was Stefan Brangs, mein Kollege, aus welchen Erwägungen auch immer – als stellvertretender Fraktionsvorsitzender oder was auch immer – ausgegeben hat. Er hat mich nicht dazu gefragt, und ich hätte wahrscheinlich auch nicht in irgendeiner Weise darauf reagiert.
Ich sage Ihnen auch genau, warum ich nicht da war. Erstens hatte ich eine andere Veranstaltung an diesem Abend. Aber selbst, wenn ich keine andere Veranstaltung gehabt hätte, – –
Ich habe mir von fünf Personen, liebe Kollegin, weil ich nicht konnte und ich auch nicht hingegangen wäre – das habe ich ja schon gesagt –, berichten lassen, was dort abgelaufen ist. Ich hatte ja die Chance, die Sie nicht hatten, mir stundenlang das, was Sie möglicherweise zumindest teilweise als Wiederholung gehört haben, unten im Keller schon einmal anzuhören.
Genau die Personen, die wir als Bewertungsausschuss befragt haben, und zwar intensiv, haben Sie oben noch einmal öffentlich auftreten lassen. Ich wäre deshalb nicht hingegangen, weil ich persönlich als Bewertungsausschussmitglied und auch noch als Sprecher des Bewertungsausschusses mich immer mit öffentlichen Wertungen zurückgehalten habe und mich auch dort oben als Bewertungsausschusssprecher – ich sage das einmal so – in einer öffentlichen Veranstaltung, in einem Verfahren, das überhaupt noch nicht abgeschlossen war, keinesfalls hätte hinstellen und auch nur einen Ton dazu sagen können.
Ich weiß nicht: Auf der einen Seite belegen Sie uns sozusagen mit dem Schweigegebot und auf der anderen Seite fragen Sie mich, warum ich in einem schwebenden Verfahren – ich nenne es einmal so, ich bin kein Jurist – nicht öffentlich auftrete und zu dieser Geschichte meine Meinung sage. Das können Sie wirklich nicht erwarten.
Jetzt versuche ich zum Schluss zu kommen. Ich habe zunehmend Zweifel. Herr Dr. Külow, was Herr Gerstenberg vorgetragen hat, Ihre Kandidaturen zu den Wahlen, das war mir nicht bekannt. Das verstärkt meine Zweifel noch ins Unermessliche.
Ich habe Zweifel daran, ob Sie wirklich alles das, was im zweiten Anlauf bekannt wurde, so verdrängt hatten, dass Sie es uns nicht beim ersten Gespräch, das stattgefunden
hat, auch wenn es ein informelles Gespräch und nicht so ein formales war, hätten bereits sagen können. In dieser Runde wäre eine Menge ansprechbar gewesen, was dann Medien in spekulativer Art und Weise – dazu neigen Medien; ich mache keine Medienschelte –, ausgewalzt haben, anders als wir das im Bewertungsausschuss gemacht hätten oder haben.
Darunter leidet für mich Ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Deshalb bin ich der Meinung: Wenn ich mir vorstelle, dass jemand wie Sie Landtagsabgeordneter sein kann, sage ich Nein. Herr Dr. Külow, ich möchte es nicht.
(Beifall bei der SPD, der CDU und der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, und Tino Günther, FDP)
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache beendet. Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß § 73 Satz 3 der GO ist der Antrag an den Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten zu überweisen. Wer der Überweisung der Drucksache 4/9336 an den Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei 2 Stimmenthaltungen und einer ganzen Anzahl von Stimmen dagegen ist das mehrheitlich so beschlossen worden.
Meine Damen und Herren, damit ist die erste Beratung der Drucksache 4/9336 beendet. – Es gibt noch eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten. Bitte, Herr Lichdi.
So ist es, Herr Präsident. – Ich habe der Beschlussempfehlung nicht zustimmen können. Nicht deswegen, weil ich die Ausführungen von Herrn Kollegen Gerstenberg, Kollegin Windisch, Kollegen Gerlach und Kollegen Eggert nicht teilen würde. Allerdings sehe ich nach 17 Jahren nicht mehr die Möglichkeit, vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips dermaßen massiv in das Recht der Wählerinnen und Wähler einzugreifen und einem gewählten Abgeordneten das Mandat abzuerkennen. – Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung heute ohne Mittagspause fort. Deshalb rufe ich jetzt auf