Protocol of the Session on January 21, 2005

Ich wünsche mir, dass wir in diesem Jahr mit dem Girl's Day ein Stück vorankommen und dass wir die Initiativen vor Ort unterstützen. Ich würde mir wünschen, dass wir viele dafür gewinnen, dass dieser Tag ein guter, ein wichtiger Tag wird. Vielleicht können wir als Parlament oder auch die Fraktionen uns beteiligen und Projekte für den Girl's Day anbieten. Ich denke, Mädchen und junge Frauen für die Politik zu gewinnen gehört auch dazu.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Leichsenring, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiche von der angekündigten Rednerreihenfolge, die wir angegeben haben, ab, denn mich hat es nicht auf dem Sitz gehalten. Frau Dr. Schwarz hat dankenswerterweise im Kindergarten heldenmutig gegen das Kinderlied gekämpft. In Anbetracht von „Christopher Street Day“ und „Gay Day“ sollten wir vielleicht gleich noch das Spiel „Vater, Mutter, Kind“ verbieten. Das wäre dann ein Aufwasch. Nein, meine Damen und Herren, die Frauen sind heutzutage selbstbewusst genug. Wir brauchen aus meiner Sicht weder eine Gleichstellungsbeauftragte noch eine Frauenbeauftragte. Die Frauen können heutzutage sehr gut selbst ihre Rechte durchsetzen. Das finde ich gut so.

Diesen amerikanischen Unsinn mit dem Girl's Day sollten wir uns in Sachsen sparen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD – Zurufe von der PDS)

Für die FDP-Fraktion spricht die Abg. Frau Schütz; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die Aufforderung zu einer Öffentlichkeitskampagne und der aktiven Teilnahme von Behörden und nachgeordneten Einrichtungen an diesem Girl's Day. Der Girl's Day – Mädchenzukunftstag soll zur Berufswahl in geschlechtsuntypischen Berufen anregen. Was wir heute erleben, dass sich Mädchen und junge Frauen in traditionelle Rollen flüchten, ist nicht nur ein Ausdruck der problematischen Arbeitsmarktsituation, sondern auch fehlender Verbindungen zwischen Wirtschaft, Industrie, Handel, Dienstleistungen und Schule.

Sie flüchten deshalb, weil fehlende Ausbildungs- und Berufsperspektiven objektiv, aber eben auch subjektiv von den jungen Frauen oder von den Jugendlichen allgemein in Bezug auf ihren Wunschberuf empfunden werden. Dies führt allerdings bei Mädchen und jungen Frauen zur Zunahme der Zahl der Schwangerschaften bei unter 18-Jährigen ohne Berufsausbildung bzw. ohne Berufserfahrung.

Deshalb halte ich jede Form des Aufzeigens von Perspektiven und Alternativen bei der Berufswahl sowie Aufklärung bei der eigenen beruflichen Entwicklung für unterstützenswert. Schade, dass die Schulbefreiung als Nummer 1 in den Vordergrund gerückt wurde statt der Aufforderung, dass sich Unternehmen aus Handel, Industrie und Dienstleistungen aktiv beteiligen und die berufliche Integration wieder erlebbar machen.

Immer mehr Jugendliche sind nicht ausbildungsfähig, auch in den von ihnen gewählten Traumberufen. Jeder Vierte bricht seine Lehre vorzeitig ab, weil er eine komplett falsche Vorstellung von dem von ihm gewählten Beruf hatte. Deshalb unterstütze ich jede Form, die wieder an die Berufs- und Lebenspraxis heranführt.

Inwieweit Jungen und junge Männer anzuregen sind, geschlechtsuntypische Berufe zu wählen, bleibt offen. Ich denke, ob Jungen oder junge Männer, ob Mädchen oder junge Frauen, alle jungen Menschen sind in ihrer Berufswahl zu unterstützen, egal ob sie geschlechtstypisch oder -untypisch ist. Daher sind Eltern, Lehrer, Berufsberater, Begleiter junger Menschen allgemein aufgefordert, auch Perspektiven des eigenen Berufswunsches der jungen Menschen aufzuzeigen. Daher unterstütze ich den Antrag. Allerdings will ich punktweise Abstimmung beantragen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte. Frau Abg. Herrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Genaue und zeitnahe Informationen über Qualifikationen und Berufe, die mittelfristig am Arbeitsmarkt besonders nachgefragt werden, sind bisher in Deutschland nicht oder nur punktuell erhältlich. Die Bundesagentur für Arbeit hat gerade erst am Anfang dieses Jahres begonnen, die in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung geleisteten Vorarbeiten zum so genannten Arbeitsmarktradar umzusetzen. Damit soll dann eine breite Informationsbasis für Berufswahlentscheidungen gegeben sein. Was aber heute mancher noch nicht wahrhaben will, ist, dass Deutschland auf einen eklatanten Fach- und Führungskräftemangel zusteuert. Auf mittlere Sicht werden qualifizierte Kräfte fehlen, und das nicht nur aufgrund des demografischen Wandels, sondern auch wegen der Qualifizierungstrends in der Gesellschaft. Während die Nachfrage nach wenig qualifizierten Arbeiten zurückgeht, werden in Zukunft anspruchsvolle Tätigkeiten immer mehr gefragt sein. Ohne stärkere Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt ist da ein Mangel vorprogrammiert.

Wie wir alle wissen, entscheiden sich junge Mädchen und Frauen nach wie vor eher für geschlechtstypische Berufe als für Berufe, die bisher als typische Männerberufe galten. Weil wir das wissen, halten wir einen Projekttag in Form des Girls' Days durchaus für wünschenswert. Wir werden dem Antrag deshalb zustimmen.

Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, dass es auch eine Datenbank gibt, die Schülerinnen, Lehrer und Eltern über für Mädchen konzipierte Berufs- und Studienorientierungstage informiert, und zwar in den Bereichen Informationstechnologien, Naturwissenschaften und Technik. Einrichtungen und Unternehmen aus Industrie und Handel, die solche Orientierungstage anbieten, können in dieser Datenbank auf diese Orientierungstage hinweisen.

(Ein Geldstück rollt in Richtung Rednerpult.)

Womit soll ich bestochen werden?

Zum Schluss möchte ich noch ein Beispiel aus der Schweiz anbieten, von dem ich meine, dass es überlegenswert wäre. Die Schulen sollten darüber nachdenken, ob sie sich so etwas vorstellen können. In der Schweiz gehen berufstätige Frauen aus verschiedenen technischen Fachbereichen in Schulklassen und informieren dort über ihren eigenen technischen Beruf. Das soll vor allem Mädchen motivieren. Die berufstätigen Frauen gehen in Klassen vom 4. Schuljahr an. Die Kinder lernen also Frauen kennen, die selbst in technischen Berufen tätig sind. Das soll dazu führen, dass Mädchen, die an Naturwissenschaften interessiert sind, sich angespornt fühlen und weiterhin Interesse für diese Richtung zeigen.

Wie ich schon sagte, werden wir dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Bitte sehr.

Frau Dr. Schwarz, ich kenne ein anderes Lied: „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht, dann bleibe ich zu Haus, ich binde meine Schürze um und kehr die Stube aus.“

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Aber welches Frauenbild da bedient wird – und wenn Sie klatschen, nun, ich weiß nicht –, ist völlig klar. Das Problem ist sicherlich, dass Mutti heute oft gar nicht mehr zur Arbeit geht, weil sie keine Arbeit hat. Wenn sie Arbeit hat, ist es auch in Sachsen so, dass die Frauenberufe prinzipiell niedriger bezahlt werden als die typischen Männerberufe. Selbst Frauen, die in typischen Männerberufen tätig sind, erhalten prozentual weniger Lohn. Das ist seit Anfang der neunziger Jahre statistisch nachweisbar. Es gibt eine Entwicklung, bei der die Schere immer weiter auseinander geht.

Trotzdem ist es wichtig und richtig, dass mit dem Girl's Day dafür geworben wird, dass Mädchen und junge Frauen in die so genannten Männerdomänen einbrechen. Wir wissen, dass das nur ein symbolischer Akt ist, aber wir meinen, dass sich über die Symbolik hinaus doch schon einiges entwickelt hat.

Der Girl's Day wird in diesem Jahr als Mädchenzukunftstag fünf Jahre alt. Gestern fand in Leipzig dazu eine Konferenz statt, bei der es um den Austausch von dabei gemachten Erfahrungen ging. Ich glaube, es ist nicht unwichtig, dass inzwischen auch viel Begleitmaterial existiert, dass das also nicht mehr im leeren Raum schwebt. Es gibt zum Beispiel Informationen für Schüler, Praxistipps für Lehrerinnen und Lehrer, die sonst oft überfordert sind. Es gibt Werbung für Unternehmen und Organisationen. Es gibt Flugblätter aus MecklenburgVorpommern, wenn ich die einmal zeigen darf.

(Die Rednerin hält Informationsmaterial in die Höhe. – Zurufe der Abg. Dr. Fritz Hähle und Rita Henke, CDU)

Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie keine Dokumente zeigen dürfen.

Oh, Entschuldigung, das wusste ich nicht!

Ich weise Sie nur darauf hin.

Ich werde das natürlich beachten. Das sind Materialien, die auf alle Fälle darüber hinaus wirken, weil sie dazu zwingen, sich mit dem Problem auseinander zu setzen. Wir halten es für ganz wichtig, dass mit dem Girl's Day weiter Türen geöffnet werden, weil wir leider seit Mitte der neunziger Jahre auch Prozesse verfolgen müssen, die uns, glaube ich, nicht optimistisch stimmen können. Die sozialen Schranken nehmen wieder zu. Mit den unsichtbaren Mauern, die existieren, nimmt auch die weitere Ausgrenzung von Mädchen und jungen Frauen aus bestimmten Berufen zu.

Ich mache Ihnen das einmal deutlich: Wir wissen ja, dass die Anzahl der Studierenden, die wirklich aus Arbeiterhaushalten kommen, massiv zurückgegangen ist. Das trifft im Wesentlichen noch stärker auf junge Frauen zu. Es ist inzwischen so, dass bei Mädchen und jungen Frauen die Vorstellung gar nicht mehr da ist, dass man bestimmte Berufe ergreifen kann. Während es noch vor 20 Jahren relativ üblich war, dass sich zum Beispiel Arzt und Arzthelferin oder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsgehilfin heirateten und damit zumindest irgendwo ein Zugang bestand, sind heute die Mauern zwischen den verschiedenen Qualifikationen soziologisch nachweisbar. Es sind ganz feste Mauern, die aufgebrochen werden müssen. Es muss also auch für ein junges Mädchen vorstellbar sein, dass sie Elektrikerin werden kann, dass sie Rechtsanwältin werden kann. Es müssen Identifikationen vorhanden sein, mit denen sie sich auseinander setzen kann, so dass sie so einen gewissen Zugang findet.

Aus diesem Grunde – so meinen wir – ist der Girl's Day zwar Symbolik, geht aber über diese Symbolik hinaus, so dass man daran etwas festmachen kann. Im Wesentlichen haben Sie in Ihrem Antrag dem auch zugestimmt. Die Frage der Versicherung ist ein besonderes Problem. Darüber kann man sich verständigen.

Ich möchte aber noch einen Aspekt erwähnen, nämlich die Frage: Was macht man an diesem Tag eigentlich mit den Jungen in den Schulen, wenn die Mädchen den Girl's Day nutzen und draußen schauen, wie es in der Praxis ist und welche Möglichkeiten es für eine Berufswahl gibt? Ich halte es nicht für gut, wenn man sagt, dass Jungen an diesem Tag explizit in Kindertagesstätten gehen müssten, um sich dort vielleicht als Erzieher zu erproben. Nein, lassen Sie doch die Jungen in der Schule und führen Sie an diesem Tag mit ihnen Projekte durch, in denen auch für Jungen thematisiert wird, dass es eine Geschlechterungerechtigkeit gibt, damit auch Jungen einmal bewusst wird, was es heißt, sich als Mädchen zurechtfinden zu müssen.

Lassen Sie uns dann weiter überlegen, wie man einen speziellen Tag mit Angeboten für Jungen installieren kann, die dann sehr wohl Erfahrungen in sozialen Berufen sammeln könnten, die ihnen oftmals nicht so nahe sind, wobei man auch dort, denke ich, einfach realistisch sein muss. Wenn Erzieherinnen, Grundschullehrerinnen und ähnliche Berufe gesellschaftlich nicht anerkannt sind, sondern im Gegenteil oftmals behandelt werden, als ob das so etwas nebenbei ist, wenn die Löhne in diesen Bereichen nicht sehr hoch sind, wenn man Grundschullehrerinnen ganz locker zumutet, in Teilzeit zu arbeiten und wenn das auch so weitergeht, oftmals mit Löhnen, die nicht unbedingt mehr existenzsichernd sind, liegt, glaube ich, auf der Hand, dass dann die Bereitschaft von Jungen, sich dahin gehend zu orientieren, sehr gering ist.

Wir müssen also mit dem Girl's Day eine Orientierung geben, aber auf alle Fälle darüber hinaus weiter diskutieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS – Die Abg. Dr. Barbara Höll, PDS, nimmt das Wasserglas mit an ihren Platz.)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. – Ich bitte, ein neues Wasserglas zu bringen, das alte ist abhanden gekommen.

(Heiterkeit)

Frau Staatsministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mein Damen und Herren! Wir haben in der Debatte gerade festgestellt, dass es Einigkeit darüber gibt, dass der Girl's Day eine bundesweit inzwischen erfolgreiche Initiative für Schülerinnen der 5. bis 10. Klasse darstellt. Am Girl's Day in diesem Jahr, am 28. April, öffnen wiederum technische Unternehmen ihre Türen, um den Schülerinnen Einblicke in technische und naturwissenschaftliche Berufsfelder zu ermöglichen; denn wie wir wissen, spielen noch immer Berufsfelder gerade im technischen Bereich vor allem bei den Mädchen im Prozess der Berufsorientierung eine untergeordnete Rolle und werden, warum auch immer, nur selten in Betracht gezogen. Wir sind uns auch einig in der Feststellung, dass sich das ändern muss. Zum einen sind Mädchen auf diesem Gebiet nicht weniger begabt als Jungen und zum anderen fehlt uns gerade in technischen und techniknahen Bereichen dringend der qualifizierte Nachwuchs. Deshalb begrüßt die Staatsregierung diese Initiative außerordentlich, die, wie gesagt, nun schon einige Jahre erfolgreich läuft. Wir werden natürlich dazu beitragen, dass es gelingt, dass Mädchen und junge Frauen sich nicht automatisch nur für frauentypische Berufe entscheiden, sondern dass sie die vielfältigen Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, auch ausschöpfen können.

Die Resonanz des bisherigen Mädchenzukunftstages zeigt – das sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt –, dass der Bedarf für dieses Berufsorientierungsprojekt vorhanden ist. Gab es im Jahr 2001 bundesweit 39 Veranstaltungen, so waren es im vergangenen Jahr bereits 5 303. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Zahlen sprechen für sich.

Mit dem Antrag der PDS-Fraktion wird gewünscht, dass die Staatsregierung eine Reihe von Maßnahmen ergreift, die aus ihrer Sicht notwendig sind, um das Gelingen des Girl's Days zu sichern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ministerin?

Bitte schön.