Ich fordere Sie an dieser Stelle auf, Herr Tillich, die Kormoran-Verordnung unverzüglich zurückzuziehen
und das sehr wirksame Kormoran-Management fortzusetzen. Vielleicht sollten Sie sich mal nicht unbedingt vor der Lobby – der Anglerverbände in diesem Fall – beugen.
Das Einzige, was wir uns darüber hinaus nach gründlicher Prüfung vorstellen können, ist, eine territorial eng begrenzte und zeitlich befristete Freigabe des Abschusses zuzulassen – etwa in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft –; aber das war ja bereits unter den damaligen Bedingungen des Kormoran-Monitorings möglich. Bleiben Sie stur, riskieren Sie einen Streit mit der Europäischen Kommission; denn die Naturschutzverbände werden sich natürlich beschwerdeführend an den EUUmweltkommissar Dimas wenden. Wenn er so mutig handelt wie Frau Wallström in Sachen FFHGebietsausweisung in Sachsen, können Sie bei der Notifizierung des Entwicklungsprogrammes für den ländlichen Raum 2007 bis 2013 richtig Ärger bekommen durch die Europäische Kommission. Das sagen einfach die Erfahrungen.
Werte Abgeordnete, was wir dringend brauchen, ist der Wille zu einer sächsischen Offensive im Naturschutz, der impulsgebend für ganz Deutschland wirken soll. Der Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN könnte einen Einstieg für eine solche Offensive markieren; wir werden ihn ausdrücklich unterstützen. In einem solchen Kontext wäre das novellierte Naturschutzgesetz bereits der zweite wichtige Schritt. Diesen Anspruch allerdings verfehlt der Gesetzentwurf in weiten Teilen, wie die öffentliche Anhörung und die umfangreichen Stellungnahmen anerkannter Naturschutzverbände beweisen.
Bleibt zu hoffen, dass zumindest wichtige Mahnungen tätiger Naturschützer doch noch Eingang in den Entwurf finden. Ich fürchte, die Änderungsanträge der Linksfraktion werden das nicht.
In jedem Fall, meine Damen und Herren: Das letzte Wort in diesem Sinne hat die Natur, und ich fürchte, das wird kein Lobgesang werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus und sicherlich auch in den Ausschüssen noch erheblich mit dem Thema Novellierung Naturschutzgesetz zu tun. Meine Fraktion hat erheblichen Veränderungsbedarf daran. Wir haben auch schon verschiedene Dinge vorbereitet. Ich denke, das wäre dann die sachliche Ebene, auf der wir uns auseinandersetzen können. – In Anbetracht der noch nicht weit abgearbeiteten Tagesordnung würde ich meine jetzige Rede zu Protokoll geben. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich meine Rede mit einem Zitat des Schriftstellers Reimar Gilsenbach aus der Expertenanhörung zum Naturschutzgesetz, welches ich noch einmal aufgreifen möchte. Es beschreibt sehr trefflich, in welchem Spannungsfeld wir uns beim Naturschutz befinden. Es lautet: „Lassen wir die Natur unverändert, können wir nicht existieren – zerstören wir sie, gehen wir zugrunde.“ Wir müssen also den Mittelweg finden zwischen Zerstörung und Erhalt, zwischen neuen Straßen und Waldgebieten, zwischen immer mehr Fläche beanspruchenden Infrastrukturmaßnahmen und dem Artenschutz.
Damit sind wir auch schon beim Naturschutzgesetz; denn genau diese Balance muss dieses Gesetz herstellen. Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt insbesondere den Zusammenhang von Landnutzung und Schutzbedürfnissen. Das ist aus meiner Sicht durchaus positiv zu bewerten – Herr Mannsfeld ist auch schon auf das Thema eingegangen –; also Naturschutz durch Naturnutz. Da es sich um die Umsetzung von Bundesrecht handelt, sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers jedoch begrenzt. Aber es gibt aus unserer Sicht trotzdem einige wunde Punkte, über die wir zunächst einmal mit dem Koalitionspartner zu reden haben.
Allerdings wollen wir hier nicht – wie es einige Vorredner getan haben – der eigentlichen Debatte zum Sächsischen Naturschutzgesetz vorgreifen. Anlass unserer heutigen Debatte ist nämlich die Große Anfrage der GRÜNEN zu diesem Thema. Sie ist so umfangreich, dass ich hier nur auf einige aus meiner Sicht wichtige Fragestellungen eingehen kann. Nun stehen ja die GRÜNEN unter dem Generalverdacht, nicht für einen Ausgleich zu kämpfen, sondern dafür, menschliche Eingriffe in die Natur am liebsten ganz zu verbieten. Sie handeln in dieser Lesart also nicht nach dem Motto „nach uns die Sintflut“, sondern eher „vor uns der Urwald“. Vor diesem Verdacht möchte ich die GRÜNEN hier in Schutz nehmen – jedoch nicht, ohne einige kritische Anmerkungen zu machen.
An dieser Stelle möchte ich aus der aktuellen Broschüre der GRÜNEN zum Sächsischen Naturschutzgesetz zitieren, in der es heißt: „Nach wie vor wird mit den
beiden gravierendsten aktuellen Naturschutzproblemen in Sachsen unzulänglich umgegangen: die ungehemmt voranschreitende Vernichtung“ – gemeint ist die Versiegelung – „von Boden und die ungehemmt voranschreitende Zersiedelung und ökologische Zerschneidung der freien Landschaft“. Sicher sind wir uns an diesem Punkt einig, dass die Versiegelung eines der drängendsten Umweltprobleme darstellt und der Bodenverlust gestoppt werden muss. Sachsen bekämpft aber bereits erfolgreich den Flächenfraß, zum Beispiel durch Entsiegelung alter Industrie- und Brachflächen. Seit nunmehr sechs Jahren wird in Sachsen bei jedem Eingriff in die Natur und Landschaft geprüft, ob als Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle eine Entsiegelung erfolgen kann. Wenn ja, hat die Entsiegelung Vorrang vor anderen Ausgleichsmaßnahmen. Auch die Zahlen sprechen dafür, dass wir auf einem guten Weg sind.
Der Flächenverbrauch ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. So wurden im Jahr 2001 8 Hektar pro Tag durch Bau- und Infrastrukturmaßnahmen beansprucht; im Jahr 2005 waren es nur noch 2,8 Hektar. Die Zahlen sind die gleichen wie Ihre, Herr Lichdi – das haben Sie bemerkt –; aber meine Wertung ist eine etwas andere. Ich denke, hier muss man anerkennen: Der Weg ist das Ziel.
Bei dieser Art der Kompensation nimmt Sachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern eine Vorreiterrolle ein. Ziel ist es dabei, mehr Boden zu entsiegeln als zu versiegeln. Insgesamt brauchen wir mehr Spielraum für sinnvolle Kompensationsmaßnahmen. Dies findet im vorliegenden Gesetzentwurf durch das Ökokonto, aber auch durch das Kompensationsflächenkataster Berücksichtigung. Mit Freude habe ich in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, dass die Stadt Taucha, die im Landkreis Delitzsch liegt, aus dem ich komme, hier bereits vorbildlich arbeitet.
Meine Damen und Herren! Überall in Sachsen leisten Ehrenamtliche wichtige Arbeiten. Dies gilt ganz besonders im Bereich Umwelt- und Naturschutz. Diese Aufgaben leben vom freiwilligen Bürgerengagement. Deshalb ist eine kontinuierliche Förderung im Rahmen des ehrenamtlichen Naturschutzes und auch des Vertragsnaturschutzes unverzichtbar. Das haben wir bereits bei den Haushaltsverhandlungen deutlich gemacht.
Herr Lichdi, Sie haben bei der Anhörung zum Gesetzentwurf konstatiert, dass es im Kern darum geht, dass wir den Herausforderungen, die die Natur an uns stellt, zukünftig gewachsen sein werden. Richtig. Deshalb müssen wir den gesetzlichen Rahmen so gestalten, dass uns dies bestmöglich gelingt. Insbesondere muss Naturschutz auch im Rahmen des Klimaschutzes wichtige Akzente setzen. Hier sehe ich die größte Herausforderung für die Zukunft.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf die Große Anfrage inhaltlich eingehe, gestatten Sie mir ein Zitat zu Beginn. Herr Rieder vom BUND Sachsen hat im Hause als Sachverständiger zur Novelle des Naturschutzgesetzes gesprochen. Er sagte: „Wir müssen im Naturschutz umdenken. Alle Maßnahmen im Naturschutz gehören auf den Prüfstand, ob sie dem Klimawandel überhaupt noch Rechnung tragen.“ Ich finde es bemerkenswert, dass die GRÜNENVerbände offensichtlich langsam umdenken und nicht wie Sie mit der Großen Anfrage und Ihrem Entschließungsantrag nur alte, starre Ökoleitlinien weiterverfolgen.
In Ihrer Begründung zur Anfrage heißt es: „Die Staatsregierung hat seit April 2005 versäumt, das Naturschutzgesetz des Bundes umzusetzen.“ Das, meine Damen und Herren, kritisieren wir Liberalen auch. Doch nun weiter in der Begründung der GRÜNE-Fraktion: „Die Große Anfrage zielt darauf ab, den tatsächlichen Stand wichtiger Naturschutzprobleme in Sachsen sowie die Reaktion der Staatsregierung im Rahmen der anstehenden Novelle in Erfahrung zu bringen.“
Liebe GRÜNE-Fraktion! Wenn es Ihnen wirklich um den tatsächlichen Stand ginge, dann hätten Sie Ihre Anfrage um einige elementare Fragen erweitern müssen.
Aufgrund der Kürze der Redezeit nenne ich nur zwei Beispiele. Erstens. Ihre Fragen zu Kormoranen zielen darauf ab, diese Vögel zu schützen.
Neben der Frage nach der Anzahl der Vergrämungsabschüsse hätten Sie sinnvollerweise die Frage stellen müssen, wie viele gefährdete Fischarten in Sachsen, beispielsweise die Äsche und der Aal, akut durch Kormoranfraß bedroht sind.
Jeder dieser Vögel benötigt pro Tag ungefähr ein halbes Kilogramm Fisch. Nach Schätzungen der Experten vernichten diese Vögel derzeit 250 Tonnen Fisch im Jahr im Freistaat. Diese Vögel unterscheiden dabei nicht zwischen gefährdeten Beständen oder Zuchtfischen der Teichwirtschaft. Die neue Kormoranverordnung war daher überfällig.
Die FDP-Fraktion begrüßt die Verordnung und unterstützt den Staatsminister, sie nicht zurückzuziehen. Dass Sie, Herr Lichdi, diese aus unserer Sicht notwendige Verordnung in der Presse als Kormoranmassaker bezeichnen, zeigt einmal mehr, dass Sie es nicht schaffen, von Ihren starren Ökoscheuklappen wegzukommen. Auch zeigt es, dass Sie nicht wirklich Ahnung von Vögeln haben.
Zweitens. Ihre Fragen zum Thema Hochwasserschutz zielen darauf ab, dass es Konfliktpotenzial zwischen Hochwasserschutz und Naturschutz gibt und der Artenschutz nachrangig behandelt wird. Das ist gut so. Sowohl die europäischen Richtlinien als auch das deutsche Recht erkennen an, dass der Hochwasserschutz von hochrangigem Belang ist, der aus zwingenden Gründen das überwiegend öffentliche Interesse an Eingriffen in SPA- und FFH-Gebiete rechtfertigen kann. Nichts anderes passiert im Freistaat. Sie fragen nach der Vernichtung von Lebensräumen durch Hochwasserschutzmaßnahmen. Wenn es Ihnen um den tatsächlichen Stand gehen würde, hätten Sie Ihren Katalog mindestens um die Frage, wie viele Lebensräume erhalten werden oder wurden, weil man sie vor dem nächsten Hochwasser schützen wird, erweitern müssen. Im Zweifelsfall sind wir für den Hochwasserschutz, müssen wir in Sachsen sagen.
Der Naturschutz wird in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft nur dann eine Zukunft haben, wenn es gelingt, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, das Ökonomie und Ökologie nicht als Gegensätze begreift. Die Umsetzung im Naturschutz muss zukünftig deutlicher auf Kooperation und Belohnung setzen und nicht auf Bestrafung. Nur so erreicht man die Menschen im ländlichen Raum und schafft Verständnis für die Maßnahmen, denn hinter jeder Maßnahme steht am Ende mindestens ein Betroffener.
Das land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Eigentum wird sowieso nicht mehr so sehr wahrgenommen. Das Bewusstsein, dass die vielfältigen Eingriffe auch immer Eingriffe in fremdes Eigentum bedeuten, ist meist verloren gegangen. Die daraus resultierenden Belastungen für die Betroffenen, beispielsweise durch Bewirtschaftungserschwernisse oder Ertragseinbußen, sowie die Auswirkungen für den ländlichen Raum werden nicht immer im vollen Umfang erkannt und berücksichtigt. Wenn wir es schaffen, zukünftig die Natur- und Artenschutzbelange von realitätsfremden und grünen Ideologien zu befreien und die notwendigen Anpassungen an den schon stattfindenden Klimawandel durchzuführen, sind wir im Naturschutz ein gutes Stück vorangekommen.
Ihr Maßnahmenbündel aus dem Entschließungsantrag ist jedenfalls kein Garant für einen besseren Naturschutz. Gibt es beispielsweise Verschiebungen der Artenareale als Reaktion auf den Klimawandel, nützt Ihnen ein Biotopverbund gar nichts. Wie schon eingangs zitiert: Alle Maßnahmen im Naturschutz gehören auf den Prüfstand, ob sie dem Klimawandel überhaupt noch Rechnung tragen. Daher lehnen wir Ihren Entschließungsantrag ab.
Vorredner im Schlusswort eingehen und möchte jetzt in meinem Redetext fortfahren und zu den Großschutzgebieten kommen.
Großschutzgebiete, Nationalparks, Naturparks und Biosphärenreservate sind gut geeignet, Naturschutz in der Fläche zu betreiben, bedrohte Tiere, Pflanzen und Lebensräume zu schützen. Ein Aspekt ist mir sehr wichtig. Eine intakte biologische Vielfalt ist mittlerweile ein wichtiger wirtschaftlicher Standortfaktor. Das belegen die Zahlen aus unserer Großen Anfrage. Im Nationalpark Sächsische Schweiz erhöhte sich die Besucherzahl von 2002 bis 2005 um 35 % auf 113 000, im Biosphärenreservat Oberlausitzer Teichlandschaft im gleichen Zeitraum um 15 % auf 62 000 Besucher. Das sind für ländliche Räume nicht unbedeutende Zuwächse, verbunden mit einer wirtschaftlichen Wertschöpfung.
Diese Wertschöpfung möchte ich Ihnen mit aktuellen Zahlen aus dem Bundesamt für Naturschutz verdeutlichen. Bei einer Emnid-Umfrage gaben 70 % der Bundesbürger an, dass sie am liebsten in einheimischen Naturparadiesen, so die Frage, Urlaub machen wollen. Diese Naturparadiese sind in der Bundesrepublik vorrangig die Großschutzgebiete, und in denen boomt der Tourismus. Eine BUND-Studie aus dem Jahr 2004 nennt folgende Zahlen. Rund 290 Millionen Menschen besuchen jährlich 87 Naturparke, 15 Nationalparke und 14 Biosphärenreservate in Deutschland. Dort kurbeln sie vor allem das Gastgewerbe, den Einzelhandel und das Dienstleistungsgewerbe an. Attraktive Großschutzgebiete leisten somit einen wichtigen Beitrag für die Stärkung des Inlandstourismus. Jedes Prozent ersetzter Auslandsreisen ist nicht nur ökologisch richtig, sondern bringt in der Bundesrepublik 10 000 bis 15 000 neue Arbeitsplätze, so eine BMU-Studie aus dem Jahr 2005.
Ein F + E-Vorhaben des Bundesamtes für Naturschutz untersuchte die wirtschaftlichen Effekte von Großschutzgebieten. Ich möchte beispielhaft auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen für zwei ostdeutsche Schutzgebiete eingehen, nämlich für die im Müritz-Nationalpark und im Naturpark Hoher Fläming. Beide liegen in Brandenburg. Im Müritz-Nationalpark brachten 2004 300 000 Besucher einen Bruttoumsatz von 13,4 Millionen Euro und einen Beschäftigungseffekt von 628 Arbeitsplatzäquivalenten. Im Naturpark Hoher Fläming schufen 300 000 Besucher eine regionale Wertschöpfung von circa 6 Millionen Euro im Jahr. Der Beschäftigungseffekt liegt hier bei 200 Arbeitsplatzäquivalenten.
Schade – das muss ich hier sagen –, dass für den Freistaat Sachsen solche Untersuchungen nicht vorliegen. Das SMUL konnte auf unsere Große Anfrage zu den wirtschaftlichen Effekten der sächsischen Großschutzgebiete keine Auskunft geben. Herr Minister Tillich, Sie haben hier aus unserer Sicht einen erheblichen Nachholbedarf.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert von der Staatsregierung, endlich ihre Blockadehaltung zur Unterstützung der weiteren Ausweisung von Großschutzgebieten auf