Protocol of the Session on January 25, 2007

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert von der Staatsregierung, endlich ihre Blockadehaltung zur Unterstützung der weiteren Ausweisung von Großschutzgebieten auf

zugeben. Wir fordern insbesondere dort, wo es die Bürger möchten, neue Schutzgebiete auszuweisen.

Herr Tillich, weil Sie jetzt so verwundert schauen, ich verweise auf die Initiative zur Ausweisung eines Naturparks Muldenland. Sie wissen, dort gibt es verschiedene Initiativen. Sie haben dazu im April 2005 geantwortet, dass dafür keine Kapazitäten in Ihrem Haus vorhanden wären und dass Sie dort auch nicht bereit wären, irgendeine finanzielle Unterstützung vorzunehmen. Ich bin der Meinung, Sie lassen damit die Leute mit ihrer lobenswerten Initiative vor Ort allein. Das kritisieren wir.

So geht unser Appell auch an das Regierungspräsidium Dresden, das Ausweisungsverfahren für den Naturpark Zittauer Gebirge zu beschleunigen und endlich abzuschließen.

Ich möchte nun auf das Thema Klimawandel und Artenschutz eingehen. Es wird in Deutschland davon ausgegangen, dass sich infolge anthropogener Klimaveränderungen in den nächsten 100 Jahren die Durchschnittstemperatur um bis zu 7 °C erhöhen wird, wenn keine wirksame Klimaschutzpolitik betrieben wird. Da das jetzt in aller Munde ist, ist einfach festzustellen, dass trotz der neuen verbalen Aufgeschlossenheit – jetzt auch des USPräsidenten Bush, was mich ja sehr gewundert hat, gestern in seiner Rede, und der CDU, die sich jetzt auch mit Herrn von Beust einen Klimaschutzbeauftragten leistet – leider eine ordentliche Klimaschutzpolitik nicht zu erwarten ist. Ich sage nur das Stichwort Allokationsplan II.

Erste Veränderungen in Sachsen sind schon jetzt im Zugverhalten heimischer Vögel und in der Ausbreitung wärmeliebender Arten zu beobachten, insbesondere in den Lebensräumen in Moorfeuchtgebieten. Aber auch unsere Wälder werden vom Klimawandel betroffen sein. Damit muss sich der Artenschutz der Herausforderung stellen, neue angemessene Strategien zu entwickeln, die den Naturschutz selbst an den Klimawandel anpassen. An den Sachsenforst geht dabei die eindeutige Botschaft, künftig kreativer mit der Konzeptentwicklung und der Suche neuer Baumarten umzugehen. Es reicht nicht, wenn die nordamerikanische Douglasie und Roteiche in sächsische Wälder geholt wird. Das ist in Sachen Artenschutz kontraproduktiv. Die Lösung sollte vielmehr in Arten trockener europäischer Gebiete, wie zum Beispiel in pontischen Arten, liegen.

Meine Damen und Herren! Es wurde hier von einem meiner Vorredner, der sich nicht zu den Kennern des Naturschutzes zählen kann, gesagt, dass die Frage des Biotopverbundes von nachrangiger Bedeutung sei. Ich denke, Herr Kollege Günther, Sie sollten auch einmal die einschlägigen Veröffentlichungen der Staatsregierung zur Kenntnis nehmen, denn ich bin mir in diesem Punkt mit Herrn Tillich einig.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Verpflichtung, unseren Kindern und Enkeln eine intakte Natur zu hinterlassen. Noch ist es nicht zu spät, aber wir müssen rasch handeln. Was das Entscheidende und das entscheidende

Anliegen dieser Großen Anfrage war: Wir müssen aus dieser Routine, in der wir uns angewöhnt haben, dass Naturschutzpolitik eine Nischenpolitik für die GRÜNEN und ein paar Fachkollegen aus anderen Parteien ist, herauskommen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir müssen tatsächlich erkennen, dass die Naturschutzpolitik eine Frage des Überlebens und damit Überlebenspolitik ist. Wenn wir dazu mit unserer Großen Anfrage beigetragen haben, dann hätte sie ihr Ziel erreicht. – Weiteres im Schlusswort.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Mir liegen keine Redewünsche mehr von den Fraktionen vor. Wünscht dennoch ein Abgeordneter von den Fraktionen noch zu sprechen? – Das sieht nicht so aus.

Herr Lichdi, dann würde ich Sie jetzt einfach noch einmal bitten, da es kein Schlusswort gibt, aber einen Entschließungsantrag, im Rahmen Ihrer Redezeit noch zu sprechen. Bei der Großen Anfrage gibt es kein Schlusswort.

Ich entschuldige mich bei Ihnen. Das war mir unbekannt. Ich gehe aber noch gern auf meine Vorredner ein.

Herr Prof. Mannsfeld, ich muss mich schon sehr wundern, dass Sie den Zeitpunkt kritisiert haben, zu dem wir die Große Anfrage in das Plenum bringen, deswegen wahrscheinlich, weil wir im März oder im Mai das Naturschutzgesetz hier behandeln. Ich frage Sie ernsthaft: Wann soll sich denn dieses Haus mit dem Stand des Naturschutzes in Sachsen beschäftigen, wenn nicht im Vorfeld einer anstehenden großen Novellierung des Naturschutzgesetzes? Diese Intervention kann ich nun beileibe nicht verstehen.

Herr Prof. Mannsfeld, es geht auch nicht darum, die durchaus vorhandenen Erfolge – hören Sie gut zu, Herr Hähle –, die seit 1990 im Naturschutz erzielt worden sind, kleinzureden. Mir geht es nur darum, uns tatsächlich die Frage vorzulegen, ob es denn für die Hauptprobleme des Naturschutzes, wie wir mit unseren Gesetzlichkeiten umgehen, ausreicht. Darum geht es. Es ist das Artensterben, das ungebremst vorwärtsgeht. Es ist die Versiegelung, die ungebremst vorwärtsgeht. Es ist der Klimawandel. Das alles sind die zentralen Probleme. Es gibt vielleicht noch ein oder zwei andere.

Die Frage, die wir uns als Politiker stellen müssen, ist die: Ist das Naturschutzgesetz so, wie es jetzt existiert und wie es Herr Staatsminister Tillich zur Novellierung vorschlägt, geeignet, diese Probleme aufzulösen? Genau dazu haben wir nachgefragt, welche Erfahrungen die Staatsregierung bei den Vorarbeiten gemacht hat. Es kam heraus – Frau Kollegin Kagelmann hat es dankenswerterweise sehr ausführlich dargestellt –, dass zentrale Vorarbeiten oder

überhaupt Gedankengänge fehlen. Deswegen war es wichtig, es an dieser Stelle zu sagen.

Frau Deicke, zur Versiegelung: Sie haben gesagt, das ist ein wichtiges Problem. Darin sind wir uns ja einig. Aber es reicht eben nicht, einen Versiegelungserlass im Jahr 2000 von Ihrem Vorgänger, Herrn Flath, zu machen, es einfach so laufen zu lassen, es in den Orbit zu schießen, sich nicht darum zu kümmern und wenn nachgefragt wird, dann nicht Bescheid zu wissen. Das ist eine Art und Weise von symbolischer Umweltpolitik, die wir uns bei einem solchen Hauptproblem einfach nicht mehr leisten können.

Herr Günther, zum Schluss zu Ihnen, obwohl es eigentlich unnötig wäre. Es ist schon sehr bezeichnend, dass Sie sich bei dieser wirklich sehr umfänglichen Anfrage, die der Kollege Mannsfeld wegen der Umfänglichkeit kritisiert hat, ausgerechnet das Problem des Kormorans ausgesucht haben. Wir haben uns darüber gestritten. Ich stehe zu meinen Aussagen, die ich dazu gebracht habe. Aber jetzt tatsächlich die Fragen des Naturschutzes auf die Frage Kormoran-Abschussverordnung zu verengen – das ist eine wichtige Frage – zeigt schlicht und ergreifend, dass Sie keinesfalls die Diskussionshöhe, die beim Naturschutz erforderlich ist, annähernd erreichen. Na gut, es hat keinen Sinn bei Ihnen, ich weiß.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Herr Minister Tillich, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte gern den Begriff des ökologischen Fußabdruckes der beiden Oppositionsredner Frau Kagelmann und Herrn Lichdi aufnehmen und auf die Beschreibung eingehen, die sich für mich folgendermaßen erschließt:

Sachsen hat seit 1990 Flüsse begradigt, 3 000 Wasserkraftanlagen neu errichtet, mehrere Braunkohlentagebaue erschlossen, Bergwälder gerodet und Bergwiesen umgeackert. Die Abwasserbelastung ist erbärmlich angestiegen. Seit 1990 ist das Baden in der Elbe erstmalig nicht mehr möglich und Sachsen hat nach 1990 die großflächige Landwirtschaft wieder eingeführt.

Wovon, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie denn gesprochen? Ich habe Herrn Nolle gefragt. Er ist der Meinung, seine Fußabdrücke hinterlässt er im politischen Raum und nicht in der Natur.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Die Novelle des Naturschutzgesetzes war gerade einmal sieben Tage im Landtag, Herr Lichdi, da hatten Sie schon – meine Damen und Herren auch auf der Tribüne, damit wir wissen, worüber wir reden – 287 Fragen zum Stand des Naturschutzes und zur Novellierung des Naturschutz

gesetzes in eine Große Anfrage gegossen. Ich kann Ihnen kein langsames Arbeitstempo vorwerfen, dafür aber – das stelle ich hier fest – mangelndes Interesse an einem konstruktiven gemeinsamen Vorgehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann Ihnen sagen, Herr Lichdi, Naturschutz im Alleingang wird nicht weit kommen. Daran sind Sie gescheitert und daran werden Sie als GRÜNE immer scheitern. Naturschutz kann sich nicht auf einzelne Wirtschaftsbereiche oder bestimmte Flächenanteile und Arten beschränken. Ich denke, dass wir die Bevölkerung und die in besonderem Maße von den Naturschutzmaßnahmen Betroffenen von Anfang an in einen effektiven Natur- und Artenschutz einbeziehen müssen. Das haben Sie bislang immer vergessen.

Aber um Sie zu trösten. Etwas, Herr Lichdi, haben Sie mit dieser Anfrage auf jeden Fall bewegt, und zwar: Für das genau 21 Seiten umfassende Papier, auf denen Sie Ihre 287 Fragen niedergeschrieben haben – ich will das hier einmal deutlich sagen –, haben mehr als 30 Mitarbeiter meines Hauses, anderer Ministerien, nachgeordneter Bereiche zwischen zwei und 22 Arbeitstagen dazu verwendet, um die Auskünfte zu geben bzw. die Fragen in dem Maße zu beantworten, wie sie dem Hohen Hause vorliegen. – Das sei nur einmal am Rande bemerkt.

Dem Naturschutz haben Sie, Herr Lichdi, damit keinen weiteren Schritt nach vorn geholfen. Aber vielleicht war das auch Ihre Absicht. Daher ein Tipp von mir: Vielleicht sollten Sie, und das gilt jetzt für alle GRÜNEN, mit der ewigen Schwarzmalerei – oder sollte ich eher Grünmalerei sagen – aufhören. Auch wenn bei uns sicherlich nicht alles grün ist – zumindest im Landtag wird es auf längerfristige Zeit so bleiben –, haben wir doch in Sachsen einen Stand im Natur- und Umweltschutz erreicht, um den uns andere Länder beneiden.

(Beifall bei der CDU)

Einen Nationalpark, ein Biosphärenreservat, zwei Naturparke und über 200 Naturschutzgebiete schützen unsere Flora und Fauna auf besondere Art und Weise. Darunter ist auch das 7 000 Hektar große Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide. Mit dem brauchen wir uns wirklich im bundesweiten Vergleich nicht zu verstecken.

Bundesweit vorbildlich ist auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen unserem Nationalpark und unseren tschechischen Nachbarn. Gemeinsam stellen wir auf 17 000 Hektar einen einheitlichen Schutzstandard fest. Das sind Größenordnungen, die es auch im internationalen Vergleich zu suchen gilt.

Eine andere Erfolgsgeschichte ist unser Biosphärenreservat. Es wurde im Herbst vergangenen Jahres vom Nationalkomitee der UNESCO als mustergültig im nationalen wie im internationalen Maßstab eingestuft. Ein Lob, über das wir uns sehr gefreut haben, das ich gern auch einmal in diesem Rahmen verkünde und für das ich mich gleich

zeitig bei meinen Mitarbeitern und bei allen ehrenamtlichen Mitarbeitern bedanke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Auch die Größe unserer Naturschutzgebiete ist herausragend. Darauf ist Karl Mannsfeld eingegangen. Die langfristige Entwicklung unseres größten Naturschutzgebietes, der Königsbrücker Heide, sichern wir durch die Übernahme der betreuenden Mitarbeiter in die eigene staatliche Verwaltung. Auch da, Herr Lichdi, können Sie bundesweit nach einem Äquivalent suchen.

Der nächste Punkt greift schon etwas die Debatte am Freitag auf. Aber das haben andere Redner vor mir auch getan. Der Freistaat unterstützt durch zahlreiche Artenschutzprogramme und Artenhilfsmaßnahmen, zum Beispiel für den Fischotter, den Weißstorch, die Flussperlmuschel, den Wolf und die Weißtanne, in Sachsen die Stabilität bzw. die Zunahme der Artenvielfalt. Wir können da durchaus ansehnliche Erfolge, auch im internationalen Maßstab, vorweisen.

Diese Wiederankömmlinge sind Zeugnis günstiger Umweltbedingungen und guter Naturschutzarbeit bei uns im Freistaat Sachsen. Außerdem hat sich eine Reihe von Pflanzen und Tieren, wie Seeadler, Sumpfsiegwurz, prächtig erholt und nimmt eben in der Fläche auch zu.

Das ist sicherlich schön. Aber auch ich weiß – das müssen mir nicht erst die GRÜNEN erzählen –, dass es selbstverständlich noch einiges zu tun gibt und in dem konkreten Falle sogar vieles. Trotzdem sollten wir die Bodenhaftung nicht verlieren und stets daran denken, dass die Lebensräume eines Großteils unserer heutigen Arten erst durch menschliche Bewirtschaftung entstanden sind. Da sollten Sie die Rechnung nicht ohne den Wirt machen.

Öffentliche, dem Allgemeinwohl dienende Planungen befassen sich fast immer mit dem privaten Eigentum anderer. Planung vernetzter Biotopsysteme im Rahmen der Landschafts- und Bauleitplanung beziehen sich nur relativ selten auf Flächen, die im Eigentum der öffentlichen Hand oder der Naturschutzverbände sind. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich durch eine frühzeitige Einbindung der Land- und Forstwirte ein Teil der Probleme schon im Vorfeld lösen lässt.

Herr Lichdi, ich habe Ihnen erst die Zwischenfrage gestellt, ich stelle sie jetzt noch einmal: Warum 15 % Biotopverbund? Warum nicht 16 oder 17 %? Die Zahl ist frei gegriffen. Wir werden das tun, was notwendig ist.

Nur mit einem Dialog, Herr Lichdi, kann es uns gelingen, das über Jahrzehnte gehegte und gepflegte „Feindbild Naturschutz“ als Störer in weiten Kreisen der Eigentümer und Nutzer durch den „Kommunikationspartner Naturschutz“ zu ersetzen. Diesen Dialog führe ich gern und ich lade Sie dazu ein.

Dazu ist es aber auch notwendig, dass der Naturschutz die berechtigten Interessen der Eigentümer und Nutzer zur Kenntnis nimmt. Naturschutz darf keine Einbahnstraße sein. Aufgabe der Politik ist und bleibt es, zu moderieren,

abzuwägen und den möglichen Handlungsrahmen festzusetzen. Das können unter Umständen auch finanzielle Anreize sein.

Sachsen unterstützt bis 2013 Maßnahmen, im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen mit Landnutzern zu naturschutzgerechten Nutzformen Investitionen zur Sicherung und Gestaltung von Biotopen und Lebensräumen zu fördern. Bei aller notwendigen finanziellen Unterstützung kann dieser Konsens zwischen Flächennutzern und Naturschutz nur im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Leistungsvermögens des Einzelnen, aber auch der Gesellschaft erreicht werden.

Der Freistaat Sachsen gab allein zwischen 2000 und 2005 fast 131 Millionen Euro für den Naturschutz aus. Für die nächste Förderperiode zwischen 2007 und 2013 werden wir – so ist es vorgesehen – voraussichtlich 216 Millionen Euro für den Umwelt- und Naturschutz bereitstellen. Unsere Leistungsgrenze ist damit aber auch erreicht. Unrealistische Vorstellungen, ob seitens der EU oder vielleicht auch der GRÜNEN, nach immer mehr Geld und weiteren Verpflichtungen lassen, denke ich, unser aller Bemühungen scheitern.