Protocol of the Session on January 25, 2007

Meine Damen und Herren! Als zielführender Ausweg aus dem erkennbaren Widerspruch zwischen der Zunahme

großer Schutzgebiete einerseits und der ungünstigeren Artenentwicklung andererseits kann doch nur eine verstärkte Kooperation und bessere Koordination zwischen Naturschutzzielen und Bewirtschaftungsinteressen benannt werden. Das dabei zu nutzende Instrument vertraglicher Vereinbarungen – Vertragsnaturschutz – scheint mir ohne Alternative zu sein.

Abschließend kommen wir nicht an der Feststellung vorbei, dass sich die Erhaltung von und das Streben nach Naturnähe, der Arten- und Biotopschutz sowie der großflächige Gebietsschutz in der Kulturlandschaft abspielen. Zugleich ist zu beachten, dass die schützenswerten Objekte größtenteils selbst nur als Ergebnis der Kulturarbeit des Menschen existieren und so zu begreifen sind. Ständige Prozesse des Landschaftswandels prägen daher unsere Umwelt und differenzieren damit auch das Naturschutzanliegen, das einerseits im Bewahren natürlicher Vielfalt zu sehen ist – völlig unstrittig – und andererseits Bereiche umfasst, die wir einer natürlichen Dynamik überlassen sollten.

Dennoch bleibt als wichtigstes Fazit die Feststellung – ich betone das auf Basis dieser Debatte noch einmal –, dass die Naturschutzziele in die Nutzungsziele von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und aller anderen Wirtschaftszweige zu integrieren und mit ihnen zu verzahnen sind.

Zusammenfassend kann man daher sagen: Die eigentliche Botschaft ist die Einsicht, dass moderner Naturschutz nicht vom Schutz einzelner Arten ausgeht – was ihm seine Kritiker immer wieder vorwerfen –, sondern vom dynamischen Ansatz des Landschaftshaushaltes und somit vom allgegenwärtigen Einwirken des Menschen darauf. Ein Naturschutz ohne diesen Kulturlandschaftszusammenhang, Naturschutz in dem Sinne auch als kulturelle Leistung zu begreifen, kann nur erfolgreich sein, wenn wir diese Zusammenhänge beachten.

Andere Arten, die ohne unser Zutun und unsere Pflegemaßnahmen gar nicht da wären – Birkhuhn, Brachbiber, Selketalgesellschaften und viele andere –, müssen auch weiterhin in diesem Prozess unsere Unterstützung bekommen. Was offenbleibt, meine Damen und Herren, ist der Grundmangel der Naturschutzpolitik, nämlich ihr ungenügendes Durchsetzungspotenzial.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Dieses Defizit ist nicht mit einem fundamentalistischen Naturschutzverständnis auszugleichen; denn alle Erfolge, die diesem gesellschaftlichen Feld entspringen, basieren auf den gesetzlichen Rahmenbedingungen, wir haben das in nächster Zeit auch vor uns. Sie entspringen weiterhin der Überzeugungskraft der Argumente, einer zunehmenden Kenntnisvermittlung auf allen Ebenen unserer Gesellschaft und vor allem den aktiven Beiträgen vieler Ehrenamtlicher, die an dieser Stelle in besonderer Weise hervorgehoben und gewürdigt werden sollen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

So kann das Ergebnis der Großen Anfrage zusammenfassend nur heißen: Der Naturschutz in Sachsen ist auf gutem Weg, ist seit 1990 bei uns – politisch gesehen – in guten Händen, ohne zu übersehen, dass es noch zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion.PDS, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Kennen Sie eigentlich Ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck? Herr Lichdi kennt ihn garantiert. Der ökologische Fußabdruck gibt an, wie groß Ihr persönlicher Energie- und Ressourcenverbrauch ist. Dieser Verbrauch wird in Fläche ausgedrückt. Wenn alle Menschen auf der Welt so leben würden wie wir, bräuchten wir zwei bis drei Erden, weil der oder die durchschnittliche Deutsche einen Fußabdruck von 4,7 Hektar im Jahr verbraucht.

Mehrere Internetprojekte bieten nun spezielle Rechner an, die anhand persönlicher Angaben zu Verkehr, Wohnen, Konsum und Energie einen ganz persönlichen Fußabdruck für Sie errechnen. Probieren Sie es einmal aus. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass das mindestens für Erstaunen sorgt, im günstigsten Fall für Nachdenken, und auch dafür werden die Tipps gleich mitgeliefert.

Die vorliegende Große Anfrage wollte offensichtlich den ökologischen Fußabdruck der Staatsregierung berechnen. Da dürften Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, schon an fehlenden Auskünften gescheitert sein. Aber abgesehen davon, scheint mir, würde das Ergebnis ein ernüchterndes sein. Aber gehen wir ins Detail.

Im ersten Themenkomplex werden Strategien der Staatsregierung auf die Hauptprobleme des Naturschutzes – Klimawandel, Artensterben, Bodenversiegelung und Landschaftszerschneidung – nachgefragt. Die Quintessenz bereits der ersten Antworten ist niederschmetternd. Ich zitiere sinngemäß: „Der Artenrückgang wird realistischerweise nicht vermeidbar sein. Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Artenrückganges stellen freiwillige Vereinbarungen dar. Ein Flächensparziel ist unrealistisch und entwicklungslimitierend.“ Darüber hinaus versteckt man sich hinter Bund und EU.

In diesen ersten Antworten offenbart sich für mich ein minimalistischer und bürokratischer Zugang der Staatsregierung zum Naturschutz, der der Bedeutung des Themas in keiner Weise gerecht werden kann.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Aber es wird noch schärfer. Mehrfach bekennt die Staatsregierung, dass keine Daten existieren. Es wurde noch

keine Bewertung vorgenommen, keine Bewertung zum Beispiel zur Wirkung von Pilotprojekten, zum Ökoflächenmanagement im Landkreis Meißen oder zum Ökokonto Taucha, keine Datenlage zur Realisierung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, zum Entsiegelungserlass von 2000, keine Evaluation. Ja, was ist das denn, Herr Staatsminister Tillich? Welchen Sinn machen eigentlich Pilotprojekte, wenn sie nicht bewertet werden? Wie wirkungsvoll ist die Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, wenn deren Realisierung nicht akribisch kontrolliert und, besser noch, sanktioniert wird?

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die ungebremste Bodenversiegelung gehört zu den großen Umweltsünden der Gegenwart. Nachhaltige Flächennutzung braucht unbedingt eine Erfolgskontrolle bzw. eine Beobachtung von Entwicklungstendenzen bei der Bodennutzung, um die Wirkung von Raumordnungs- und Umweltschutzpolitik überhaupt einschätzen zu können. Zumindest die statistischen Berichte zum Flächenverbrauch liegen ja vor. Jetzt muss damit aber auch gearbeitet werden. Das heißt ganz konkret, dass der Entsiegelungserlass von 2000 auf seine Wirkung zu überprüfen ist und dass er dringend einer Fortschreibung bedarf mit dem Ziel der starken Reduzierung des Flächenverbrauchs.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Das sind ja wohl selbstverständliche Hausaufgaben der Staatsregierung. Dazu gehört natürlich auch, dass die Staatsregierung belastbare Informationen sammelt, welche Biotope in den letzten zehn Jahren zerstört, umgewidmet oder schlicht mangels Pflege verloren gegangen sind. Wie will man denn sonst dem eigenen Naturschutzgesetz Rechnung tragen?

In der Großen Anfrage wird man bei der Frage nach dem Stand der Einrichtung des Biotopverbundes, Seite 69, auf die Zielstellung im Landesentwicklungsplan 2003 verwiesen, wonach die Regionalpläne das ökologische Verbundsystem zu sichern und zu kennzeichnen haben – oder richtiger: hatten, denn die Anpassung der Regionalpläne sollte bis Jahresende abgeschlossen sein. Nun, da die Frist ergebnislos verstrichen ist, soll im Gesetz über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme gänzlich auf einen Termin zur Anpassung verzichtet werden. Was zunächst wie eine Bürokratieabbaumaßnahme daherkommt, zeigt bei näherer Betrachtung verheerende Wirkung. Wenn nämlich Fristen zur Anpassung wegfallen, wird gar nicht mehr angepasst, mit dem Ergebnis, dass sich wichtige Aufgaben, wie sie sich eben aus dem Landesentwicklungsplan – in diesem konkreten Fall zur Sicherung und Kennzeichnung des Biotopverbundes – ergeben haben, in Wohlgefallen auflösen.

Aus diesem Grund wird die Linksfraktion.PDS unbeirrt für ihren Änderungsantrag zum Gesetz zur Einführung der Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme werben, der eine Verlängerung der Frist

zur Anpassung der Regionalpläne um ein Jahr vorschlägt, auch wenn leider der mitberatende Wirtschaftsausschuss dieses Ansinnen bereits abgelehnt hat.

Zumindest in der Straßenbauverwaltung klappt es anscheinend etwas besser mit der Erfolgskontrolle. Dort werden nach Aussagen der Staatsregierung zumindest Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umgesetzt. Aber wie denn, meine Damen und Herren? – Häufig erst Jahre später und vielfach überhaupt nur auf Druck der örtlichen Naturschutzverbände. Aber es geht um mehr als die nachträgliche Dekoration von Straßen mit Bäumen und Sträuchern.

Mit dem laufenden Doppelhaushalt 2007/2008 wird der Straßenbau in Sachsen in einem unerträglichen Maße ausgeweitet, unerträglich, weil eine ganze Reihe von Vorhaben aus Gründen des rasanten demografischen Wandels in Sachsen überflüssig oder überdimensioniert sein werden, unerträglich, weil ein durch nichts zu rechtfertigender Verlust an Boden durch die Zerstörung von Flora und Fauna mit regungsloser Miene hingenommen wird. In der Antwort der Staatsregierung lese ich, dass bisher in keinem Fall festgestellt wurde, dass ein Vorhaben gemäß § 22 b Abs. 2 des Sächsischen Naturschutzgesetzes in FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten wegen erheblicher Beeinträchtigungen unzulässig gewesen sei. In keinem Falle wurde auch die Zulässigkeit nach Abs. 4 dieses Paragrafen festgestellt.

Auch diese Klippe wurde irgendwie umgangen, denn in diesem Falle wäre eine Stellungnahme der Europäischen Kommission einzuholen gewesen. Nirgendwo erhebliche Beeinträchtigungen? Das können Sie mir nicht weismachen, Herr Tillich! Da schaue ich nur ganz kurz in die Oberlausitz zum Dauerbrenner B 178 neu, die mit der letzten Ausweisung von Vogelschutzgebieten auch noch das Schutzgebiet „Feldgebiete der östlichen Oberlausitz“ quert. Auch dafür wurde laut Großer Anfrage durch Schadensminderungsmaßnahmen nie die Schwelle einer erheblichen Beeinträchtigung erreicht. Das sehen allerdings nicht nur Bürgerinitiativen zum Ausbau der Alttrasse anders, die seit Jahren für diese weniger naturzerstörende Alternativvariante kämpfen.

Dafür, dass Verstöße gegen die FFH- und Vogelschutzrichtlinie bei der laufenden Straßenbauorgie nicht geahndet werden können, hatten ja die Koalitionsfraktionen mit dem Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes gesorgt, das am 13. Juni 2005 hier behandelt wurde. Der Juristische Dienst des Landtages hat in seinem Rechtsgutachten zum damaligen Gesetzentwurf das Ergebnis treffend beschrieben: „Für die neu einzuführende Kategorie von Schutzgebietstypen ist landes- und bundesrechtlich kein Rechtsbehelf gegen Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung vorgesehen. Der Landesgesetzgeber kann einen solchen jedoch unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben statuieren, muss es aber nicht.“ Warum die Mehrheit in diesem Landtag keinen Rechtsbehelf für die anerkannten Naturschutzverbände statuieren wollte, sehen

wir an den von mir vorhin aufgeführten Antworten der Staatsregierung auf die diesbezüglich gestellten Fragen.

Weiter zum Artenschutz im Teil 2 der Großen Anfrage. Funktionäre der sächsischen Anglerverbände klatschen verzückt Beifall zur neuen Kormoran-Verordnung, die vom Kabinett – –

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und schon klatschen Sie; sehr schön, ich danke, meine Herren.

(Zuruf: Auch Herr Dr. Hahn!)

Dr. Hahn kann nicht klatschen, er ist nicht anwesend.

Wir kommen zur Kormoran-Verordnung zurück, die vom Kabinett in der vergangenen Woche beschlossen wurde. Die freie Jagd auf Kormorane – das Kesseltreiben gegen diese als gefräßig hingestellten Kreaturen der Schöpfung – ist eröffnet. Angler und Naturschützer liegen sich in den Haaren – eine gern gesehene Konstellation für den staatlich verfügten Naturschutz; darauf angelegt, die an und für sich geringen Kräfte der Naturschützer zusätzlich zu verschleißen.

Dabei findet sich in der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der GRÜNEN auf Seite 88 folgende von Vernunft zeugende Einschätzung – ich zitiere –: „Sachsen führt seit zehn Jahren ein Kormoran-Monitoring durch und hat durch die Kombination aus Vergrämungsmöglichkeiten, Vergrämungsabschüssen, der Möglichkeit zur Verhinderung von Neuansiedlungen in Karpfenteichregionen und der Möglichkeit von Härtefallzahlungen ein sehr wirksames Kormoran-Management.“

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Hört, hört!)

Da müssen Sie, Herr Tillich, sich schon fragen lassen, ob Sie überhaupt noch den Überblick darüber haben, was Sie dem Parlament mitteilen und was Sie fast gleichzeitig dem Kabinett zur Beschlussfassung vorlegen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Offensichtlich nicht!)

Ich bin auch nicht bereit, darüber zu streiten, ob ein Kormoran im Schnitt 400 oder 405 Gramm pro Tag frisst, ob im Herbst 19 000 oder 20 000 Kormorane in Sachsen Station machen – das alles geht an der Sache vorbei.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Eine Zwischenfrage eines Anglers immer.

Bitte.

Ist Ihnen bekannt, Frau Kollegin, dass Ihr eigener Parteifreund, der ehemalige Minister Prof. Methling in Mecklenburg-Vorpommern, ein Kormoran-Monitoring durchgeführt hat und dabei festgestellt wurde, dass Kormorane tatsächlich im Durchschnitt am Tag 450 Gramm Fisch verzehren – oder ist Ihnen das nicht bekannt? Haben Sie diesen Bericht jemals gelesen?

Ich kenne mehrere Zahlen, wie viel ein Kormoran am Tag frisst; deshalb äußere ich mich nicht zu Größenordnungen. Ich weiß aber, dass Herr Methling aufgrund großer Proteste von Umweltschützern die Kormoran-Verordnung zurückziehen und vorläufig aussetzen musste. Das ist ein Ergebnis des zügellosen Abschusses, der dort stattgefunden hat.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich fordere Sie an dieser Stelle auf, Herr Tillich, die Kormoran-Verordnung unverzüglich zurückzuziehen