Inzwischen plädieren auch DGB, Sozialverbände und einflussreiche Vertreter der Bundesagentur für Arbeit dafür. Sie unterscheiden zwar verschiedene konzeptionelle Vorstellungen, aber es geht immer um den einen Grundgedanken: Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. In der Tat kommt Arbeitslosigkeit nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Gesellschaft teuer zu stehen. Nimmt man die Regelleistungen, Wohngeld, Sozialversicherungsbeiträge, Trägerpauschale und den „Lohn“ eines Ein-Euro-Jobbers zusammen, so kommt man auf circa 1 350 Euro. Für 1 350 Euro, meine Damen und Herren, würden viele Sachsen gern arbeiten gehen; viele verdienen nämlich deutlich weniger!
Warum nimmt man nicht diese 1 350 Euro und finanziert davon eine Stelle – fast auf Höhe eines Mindestlohnniveaus –, anstatt es in unterschiedliche Schubladen zu stecken, und bei den Betroffenen kommt am Ende nur sehr wenig davon an?
Meine Damen und Herren! Wenn der Bundesgesetzgeber mitspielen würde, dann wäre die Finanzierung dieser Form von öffentlich finanzierter Arbeit tatsächlich kostenneutral, weil das Geld – volkswirtschaftlich gesehen – ohnehin ausgegeben wird. Es müsste Voraussetzung sein, dass man diese Gelder unter der Bedingung von Hartz IV weiter bündeln kann. Das ist gegenwärtig leider nicht der
Fall, weil man die sogenannten aktiven und passiven Leistungen nicht bündeln kann. Im Bundessozialhilfegesetz, also im Vorläufergesetz, war das noch möglich. Wir beantragen das in Punkt I unseres Antrages.
Insofern, Herr Minister Jurk, ist das Argument in der Antwort auf unseren Antrag nicht zielführend, dass die Finanzierung solch öffentlich geförderter Beschäftigung nicht möglich sei. Das Gegenteil ist richtig: Wir geben jetzt schon unglaublich viel Geld für die Finanzierung von Arbeitslosigkeit aus. Wir wollen die Rechtsgrundlage dafür schaffen, dass wir für das gleiche Geld Arbeitsplätze im Non-Profit-Bereich finanzieren können.
Herr Müntefering ziert sich noch. Vielleicht sollten Sie, Herr Jurk, Ihren Einfluss auf ihn geltend machen, genau dies zu tun und die Bündelung der Gelder zu ermöglichen. Die Berliner Senatoren meiner Partei, Herr Wolff und Frau Knake-Werner, haben dies unter Federführung des rot-roten Senates schon getan.
Solange vom Bund weiter blockiert wird, müssen wir andere Wege in Form von Modellprojekten gehen, wie beispielsweise Berlin. Hier sollen 2 500 Stellen öffentlich finanzierter Beschäftigung in einem Modellprojekt entstehen. Oder wir können das Beispiel von SachsenAnhalt mit der sogenannten Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg anführen. Auch darüber wird viel diskutiert. Beide Modellprojekte werden gegenwärtig noch mit ESFGeldern von der Landesebene kofinanziert, weil die Rechtsgrundlage für die Bündelung der Gelder eben noch nicht da ist.
Es gibt einen ganz entscheidenden Unterschied: In Berlin sollen diese Arbeitsplätze in Höhe eines Bruttolohnes von circa 1 300 bis 1 400 Euro entstehen, in Sachsen-Anhalt verdienen die Bürgerarbeiter 750 bis 900 Euro. Billigbürgerarbeit lehnen wir ab! Das möchte ich hier ganz deutlich sagen.
Aber es freut mich ausdrücklich, dass die CDU wenigstens in Sachsen-Anhalt begriffen hat, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik neue Wege gehen müssen. Wir werden im Laufe der Debatte verfolgen können, ob das auch in Sachsen inzwischen angekommen ist.
Meine Damen und Herren! Wir wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der allen Arbeitslosen und nicht nur besonderen Problemgruppen zur Verfügung steht. Auch das ist ein Streitpunkt in der Debatte. Wir wollen diese Arbeit nach Möglichkeit in existenzsichernder Höhe und mit mehrjähriger Laufzeit.
Verbündete, meine Damen und Herren, gibt es bei diesem Vorhaben genügend. Auch die Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit – so entnehmen wir der Presse – steht dem Projekt offen gegenüber, will sich der Sache annehmen und Konzepte für Sachsen entwickeln. Auch die schwarz-rote Koalition im Bund sucht noch nach einem Konzept, um nach eigenen Angaben 100 000 Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Das ist ein hochgestecktes Ziel, für das wir ihr konzeptionell unter die Arme greifen sollten.
Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen Sie für unseren Antrag, wenn Ihnen an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelegen ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große Koalition will für Arbeitslose mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einrichten. Diese Stellen sollen auf unbefristete Zeit mit der Hälfte des tarifvertraglich vereinbarten oder ortsüblichen Lohnes subventioniert werden. Ein entsprechendes Konzept ist Bundesarbeitsminister Franz Müntefering zugeleitet worden. Sie hatten das in Ansätzen mit erwähnt.
Die Stellen, um die es geht, sollen in Integrationsbetrieben oder im Rahmen gemeinnütziger Bürgerarbeit eingerichtet werden. Um Drehtüreffekte zu vermeiden, sollen die Betroffenen durch die Tätigkeit auf dem sozialen Arbeitsmarkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten. Finanziert werden sollen die Zuschüsse aus den Mitteln, die der Bund sonst für die Finanzierung des ALG II und die Miet- und Heizkosten der Betroffenen aufbringen müsste. So ist der aktuelle Diskussionsstand in Berlin.
Ihr Antrag dagegen verfälscht das Vorhaben der Berliner Koalition und verlangt damit ein weiteres Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung.
Das wäre das 81. nach Aussage der Agentur für Arbeit. Wollen Sie das wirklich? Oder ist es nicht eher angebracht, darüber nachzudenken, wie effektiv manche Maßnahmen noch sind? Gegen die Initiativen, die dazu führen, dass ein sozialversicherungspflichtiges, existenzsicherndes Beschäftigungsverhältnis entsteht, hat hier niemand etwas.
Nein. Ich habe Ihnen zugehört, jetzt hören Sie mir einmal im Zusammenhang zu. Daraus können Sie dann vielleicht auch Ihre Schlüsse ziehen.
Sie machen immer wieder denselben Fehler: Sie spielen Transferleistungsempfänger gegeneinander aus, indem Sie ihnen suggerieren, dass noch mehr zu holen ist, ohne sich dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ unterwerfen zu müssen. Es ist ja auch einfach, wenn man nur die eine Seite der Medaille betrachtet. Auf der anderen Seite steht nun einmal die Wirtschaft mit ihren Leistungsträgern, die die von Ihnen angesprochenen Leistungen erwirtschaftet.
Ich möchte nicht missverstanden werden. Es geht mir darum, allen die Möglichkeiten der Teilnahme und der Teilhabe an der wirtschaftlichen und damit der gesellschaftlichen Entwicklung zu ermöglichen. Der Staat hat kein eigenes Geld, mit dem er dies alles bezahlen kann. Er muss die Wirtschaften, die diese Leistungen erbringen, belasten.
Alle Ausgaben des Staates können immer nur aus den Arbeitserträgen der Bürger finanziert werden. Dabei gibt es gesellschaftlichen Konsens über die Verwendung eines erheblichen Teiles der erwirtschafteten Mittel für Solidarleistungen, auf die unter anderem die Schwachen unserer Gesellschaft einen Anspruch haben. Die öffentlich geförderte Beschäftigung verschärft genau jenes Problem, das sie eigentlich lösen will, so der Direktor des Institutes für Finanzwirtschaft der Uni Mainz, Rolf Peffenkoven. Das ist weder falsch noch richtig, das ist einfach am Leben vorbei. Dass es durchaus Sinn macht, in einem gewissen Rahmen öffentliche Beschäftigung zu organisieren, habe ich hier in dem Hohen Hause immer wieder erwähnt. Aber wir lügen uns selbst in die Tasche, wenn wir zu der Ansicht kämen, dass wir allen Betroffenen damit einen Weg in die Zukunft geebnet haben. Zum anderen scheitert alles immer wieder an der Frage, ob dies wirklich im öffentlichen Interesse ist oder nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der Linksfraktion.PDS wird viel von Geld gesprochen, Geld für Unterstützung – leider konnte ich nichts lesen über Geld für Leistung, für Wertschöpfung oder für hohe Produktivität. Das gehört auch dazu. Ihre einfachen Rechenbeispiele, unterlegt mit einer Portion Standesneid, sind schädlich. Sie wissen genau, dass der Wohlstand eines Landes darauf beruht, dass mit Hilfe des technischen Fortschritts neue Produkte entwickelt und Arbeitsabläufe optimiert werden, damit neue Arbeitsplätze rund um neue Technologien entstehen. Die von Ihnen vorgeschlagene Zusammenfassung von Unterstützungsleistungen auf Kosten der Zuverdienstmöglichkeiten widerspricht dem Grundsatz des Forderns und Förderns.
Die Landesregionalagentur für Arbeit hat mit den ARGEn gemeinsam alle Möglichkeiten, die die Förderkulisse hergibt, ausgeschöpft und vielen Tausenden den Weg in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit geebnet. Das können Sie der Antwort der Staatsregierung entnehmen.
Unser Augenmerk sollte darauf gerichtet sein, die zur Verfügung stehenden Mittel des Bundes, der EU und des Landes effektiver einzusetzen. Unser Appell muss sich auch an die Wirtschaft richten. Nutzen Sie alle zur Verfügung stehenden Fördermöglichkeiten, die Sie in die Lage versetzen, innovativ und zukunftsorientiert mit gut qualifizierten Arbeitnehmern zu arbeiten! Schaffen Sie wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, damit Beschäftigung Ihnen nicht zur Konkurrenz und den Arbeitnehmern nicht zum existenzsichernden Verhältnis wird.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja auch eine Reihe von positiven Zahlen. Bevor wir in diese Debatte einsteigen, würde ich diese gern noch einmal in Erinnerung rufen.
Das eine ist: Wir haben natürlich neben der Frage der Arbeitslosigkeit und eben der Frage der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit in Sachsen vor allem eine positive Entwicklung: dass seit März 2006 in jedem Monat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse gewachsen ist. Insofern haben wir damit 2006 rund 22 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse schaffen können. Das ist durchaus eine positive Nachricht.
Dabei – das muss man der Fairness halber auch sagen – ist es unbefriedigend, dass die Zahl der Arbeitslosen trotz zahlreicher Reformversuche immer noch nicht in dem Maße gesunken ist, wie es sich sicher alle hier im Landtag wünschen würden. Aber wir haben in Sachsen – nicht zuletzt auch durch von unserer Partei geführte Wirtschafts- und Arbeitsministerien – eine Reihe von guten und richtigen Reformen im Einklang mit den Reformen von Rot-Grün auf Bundesebene in Gang gesetzt. Wir sollten diese positiven Signale aufgreifen und versuchen, dass wir das positive Wirtschaftswachstum, das vorhanden ist, und vor allem die Aufforderung an die Unternehmen und die Wirtschaft, was die Frage der Jugendarbeitslosigkeit und der Langzeitarbeitslosigkeit betrifft, forcieren, damit die Zahl geschmälert wird und wir geringere Quoten erzielen können.
Wenn man sich die Arbeitsmarktzahlen vom Dezember 2006 ansieht, haben wir in Sachsen leider immer noch rund 127 000 Langzeitarbeitslose. Davon sind 38 000 arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren. Das kann alles nicht befriedigen. Es ist sicher ein schwieriges Unterfangen. Ich glaube auch nicht, dass es möglich ist, durch eine einzige Maßnahme diese Veränderung, die Umkehr auf dem Arbeitsmarkt, zu erzielen. Es gibt eine Reihe neuer Technologien, die veränderte Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation stellen. Natürlich ist es auch so: Wenn man eine höhere Arbeitslosigkeit hat, gibt es viel straffere Auswahlprozesse, die dazu führen, dass es eine Reihe von Arbeitsuchenden gibt, die im ersten Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance haben.
Gerade in diesem Bereich wird es immer wichtiger, dass wir uns des Problemfeldes der Langzeitarbeitslosen ohne Berufsabschluss annehmen, aber natürlich auch die älteren Arbeitslosen über 55 Jahre nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Es ist nicht so, dass allein sehr gute Qualifikationen ausreichend sind, um in einen ersten Arbeitsmarkt zu kommen, sondern es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die klar belegen, dass selbst mit guten und sehr guten Qualifikationen nicht unmittelbar die Möglichkeit verbunden ist, in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden und dort eine Chance zu bekommen.
Herr Brangs, sind Sie nicht auch der Meinung, um wirkungsvolle, arbeitsmarktpolitische Instrumente auch in Deutschland einzuführen, einmal über den Tellerrand Deutschlands hinauszuschauen und die guten Daten, die im internationalen Vergleich im OECD-Bericht genannt worden sind, in Skandinavien und unter anderem auch in Großbritannien genauer zu begutachten, wie es diese Länder geschafft haben, eine Arbeitslosenrate von unter 5 % bei einem wesentlich höheren Anteil öffentlicher Beschäftigung zu ereichen?
, dass in Deutschland vielleicht mehr Kreativität und Ideen nötig wären, um mit dem gleichen Geld, das wir pro Kopf ausgeben – aber vergleichbar mit diesen Ländern mit viel, viel schlechteren Ergebnissen –, wesentlich bessere Ergebnisse zu erzielen? Hier ist Kreativität gefragt.
Bitte keine Kommentare dazu. Ich muss jetzt ein bisschen strenger werden, sonst wird mir das zu sehr ausgeweitet.
Um die beschriebenen individuellen und gesellschaftlichen Folgen, die gravierende Auswirkungen auf die Akteure in der Gesellschaft haben, zu verhindern, um ein Mehr an Chancen zu ermöglichen oder sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, macht es Sinn, alle Instrumente, die eine aktive Arbeitsmarktpolitik ermöglichen, zu überprüfen und zu hinterfragen.
Ich bin nicht jemand – vielleicht im Gegensatz zu manch anderem hier im Landtag –, der der Auffassung ist, dass allein Deregulierung und Flexibilisierung automatisch Arbeitsplätze schafft; sondern ich glaube, dass wir uns als Staat nicht aus der Verantwortung stehlen können, dass wir die Instrumente, die wir anbieten, so einsetzen müssen, dass sie möglichst effektiv sind.