Herr Morlok, wir können eben nicht sagen, dass wir den Erwachsenen keine Rauchverbote oktroyieren wollen, denn gerade die Erwachsenen sind die Vorbilder für unsere Kinder. Wie sollen Kinder damit umgehen, wenn überall geraucht werden kann, darf, ich will nicht sagen: soll?
Wir haben eine große Verantwortung. Dieser Verantwortung müssen wir in dem Hohen Haus gerecht werden. Wir sind der Meinung, dass wir mit diesem Antrag der Koalition der Verantwortung gegenüber den Nichtrauchern entsprechen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat uns gezeigt, dass der wirksame Schutz vor dem Passivrauchen eine Frage des politischen Willens ist. Ich möchte feststellen, dass eine Einschränkung des freien Rauchens kein Eingriff in verfassungsmäßig garantierte Freiheitsrechte ist.
Angesichts der Gesundheitsgefährdung durch aktives und passives Rauchen muss das Selbstbestimmungsrecht der Raucherinnen und Raucher dort seine Grenzen finden, wo andere Menschen gefährdet werden. Das Versagen der Bundesregierung in dieser Frage und das Wirrwarr bei den Ländern einschließlich unseres Freistaates entwickeln sich zur Politposse, die Deutschland insgesamt und Sachsen im Besonderen zum europäischen Schlusslicht macht.
Der Schutz der Gesundheit darf nicht vom Wohnort abhängen. Die Föderalismusreform hat leider das Wirrwarr der Zuständigkeiten noch verstärkt. Damit wird es noch schwerer, einheitliche Regelungen zu verabschieden. Somit gibt es weniger Verbraucherschutz für die Menschen in Deutschland.
Uns geht es bei unserem Antrag vor allen Dingen darum, dass diejenigen geschützt werden, die nicht für sich selbst sprechen können. Da Sie gestern erst in großkoalitionärer Einigkeit die Absenkung des Wahlalters abgelehnt haben, haben wir eine umso größere Verantwortung, für die Interessen der Heranwachsenden einzutreten.
Deutsche Jugendliche nehmen beim Rauchen in Europa einen Spitzenplatz ein. Meine Fraktion, die GRÜNEN, hat bereits im vergangenen Sommer einen Antrag zur rauchfreien Schule eingebracht. Dazu wird es Anfang März eine öffentliche Anhörung geben. Das Einstiegsalter, in dem Kinder erstmals zur Zigarette greifen, ist auf 11,6 Jahre gesunken.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass sich die Sächsische Staatsregierung das Ziel gesetzt hat, bis zum Sommer 2007 – wir haben es gerade gehört – 75 % der Schulen in öffentlicher Trägerschaft auf freiwilliger Basis rauchfrei zu machen. Hier wie in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens zeigt sich die Halbherzigkeit der Sächsischen Staatsregierung. Sie stellen sich unambitionierte Ziele und setzen auf Freiwilligkeit, wo es im Interesse der Schwächeren Druck geben müsste. Erwartungsgemäß sind Sie mit dem Freiwilligkeitsprinzip bislang auch nicht zum Ziel gekommen.
Wir treten für ein grundsätzliches Rauchverbot an Schulen und allen anderen öffentlichen Einrichtungen ein.
Ich bin gespannt, ob das angesichts der Verflechtung von Politik und Tabaklobby hier im Haus durchsetzbar sein wird. Leider sind immer wieder Politiker bereit, gemeinsam mit den Tabakkonzernen einen sogenannten dritten Weg zu gehen.
In einer Werbeanzeige von British-American Tobacco heißt es: „Natürlich lebt auch die deutsche Industrie nicht in einem Raum frei von Reglementierungen, Anfeindungen und Androhungen. Aber in zäher Kleinarbeit hat sie ein Beziehungsgeflecht zu allen Teilen der Gesellschaft aufgebaut und das Marktklima hierzulande entspannt.“ So wird auch die Pall-Mall-Initiative „Job Training“, deren Stiftungsgeber dieser Tabakkonzern ist, seit 1996 unter anderem von dem ehemaligen sächsischen Kultusminister Matthias Rößler – leider ist er nicht im Raum – und dem Wirtschaftsminister a. D. Kajo Schommer als Schirmherren begleitet.
Zum Glück ist Herr Rößler jetzt nicht mehr Kultusminister. Aber auf der Homepage des Kultusministeriums Sachsen-macht-Schule.de ist in der Rubrik „Foto der Woche“ heute noch ein Foto zu sehen, auf dem Minister Rößler 2001 unter dem Schriftzug „Pall Mall Foundation“ sitzt.
Da muss man sich nicht wundern – das formuliere ich noch vorsichtig –, dass der Weg zur Rauchfreiheit in Sachsen vielleicht gar nicht so engagiert beschritten wird, wie es uns eben suggeriert wurde.
Meine Damen und Herren! Passivrauch schadet allen. Hierdurch unterscheidet sich der Konsum von Tabakprodukten von allen anderen Genussmitteln. Die schädigenden Substanzen, die durch den Konsum von Tabak freigesetzt werden, beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der Konsumenten, sondern führen auch bei Nichtrauchern, die sich in Räumen aufhalten, in denen geraucht wird oder wurde, zu Schädigungen wie zum Beispiel Schlaganfall und Lungenkrebs.
Es besteht also ein dringender Handlungsbedarf in Richtung auf einen effizienten Schutz vor dem Passivrauchen in Deutschland, und zwar insbesondere für Kinder und Jugendliche, bei denen die Gefahr gesundheitlicher Schädigungen besonders groß ist und die darum eines besonderen Schutzes bedürfen.
Es geht nicht darum, das Rauchen zu verbieten, sondern darum, Nichtraucherinnen und Nichtraucher vor dem zwangsweisen Passivrauchen zu schützen.
Meine Damen und Herren! Auf Zigarettenschachteln steht – und ich denke, es wird ernst gemeint sein –: „Rauchen kann tödlich sein!“ Herr Morlok und die anderen, die gegen unseren Antrag argumentieren, würden sicher antworten: „Aber erst am Ende des Lebens.“
Nun zu unserem Antrag. Ich möchte darum bitten, dass über die Punkte 1 und 2 einzeln abgestimmt wird.
Wir stimmen zuerst ab über die Drucksache 4/7610, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD. Wer dem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist dem Antrag zugestimmt worden.
Wir kommen jetzt zur Drucksache 4/7523, Antrag der Abg. Bettina Simon und Folgende. Es ist gebeten worden,
dass über die Punkte 1 und 2 unter der Überschrift „Der Landtag stellt fest …“ einzeln abgestimmt wird. Das werden wir so tun. Wer dem Punkt 1 des Antrages seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dieser Punkt mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich lasse über Punkt 2 des Antrages abstimmen. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist auch Punkt 2 mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 beendet. – Es gibt eine Wortmeldung. Bitte schön, Herr Abg. Nolle.
Herr Präsident! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe beiden Anträgen zugestimmt und habe auch den zweiten Antrag mit eingebracht. Ich bin gefragt worden, warum ich ihn eingebracht habe. Darauf habe ich geantwortet: als Mensch. Ich denke, dass die Einrichtung eines überfraktionellen Antrages im Parlamentarismus ein guter Brauch ist, sodass wir uns auch als Menschen zu bestimmten Themen verabreden und nicht nur in Partei- und Fraktionsschlachtordnungen.
Die Fraktionen können wie immer dazu Stellung nehmen. Es beginnt die Einreicherin, die Linksfraktion.PDS. Danach folgen CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Linksfraktion.PDS das Wort nimmt. Frau Lay, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie muss ich das verstehen, dass einige von Ihnen nach den letzten Worten fluchtartig den Saal verlassen?
Ist es deswegen, weil Sie das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit nicht wirklich für eines der dringendsten Probleme halten oder weil Sie nach der anstrengenden Debatte erst einmal eine vor der Tür rauchen müssen?
Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute einen Antrag der Linksfraktion. Es ist ein älterer Antrag, der zur rechten Zeit kommt; denn gerade jetzt, da Modellprojekte zu öffentlich geförderter Beschäftigung in Berlin oder zur „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt diskutiert werden, ist es höchste Zeit, dass wir uns auch in Sachsen mit der Problematik befassen.
Dass Ein-Euro-Jobs als arbeitsmarktpolitisches Regelinstrument gescheitert sind, daran kann heute wirklich niemand mehr zweifeln. Sie sind entwürdigend für die Beschäftigten und ineffektiv, wenn es um die eigentlich proklamierte Integration in den ersten Arbeitsmarkt geht; denn nur 3 % der ehemaligen Ein-Euro-Jobber gelingt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Auch für die
Träger der Maßnahmen sind sie ineffektiv, denn kaum sind die sogenannten Ein-Euro-Jobber eingearbeitet, läuft die Maßnahme wieder aus.
Meine Damen und Herren! Genau deswegen brauchen wir andere Instrumente. Ich freue mich sehr, dass wir in dieser Frage langsam einen Paradigmenwechsel erleben. Galt noch bei der Einführung der Hartz-Gesetze das Argument, dass die Integration in den ersten Arbeitsmarkt das allein selig machende Kriterium für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ist, so hat sich diese Perspektive inzwischen gewandelt. An der Notwendigkeit eines öffentlich finanzierten zweiten Arbeitsmarktes kann niemand mehr zweifeln, der der Massenarbeitslosigkeit gerade im Osten ernsthaft etwas entgegensetzen möchte.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Lebenslüge, dass wir angesichts von Massenarbeitslosigkeit jedem eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt entsprechend ermöglichen können. Gerade weil die Wirtschaft nicht genügend Arbeitsplätze bereitstellt, ist die Politik gefragt, Langzeitarbeitslosen einen sinnvollen Arbeitsplatz und ein existenzsicherndes Einkommen zu beschaffen. Ob es ein sozialer Arbeitsmarkt ist, wie es der Parteivorstand der SPD in seiner Bremer Erklärung kürzlich bezeichnet, ob es um einen „dritten Arbeitsmarkt“ geht, von dem Minister Tiefensee spricht, ob es sich um „Bürgerarbeit“ handelt, wie sie in Sachsen-Anhalt erprobt wird – ich freue mich, dass sich nun auch Vertreter anderer Parteien für das interessieren, was die PDS seit Jahren unter dem Etikett „öffentlich geförderte Beschäftigung“ gefordert hat.
Inzwischen plädieren auch DGB, Sozialverbände und einflussreiche Vertreter der Bundesagentur für Arbeit dafür. Sie unterscheiden zwar verschiedene konzeptionelle Vorstellungen, aber es geht immer um den einen Grundgedanken: Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. In der Tat kommt Arbeitslosigkeit nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Gesellschaft teuer zu stehen. Nimmt man die Regelleistungen, Wohngeld, Sozialversicherungsbeiträge, Trägerpauschale und den „Lohn“ eines Ein-Euro-Jobbers zusammen, so kommt man auf circa 1 350 Euro. Für 1 350 Euro, meine Damen und Herren, würden viele Sachsen gern arbeiten gehen; viele verdienen nämlich deutlich weniger!