Protocol of the Session on July 21, 2006

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Zusätzlich wachsen die Aufgaben der Suchtberater ständig. Hier sei stellvertretend die psychosoziale Begleitung

von Substitutionspatienten genannt. Es ist anzunehmen, dass die Versorgungsdichte mit stationären Angeboten insbesondere für KonsumentInnen illegalisierter Drogen noch weitaus geringer ausfällt. Sowohl geschlechts- als auch jugendspezifische Präventions-, Beratungs- und Behandlungsangebote sind bisher nur gering bzw. überhaupt nicht verfügbar. So finden beispielsweise die Therapie und Behandlung der Abhängigkeit von so genannten harten Drogen

(Jürgen Gansel, NPD: Die wollen Sie ja freigeben!)

bei Jugendlichen immer noch meist auf Psychiatriestationen statt, die seit jeher für eine Therapie alkoholabhängiger erwachsener Männer konzipiert wurden. Es fehlt nach wie vor eine dritte Rehabilitationseinrichtung für Drogenabhängige, und die stationäre psychiatrische Behandlung Drogenabhängiger im Regierungsbezirk Chemnitz ist weiterhin ungeklärt. Frau Orosz, vielleicht gehen Sie nachher darauf ein. 50 % der Therapien finden außerhalb von Sachsen statt.

Noch ein weiteres Problem möchte ich ansprechen. Frau Nicolaus, Sie haben das Zwickauer Projekt genannt. Aber ich denke, wir dürfen uns nicht nur auf Einzelprojekte konzentrieren und diese herausstellen, sondern wir müssen die gesamtsächsische Situation betrachten. Im Jahre 2004 erfolgte eine größere Zahl von Vermittlungen von Menschen mit suchtmittelbedingten Auffälligkeiten durch die Agenturen für Arbeit. Seit In-Kraft-Treten von Hartz IV gingen die Vermittlungen in Größenordnungen zurück. So gelang es nicht mehr, Arbeitslosengeld-IIEmpfänger in das Suchthilfesystem einzugliedern. Hinzu kommt, dass die Hälfte der ARGEn bei stationären Langzeittherapien zur Alkoholentwöhnung die Leistung kürzen, und das im Durchschnitt um 35 %. Dadurch ging und geht die Anzahl der Behandlungen zurück; denn das, was abzüglich der Zuzahlungen zu Therapiemaßnahmen übrig bleibt – was oft nicht mehr als 100 bis 130 Euro sind –, reicht einfach nicht aus, um sein Leben zu bestreiten. Heißt das Konzept der Zukunft für Sie also „Therapie nur noch für Reiche“?

Trotz dieser Kritikpunkte – oder auch gerade, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Forderung in eine Konzipierung der Drogen- und Suchthilfe aufzunehmen – werden wir Ihrem Antrag zustimmen; wir sind ja gar nicht so. Grundlage für eine sinnvoll gestaltete Sucht- und Drogenhilfe muss jedoch in erster Linie eine entsprechende Datenlage bilden.

Damit komme ich zu Ihrem zweiten Antrag, dem Drogen- und Suchtbericht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Gerlach, bitte.

Sie haben gerade benannt, dass nach Abzug der gesamten Kosten der stationär behandelten Menschen noch etwa 130 Euro übrig sind, und Sie sagen, dies reiche nicht für die Lebensgestaltung. Was haben diese Menschen denn noch für zusätzliche Kosten für die Lebensgestaltung? Dies müssten Sie mir bitte einmal sagen. Für welche Mittel wollen Sie noch Gelder bereitstellen? Es geht ja um diejenigen, die sich in einer stationären Einrichtung befinden, so habe ich Sie verstanden.

Es gibt natürlich auch Angehörige bzw. leben die stationär untergebrachten Menschen teilweise zugleich in Bedarfsgemeinschaften, die auf das gesamte Geld angewiesen sind, und es müssen trotzdem noch Mittel zur täglichen Lebensgestaltung, wie Hygieneartikel oder Ähnliches, gekauft werden. Es geht ja auch um Behandlungen und Therapien, die nicht nur im stationären Bereich stattfinden, Herr Gerlach.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Almosen! – Jürgen Gansel, NPD: Da hat sie Recht, Hygieneartikel sind wichtig!)

Ich komme nun wieder zum Antrag, zum Drogen- und Suchtbericht, zurück. Ich muss voranstellen, dass wir als Linksfraktion diese Initiative generell begrüßen. Positiv ist hierbei zu bewerten, dass nicht nur auf Substanzen, sondern auch auf die nicht stoffgebundenen Süchte eingegangen werden soll und dass auch darüber Daten erhoben werden sollen.

Gerade der Anstieg der Glücksspielsüchtigen beispielsweise zeigt, wie wichtig es ist, auf solche Themen einzugehen. Mir ist bei unserer Großen Anfrage erst einmal bewusst geworden, wie dünn und unaktuell die Datenlage zur Sucht- und Drogenhilfe in Sachsen ist. Hier gibt es sehr große Mängel und Lücken.

Dies zieht ein weiteres Problem nach sich: Nur aufgrund einer aktuellen und möglichst repräsentativen Datenlage können erst sinnvolle Maßnahmen konzipiert werden und zur Anwendung kommen; denn Missstände, die nicht gesehen werden – oder auch nicht gesehen werden wollen –, können nicht behoben werden. Das Grundproblem ist die Art und Weise der Erhebung der Daten. Daten über Drogengebraucher werden immer noch repressiv erhoben. Außerdem werden oft nur Daten von bereits in Beratung oder Behandlung Befindlichen erhoben. Deshalb finden wir es schon fraglich, ob diese Daten auch wirklich repräsentativ sind, ob sie ein reelles Bild der aktuellen Situation und Trends abgeben. Es geht noch weiter: Daten, die über die Renten- oder Krankenversicherungen erhoben werden, zum Beispiel gestellte Therapieanträge, werden überhaupt nicht oder nicht einheitlich erfasst.

Sie haben es bereits angesprochen, Herr Gerlach: Vor Ihnen liegt ein Änderungsantrag meiner Fraktion. Diesen werde ich später noch einbringen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge sind sicherlich gut gemeint. Es ist auch einleuchtend, dass ein quantitativer und qualitativer Überblick über den Drogenkonsum in all seinen Formen wünschenswert ist.

Die Koalition schlägt einen sächsischen Drogen- und Suchtbericht je Legislaturperiode, also alle fünf Jahre, vor; die PDS will einen solchen Bericht alle zwei Jahre fortschreiben. Wer einen kleinen Einblick in die regionale Drogenszene hat, weiß, dass sich diese sehr schnell verändern kann, und ein anderer Erfahrungswert ist eine gewisse Ignoranz und Blindheit in der Gesellschaft gegenüber Drogen. Das ist besonders gefährlich bei Drogen, die in relativ kurzer Zeit süchtig machen, also in erster Linie bei den vom Betäubungsmittelgesetz erfassten harten Drogen, aber auch bei Cannabisprodukten, die nach wie vor als Einstiegsdroge für den Konsum von harten Drogen gehandelt werden.

Jedes Drogenspektrum, also auch Betäubungsmitteldrogen, Alkohol und nichtstoffliche Drogen, hat ein gewisses Zeitfenster, innerhalb dessen besonders junge Leute von ihrem familiären und sozialen Umfeld als drogensüchtig erkannt werden sollten, damit rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingesetzt werden können. Verpasst man dieses Zeitfenster, kann es sein, dass der Jugendliche in die schwere Suchtphase hineingleitet und Gegenmaßnahmen sehr viel schwieriger werden. Die Größe des Zeitfensters hängt sowohl vom Drogentyp als auch vom Persönlichkeitstyp ab. Bei den Betäubungsmitteldrogen gibt es im Hinblick auf die Suchtgefahren besondere Gefahren: Das Zeitfenster kann extrem kurz sein, bei einigen Stoffen zum Beispiel wenige Wochen. Die Anfangsphase des Drogenkonsums ist oft viel unauffälliger als beim Alkoholkonsum. Der familiären und sonstigen sozialen Umgebung fehlt es meist an Erfahrung, um die beginnende Drogenabhängigkeit zu entdecken. Beim Konsum von harten Drogen kann ein physischer Entzug schon innerhalb kürzester Zeit, zum Beispiel innerhalb weniger Monate, erforderlich werden. Eine psychische Sucht stellt sich ebenfalls nach relativ kurzer Zeit ein. Das steht im Gegensatz zur Sucht des Alkohols.

Angesichts des geringen Bekanntheitsgrades von Betäubungsmitteldrogen in nicht betroffenen Kreisen, das heißt der Gefahr des Nichterkennens einer beginnenden Drogensucht bei jungen Menschen und aufgrund des kurzen Zeitfensters bis zur ernsten Suchtgefahr, halte ich ein eigenes Antidrogenprogramm für diese Kategorie für notwendig. Dafür spricht auch die Tatsache, dass immer wieder neue harte Drogen Verbreitung finden.

Besonders möchte ich davor warnen, verschiedene Drogen über einen Kamm zu scheren und die Betäubungsmitteldrogen durch unangemessene Vergleiche, wie zum Beispiel mit Alkohol, zu verharmlosen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Es ist natürlich wahr, dass wir sehr viel mehr Alkoholtote als Herointote haben, aber die kurz- und mittelfristige konkrete Gefahr für einen jungen Menschen, der mit Heroin anfängt, ist um vieles größer als bei einem Jugendlichen, der eine Trinkphase hat.

Das gesellschaftliche Ziel bei der Suchtbekämpfung muss es sein, die Betroffenen innerhalb des kritischen Zeitfensters oder möglichst kurze Zeit nach Eintritt der Sucht zu erkennen und zu therapieren. Dazu ist auch die Aufklärung der vermeintlich nicht gefährdeten Gruppen, also Eltern, Familienmitglieder, Lehrer, Vorgesetzte usw., äußerst wichtig. Wenn diese Gruppe Grundkenntnisse über äußere Zeichen von Drogenkonsum vermittelt bekommt, könnten sie rechtzeitig in ihrem Umfeld etwas dagegen unternehmen und darauf reagieren. Allerdings nützt das Erkennen einer Suchtgefahr oder einer schon eingetretenen Sucht nichts, wenn man nicht eingreifen kann. Dafür kann es bereits in der Frühphase verschiedene Ursachen geben, wie Kontaktarmut zwischen Eltern und Jugendlichen, starke soziale Verankerung der Sucht im Freundeskreis des betroffenen Jugendlichen etc.

Auch hierbei ist es sehr wichtig, dass die Personen im sozialen Umfeld von gefährdeten Jugendlichen lernen, einfache Zeichen zu erkennen und entsprechende Regeln zu befolgen. Besondere Aufmerksamkeit muss den an harten Drogen bereits Süchtigen gewidmet werden, und zwar nicht zuletzt von staatlicher Seite.

Es sind bereits mehrfach die Therapieplätze angeführt worden. Einige sind oft in einem quantitativ und qualitativ sehr schlechten Zustand. Hinzu kommt die schlechte Planbarkeit der Therapiezeit, da die Abbruchquote leider nach wie vor sehr hoch ist. Diese beiden Gründe hängen oft zusammen. Aufgrund des begrenzten Angebotes an Therapieplätzen und der hohen Abbruchquote sind die Verantwortlichen in den Therapieeinrichtungen bei der Auswahl der Personen äußerst wählerisch. Es gibt dort die Redensart: Die Leute müssen erst wollen, bevor sich eine Therapie lohnt. Aus diesem Grund müssen die Betroffenen oft mehrmals und wochenlang bei einer Therapieeinrichtung anrufen bzw. sich melden, um sozusagen ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis zu stellen.

Trotz dieses längeren Verfahrens ist die Abbruchquote zu hoch und die Erfolgsquote relativ niedrig. Die Rückfallquote liegt statistisch gesehen bei harten Drogen bei über 90 %. Daran kann man erkennen, dass das gängige Instrumentarium derzeit nicht ausreichend ist. Der Spruch „Sie müssen es wollen“ ist meiner Meinung nach fatal, denn wenn sie es endlich wollen, ist es bei vielen leider schon zu spät.

Eines ist aus meiner Sicht völlig inakzeptabel: Einen jungen Menschen sehenden Auges verrecken zu lassen – das passiert heute leider –, das muss, denke ich, aufhören.

Frau Nicolaus hatte zu Beginn ihrer Rede gesagt, dass die Union mit aller Härte gegen den Drogenkonsum vorgehen

will. Dem muss ich etwas entgegensetzen. Ich höre immer wieder von Unionspolitikern, dass sie sagen, wir müssen mit aller Härte gegen dies oder jenes vorgehen, aber letztlich passiert wenig. Es werden ein paar Berichte geschrieben und es wird ein wenig darüber gesprochen, aber das eigentliche Problem wird nicht angegangen. Es müsste in Deutschland normalerweise so sein, dass die Gesetze dazu wesentlich verschärft werden und vor allen Dingen die Polizeibehörden wesentlich mehr Handlungsspielraum haben.

Noch ein Wort zur Linksfraktion.PDS. Die Linksfraktion.PDS hat sich durchaus viel Mühe gemacht und viele vernünftige Dinge in ihrem Änderungsantrag vorgeschlagen. Aber wie ernst kann man die drogenpolitischen Vorschläge einer Partei nehmen, deren einzelne Mitglieder vor nicht allzu langer Zeit offen für den Drogenkonsum geworben haben? Soweit ich mich erinnern kann, war es nicht nur Julia Bonk, die sich in Szene setzte, sondern auch im letzten Bundestagswahlkampf 2005 die Jugendorganisation der PDS Sachsen, welche dann schnell zurückgepfiffen werden musste.

(Uwe Leichsenring, NPD: Hört, hört!)

Angesichts der nach wie vor starken Schnittmenge zwischen der Drogenszene und der linksextremistischen Szene halten wir jegliche Argumentation der PDS in diesem Bereich für nicht glaubwürdig.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ausmaß des Konsums von Drogen – legalen wie illegalen – ist erschreckend. Meine Vorredner sind schon ausführlich auf die Problematik und die Zahlen eingegangen. Dabei wurde eines klar: Die Prävention und die Suchtberatung sind wichtig und zu unterstützen.

Die Lebensumstände der Menschen sind vielschichtig: Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste – vor allem bei jungen Erwachsenen –, selbst wahrgenommene Perspektivlosigkeit und mediale Idealbilder vergrößern die Wahrscheinlichkeit, dass man von Drogen in Besitz genommen wird. Darüber sind wir uns – zumindest was den vorliegenden Antragstext betrifft – fast alle einig. Doch leider findet eine wirkliche Diskussion in der Öffentlichkeit über Prävention kaum statt. Es sind vor allem Politiker, die das Problem der Suchtbekämpfung auf Rauchverbote in Gaststätten beschränken wollen. Damit gibt man vor, aktiv im Kampf gegen Drogen zu sein. Die wirkliche Bekämpfung von Sucht wird man aber mit Verboten leider nicht erreichen.

Die derzeitige Diskussion lenkt dabei nur von den wahren Problemen der Betroffenen ab, denn der Ruf nach Verboten scheint für einige Politiker selbst zu einer Sucht zu

werden. Genau wie bei der Alkoholabhängigkeit verspricht man sich von einem Verbot die Lösung des Problems. Es ist für die Politik der billigste Weg, mit Reglementierungen das Verhalten der Bürger zu steuern. Die Wichtigkeit der Prävention und der Nachsorge gerät dabei schnell zum Randthema.

Vor diesem Trugschluss ist leider niemand gefeit. So werden in Städten große Bereiche per Polizeiverordnung zur alkoholfreien Zone erklärt, doch bei den freiwilligen Leistungen, bei präventiven Maßnahmen, auch im interdisziplinären Bereich, wird dann leider gespart.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Lichdi, bitte.

Sind Sie bereit anzuerkennen – Sie haben gerade Rauchverbote angesprochen –, dass die Rauchverbote nach meinem Verständnis darauf abzielen, andere Menschen vor den Schäden des Passivrauchens zu schützen, und insoweit durchaus ein positiver Aspekt und kein reines Verbot der Hintergrund ist?

Herr Lichdi, wenn Sie meiner Rede weiter folgen, werden Sie feststellen, dass ich auf diesen Aspekt noch eingehe.