Zur Mitfinanzierung der Reformen werden sie mit einem Sanierungsbetrag von 1 % ihres Budgets herangezogen. Es ist geplant, die duale Krankenhausfinanzierung aufzugeben. Allein die Kassen sollen für alle Kosten aufkommen. Damit verabschieden sich die Länder aus ihrer Verantwortung und überlassen die Existenz der Krankenhäuser dem freien Spiel des Marktes.
Zahlreiche Kritikpunkte habe ich angesprochen. Insgesamt ist die Aufgabe, eine nachhaltige Reform des Gesundheitswesens zu entwerfen, klar gescheitert. Die vorliegenden Ergebnisse sind in keiner Weise dazu geeignet, die bestehenden Probleme im Gesundheitswesen – wie Finanzierung, Ausgabenentwicklung und Strukturen – zu lösen. Stattdessen findet sich im Eckpunktepapier eine Mischung aus Privatisierung, Staatsdirigismus und Aktionismus. In der Öffentlichkeit wird dieser Entwurf zu Recht verrissen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein kurzes Wort zu meiner Vorrednerin. Sie können natürlich immer die Keule mit den Pharmafirmen schwingen. Ich bin überhaupt nicht glücklich, was da an Gewinnen durchläuft. Aber eines ist klar: Wenn die Betriebsräte kommen – Ihre stellvertretende Bundesvorsitzende war mit mir gemeinsam im Volkshaus, als die IG Chemie da war – und uns erzählen, dass sie Unterstützung brauchen, damit sie weiter produzieren können und alles weiterlaufen kann usw., dann wackelt es auch bei der Linksfraktion.PDS. Also ganz vorsichtig mit solchen pauschalen Dingen. Sie sollten sehr sorgsam mit solchen Formulierungen umgehen.
Ich will es einmal auf diese fünf Punkte beschränken. Es ließen sich sehr viel mehr Punkte benennen. Dazu möchte ich etwas sagen.
Zu 1., dem Erhalt des vollen Leistungsumfanges. Alle Vorschläge zur Leistungsausgrenzung wurden im Verlauf der Verhandlungen weggedrückt. Einzige Ausnahmen sind Folgen so genannter selbst entschiedener Eingriffe in den Körper wie Piercing usw. Einige sind schon darauf eingegangen.
Zu 2. Die Chronikerregelung wurde beibehalten, allerdings durch Vorsorgeuntersuchungspflichten erweitert.
Es konnte sogar erreicht werden, dass die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen in den Pflichtleistungskatalog übernommen wurden.
Was den Versicherungsschutz für alle betrifft: Mindestens 200 000 Menschen ohne Versicherungsschutz erhalten jetzt wieder oder eben neu diesen Schutz. Jeder hat ein Rückkehrrecht zu seiner vollen Versicherung, wenn er seinen Versicherungsschutz verloren hat oder hatte, zum Beispiel, wenn er die Beiträge nicht mehr zahlen konnte.
Zu 3. Was die PKV, die private Krankenversicherung, betrifft: Hier haben wir nicht das erreicht, was wir erreichen wollten. Der Fonds ist ja ursprünglich deshalb erfunden worden, damit die Summen, die von der PKV kommen sollten, genau in diesen Fonds als Einzahlungsbasis wandern.
Aber die privaten Krankenversicherungen müssen sich am jetzt zugesagten Präventionsgesetz beteiligen. Sie haben die Mitgabepflicht der Altersrückstellung für Wechsler innerhalb ihrer Krankenkassen, und sie haben die Pflicht, einen Basistarif mit dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen, der ohne Risikoüberprüfung angeboten werden muss. Das wird an den Strukturen der privaten Krankenversicherungen eine Menge ändern, davon bin ich ziemlich überzeugt.
Zusätzlich im Eckpunktepapier ist vereinbart, schrittweise die Bezahlungsunterschiede von Privat- und Kassenpatienten bei gleicher medizinischer Leistung anzugleichen. Das wird noch ein langer Weg sein, aber ein Einstieg ist erreicht. Ob er dazu führt, dass Kassenpatienten zukünftig dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie Privatpatienten, wage ich allerdings zu bezweifeln. Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, wie man so schön sagt.
Zu 4., der dynamischen Beteiligung der Arbeitgeber. Alle Versicherten und ihre Arbeitgeber zahlen einen einkommensgerechten Beitrag in den neu zu schaffenden Fonds ein. Die Beitragshöhe wird gesetzlich festgelegt und angepasst, das ist benannt worden. Die für uns bittere Pille ist die, dass mögliche Zuschläge bei Unterfinanzierung von den Versicherten allein getragen werden.
Zu 5., dem Verhältnis der Kopfpauschale zur Steuerfinanzierung. Die Kopfpauschale ist aus meiner Sicht vom Tisch, aber die Zusatzbeiträge, die maximal 1 % des Haushaltseinkommens betragen, können prozentual oder pauschal sein. Hier kann die Kopfpauschale greifen. Es ist nicht so, dass dann die Zusatzbeiträge vollkommen unsolidarisch sind. Da ist eine Menge hineinverhandelt worden. Auch das betrachten Sie bitte differenziert. Rein praktisch werden die Kassen kaum auf die Pauschale zugreifen – da bin ich mir ziemlich sicher –, da sie mit der prozentualen Erhebung mehr Geld akquirieren und die einkommensstärkeren Mitglieder dann stärker belasten können, als wenn sie das mit einer Pauschale machen. Wenn sie es so machen würden, wäre es aus meiner Sicht wieder solidarisch und damit gerechter als eine Pauschale.
Die Steuerfinanzierung war ursprünglich bis zur vorletzten Woche in diesen Verhandlungen eigentlich zugesagt, sie ist aber dann durch Intervention eines bayerischen Ministerpräsidenten und einiger anderer einfach wieder herausgeworfen worden, während die jetzigen Beiträge von 1,5 Milliarden Euro und drei Milliarden Euro nur ein zaghafter Einstieg in das sind, was wir uns eigentlich vorgestellt hatten.
Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Wird es noch gewünscht? – Nicht. Dann die Fraktion GRÜNE. Frau Herrmann, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir ein paar Worte zu meinen Vorrednern. Herr Prof. Schneider, wenn Erkenntniszuwachs in der Medizin, den Sie hier richtig benannt haben und der sich alle fünf Jahre verdoppelt, immer automatisch in gleicher Weise zu Kostenzuwachs führte, dann wäre es traurig um das Gesundheitswesen bestellt.
Wenn Sie ein neues und effektiveres Medikament haben, dann führt das natürlich auch dazu, dass keine Folgekosten anfallen. Wenn Sie eine neue Operationsmethode einführen, dann kann die zwar im ersten Moment teurer sein, dürfte aber insgesamt nicht zur Steigerung führen. Das können Sie zum Beispiel auf Früherkennung oder was sich sonst noch denken lässt ausdehnen. Natürlich gibt es auch ganz neue Erkenntnisse, die zu Folgekosten führen. Aber das ist nicht die Regel und darf auch nicht die Regel sein.
Was den Versicherungsschutz für alle angeht, Johannes Gerlach, da wird es wohl so sein, dass der Basistarif, zu dem man zurückkehren kann, auch nicht von allen bezahlbar sein wird. Deshalb wird uns das Problem erhalten bleiben, dass nicht alle versichert sein werden.
Die Fraktion GRÜNE sieht drei Punkte, an denen man ansetzen muss, um eine nachhaltige Reform des Gesund
Was können wir uns auf der strukturellen und der Ausgabenseite vorstellen? Wir setzen jedenfalls auf mehr Wettbewerb innerhalb des Solidarsystems. Das hat direkt positive Auswirkungen auf die Ausgabenseite. Wir wollen, dass Krankenkassen, Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhersteller miteinander um mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit wetteifern. Wenn Kassen aber gezwungenermaßen einheitlich und gemeinsam Kollektivverträge mit den Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen abschließen, dann ist das doch eine Innovationsbremse. Mehr Vertragsfreiheit könnte die Gesundheitsversorgung verbessern, ohne dass dabei der Staat ständig eingreifen muss. Vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven lassen sich dadurch eher erschließen. Die Belastungen von Versicherten und Patienten bleiben in einem sozialstaatlich akzeptablen Rahmen. Ich nenne nur ein paar der notwendigen Reformmaßnahmen:
Vertragsverhandlungsrecht für Selbsthilfe- und Patientenorganisationen, damit sie ihren Mitgliedern spezielle Krankenversicherungsverträge anbieten können, zum Beispiel mit besonderen Behandlungsplänen. Wir wollen jedenfalls mehr Wettbewerb und mehr Patientenorientierung miteinander verbinden.
Auf der Einnahmenseite – und das ist bekannt – wollen wir das Gesundheitswesen auf eine breitere Grundlage stellen, also die Finanzierungsbasis auf alle Einkommensarten ausweiten. Die privat Krankenversicherten müssen unbedingt in den Solidarausgleich einbezogen werden. Dann ist die Finanzierung der Krankenversorgung nachhaltig und gerechter. Der Druck auf die Arbeitskosten wäre wesentlich geringer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schneider, wenn Sie in die Historie gehen – in Zeiten, in denen Abgeordnete, auf die Sie mit Fingern zeigen, noch gar nicht geboren waren und in denen an ein gesamtdeutsches Gesundheitssystem, geschweige denn an eine Lösung dessen Probleme gar nicht zu denken war –, dann tun wir es doch richtig.
Als man vor 47 Jahren – 1959, es war eine CDU/CSUAlleinregierung im Bundestag – erstmals mit einer abrupten Kostensteigerung im Gesundheitswesen konfrontiert
war, wurde der Arbeits- und Sozialminister Theodor Blank beauftragt, ein Reformgesetz zu erarbeiten,
um den Gedanken der Selbsthilfe und der privaten Initiative in jeder Art und Weise zu fördern. Es gelte das Abgleiten in einen Totalversorgungsstaat zu verhindern, der früher oder später alles vernichten würde. – So weit zum Zitat dazu. Er schlug damals schon vor, Patienten sollten sich an den Kosten jeder ärztlichen Behandlung beteiligen – im Gespräch waren damals 1,50 DM, eine sehr geringe Summe – bzw. den Patienten sollten Rechnungskopien ausgehändigt werden, um Schummeleien zu verhindern. Er konnte sich damals nicht durchsetzen – Gewerkschaften, Ärzte sind dagegen Sturm gelaufen. Aber eines kann man daran erkennen: dass die Probleme, die damals gesehen wurden, mit Lösungsansätzen, die damals angedacht wurden, heute immer noch aktuell sind.