Gar nicht benannt habe ich an dieser Stelle die Auswirkungen der Gesundheitsreform für die Krankenhäuser – zum Beispiel in Form eines Sanierungsbeitrages und eines Umverteilungsbeitrages – oder die Apotheken, die ihre Gewinne/Rabatte, die sie eigenständig mit der Pharmaindustrie aushandeln, freiwillig an die gesetzlichen Krankenversicherungen weiterreichen sollen, und auch nicht die Mehrwertsteuererhöhung, die bei den Krankenhäusern als Endverbrauchern zu Buche schlägt, oder die zu erwartenden Tarifabschlüsse in den kommunalen Krankenhäusern.
Sie fragen: Was will die FDP? Ja, die FDP will die Privatisierung der Krankenkassen. Jede Versicherung bietet dementsprechend einen Basistarif mit Kernleistungen, der von einer Kommission festgelegt wird, ohne Gesundheitsprüfung für jeden an und ist verpflichtet, jeden Bürger aufzunehmen. Darüber hinaus kann sich jeder für Zusatzleistungen zusätzlich versichern. Damit verbunden ist gleichzeitig der Aufbau eines Kapitalstocks für das Alter, um der demografischen Entwicklung tatsächlich Rechnung zu tragen. Wenn die Bundesgesundheitsministerin meint, die Umsetzung der Eckpunkte führt zu einer verlässlichen, modernen und auf lange Zeit sicheren Gesundheitsversorgung, dann hoffe ich, dass die Nachhaltigkeit der gesamten Änderungen über einen längeren Zeitraum gesichert ist. Ich glaube es nämlich nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Deutschland steigen die Ausgaben im Bereich Gesundheit seit mehr als 35 Jahren an. Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung liegt in den siebziger Jahren und geht auf die politische Verantwortung der damaligen Bundesregierung zurück. Sie bestand aus den beiden Fraktionen SPD und FDP.
Ich nenne insbesondere – es kommt noch mehr, Herr Zastrow – das System der dualen Krankenhausfinanzierung, aber auch die Leistungsausweitung und die Einbeziehung von neuen Personenkreisen in die Krankenversicherung.
All dies war wohl der Grund dafür, dass wir ein Ausgabenproblem haben. Wir haben – das will ich einräumen – zweifellos eine gute Botschaft, die heißt: ein Anstieg des Leistungsniveaus. Wir haben aber auch eine Schattenseite derselben Medaille, die da heißt: Ausgabenexplosion. In der Zeit von 1970 bis 1980 – nur, um Ihnen das einmal zu sagen – gab es einen Ausgabenzuwachs um das Dreifache. 1970 lagen die Ausgaben im Bereich Krankenversicherung bei 25 Milliarden DM. 1980, zehn Jahre später, waren es fast 90 Milliarden DM. Wenn Sie die Beitragssätze im gleichen Zeitraum ansehen: 8,2 % mittlerer Beitragssatz 1970 – paradiesische Zeiten! 1980 waren es 11,3 %. Das war der Zeitpunkt der sozialliberalen Koalition, die dann versucht hat, ab Mitte der siebziger Jahre entgegenzuwirken. Ich nenne ein paar Versuche, die gesetzlichen Grundlagen anzupassen: Krankenversicherungsbeitragsentwicklungsgesetz 1976, Kostendämpfungsgesetz 1977, Ergänzungsgesetz 1982. Gesundheitsreformgesetz – das war dann die schwarz-gelbe Koalition – 1989, Gesundheitsstrukturgesetz und schließlich Neuordnungsgesetz 1997.
Herr Zastrow, Frau Schütz, meine Dame, meine Herren von der FDP! Bei all diesen Vorhaben waren Sie dabei!
Bei all diesen Regelungen waren Sie mitverantwortlich. Wer das Thema Bundesrecht und Bundespolitik in den Sächsischen Landtag bringt, muss sich vor diesem Hintergrund auch am eigenen Tun messen lassen. Redlich ist das, was Sie machen, Herr Zastrow, nicht.
Ich habe bisher keine Hinweise zum Thema Neugestaltung gehört. Darauf werde ich im zweiten Teil meiner Rede eingehen.
Es geht hier um die Frage der Notwendigkeit der Neuregelung. Keiner meiner Vorredner hat in Zweifel gezogen, dass eine Neuregelung erforderlich ist. Es wäre nicht richtig, sich hier hinzustellen und zu sagen, dass alles, was der Gesetzgeber bisher auf den Weg gebracht hat, falsch gewesen ist.
Tatsache ist, dass wir in Deutschland einen permanenten Anpassungsbedarf haben. Dabei gibt es drei Problemfelder. Das eine ist die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, die Arbeitslosigkeit. Das zweite ist die Demografie, also die Bevölkerungsstatistik. Das dritte Feld, meine Damen und Herren, sind die Zuwächse im Erkenntnisstand der Medizin und der Technik. In Fünfjahresabschnitten verdoppeln sich die medizinischen Erkenntnisse. Daraus ergibt sich ein starker Anpassungsbedarf. Wir werden weder heute noch in den nächsten zwei Jahren eine abschließende Regelung finden, sondern wir werden immer wieder anpassen müssen. Das, meine Damen und Herren, ist unsere Aufgabe.
Zu den positiven Ansätzen der beabsichtigten Neuregelung, für die es bis heute noch keinen Gesetzentwurf gibt, bin ich anderer Auffassung als meine Vorrednerin, Frau Herrmann. Der Einstieg in eine teilweise Steuerfinanzierung der Krankenversicherung ist unverzichtbar und folgerichtig. Er ist deshalb folgerichtig, weil nach dem momentanen Stand die gesetzlichen Krankenkassen ausschließlich durch Beiträge finanziert werden. 27 Millionen Arbeitsverhältnisse finanzieren praktisch die gesamte Krankenversicherung.
Meine Damen und Herren! Wenn dann versicherungsfremde Leistungen, wenn dann die Familienversicherung steuerfinanziert wird, ist das konsequent.
Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass bisher in die gesetzliche Krankenversicherung bereits ein Bundeszuschuss aus Steuergeldern gezahlt wird?
Frau Schütz, schauen Sie sich den § 20 Sozialgesetzbuch V an. Sie werden sehen, dass die gesetzliche Krankenversicherung vorwiegend aus Beitragsmitteln finanziert wird und
dass die gesetzliche Krankenversicherung teilweise von Eigenrücklagen leben könnte – jedenfalls nach den gesetzlichen Vorgaben. Wenn man also auf einen Bundeszuschuss in der Krankenversicherung umsteigt und diesen ergänzt, dann ist das meiner Meinung nach folgerichtig. – So weit zu meiner Antwort.
Meine Damen und Herren! Sie hätten die Ablösung der floatenden Punktwerte nennen können. Daraus ergibt sich eine positive Auswirkung insbesondere für die sächsischen freiberuflich tätigen Ärzte und Zahnärzte. Das habe ich bei Ihnen vermisst, Frau Schütz. Die floatenden Punktwerte haben eine ganze Reihe von Berufsgruppen unserer sächsischen Freiberufler mit dem Rücken an die Wand gebracht. Das ist der entscheidende Punkt.
Man kann sich nicht nur mit dem Thema Gesundheitsfonds befassen, sondern muss sich redlicherweise auch die anderen Punkte anschauen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Die Bundesregierung erkauft sich einen Kompromiss bei der Gesundheitsreform mit dem Geld der Beitragszahler.
Die Linksfraktion.PDS will auf einige negative Auswirkungen für Bürgerinnen und Bürger in Sachsen hinweisen.
Zentrales Element soll der Gesundheitsfonds sein. Alle Krankenkassenbeiträge und der geplante Steuerzuschuss sollen in einen zentralen Fonds fließen und es sollen
einheitliche Beiträge an alle Kassen ausgezahlt werden. Um das zu bewältigen, wird es eine neue Behörde geben müssen. Wird es eine neue Geld verschlingende Mammutbehörde werden?
Krankenkassen, die mit zugeteilten Fondsmitteln nicht auskommen, müssen diese Fehlbeträge ausgleichen. Verlierer sind die Kassen mit vielen älteren Menschen, mit chronisch Kranken, mit Geringverdienern. Sie werden mit dem zugewiesenen Beitrag nicht auskommen und unsolidarische Zuschläge erheben müssen.
Gewinner sind die Arbeitgeber, weil ihr Beitrag eingefroren bleibt. Denn von einer paritätischen Finanzierung der Kosten kann schon lange keine Rede mehr sein.
Das Fondsmodell trifft die Versicherten der AOK und IKK Sachsen besonders hart. Frau Schütz sagte es bereits: Für 60 % der Sachsen wird die Krankenversicherung zukünftig wesentlich teurer. Das bedeutet, dass die Belastungen für sächsische Arbeitnehmer und Arbeitgeber steigen werden.
Ich möchte noch einige Anmerkungen zur ergänzenden Steuerfinanzierung machen. Insgesamt kalkuliert die Bundesregierung mit 14 Milliarden Euro Kostenfinanzierung der Gesundheitsleistungen für Kinder und Jugendliche. Weitere zwei Milliarden Euro werden für privat versicherte Kinder und Jugendliche benötigt. Die Steuer zahlenden Arbeitnehmer sollen nach diesem Konzept die Privatversicherten subventionieren.
Steuermittel zur Senkung der Lohnnebenkosten und zur Finanzierung von sozialstaatlichen Aufgaben werden erstmals 2008 versprochen. Gleichzeitig wird aber der Bundeszuschuss aus der Tabaksteuer an die gesetzlichen Krankenversicherungen ab 2008 gekürzt. Eine Regierung, die in dem Moment, in dem sie Bundeszuschüsse für die Krankenkassen streicht, erneut Zuschüsse verspricht, ist vollkommen unglaubwürdig.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Arzneimittelbereich. Hier gibt es seit Jahren den höchsten prozentualen Kostenanstieg. Die von Experten und auch von der Linksfraktion.PDS geforderte Positivliste lässt weiter auf sich warten.
Die Regierung will den vergleichsweise bescheidenen Betrag von 500 Millionen Euro einsparen, indem Arzneimittelpreise als Höchstpreise ausgewiesen werden. Apotheker sollen die Medikamente günstiger anbieten und die Einsparungen an die Kassen erstatten. Wenn sich am Jahresende die genannte Einsparung nicht ergibt, müssen die Apotheken die Differenz ausgleichen. Aber welchen Anreiz haben die Apotheken, diese Einsparung an die Kassen abzuführen, und wie ist das zu prüfen?
Noch einige Bemerkungen zur ambulanten und stationären Versorgung. Es wird keine generelle Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung geben. Damit wird der Zustand der kostenintensiven doppelten Facharztbehandlung festgeschrieben. Integrierte Versorgung braucht
aber die völlige Abschaffung der abgeschotteten ambulanten und stationären Sektoren. Hier hat die Bundesregierung gegenüber der Ärztelobby klein beigegeben. Kliniken dürfen weiterhin nur hoch spezialisierte ambulante Leistungen erbringen.