Protocol of the Session on July 19, 2006

Besonders sinnvoll sind diese Ansätze übrigens, wenn sie mit einer Regionalisierung der Infrastruktur einhergehen. Da die staatlichen Zuschüsse für den Betrieb des regionalen Nahverkehrs ohnehin zunehmend im Wettbewerb vergeben werden, könnte dies auch auf die Infrastrukturbewirtschaftung ausgedehnt werden. Dies ließe sich wesentlich erleichtern, wenn die regionalen Netze ohne Fernverkehrsbedeutung in die Verantwortung der Länder kämen. Als finanzieller Ausgleich könnten den Ländern dafür Mittel aus dem bestehenden Bundesschienenwegeausbaugesetz übertragen werden.

Das wäre ein sinnvoller Aspekt einer Föderalismusreform gewesen, die CDU und SPD leider gerade vermurkst haben. Wir wissen auch vom heimlichen Verkehrsminister Dr. Rohde aus Ihrem Haus, Herr Jurk, dass der Freistaat solchen Optionen offen gegenübersteht und unter der Blockadehaltung von Herrn Mehdorn leidet. Warum gehen Sie dann nicht einmal in die Offensive und benennen Ross und Reiter, statt in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage so herumzueiern?

Die Transportgesellschaften – das zum Schluss – müssen sich dem Wettbewerb stellen. Das kann nach dem Modell der Lufthansa-Privatisierung oder nach dem Modell der Post-Privatisierung geschehen.

Fazit, meine Damen und Herren: Die Staatsregierung weiß nichts, will sich nicht konkret äußern und wirkt konzeptionslos. Die Deutsche Bahn mauert auf der anderen Seite und scheut den Wettbewerb wie der Teufel das Weihwasser. Die PDS will, wie immer, dass alles so bleibt, wie es ist, obwohl der Status quo keinesfalls befriedigen kann. Was die FDP will, ist schwierig herauszufinden; wir haben gerade etwas gehört, was mich sehr erstaunt hat. Die mit viel Brimborium angekündigte Verbundinitiative für die Bahnindustrie, zu der ich Ihnen, Herr Jurk, gern auch ein paar Fragen gestellt hätte, ist vom Winde verweht. Wenn wir mit der Bahn von Dresden nach Berlin fahren, können wir an der Langsamfahrstelle bei Elsterwerda Blumen pflücken, weil der Wirtschaftsminister auf die Frage, wie sich Einbrüche im Ausbauzustand künftig vermeiden lassen, lediglich zu antworten weiß: „Langsamfahrstellen entstehen zumeist, wenn die für die Erhaltung und Verbesserung des Geschwindigkeitsniveaus erforderlichen Investitionen ausbleiben.“

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Vermehren der gewonnenen oder nicht gewonnenen Einsichten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen vonseiten der Fraktionen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wird dennoch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Jurk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich beginne mit meinem Vorredner: Lieber Herr Lichdi, ich hatte erwartet, Sie am Montag in Görlitz zu sehen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, im Gespräch mit Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Sie werden jetzt leider von Ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer abgehalten. Vielleicht kann er es Ihnen als Fraktionskollegen mitteilen, da Sie der Debatte anscheinend nicht zuhören wollen.

Ich habe Sie am Montag vermisst. An diesem Tag fand eine der Auftaktkonferenzen für die Initiative Bahntechnik statt. Es wäre schön gewesen, wenn Sie, Ihrer Ankündigung folgend, da gewesen wären. Sie hätten sicherlich einiges erfahren. Insofern können Sie heute nicht so tun, als seien Sie nicht informiert worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über eine Sache, die von manchem als Jahrhundertwerk bezeichnet wird, den Abschluss der Bahnreform mit der Privatisierung und dem Börsengang der DB AG. Deshalb verwundert es mich nicht, dass hier im Grund

sätzlichen wie im Detail so hart gerungen wird und immer wieder neue Varianten ins Spiel gebracht werden.

Es gibt schon eine Zwischenfrage.

Prof. Porsch hat eine Frage?

Prof. Porsch, bitte.

Ich bin nicht Herr Lichdi; ich lasse von allen Abgeordneten Fragen zu.

Ich bedanke mich sehr. – Herr Staatsminister, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie uns vorgeschlagen haben, anstatt ordentliche Antworten der Staatsregierung auf Große Anfragen zu erwarten, im Land herumzufahren, nach Görlitz und anderswo hin, damit wir die Informationen erhalten, die eigentlich von der Staatsregierung auf die Fragen einer Großen Anfrage gegeben werden müssten?

Herr Abg. Porsch, da haben Sie mich ganz bewusst falsch verstanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, mit wie vielen Gutachten dieser ganze Prozess begleitet worden ist; Herr Porsch, bevor Sie sich aufregen – das ist nur ein Hinweis darauf, dass wir diverse Veranstaltungen haben, ich aber feststellen muss, dass sich Abgeordnete anmelden und anschließend nicht anwesend sind. Herr Lichdi, Ihre Anwesenheit hätte der Veranstaltung vielleicht gut getan und einige Wissensdefizite entschärft. Das wollte ich nur bemerkt haben. Ansonsten gibt es genügend Möglichkeiten – Sie nutzen sie auch heute –, im Rahmen parlamentarischer Initiativen, in Debatten und Ausschusssitzungen über diverse Themen zu diskutieren. Ich komme noch zu der wichtigen Frage innerhalb Ihrer Großen Anfrage, inwieweit die Sächsische Staatsregierung für die Deutsche Bahn Verantwortung trägt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben Gutachten angesprochen. So hat das Bundesverkehrsministerium im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen dazu auch durch die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton vor einem Jahr ein weiteres Gutachten erstellen lassen. Die Große Anfrage der Linksfraktion.PDS behandelt das Thema Privatisierung der DB AG ausschließlich auf der Grundlage dieses Gutachtens. Man kann ihre Fragen drei Komplexen zuordnen: Umstände und Mitgestaltung des Gutachtens bzw. des Börsenganges durch den Freistaat Sachsen, allgemeine Erwartungen und Auswirkungen eines möglichen Börsengangs für die Eisenbahn in Sachsen, konkrete Anfrage zu Strecken und deren Bedienung im Ergebnis eines Börsenganges der DB AG.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte daran erinnern, dass die Zuständigkeit – das muss ich ausdrücklich betonen – für einen Börsengang der DB AG grundsätzlich bei der Bundesregierung und beim Deutschen Bundestag liegt. Der Bund ist alleiniger Eigentümer der DB AG, wenngleich die Länder über den Bundesrat seiner Zeit ein Mitspracherecht zur Bahnreform erhalten hatten.

Die Länder wurden bisher nicht in den Prozess der Privatisierung und in die Aufgabenstellung für das Gutachten einbezogen. Das Gutachten von Booz Allen Hamilton weist auftragsgemäß kein untersuchtes Privatisierungsmodell als Vorzugslösung aus. Die politischen Entscheidungsträger, das heißt, die Mitglieder der Bundesregierung und die Bundestagsabgeordneten, werden aufgefordert, ihre eigenen Bewertungen anhand der dargelegten Fakten vorzunehmen.

Eine Reihe von Fragen der Großen Anfrage befasst sich mit internen Prozessen und Entscheidungen innerhalb des Konzerns DB AG, nämlich mit Entscheidungen und Prozessen, die von der Staatsregierung nicht beeinflussbar sind, von denen die Staatsregierung keine Kenntnis hat und zu denen die Staatsregierung vom Unternehmen DB AG auch keine Informationen erhält. Zu einigen Fragen wurde die dazu eingeholte Stellungnahme der DB AG in der Antwort verwertet. Ansonsten gibt die DB AG auch der Staatsregierung keine Informationen zu unternehmensinternen Entscheidungen.

Einige Fragen zielen auf die Tätigkeit der DB AG nach einem Börsengang und ihre Konsequenzen für Sachsen. Dazu ist zu sagen, dass die Staatsregierung die unternehmensinternen Entscheidungen der DB AG nicht spekulativ vorhersagen und bewerten kann. Eine Entscheidung zur Privatisierung und zum Börsengang der DB AG ist bekanntlich Bestandteil der dritten Stufe der Bahnreform in Deutschland.

Die erste Stufe war die Bildung der DB AG aus Deutscher Reichsbahn und Bundesbahn, die zweite Stufe die Herausbildung der einzelnen Teilgesellschaften und nunmehr stehen wir vor der dritten Stufe. Die DB AG strebt zur Kapitalbeschaffung eine rasche Privatisierung des Unternehmens im Zuge eines Börsenganges an, infolgedessen Gesellschaftsanteile sowohl in Hände institutioneller Anleger als auch privater Investoren gelangen würden.

Ich habe meine Zweifel, ob der Börsengang der Deutschen Bahn letztlich für den Bahnkunden solche Vorteile bringt, dass wir im Ergebnis eine Steigerung des Bahnverkehrs bekommen werden. Ich gehe davon aus, dass die DB AG nach einem Börsengang streng nach betriebs- und finanzwirtschaftlichen Grundsätzen kalkulierte Angebote auf den Markt bringt, die nicht unbedingt die Interessen der Kunden treffen müssen.

Mir stellt sich die Frage, ob nach dem Börsengang der DB AG wirklich alles besser laufen wird. Als Beispiel nenne ich die Investitionstätigkeit. Für mich ist die Nichtinanspruchnahme von 400 Millionen Euro Bundesmitteln im vergangenen Jahr unverständlich, wenn

andererseits Sachsen immer noch auf die Investition für die Elektrifizierung des Abschnittes Reichenbach – Hof der Sachsen-Franken-Magistrale wartet. Frau Abg. Raatz hat zu Recht auch auf die Strecke Berlin – Dresden hingewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, die Bahn war nicht bereit, den entsprechenden Eigenanteil für die 400 Millionen Euro Bundesgelder zur Verfügung zu stellen. Ich halte dies für einen Skandal. Das geschieht, obwohl wir als Freistaat Sachsen bereit sind, durch die Übernahme von Planungskosten die Investitionen im Bereich Sachsen-Franken-Magistrale anzukurbeln.

In der aktuellen Debatte zur Privatisierung zur Deutschen Bahn AG werden nur noch zwei Modelle diskutiert: das Integrationsmodell und das Eigentumsmodell.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Damit ist klar, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine absolute Trennung von Netz und Betrieb geben wird. Der Bund wird ein entsprechendes Papier zur Behandlung in der Koalitionsklausursitzung am 29. August dieses Jahres erarbeiten. Vorher sollen noch Gespräche im Kanzleramt und mit den Ländern, das heißt den Ministerpräsidenten, stattfinden. Ferner bereitet der Bund eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der DB AG vor. Nach Ansicht des Bundes müssten 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für Bedarfsinvestitionen und Investitionen in das Bestandsnetz reichen. Die Länder werden im September Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zur Privatisierung haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu all den Fragen zur Privatisierung der Bahn versetze ich mich in die Rolle des Bahnkunden. Wir brauchen in Deutschland eine Deutsche Bahn, die die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung und die Transportnachfrage der Wirtschaft im Verkehrsmix mit anderen Verkehrsträgern erfüllen kann. Die Privatisierung darf also nicht nur aus der Sicht der Rendite verfolgt werden. Für mich darf die Deutsche Bahn AG kein Spekulationsobjekt werden. Sie muss zuallererst für die Bahnkunden da sein und darüber hinaus vielen Menschen für die Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz bieten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erwarte auch von der Bahn, dass endlich auf die Hinweise der Bundesländer, auch was die Investitionstätigkeit betrifft, stärker Rücksicht genommen wird. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich denke, es wird auch viel davon abhängen, inwieweit die Bahn in Zukunft bereit sein wird, die Länder wirklich einzubeziehen. Insofern müssen Sie verstehen, dass ich Ihnen keine Antworten auf Fragen geben kann, die wirklich nicht zu beantworten sind.

Ich halte es für dringend geboten, dass der Einfluss der Länder auf Investitionsentscheidungen, aber auch beim Börsengang gestärkt wird. Deswegen können Sie erwarten, was ich auf die Frage formuliert habe, was und welche Konsequenzen wir uns beim Börsengang vorstellen. Auch hier – das habe ich ganz gewusst gemacht – haben wir Rahmenbedingungen gesetzt, von denen wir erwarten, dass sie eingelöst werden. Ansonsten können wir dem Börsengang so nicht zustimmen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage beendet.

Ich rufe die Entschließungsanträge auf und würde gern etwas zum Verfahren mit Ihnen abklären. Beide Anträge einzubringen und zu diskutieren würde ich für sinnvoll erachten. Wird Einzelberatung der Entschließungsanträge gewünscht? – Können wir dem ersten Vorschlag folgen? – Wenn keiner widerspricht, dann verfahren wir so.

Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/5948 auf. Frau Dr. Runge, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Entschließungsantrag zielt in den ersten drei Punkten darauf ab, dass zunächst die Feststellung getroffen wird, dass das Gutachten von Booz Allen Hamilton ein tendenziöses Gutachten ist, weil mit Annahmen und Daten operiert wird, um tatsächlich nur die fünf Privatisierungsvarianten zu untersuchen und das von uns favorisierte Modell, die Deutsche Bahn AG im Eigentum des Bundes zu lassen, von vornherein aus der Untersuchung ausgeklammert worden ist.

Wir wollen weiterhin, dass die Bahnreform weitergeführt wird. Insofern stimmt es nicht, dass wir sozusagen nur bestehende Strukturen konservieren wollen. Ganz im Gegenteil, wir wollen, dass sich die Bahn in der jetzigen Eigentümerschaft des Bundes weiterentwickelt, und zwar so, dass die verkehrspolitischen Ziele erreicht werden.

Es gibt Prognosen für die Zunahme allein des Güterverkehrs in Sachsen, die wir im Rahmen des Energiedialogs vor zwei Jahren debattiert haben. Damals sind die wissenschaftlichen Gutachter aus Stuttgart zu dem Ergebnis gekommen, dass sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren allein der Güterverkehr in Sachsen und durch Sachsen bis zu 80 % erhöhen kann. Natürlich haben Prognosen immer einen Wahrscheinlichkeitscharakter, aber mit enormer Tendenz steigend.

Insofern muss das verkehrspolitisch fachlich entscheidende Ziel sein, mehr Transporte von Gütern auf die Schiene zu bringen. Das kann man auch in einem integrierten Staatsunternehmen erreichen, wenn eine entsprechende Unternehmenspolitik betrieben wird, die Aufsicht des Unternehmens funktioniert und gleichberechtigte Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern Luftverkehr, Autoverkehr und Schienenverkehr hergestellt

werden. Davon sind wir in der Bundesrepublik sehr weit entfernt, denn nach wie vor werden der Autoverkehr und natürlich auch der Luftverkehr steuerlich privilegiert. Die zaghafte Einführung des Mautsystems für den Lastverkehr hat sicherlich schon bestimmte Effekte erzielt, aber ich denke, dass die Höhe der Maut nicht ausreicht, um tatsächlich die Bereitschaft der Spediteure zu befördern, Güterfracht auf die Schiene zu bringen.

Schließlich wollen wir eine punktweise Abstimmung. Ich denke – gemäß Punkt 3, in dem wir noch einmal auf den Landesentwicklungsplan hinweisen –, dass es durchaus bei einer Privatisierung und wenn man die Wirtschaftlichkeit der Bahn den Renditeerwartungen unterordnet, mit zwanghafter Notwendigkeit zu Streckenstilllegungen kommen wird und damit ländliche, dünn besiedelte Räume vom Verkehrssystem Bahn abgekoppelt werden.

Wir wollen schließlich im zweiten Teil der Entschließung, dass noch einmal eine Modellvariante, der Plan B, geprüft wird, nämlich wie die Bahn diese Ziele erreichen kann, wenn sie zu 100 % in der Eigentümerschaft des Bundes bleibt. Ich denke, dass es noch Entwicklungs- und Wettbewerbspotenziale innerhalb des Unternehmens gibt. Wir wollen letztlich, dass sozialverträgliche Tarife für Bürgerinnen und Bürger erhalten bleiben und nicht, wie von Experten angekündigt, enorme Preissteigerungen dazu führen, dass immer weniger Kunden auf die Bahn umsteigen. Wir wollen, dass sich die Bundesländer mit ihren Interessen zu Wort melden und es nicht allein dem Bundestag überlassen, zu entscheiden.

Bitte zum Ende kommen.