Protocol of the Session on May 10, 2006

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Frau Nicolaus, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Früherkennung von Brustkrebs ist uns ein gemeinsames Anliegen. Sie, Frau Schütz, haben bestimmte Probleme angesprochen, die zu beleuchten sind. Ich kann nicht beurteilen, ob Dinge in der Landtagsverwaltung liegen geblieben sind. Mir ist so etwas nicht bekannt. Das von Ihnen eingebrachte Gesetz hat das eine oder andere Problem aufgeworfen, und Sie haben auch dargestellt, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung verändert wurde. Wer sich im Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend befindet, der weiß, dass wir bis zur letzten Ausschusssitzung Anträge von anderen Fraktionen angenommen und Dinge verändert haben. Ich denke, wir alle sind heute froh, dass wir ein Gesetz verabschieden und damit ein Signal setzen können; aber unabhängig davon, für welches Gesetz man sich entschieden hätte, wirkt es erst zum 01.01.2007. Auch wenn wir Ihr Gesetz annehmen würden, wäre es nicht eher gekommen, Frau Schütz.

Wir wissen, dass das Gesetz – und das ist ein wesentlicher Punkt – die Tür für weitere Früherkennungsmaßnahmen öffnet. Wir haben auch noch einen Antrag der Fraktion GRÜNE vorliegen, über den wir noch kurz sprechen werden. Diese Maßnahmen liegen entweder im Krebsbereich oder bei anderen schweren Erkrankungen. Wenn es gewünscht wird und wir uns im Haus darauf verständigen, können wir dieses Gesetzeswerk auch für andere Früherkennungsmaßnahmen nutzen, ich denke zum Beispiel an Prostata-Erkrankungen. Wir sind an dieser Stelle zwar leider noch nicht so weit, aber wir sollten uns erst einmal darauf konzentrieren, was umsetzbar ist. Wir sind der Meinung, dass die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss zum Gesetz der Staatsregierung zielführend ist und von der Koalition getragen werden kann.

Weil die Brisanz dieses Gesetzes hier auf den Punkt gebracht worden ist, haben wir uns in der Koalition auf einen Redner verständigt, sodass wir nicht lange herumdiskutieren, sondern das Gesetz entsprechend beschließen sollten. Sie haben einiges angesprochen, was die Früherkennungsuntersuchung von Brustkrebserkrankungen betrifft. Lassen Sie mich dazu noch einige Worte verlieren. Es gab in der Vergangenheit eine Untersuchung von ungefähr 500 000 Frauen aus den USA, aus Schweden, Schottland und Kanada, die 18 Jahre lang betreut worden sind. Durch diese Früherkennungsmaßnahmen konnte die Sterblichkeit um 25 bis 30 % reduziert werden. Das ist ein riesengroßer Erfolg. Wir hoffen und wünschen uns, dass dieses Gesetz über das Mammographie-Screening für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren bei uns diese Resultate erbringen wird. Die Koalition wird diesen Prozess begleiten und sich informieren lassen, wie diese Dinge umgesetzt werden.

Ich werbe für die Beschlussempfehlung des Ausschusses und das Gesetz der Staatsregierung und bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, Frau Nicolaus, dass von der SPDFraktion keiner spricht?

(Kerstin Nicolaus, CDU: Ja.)

Gut, von der SPD-Fraktion kein Redner. – NPDFraktion, Herr Dr. Müller. Der Bundesgesetzgeber hat zwar eine Bundesregelung geschaffen, aber den Ländern die Ausgestaltungsfreiheit gegeben. Das war am Ende das Handicap für die Staatsregierung, hier nicht zügiger vorangekommen zu sein. Umfänglich wurde über eine längere Zeit in den jeweiligen Ministerien beraten und abgewogen, wer die zuständige Stelle sein könnte, wie man dem Datenschutz und verfassungsrechtlichen Grundlagen gerecht werden könnte.

(Zuruf von der NPD: PDS?)

Pardon, ich war schon eine Zeile zu weit. Die Linksfraktion.PDS, Frau Lauterbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Das Mammographie-Screening-Gesetz war für mich das erste Gesetz, an dem ich mitarbeiten konnte. Es ist eine schwierige Aufgabe, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Aber ich kann die Bürgerinnen und Bürger verstehen, die sehr lange auf dieses Gesetz warten mussten.

Denn seit 1992 gibt es europäische Leitlinien für das Mammographie-Screening. Durch die Früherkennungsuntersuchungen versprechen sich die Mediziner, die Sterbefälle um 25 bis 35 % zu senken. Nach zehnjährigen

Wir haben heute mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu dem Gesetz der Staatsregierung ein RundumGesetz, von dem wir sagen können, dass es dem Datenschutz und auch den verfassungsrechtlichen Belangen gerecht wird. Es ist wichtig, dass ein Gesetz, das eine so wesentliche Aufgabe in sich birgt und so präsent ist, nicht angreifbar ist.

Untersuchungen in Schweden lässt sich sogar eine Quote von 37 % erhoffen.

Jährlich erkranken in Deutschland 55 000 Frauen an Brustkrebs, 18 000 sterben, weil die Tumore zu spät diagnostiziert werden. Das sind täglich 50 Todesfälle.

Bereits im Jahre 2002 gab es im Bundestag einen parteiübergreifenden Beschluss zur Einführung des Mammographie-Screenings. Die Richtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krebserkrankungen ist vom 15.12.2003 und bestimmt das Staatsministerium für Soziales als die zuständige Stelle. Seit dieser Zeit ging die Verantwortung auf die Länder über. Die notwendigen landesrechtlichen Voraussetzungen werden nun erst in diesem Jahr in Sachsen geschaffen. In der Zwischenzeit sind bereits elf Länder der Verantwortung gerecht geworden.

In Bayern wurde eine flächendeckende Lösung durch einen flexiblen Einsatz der Technik gefunden. Das erleichtert den Frauen, dieses präventive Angebot vor Ort zu nutzen. Auch für Sachsen hieß es seither, ein Landesgesetz zu erarbeiten. Das ist lange her. Sachsen könnte erst 2007 starten und damit eines der Schlusslichter sein.

Was ist seit 2003 getan worden? Warum wurde die Erarbeitung dieses Gesetzes von der Staatsregierung nicht progressiv angegangen, sondern auf die lange Bank geschoben? Letztlich hat sich die FDP dieser Aufgabe angenommen und einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine gute Ausgangsbasis war. Wir haben dem unsere Achtung und Zustimmung gezollt. Dieser Gesetzentwurf war sicher noch nicht optimal. Aber es war eine erste Diskussionsgrundlage. Nachbesserungen, nicht nur zum Datenschutz, waren auch im Gesetzentwurf der Staatsregierung notwendig. Leider wurde die Chance, aus dem FDPEntwurf einen parteiübergreifenden guten Gesetzentwurf zu erarbeiten, vertan, ja sogar boykottiert.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Heute liegen uns deshalb zwei Gesetzentwürfe vor; endlich auch einer der Staatsregierung mit zahlreichen Änderungen von CDU, SPD und GRÜNEN. Der Vorschlag der GRÜNEN, den Frauen die Möglichkeit des Verzichts auf diese Untersuchung einzuräumen, ist gut und entspricht der Selbstbestimmung. Insgesamt ist es also ein guter Anfang für das so dringend notwendige und längst überfällige Mammographie-Screening-Gesetz.

Aber der Aufbau einer zentralen Stelle und deren Wirksamkeit müssen im Zusammenspiel mit den Meldebehörden gesichert werden. Die Zeitschiene für die Umsetzung dieses Gesetzes in die Praxis erscheint mir bis Jahresende zu kurz. Es wurde ja bereits in der Begründung auf Mitte 2007 verwiesen.

Jeder Zeitverzug heißt aber gleichzeitig auch weniger Vorsorge für Frauen, mehr erkrankte Frauen, heißt mehr psychisch belastete Familien und vor allem Kinder und heißt auch zerstörte Familien, Kinder, die ohne ihre Mütter weiterleben müssen, seelische Behinderungen bei

Kindern, die den Leidensweg der Mutti miterleben müssen, als Folge.

Das alles bedeutet nun wiederum für uns eine höhere finanzielle Belastung durch Ausgaben bei Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern oder im Bereich der Jugendhilfe. Deshalb gilt es, dieses Gesetz so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, auch im Interesse einer gesunden Familienpolitik.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Da die SPD verzichtet, ist jetzt tatsächlich die NPD-Fraktion an der Reihe. Herr Dr. Müller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wäre zu diesem Gesetzentwurf eine lange Debatte unnötig, wenn es denn halt nur ein Gesetzentwurf wäre. Denn die Schaffung einer Rechtsgrundlage zum Mammographie-Screening ist in diesem Haus an sich unstrittig.

Aus Sicht der NPD-Fraktion gibt es lediglich die Verfahrensweise zu beanstanden, die die Koalitionäre und das Staatsministerium für Soziales an den Tag gelegt haben. Denn der FDP-Entwurf wäre aus unserer Sicht durch Änderungsanträge problemlos auch auf das Niveau des jetzigen Staatsregierungsentwurfs zu heben gewesen. Damit hätten wir diesen Beschluss schon einige Monate früher hier behandeln können.

Aber jetzt haben wir halt zwei Entwürfe vorliegen. Der FDP-Entwurf ist dann auch nicht weiterentwickelt worden, sodass wir uns heute bei diesem Entwurf enthalten werden, da er nicht so optimal ausgestattet ist wie der Entwurf der Staatsregierung, dem wir entsprechend zustimmen werden.

Für uns bleibt eine Frage allerdings noch offen. Das ist nicht die Frage der Finanzierung dieser zentralen Stelle. Dieser Kostenansatz für Sach- und Personalkosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro pro Jahr wird durch GKV und KVS, Kassenärztliche Vereinigung, getragen. Aber die Frage ist noch die Sicherstellung der Finanzierung des Mammographie-Screenings durch die GKV selbst.

Bisher wurden nur die kurativen, also die bei Verdachtsmomenten durchgeführten Untersuchungen zulasten der GKV bezahlt. Sreeninguntersuchungen als IGeLLeistungen wurden trotz des Verzichts der Kassenärzte auf einen Teil ihres Laborbudgets immer noch durch die Patienten mitbezahlt. In der entsprechenden Vereinbarung in Sachsen schlug das für die Patienten für eine beidseitige Mammographie nach der Gebührenordnung für Ärzte mit 80,70 Euro pro Untersuchung zu Buche.

Wenn man jetzt einmal die 1,2 Millionen, die für Verwaltungskosten ausgegeben werden, hochrechnet, wären das knapp 15 000 Mammographien nach GO-Satz. In diesem Modellrechnungsentwurf wird von etwa 600 000 potenziell betroffenen Frauen ausgegangen, sodass also mit einem zweistelligen Millionenbetrag an Kosten für die GKV zu rechnen ist. Für meine Fraktion ist es wichtig,

Noch einmal: Es geht um die Umsetzung eines Bundesgesetzes, und unser Gestaltungsspielraum besteht darin zu klären, wie diese Zentrale Stelle, die das Einladungswesen in Verantwortung hat, ausgestaltet sein wird, wo sie angebunden ist und wie sie mit den Daten umgeht. Ich frage an dieser Stelle: Muss es wirklich die Kassenärztliche Vereinigung sein? – Wir haben in letzter Zeit gehört, dass die Ärzte selbst Kritik an ihrer Selbstverwaltung üben. Mit der Übertragung an die Kassenärztliche Vereinigung stärken wir diese zumindest, und dies ist doch ein Signal.

dass dieser dann nicht durch irgendwelche Zuzahlungen von den Patientinnen herangeholt wird und dass auch nicht weitere Präventions- oder Diagnostikbudgets für Ärzte gekürzt werden.

Wir werden uns diesbezüglich weitere Nachfragen in der Zukunft vorbehalten. Jetzt ist dieses Gesetz, denke ich, erst einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden ihm zustimmen und ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Insgesamt begrüßen wir das Früherkennungsverfahren, das im Screeningprogramm verankert ist und am Ende auf mehr Qualität hinausläuft. Es handelt sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, um ein lernendes Verfahren, und dies ist völlig neu. Bisher wurden die Frauen bei einem Anfangsverdacht zu einer Röntgenuntersuchung geschickt. Dies betraf 25 % der 40- bis 70-jährigen Frauen. Diese Leistung wurde im Übrigen auch bisher von den Kassen bezahlt. Aber wir hatten keine einheitlichen Qualitätsstandards. Dies bedeutete für die Frauen, dass sie davon abhängig waren, wie gut der Arzt war, der diese Untersuchung durchgeführt hat. Wie gut er war, das heißt auch: Wie viele Mammographien führt er pro Jahr durch? Denn dies ist zum Beispiel eine Voraussetzung, um gut zu werden. Ärzte wurden fast nie mit ihren Fehlern konfrontiert und konnten demzufolge aus diesen Fehlern überhaupt nicht lernen. Sie konnten sich also nicht fragen: Warum habe ich diesen Befund eigentlich nicht gesehen, oder warum habe ich da einen Befund gesehen, wo überhaupt keiner war?

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort. Frau Herrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Gesetzentwürfe sollen die Einrichtung der zentralen Stelle zur Durchführung des Einladungswesens im Zusammenhang mit Mammographie-Untersuchungen regeln.

Wie wir schon gehört haben, handelt es sich um die Umsetzung eines Bundesgesetzes. Ich bin froh darüber, dass wir uns zumindest im Verfahren der Diskussion zu den Entwürfen nicht von plakativen Äußerungen haben treiben lassen nach dem Motto: Hauptsache unbürokratisch und möglichst schnell ein Gesetz beschließen. Die Arbeit in den Ausschüssen war sehr konstruktiv. Da habe ich einen ganz anderen Eindruck als Frau Schütz.

(Volker Bandmann, CDU: Richtig!)

Wir haben die inhaltliche Auseinandersetzung geführt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Aufgabe des Parlaments. Die Aufgabe besteht nicht nur darin, am Ende ein Gesetz zu haben, sondern auch zum Inhalt des Gesetzes umfassend zu diskutieren. Das haben wir getan.

Das soll nun anders werden. Innerhalb einer Risikogruppe von 50- bis 70-jährigen Frauen werden alle durch das Screeningprogramm erfasst. Wir führen eine Kette von Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementinstrumenten ein. Vor allem beinhaltet das Gesetz eine Evaluation, das heißt, wir fragen uns: Wie effektiv ist das Programm unter Einbeziehung der Daten aus dem Krebsregister?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Diskussion hat dazu geführt, dass das Gesetz in einigen Punkten geändert wurde. GRÜNE-Positionen und GRÜNE-Ideen wurden aufgenommen, und dies finden wir natürlich gut – klar. Das Besondere, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass das System lernt. Die Qualität für Frauen wird sich dadurch verbessern. Einbezogen in dieses Lernen werden sowohl die apparative Ausstattung der Screeningeinheiten als auch die fachliche Qualifikation der Beteiligten, also Radiologen, radiologische Fachkräfte, Gynäkologen und Pathologen. Ebenso einbezogen ist die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Professionen. Es wird Brustkrebszentren geben, in denen die Diagnosen zusammengefasst sind, und wir werden das Instrument der Doppeldiagnostik einsetzen. Dann können wir vielleicht in zehn Jahren sagen: Jetzt haben wir eine Qualität, die wirklich ausreichend ist; und dann stimmen vielleicht meine folgenden Anmerkungen nicht mehr:

Die heutige Aufgabe im Parlament, im Hohen Hause besteht darin, diese Auseinandersetzung transparent und nachvollziehbar für die Bürgerinnen und Bürger zu machen, die sich fragen: Warum hat es eigentlich so lange gedauert? Dies möchte ich nun versuchen zu erklären.

Sie haben vielleicht schon gehört, dass wir auch am heutigen Tag einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgelegt haben. Genau in diesem Änderungsantrag wird deutlich, worin wir nach wie vor unterschiedlicher Meinung sind. Dies am Beispiel von Mammographie durchsichtig zu machen kann durchaus interessant sein – wenn es denn gelingt. Ich wundere mich über die Vorstellung mancher Parlamentarier hier im Hohen Hause, die eine solche inhaltliche Auseinandersetzung unter dem Thema „Gequatsche“ abhandeln.