Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Patt, Sie sollten sich untereinander einmal einig werden: Sie können uns nicht dauernd vorwerfen, wir seien Nazis, und uns dann, in einem zweiten Satz sagen, wir hätten keine Ahnung von
Uns wirtschaftspolitische Dummheit vorzuwerfen, Herr Patt, ist etwas weltfremd. Finden Sie nicht? Wer hat denn die fünf Millionen offiziellen Arbeitslosen – zehn Millionen sind es wahrscheinlich inoffiziell – in diesem Land zu verantworten? Wer hat denn die Staatsverschuldung zu verantworten? Wer hat denn Schuld an den sozialen Verwerfungen in diesem Lande? Doch wohl die CDU und ihre politischen Wurmfortsätze!
Nach dem Zusammenbruch hatten Sie in der BRD 60 Jahre Zeit, Ihr Wirtschaftssystem aufzubauen. Wo ist es denn? Schauen Sie doch einmal hinaus!
Herr Leichsenring, hatten Sie soeben wirklich die Unverschämtheit zu behaupten, dass es ein Verdienst der Nationalsozialisten gewesen sei, die Arbeitslosigkeit beseitigt zu haben? Wissen Sie eigentlich, auf wessen Knochen und zu welchem Preis sie das für eine ganz kurze Zeit getan haben?
Herr Prof. Weiss, ich habe zu der Zeit noch nicht gelebt, Sie wahrscheinlich. Man braucht nur in die Statistiken hineinzuschauen, um festzustellen, wie viele Arbeitslose es 1933 und wie viele es 1936, 1937 und 1938 waren. Ich will das nicht bewerten, sondern nur sagen: Bezeichnen Sie uns nicht immer als Nazis, wenn Sie uns auf der anderen Seite wirtschaftspolitischen Unverstand vorwerfen! Das passt nicht zusammen!
Herr Prof. Weiss, möchten Sie noch eine Zwischenfrage stellen? Herr Leichsenring, gestatten Sie die Zwischenfrage noch?
Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, wohin das Schuldenmachen im Dritten Reich geführt hat und wie versucht wurde, diese Folgen zu verwischen und aufzuarbeiten? Das endete im Krieg, mein lieber Kollege!
Das kann man so sehen. Ich glaube, es gab andere Kriegsursachen. Aber das ist weiß Gott nicht das Thema hier. Das Thema hier ist ein wirtschaftspolitisches.
Ich sage es noch einmal: Die Parteien, die jetzt hier das große Wort führen, vor allem die CDU, hatten 60 Jahre Zeit. Wo ist das Ergebnis? Sie können sich nicht hinstellen und die Modelle anderer Parteien – ob von der PDS oder der NPD; das ist vollkommen wurst – als „Mist“ bezeichnen, wenn Sie es selbst nicht können. Sie hatten weiß Gott genug Zeit, Ihre Ideen umzusetzen.
Ja, ich werde mich bekennen. Sie haben sich ja auch bekannt. Sie haben nämlich auf den Hinweis von Herrn Weiss auf den Krieg gesagt, das könne man so sehen. Vorher hatten Sie die Statistik beschworen. Haben Sie in die Statistik hineingeschaut und festgestellt, wie viele Tote am Ende durch den Krieg gekommen sind, dessen Vorbereitung kurzzeitig die Arbeitslosigkeit beseitigt hatte?
Sie mit Ihrem ideologischen Schaum vor dem Mund, Herr Prof. Porsch! Das ist nicht das Thema des heutigen Tages. Wenn Sie eines Tages aufhören, in diesem Land Forscher und Historiker für ihre Forschungsergebnisse einzusperren, dann können wir uns auch darüber unterhalten. Aber solange noch Leute im Gefängnis sitzen, die irgendetwas sagen, was Ihnen nicht passt, so lange diskutiere ich mit Ihnen über solche Themen nicht.
Ich sage noch einmal: Sie haben kein Recht, Modelle anderer Parteien zu kritisieren, wenn Sie es selber nicht können, Herr Patt!
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Herr Minister Jurk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Leichsenring, eigentlich finde ich es richtig, dass Sie sich einmal richtig bekennen, weil hier das Wort gefallen ist. Dann schaue ich in die Reihe der drei Abgeordneten, die jetzt nicht mehr in der NPD-Fraktion sind, und dann sage ich: Wünschen wir uns, dass noch viel mehr Menschen erkennen, wozu Sie sich bekennen und wozu das führen könnte.
(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Das war die Absolution!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die in jüngster Zeit erneut entbrannte Diskussion um Lohnsubventionen und Kombilöhne zeigt eines ganz deutlich: Wir haben auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor eine Vielzahl grundlegender Probleme, die wir sehr ernst nehmen sollten. Für mich steht dabei die Problematik im Mittelpunkt, die auch Gegenstand der heutigen Debatte ist. Es geht um die Frage, wie wir die gering Qualifizierten, die von der Arbeitslosigkeit überproportional betroffen sind, wieder besser in den Arbeitsmarkt integrieren können. Viele hoffen immer noch auf kurzfristig funktionierende und Erfolg versprechende Lösungsansätze. Solche einfachen Patentrezepte gibt es leider nicht, höchstens ein ganzes Menü verschiedener Rezepte, die zueinander passen müssen.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung weist nach meiner Auffassung im aktuellen Gutachten zu Recht darauf hin, dass es nicht ausreiche, angesichts der Schwere der Probleme lediglich an einigen wenigen Stellschrauben zu drehen. Vielmehr müsse die Politik einem Gesamtkonzept folgen. Gerade im Hinblick auf den so genannten Niedriglohnsektor, über den wir heute in dieser Debatte auch diskutieren, sei besonders Geduld angeraten, formulierte der Sachverständigenrat. Ich erlaube mir die Ergänzung: Auch Sorgfalt ist hier sehr wichtig, denn es ist keineswegs so, wie so oft suggeriert wird, dass wir in Deutschland Nachholbedarf bei der Einführung eines Niedriglohnsektors hätten. Tatsächlich hat die Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland auch ohne staatliche Subventionen in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen.
Das hat vor Kurzem wieder eine Studie des Instituts für Arbeit und Technik Gelsenkirchen belegt, die im Gegensatz zu den meisten anderen Analysen Teilzeitbeschäftigte und Minijober einbezieht. Sie zeigt auch, dass im Jahr 2004 mehr als ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohn
schwelle arbeiteten. Knapp die Hälfte der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland verdient sogar weniger als die Hälfte des nationalen Durchschnittslohnes, arbeitet also gemäß internationaler Definition für so genannte Armutslöhne. – So weit zur Realität in unserem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zum Stichwort Kombilöhne: Diese wurden zur Linderung der Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den gering Qualifizierten, in den letzten Jahren wiederholt als eine taugliche Therapie ins Gespräch gebracht. Dabei ist der Begriff „Kombilohn“ nicht wirklich klar definiert. Worum geht es hier eigentlich?
Zur Erläuterung muss man zunächst die Ausgangssituation sehen. Viele Beschäftigungsmöglichkeiten für gering Qualifizierte sind weggefallen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Dazu gehören auch Faktoren, auf denen gerade der Erfolg der deutschen Wirtschaft beruht, wie der technologische Fortschritt. Die Frage ist: Können wir solche Beschäftigungsmöglichkeiten zumindest teilweise wieder zum Leben erwecken? So habe ich Herrn Petzold beispielsweise auch verstanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Besetzung freier Arbeitsplätze ist gerade in Ostdeutschland nicht das zentrale Problem. In Sachsen und in ganz Deutschland haben wir aber ein massives Arbeitsplatzdefizit. Jedes Förderinstrument muss in Ostdeutschland daher primär der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen.
Meine Damen und Herren! Es ist wenig sinnvoll, Modellvorschläge zu unterbreiten, wenn nicht klar erkennbar ist, welche grundsätzliche Strategie überhaupt beschritten werden soll. Ich als Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit möchte angesichts der Differenziertheit des Sachverhalts dafür plädieren, jetzt nicht in blinden Aktionismus zu verfallen. Gegenüber der Öffentlichkeit Erwartungshaltungen zu verbreiten, die letztlich der Realität nicht standhalten, wäre unverantwortlich.
Was mich an der derzeitigen Diskussion auch so überrascht, ist die Tatsache, dass praktische Erfahrungen mit bisher durchgeführten Modellen, aber auch die Erkenntnisse der Wissenschaft weitestgehend ignoriert werden, denn diese Erfahrungen und Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Erstens: Regionale Modellversuche mit Kombilöhnen oder auch dem bundesweit durchgeführten Mainzer Modell verliefen aufgrund geringer Fallzahlen durchweg enttäuschend. Kurz zusammengefasst: Viel versprochen, wenig gehalten.
Zweitens: Empirische Studien, zum Beispiel des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und des Instituts Zukunft der Arbeit in Bonn, kommen ziemlich einhellig zu dem Ergebnis, dass bei Kombilöhnen ein Zielkonflikt besteht. Kommen sie flächendeckend zum Einsatz, um einen möglichst hohen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten, werden sie außerordentlich kostspielig, auf Deutsch: unbezahlbar. Beschränkt man sie deshalb auf wenige Problemgruppen,