Protocol of the Session on January 25, 2006

Zweitens: Empirische Studien, zum Beispiel des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und des Instituts Zukunft der Arbeit in Bonn, kommen ziemlich einhellig zu dem Ergebnis, dass bei Kombilöhnen ein Zielkonflikt besteht. Kommen sie flächendeckend zum Einsatz, um einen möglichst hohen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten, werden sie außerordentlich kostspielig, auf Deutsch: unbezahlbar. Beschränkt man sie deshalb auf wenige Problemgruppen,

sind ihre gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte entsprechend gering.

Die Sächsische Staatsregierung berücksichtigt solche Hinweise. Ungeachtet dessen hat sie ein hohes Interesse daran, weitere fundierte Erkenntnisse zu gewinnen, ganz einfach, weil wir jede Chance nutzen sollten, Arbeitslosigkeit in diesem Land zu bekämpfen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dieses Interesse hat die Staatsregierung schon früher, nämlich im Jahr 2000 durch die Beteiligung an dem seinerzeit von der Bundesregierung initiierten Modellprojekt CAST – ausgeschrieben: Chancen und Anreize zur Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten – dokumentiert.

Beim Modell der so genannten Saar-Gemeinschaftsinitiative, an dem sich der Freistaat Sachsen mit den Arbeitsamtsbezirken Chemnitz und Zwickau beteiligte, erhielten Arbeitgeber und Arbeitnehmer staatliche Zuschüsse zu den Sozialabgaben. Die Förderung des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungsbeiträge erfolgte als direkter Zuschuss an die Arbeitgeber. Die Förderung des Arbeitnehmeranteils der Sozialversicherungsbeiträge ging nicht als direkter Zuschuss an den Arbeitnehmer, sondern floss in Qualifizierungsmaßnahmen.

Die Resonanz auf das Förderangebot war äußerst gering. In Sachsen wurden zwischen Juli 2000 und Februar 2002 lediglich 47 Arbeitnehmer gefördert. Ein Hauptgrund, warum das Modell nicht funktionierte, war die Tatsache, dass es bereits diverse Zuschüsse, etwa die Eingliederungszuschüsse und die Einstellungszuschüsse nach dem SGB III, gab, die nunmehr in einen „Wettbewerb“ mit dem neu Angebotenen traten.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass das beispielsweise medial stark propagierte Modell der Niedriglöhne in Sachsen-Anhalt deshalb funktioniert, weil das Einstiegsgeld nach dem SGB II dem Arbeitslosengeld-II-Empfänger ausgezahlt wird. Das können die Kommunen und auch wir in Sachsen machen. Ich will gar nicht bestreiten, dass hier eine Subventionierung des Lohnes stattfindet bzw. dass der Lohn durch den Unternehmer über dieses Einstiegsgeld gezahlt werden kann und aufgestockt wird. Sicher bietet das in begrenztem Rahmen Möglichkeiten für neue Beschäftigung. Dass es medial so rüberkommt, dass Sachsen-Anhalt eine Wunderwaffe hätte, überrascht mich etwas. Die Landesregierung hat das auch in Wahlkampfzeiten gut propagiert. Ich sage, wir können das auch in Sachsen machen. Wenn es hilft, sollten wir das auch tun, denn das Geld ist ja da.

Unter anderem kann man aus den sächsischen Erfahrungen schließen, dass übereilt angesetzte Modellvorhaben mit neuen Instrumenten, die nicht miteinander verzahnt sind, eben nicht funktionieren.

Derzeit beschäftigt sich auf Beschluss des Kabinetts eine interministerielle Arbeitsgruppe der Sächsischen Staatsregierung mit der Thematik. Hierin werden bisherige Erfahrungen und aktuell zur Diskussion stehende Ansätze,

zum Beispiel die Magdeburger Initiative, das Modell des Ifo-Instituts oder auch der Vorschlag des DGB für Freibeträge in der Sozialversicherung, einbezogen.

Gleichzeitig wurde beim Landesbeirat zur Umsetzung des SGB II auf Vorschlag der Vertreter der Arbeitgeber eine entsprechende Arbeitsgruppe eingesetzt. Ich kann mich noch gut an die Sitzung vom 30. November vergangenen Jahres erinnern.

Ziel beider Arbeitsgruppen ist eine schärfere Bestimmung dessen, was an welcher Stelle getan werden kann und was damit erreicht werden soll.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine Klarstellung zu verschiedenen Presseberichten der letzten Zeit. Der Forderung nach einem Spitzengespräch über den Kombilohn wird durch die oben erwähnte Arbeitsgruppe im Rahmen des Landesbeirates bereits Rechnung getragen. Zur ersten Sitzung wurde eingeladen.

Noch etwas: Ein sächsisches Kombilohnmodell ist nicht Gegenstand der Diskussion. Entsprechende Meldungen treffen nicht zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung wird auf Basis einer von ihr ebenfalls zu diesem Thema eingerichteten Arbeitsgruppe in der zweiten Hälfte dieses Jahres einen Vorschlag entwickeln. Das wurde von den Koalitionspartnern im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Da unsere Diskussion in Sachsen nicht losgelöst von der Bundesebene betrieben werden kann, spricht umso mehr dagegen, jetzt in Sachsen Modelle übers Knie zu brechen. Ich will aber auch sagen, nach meiner Überzeugung verdienen in der weiteren Diskussion solche Ansätze besondere Beachtung, die Wege zur wirklichen strukturellen Änderung eröffnen. Ich denke dabei an die notwendige Entlastung der Sozialversicherung, also die Senkung der Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme.

Neben Sparbemühungen scheint mir eine Steuerfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, auch mit dem Ziel einer Entlastung des Faktors Arbeit, geboten. Das ist ein systematischer Ansatz. Eine solche Entlastung, etwa durch Einführung von Freibeträgen in der Sozialversicherung bei Gegenfinanzierung über Steuern als Einstieg in die nötige Umfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, sollten wir weiter verfolgen.

Bei aller Diskussion über solche strukturellen Veränderungen sollten wir den Blick aber nicht so verengen, dass wir die Wirklichkeit der Wirtschaft und die Realitäten des Arbeitsmarktes nicht mehr erkennen. Die hohen Arbeitslosenzahlen haben eben nicht nur strukturelle, sondern seit Jahren vor allem auch konjunkturelle Gründe. Da fehlt ganz einfach die Binnennachfrage.

Der Arbeitsmarkt ist ja in Wirklichkeit überhaupt nicht so blockiert, wie man manchmal behauptet. Im Gegenteil, es ist sehr viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Insgesamt belaufen sich die von der Bundesagentur für Arbeit erfassten jährlichen Zugänge in die Arbeitslosigkeit ebenso wie die Abgänge auf rund acht Millionen Menschen. Das widerlegt doch die These, es sei in Deutsch

land viel zu schwierig, Mitarbeiter zu entlassen. Umgekehrt finden viele Millionen Arbeitslose eine neue Beschäftigung, und zwar zu den jetzigen Bedingungen. Ich bin mir sicher, dass eine konjunkturelle Erholung dies in noch höherem Maße bestätigen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde den Hinweis der Bundeskanzlerin durchaus sehr bemerkenswert, dass jede Debatte über Kombilöhne auch die Frage nach einem Mindestlohn beantworten müsse, weil man nicht zulassen könne, dass Unternehmen die staatlichen Lohnkostenzuschüsse ausnutzen, um die Bezahlung für gering Qualifizierte zu drücken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Schlusswort: Ich denke, es ist richtig, wenn wir die Modelle auf den Prüfstand stellen und prüfen, was für uns in Sachsen passfähig wäre, aber auch schauen – da bestimmte Gesetzgebungskompetenzen beim Bund liegen –, dass wir das miteinander verzahnen. Wir sollten jede Chance nutzen, Menschen in Arbeit zu bringen, auch in Zeiten, da die Arbeit eine besondere Funktion für die Gesellschaft und unsere Republik hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Es folgen jetzt noch drei Schlussworte. Die Koalition beginnt. Herr Petzold, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte doch noch eine Bemerkung zur NPD-Fraktion machen. Herr Leichsenring, Sie haben sich selbst entlarvt, indem Sie sich als legitimen Nachfolger der Nazis bezeichnet haben. Wohin eine so genannte Wirtschafts- und Finanzpolitik eines Hjalmar Schacht geführt hat, das wissen wir alle. Ersparen Sie uns weitere Debatten dazu!

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Die Debatte hat gezeigt, dass die Frage nach ökonomisch sinnvollen staatlichen Anreizen für mehr Beschäftigung vor allem von weniger qualifizierten Arbeitslosen ganz oben auf der politischen Agenda steht. Wir tun gut daran, dieses Thema sachlich zu vertiefen. Erster Arbeitsmarkt ja, Wirtschaftsförderung ja, aber wir werden die Arbeitslosigkeit – davor dürfen wir die Augen nicht verschließen – dauerhaft nicht bekämpfen können, vor allen Dingen für Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte. Es gibt Bewegung auf dem Arbeitsmarkt, aber sie reicht nicht aus. Wir müssen darüber diskutieren, diese Arbeit bezahlbar zu machen. Wir müssen diese Arbeit gefragt machen für Menschen, die sonst keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben.

Der Denkanstoß unserer heutigen Debatte ist, dass man über Modelle reden kann. Warum beispielsweise das Mainzer oder das Saarländer Modell gescheitert sind,

möchte ich jetzt nicht vertiefen. Das hatte Ursachen, zum Beispiel traten Effekte auf, die so nicht beabsichtigt waren. Zudem wurde ein ganzheitlicher Ansatz verfehlt. Das Saarländer Modell war beispielsweise für Arbeitgeber lohnend, für Arbeitnehmer nicht. Das Mainzer Modell lohnte sich nur bei niedrigen Zusatzverdiensten. Insofern müssen wir auf eine komplexe Herangehensweise achten.

Wir werden uns, Herr Zais, sicher zu keiner einheitlichen Meinung zusammenfinden – das kann gar nicht sein –, aber auf jeden Fall sollten wir im Ausschuss diskutieren. Sofern der Antrag gestellt wird, sind wir dafür, Ihren Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Dasselbe gilt für den FDP-Antrag, wobei der PDS-Antrag strukturelle Schwächen hat. Beispielsweise geht er davon aus, dass es schon ein komplexes Modell gibt. Das gibt es nicht. Es soll jetzt diskutiert werden. Sie müssen sich nächstens von vornherein überlegen, welche Anträge Sie ins Plenum einbringen, und dann auf einmal an den Ausschuss überweisen.

Unseren Antrag werden wir zur Abstimmung bringen. Wir bitten darum, positiv zu votieren, weil unser Antrag die Grundlage für die weitere Diskussion bietet. Die Staatsregierung wird gebeten und beauftragt, belastbare Vergleichszahlen zu nennen. Herr Morlok, ich bewundere Sie, dass Sie als Halbtagsparlamentarier auch diese Vergleichsdinge noch leisten können. Wir brauchen auf alle Fälle diese Arbeitsgruppe mit ihrem Sachverstand und deren Ergebnisse. Insofern macht unser Antrag Sinn, denn er ist die Diskussionsgrundlage im Parlament. Wir tun gut daran, uns als Sachsen aktiv in die Bundesdebatte einzubringen und sinnvolle Dinge in Bezug auf Modellregionen auf den Weg zu bringen. Deswegen bitten wir, über unseren Antrag als Grundlage für die Diskussion abzustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Geben wir vielen unserer arbeitslosen Menschen eine Perspektive! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Auch der Kombilohn ist ein Weg dahin, den wir diskutieren sollten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich rufe die FDPFraktion auf. Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann nach wie vor nicht verstehen, warum Herr Petzold gerade wieder darauf besteht, über den eigenen Antrag abzustimmen, aber über zwei andere Anträge nicht, die verwiesen werden sollen, denn entweder ist es richtig, was er sagt, dass wir uns diesem Thema sachlich nähern, darüber diskutieren und gemeinsam Lösungsansätze finden müssen. Ich unterstütze diesen Ansatz. Wenn dem so ist, dann macht es nur Sinn, wenn wir alle Anträge gemeinsam für eine weiterführende Diskussion an den Ausschuss verweisen. Zu sagen, wir

beschließen mal das eine und das andere verweisen wir, ist nicht sachgerecht.

Die Debatte hat gezeigt und Herr Jurk hat darauf hingewiesen, dass es nicht nur Gelder aus dem ESF-Topf gibt. Sie hatten gerade gesagt, dass auch Eingliederungsmittel der BA dafür verwendet werden können. Im Einzelnen ist das im Koalitionsantrag überhaupt nicht enthalten. Auch hier sind fachliche Mängel vorhanden. Es wäre sinnvoll, alle Anträge an den Ausschuss zu überweisen. Wenn das im Hause nicht gewünscht wird, würden wir unseren Antrag gern zur Abstimmung stellen.

(Beifall bei der FDP)

Das letzte Schlusswort hat die Linksfraktion.PDS. Frau Abg. Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können mit dem Beginn der Debatte zufrieden sein. Heilsversprechen nach dem Motto, Kombilöhne könnten die Zahl der Arbeitslosen halbieren oder würden drei Millionen Arbeitsplätze schaffen, wurden uns hier Gott sei Dank erspart.

Am Anfang der Debatte wurden die Kombilöhne weitgehend kritisch diskutiert. Ich denke, wir befinden uns mit dieser Position in guter Gesellschaft. Gerade haben sich noch einmal die Industrie- und Handelskammer Dresden und die Handwerkskammer Dresden explizit gegen Kombilohnmodelle ausgesprochen. Auch Herr Müntefering hat sich nach einer Agenturmeldung gegen eigene Modelle der Länder beim Kombilohn ausgesprochen. Daran sollten wir uns orientieren. Ich habe einige positive Signale in diese Richtung gesehen.

Die Debatte hat dann leider durch die vielleicht doch etwas merkwürdigen Beiträge von Herrn Hähnel, Herrn Patt und den unmöglichen Beitrag von Herrn Leichsenring eine bemerkenswerte Wendung genommen. Deshalb sieht sich die Linksfraktion.PDS in der Auffassung bestätigt, dass es mehr Sinn macht, diese Debatte unter Fachleuten im Ausschuss weiterzuführen.

Wenn Sie wie wir lieber Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren wollen, da laufen Sie bei uns offene Türen ein. Das darf aber nicht zum Trojanischen Pferd dafür werden, dass Unternehmen jetzt auch noch die Löhne subventioniert bekommen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Darüber, meine Damen und Herren, sollten wir im Ausschuss in aller Ruhe diskutieren. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Rücküberweisung unseres Antrages an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Wir können jetzt zur Abstimmung kommen. Ich

Gut. frage aber trotzdem noch einmal die FDP, wie sie jetzt mit ihrem Antrag verfahren will. Wird jetzt Abstimmung gewünscht?