Protocol of the Session on January 25, 2006

Begonnen hat das mit der Überschrift im Jahr 2000 in der „SZ“: „Chemnitzer Modellversuch droht schon vor dem Start zu scheitern. Arbeitsamt findet keine Unternehmer, die für 7,5 Millionen Euro neue Stellen schaffen.“ Eine andere interessante Wortmeldung möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, und zwar die des ausgeschiedenen Wirtschaftsministers Dr. Schommer – vielleicht auch für Sie, Herr Milbradt, als Erinnerung.

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Kofferträger und Schuhputzer!)

Er meinte damals, vier Wochen vor seinem Ausscheiden, man habe zwar nicht viel von dem Saarland-Modell gehalten, habe aber, da man etwas verändern wollte, mitgemacht – wie Herr Fuß. Die Entwicklung habe die Meinung Sachsens bestätigt; bis zum Stichtag November habe es im Arbeitsamtsbezirk fünf Bewilligungen gegeben. Große Optimisten rechneten damit, dass Statistiker der Arbeitsverwaltung noch bis zum Auslaufen des Modells auf 30 Förderfälle kommen. Das Mainzer Modell, das nun favorisiert werde, sei auch nicht viel besser, werde demzufolge auch nicht erfolgreich sein. Die Staatsregierung werde abwägen, ob es klug sei, die Mittel für das Mainzer Modell oder für andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einzusetzen. – Das nur zur Erinnerung.

Diejenigen, die damals die Skeptiker waren, sind heute die Einpeitscher eines neuen Kombilohnmodells.

Herr Petzold, sagen Sie mir bitte – oder Herr Ministerpräsident, weil Sie sich so weit in die Öffentlichkeit hinausgelehnt haben –, was an den Kombilöhnen heute neu ist, welches Ziel die Sächsische Staatsregierung neu verfolgt. Wegen dieser Neugierde bejahe ich unsere aktive Mitarbeit im Ausschuss, und deshalb sind wir dafür, dass unser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, damit wir auch mit der Berichterstattung des Ministers am 30.06. schon eine Selbstbefassung im Ausschuss durchführen können.

Klargestellt sei auch, was mit uns nicht zu machen ist, schon aus den Erfahrungen der Vergangenheit heraus: keine Umverteilung der Lohnkosten zugunsten der Konzerne und Unternehmen, keine Belastung der öffentlichen Haushalte, kein weiterer Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Sozialkassen. In der Konzeption der Magdeburger Alternative werden die Schwächen wieder deutlich, die da heißen: Verdrängungseffekte, Mitnahmeeffekte und Absenkung des Lohnniveaus. Echte Alternativen dagegen – diese werden wir einbringen – liegen in der Steigerung der Arbeitsnachfrage durch öffentliche Investitionen und öffentlich geförderte Beschäftigung, der Verteilung der Arbeit, wie Arbeitszeitverkürzung – worüber heute überhaupt niemand mehr spricht –, der Bekämpfung der Schwarzarbeit sowie der Verbesserung der Beschäftigungschancen für gering Qualifizierte durch Weiterbildung und Einführung eines Mindestlohnes.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die CDU-Fraktion; Herr Abg. Patt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Zais, ich wundere mich, wie Sie, wenn Ihre Kollegin Lay 350 Modelle des Kombilohnes errechnet hat, das Kind mit dem Bade ausschütten und den Herrn Ministerpräsidenten überhaupt nicht zu Wort kommen lassen, sein Modell einmal vorzustellen.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS)

Sie lehnen es von Anfang an ab, Sie lassen es überhaupt nicht gelten und sagen, es taugt nichts. Das haben Sie errechnet, dass es nichts taugt; Sie kennen es doch überhaupt noch nicht.

(Karl-Friedrich Zais, Linksfraktion.PDS: Wir machen doch mit!)

Bleiben Sie mal ganz ruhig; deswegen soll es noch einmal sachlich im Ausschuss dargeboten werden.

Aber ich möchte zunächst auf Herrn Apfel eingehen. Ich kann mich fürchterlich ärgern über Ihre Kenntnisse von Marktwirtschaft. Sie sind nicht in diesem Teil der Republik groß geworden; Sie hätten die Chance gehabt, etwas kennen zu lernen, was Markt eigentlich bedeutet.

Sie reklamieren: Arbeitgeber senken die Löhne, der Staat soll dies ausgleichen, die Lohnspirale nach unten vernichtet weitere Arbeitsplätze. Dass niedrigere Löhne Arbeitsplätze vernichten, ist schlichtweg dumm. Für diese Dummheit müssten Sie bestraft werden, insbesondere von denjenigen – ich hoffe, dass die Wähler Sie auch abstrafen –, die in Sachsen vom Export leben.

(Alexander Delle, NPD: Sie sind für die Arbeitslosen verantwortlich! – Weitere Zurufe von der NPD)

Nein, ich habe Sie nicht gewählt, ich habe Sie trotzdem nicht gewählt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir leben in Deutschland und auch in Sachsen von einem Export, und wenn Sie wieder die Masche aufziehen, Grenzen zuzumachen, dann sprechen Sie das mal vor unseren exportorientierten Werken im südwestsächsischen Raum aus, was die davon halten, wenn deren Arbeitsplätze verloren gehen, weil es keine Exportmöglichkeiten mehr gibt. Das ist einfach Unfug, das ist dumm.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Ziel dieser Diskussion ist, sich bewusst zu machen, dass wir bei den hohen Löhnen in Deutschland in einer exportorientierten Wettbewerbsgesellschaft, einer global handelnden Wettbewerbsgesellschaft, keine Vollbeschäftigung schaffen können – nicht unter den Bedingungen, die wir haben. Das müssen wir uns bewusst machen, das muss man ehrlich sagen, und da kann man nicht so tun, als ob man durch gewisse Anreize in einer Eingangsphase mit Eingliederungshilfen oder anderem die Menschen alle wieder in diesen Markt bringe.

Der Ersatz von Arbeit durch Kapital ist weit fortgeschritten. Das hängt auch damit zusammen, dass wir ein unglaubliches Niveau an Qualität und an Technik fahren, welches schlichtweg nicht einfach nur durch manuelle Arbeit möglich ist. Wir haben hohe Investitionen getätigt, weil wir Karosserien eben nicht mehr mit der Hand bauen können, und viele Zweige im Dienstleistungsbereich oder in unseren Banken können einfach nicht von Hand dargestellt werden, wenn wir unserer Vorzugsstellung in der Weltwirtschaft gerecht werden wollen.

Es hat keinen Sinn, ständig davon zu träumen – wie es auch Frau Lay getan hat –, erst die Ansprüche der Arbeitslosen nach oben, fast ins Unermessliche zu beflügeln und Versprechungen zu machen, aber dann die Gesellschaft über die Finanzierbarkeit zu täuschen. Sie wollen eine Staatsquote, die am besten bei 110 % liegt. Bei 100 % hört es aber auf. Auch 80 % sind zu viel. Heute haben wir eine Staatsquote von 50 %, und auch diese taugt nicht weiter.

Diese Umverteilung nützt nichts. Dahinter steht im Übrigen ein unchristliches Menschenbild. Der Mensch kann weitgehend für sich selbst einstehen. Sie wollen staatliche Gängelung. Da muss man etwas Maß halten lernen; dann kommt man möglicherweise weiter.

Es ist richtig, dass wir nach Arbeitsplätzen suchen. Ich glaube, wenn der Herr Ministerpräsident sein Kombilohnmodell vorstellt, wird deutlich, was es bedeutet, neue Arbeit erst einmal zu schaffen.

(Alexander Delle, NPD: Dazu hatten Sie 60 Jahre Zeit!)

Die Arbeitsplätze, um die es geht, werden bisher von einem tariflichen Dschungel verdrängt. Die hohen Löhne, die wir in Deutschland zahlen, erlauben viele Arten von Arbeit nicht.

Wir müssen Arbeit schaffen; denn nur Arbeit schafft Mehrwert. Wir dürfen uns nicht auf Umverteilung und auf die Frage konzentrieren, wie wir die Staatsquote weiter erhöhen können. Wir müssen auf Arbeitsplätze orientieren und nicht auf das – in Sachsen ungewollte – Nichtstun. Es gibt auch andere Gegenden; da ist möglicherweise der Anreiz für die Arbeit Suchenden nicht hoch genug.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Wie es nicht geht, haben viele Gutachter gezeigt. Die Leute wissen immer, so wie bei PDS und NPD, wie es nicht geht. Ich erwarte konstruktive Vorschläge. Auch Sie, Herr Zais, haben am Ende Ihrer Rede dargelegt, was mit Ihnen alles nicht möglich ist. Es muss aufgezeigt werden, was zu tun ist.

Wir leben im Ordoliberalismus.

(Jürgen Gansel, NPD: Manchesterkapitalismus!)

So sind die CDU und auch unser Staatswesen grundsätzlich aufgebaut. Es ist nach dem Krieg als ordoliberales, nicht als neoliberales System gegründet worden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Eben! Aber jetzt ist es eines!)

Immer da, wo solche Gesellschaften, die vergangen sind – vergangen wie in der NPD-Zeit, vergangen wie in der SED-Zeit –, „herumgemehrt“ haben, gab es überregulierte Märkte, nicht funktionierende Sozialsysteme und Arbeitsmärkte, weil die Regulierungswut zu hoch war. Die hohe Regulierungswut, die Sie wollen, Herr Porsch, würde uns weiterhin schaden. Der Preisausgleichsmechanismus, der auf jeden Markt wirkt, ist ausgehebelt.

(Jürgen Gansel, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Vielen Dank, Herr Gansel! Sie lassen es auch nicht zu.

(Jürgen Gansel, NPD: Von Ihnen würde ich es immer zulassen!)

Wir brauchen weniger Staat.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Und der Kombilohn?)

Über den Arbeitsmarkt ist heute nicht gesprochen worden. Er funktioniert ganz schlicht und einfach: Die Aussage „Wir haben keine Arbeit“ ist ebenso falsch wie „Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch; wir können nichts daran

ändern“. Man muss immer fragen: Arbeitslosigkeit zu welchem Preis?

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Zum Ich-AG-Preis!)

Zu welchem Preis ist jemand arbeitslos? Wir haben genügend Arbeit. Ich habe genügend Arbeit in meinem Betrieb, kann sie aber nicht bezahlen. Es bietet sich auch niemand an zu den Löhnen, die vielleicht von meinen Auftraggebern bezahlt werden.

Kollege Petzold hat das Arbeitgeberproblem dargestellt: Wie sollen wir Produktivität und Kosten in unseren Betrieben, die in den Wettbewerb eingebunden sind, darstellen? Das gilt insbesondere für Zulieferbetriebe. Wir haben auch Bereiche, zum Beispiel Behindertenwerkstätten, in denen solche Modelle funktionieren. Dort gibt es eine gewisse Entlohnung; den Produktivitätsausgleich zahlt der Staat.

Wir sollten die andere Seite betrachten: Was ist mit den Arbeitnehmern? Diese kommen in Ihrem Menschenbild gar nicht mehr vor. Sie reden von Staat und Umverteilung, nicht aber von den Menschen, die nach Arbeit suchen. Es geht um eine personale Förderung, nicht um eine staatliche Förderung von Arbeitgebern, wie Sie, Herr Apfel, sich das vorstellen.

Die Frage ist zu beantworten, wie man das ausgleicht, was der Einzelne mit seiner Arbeitskraft nicht erreichen kann, was er aber zum Leben in unserem Lande braucht. Der Ausgleich darf nicht weiter durch Sozialhilfe, Hartz oder Arbeitslosengeld erfolgen. Bei der Arbeit geht es auch um den Aspekt der Gesundheit. Menschen wollen arbeiten. Wir wollen, dass die Menschen eine Arbeit finden. Wir müssen den Rest dazu tun, damit sie weiterkommen. Deswegen dränge ich darauf, dass wir vernünftig darüber sprechen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist eine gute Idee!)

Missbrauch gibt es immer. Den können wir nicht verhindern. Wir müssen uns um eine paretooptimale Lösung bemühen. 80 % werden vernünftig durchgesetzt. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Lassen Sie uns einmal etwas versuchen und aus dieser verkrusteten Gesellschaft, die hier von zwei diktatorischen Seiten eingeflügelt wird, ausbrechen! Noch einmal: weniger Staat!

Vielen Dank.