Protocol of the Session on October 5, 2005

Im April 1928 – hören Sie es sich ruhig an! – bekannte sich Goebbels im „Völkischen Beobachter“ Die Praxisgebühr führt auch dazu, dass man nicht mit jeder kleinen Erkältung zum Arzt geht, sondern überlegt, ob man die nicht vielleicht allein auskurieren kann. Das ist gut so, weil es Kosten spart.

(Höhnisches Lachen bei der NPD)

ganz offen zur Zielsetzung der Nazis, die Demokratie zu zerstören. Die Praxisgebühr hat nicht nur unnötige Kosten verhindert, sondern auch Mehreinnahmen für das Gesundheitssystem gebracht. Im vergangenen Jahr waren das allein 1,1 Milliarden Euro.

(Holger Apfel, NPD: Sie sollen zum Thema sprechen!)

Ich zitiere: „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Abgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen.“ Wenig später ergänzte Goebbels, ich zitiere nochmals: „Wir Nationalsozialisten haben niemals behauptet, dass wir Vertreter eines demokratischen Standpunktes seien, sondern haben offen erklärt, dass wir uns demokratischer Mittel nur bedienen, um die Macht zu gewinnen und dass wir nach der Machteroberung unseren Gegnern rücksichtslos all die Mittel versagen werden, die man uns zu Zeiten der Opposition zugebilligt hatte.“ – Diese Chance, meine Damen und Herren von der NPD, werden Sie nie bekommen. Darin sind sich alle Demokraten hier im Hause einig.

(Jürgen Gansel, NPD: Auf wessen Kosten?)

Lassen Sie mich zusammenfassen.

Die Praxisgebühr ist sozial gerecht. Sie hat sich bewährt. Die Kosten für die Versicherungsgemeinschaft sind durch die Einführung der Praxisgebühr gesunken, denn die Versicherten bezahlen das Ganze. Sinnlose Doppelbehandlungen und -untersuchungen, wie das mehrfache Röntgen, können verhindert werden. Es gibt mehr Vorsorge.

Aus diesen Gründen werden wir den Antrag der NPD ablehnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Linksfraktion.PDS. Herr Dr. Hahn, bitte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da es sich bei dem Tagesordnungspunkt um einen NPD-Antrag handelt, verzichte ich darauf, mich mit der Position meines CDUVorredners auseinander zu setzen, obwohl es meines Erachtens bitter nötig wäre. Ich spreche zum Antrag.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Hahn?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

Ich füge hinzu: Wir werden Ihnen Ihre parlamentarischen Rechte nicht beschneiden, wie Sie es mit Minderheiten machen würden. Sie können auch weiterhin hier im Landtag Anträge stellen, Sie können uns aber nicht dazu bringen, diesen Anträgen zuzustimmen, so harmlos sie – wie im vorliegenden Fall – auch formuliert sein mögen. Anträgen einer Fraktion, die die gesellschaftlichen Grundlagen dieses Landes zerstören will und in deren Reihen Abgeordnete sitzen, die den Kriegsverbrecher und Massenmörder Adolf Hitler als einen großen Staatsmann bezeichnen, werden wir weder heute noch in Zukunft zustimmen.

Ich will es vorwegnehmen: Wir werden den vorliegenden Antrag der NPD-Fraktion ablehnen.

(Zurufe von der NPD: Oh!)

Für unsere Ablehnung gibt es zwei Gründe, einen prinzipiellen und einen inhaltlichen.

Wir haben vorhin – damit bin ich beim prinzipiellen Grund – erneut von Herrn Leichsenring gehört, das System habe keine Fehler, das System sei der Fehler. Die Mitwirkung im Parlament ist dann nur ungeliebtes Mittel zum Zweck, nämlich zur Abschaffung von Verfassung und politischem System. (Beifall bei der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Dies gilt auch dann, wenn Sie wie beim vorliegenden Antrag abschreiben, abschreiben von Anträgen der PDS

(Alexander Delle, NPD: Er hat von Wirtschaft gesprochen!)

Meine Damen und Herren, aktuell ist es tatsächlich so, dass die Zahl der Arztbesuche seit Beginn des Jahres 2004 zurückgegangen ist. Über mögliche Gründe – das unterscheidet uns, Herr Dr. Müller – liegen der Staatsregierung allerdings noch keine belastbaren Erkenntnisse vor. Die Einführung der Praxisgebühr könnte ein wahrscheinlicher Grund sein. Aber ein weiterer Grund ist darin zu suchen, dass freiverkäufliche Medikamente nicht mehr zulasten der GKV verschrieben werden und damit ein Arztbesuch zur Verordnung von Medikamenten unnötig ist.

bzw. der Linksfraktion, und das hier anschließend auf die Tagesordnung setzen.

Wir haben uns im Landtag schon gegen die Praxisgebühr, die aus unserer Sicht unsozial ist, stark gemacht, da gab es noch keine braune Fraktion hier im Haus.

(Uwe Leichsenring, NPD: Wir werden es tun, auch wenn Sie nicht mehr da sind!)

Wir haben uns diesbezüglich auch außerparlamentarisch engagiert. Die NPD und ihre Kameraden habe ich bei den Protesten gegen die Einführung der Praxisgebühr nirgendwo gesehen, und mir hat auch nichts gefehlt.

Ein weiterer Grund für den Rückgang der Arztbesuche könnten die gewünschten Verhaltensänderungen der Versicherten sein. Die Versicherten prüfen sehr genau, ob ein Arztbesuch notwendig ist und wann sie welchen Arzt aufsuchen. Aber – das bleibt an dieser Stelle noch einmal deutlich festzuhalten – niemand muss aus finanziellen Gründen auf notwendige medizinische Leistungen verzichten. Die von Ihnen, Herr Dr. Müller, zitierten Zahlen besagen lediglich, dass die Menschen in Deutschland weniger zum Arzt gehen. Sie bedeuten nicht, dass damit eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung, das, was Sie hier versucht haben deutlich zu machen, einhergeht.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir als Linkspartei halten die Praxisgebühr nach wie vor für falsch und fordern entsprechende gesetzliche Korrekturen. Dies sollte jedoch im Rahmen einer grundlegenden Gesundheitsreform erfolgen. Dazu liegen von den demokratischen Parteien verschiedene Modelle vor – von der vollständigen Privatisierung der Gesundheitssysteme über die Kopfpauschale bis hin zur solidarischen Bürgerversicherung, die wir vertreten. Darüber wird in den kommenden Monaten vor allem im Deutschen Bundestag, aber sicher auch hier im Landtag umfänglicher zu diskutieren sein. Dann gehört natürlich auch die Praxisgebühr auf den Prüfstand.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch einmal Folgendes kurz in Erinnerung rufen. Die Praxisgebühr als Teil des GKV-Modernisierungsgesetzes wurde als Selbstbeteiligung der Versicherten für die beim Arzt oder Zahnarzt in Anspruch genommenen Leistungen neu eingeführt. Sie dient aber neben anderen Maßnahmen und strukturellen Veränderungen auch der finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Praxisgebühr hatte und hat zum Ziel, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken. Sie soll als Steuerungsinstrument darauf wirken, nicht notwendige Arztbesuche – Herr Krauß hatte schon einige Beispiele genannt – zu vermeiden. Das ist nach wie vor unser Ziel, das wir unterstützen.

Der NPD-Antrag in der vorliegenden Form ist aber nicht geeignet, die notwendigen Strukturreformen auf den Weg zu bringen, und er ist deshalb abzulehnen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Uwe Leichsenring, NPD: So ein dummes Gegacker!)

Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte die Staatsregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema Gesundheitsreform wurden in diesem Hohen Hause schon mehrere Debatten geführt. Ich erinnere auch noch einmal an die eben von Herrn Dr. Hahn erwähnte große Aussprache zur Großen Anfrage der Linksfraktion.PDS in der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Deshalb gestatten Sie, dass ich mich kurz fasse.

Die Versicherten werden durch Überforderungsregeln außerdem vor unzumutbaren finanziellen Belastungen geschützt. Das muss auch an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Dabei wird gerade auf chronisch Kranke besonders Rücksicht genommen. Sie müssen zunächst nur 1 %, wie wir alle wissen, Ihres Einkommens dazuzahlen, und bei Erreichen des festgelegten Limits werden sie von allen Zuzahlungen befreit. Vorab erwähnen möchte ich – mein Kollege Krauß hat es schon angesprochen – eine Studie, die im Mai dieses Jahres durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales mit dem Titel „Zuzahlungen im internationalen Vergleich“ der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Darin wird unter anderem deutlich, dass auch in anderen Ländern Praxisgebühren bereits zum Alltag gehören und üblich sind. Und im weiteren Vergleich dieser Studie: Bei der Häufigkeit der Arztsuche im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Deutsche nach wie vor mindestens doppelt so häufig den Arzt konsultieren wie Niederländer, Franzosen, Österreicher, Schweden, Dänen usw.

Meine Damen und Herren! Wir wollen nach wie vor medizinische Versorgung für alle, keine Ausgrenzung von Schwächeren, akzeptable Beitragssätze und vertretbare Lohnnebenkosten. Dieses Ziel aber erreicht man nur mit entsprechenden Reformen. Diese Reformen sind jedoch ohne Beteiligung des Einzelnen nicht zu realisieren.

Das GKV-Modernisierungsgesetz hat durch Veränderungen beim Leistungsumfang, auch durch eine stärkere Eigenbeteiligung der Versicherten und durch strukturverändernde Maßnahmen einen drastischen Anstieg der Beitragssätze verhindert, Herr Dr. Müller. Die Sächsische Staatsregierung wird deshalb keine Bundesratsinitiative

ergreifen, um eine Abschaffung der Praxisgebühr zu erwirken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das Schlusswort hat jetzt die NPD-Fraktion. Herr Abg. Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war ja im Prinzip abzusehen, wie das Abstimmungsverhalten werden wird.

Zu Ihnen, Herr Kollege Hahn. Ihr rückwärts gewandter Unfug wird auch nicht besser, wenn Sie diesen hier immer und immer wieder vortragen. Ich habe versucht, Ihnen das letzte Mal etwas die Historie meiner Partei nahe zu bringen. Das haben Sie nicht begriffen. Mir ist die Historie Ihrer Partei klar: Sie sind die doppelt umbenannte SED. Dabei bleibt es. Daran hat sich nichts geändert. Mehr ist zu Ihrem Beitrag auch nicht zu sagen.

(Beifall bei der NPD)

Frau Staatsministerin, Herr Kollege Krauß! Das, was wir hier vorgetragen haben, ist ein politisches Anliegen, das wir haben. Das hat mit der Studie als solches nichts zu tun. Diese Presseerklärung zur Studie ist mit zitiert. Es geht aber generell um das politische Anliegen. Unser politisches Anliegen ist es, dass Arztpraxen nicht zum Kassierer der Krankenkassen degradiert werden, und das ist mit der Praxisgebühr aus unserer Sicht so. Das können Sie anders sehen, wir sehen es so. Wir möchten das auch abgeändert haben. Wenn Sie sagen, dass Sie aus Studien zitieren – wenn Sie eine Studie der AOK zum Thema Praxisgebühr zitieren, dann muss ich sagen, dass Sie dann

auch eine Studie von Marlboro zum Thema Rauchen zitieren könnten. Das ist ungefähr genauso sinnhaltig.

(Beifall bei der NPD)

Ich möchte hier noch einmal ganz deutlich sagen, dass es nicht absehbar ist, welche Langzeitwirkung diese Gesundheitsreform auf die Gesundheit der Leute haben wird. Die Praxisgebühr ist sicherlich dann nur ein Baustein dessen, was schlechter geworden ist als vorher. Aber wir denken, es wäre ein Ansatzpunkt, mit dem man etwas ändern könnte. Die angesprochenen Hausarztmodelle, Desease-Management-Programme usw. gehen davon aus, dass man Menschen in irgendeine Schublade kategorisieren kann. Ich muss sagen, wir stehen zur Ungleichheit der Menschen, und man kann das nicht in einen Katalog pressen.

(Unruhe)

Mag sein, dass Sie da anderer Meinung sind – das sei Ihnen unbenommen. Wir möchten unseren Antrag zur Abstimmung bringen und ich bitte nochmals um Zustimmung. Es wäre eine sozial gerechte Sache, wenn Sie dem zustimmen würden.