Herr Pecher, Sie sprachen die ganze Zeit von den Ketten, und auch davon, wie schlimm das ist. Ich finde die Ketten auch schlimm. Nur genau das ist es, worum es auch den Einzelhändlern in Annaberg geht. Wenn Sie sich den Marktplatz dort einmal anschauen – wo sind da eigentlich die Ketten?
Das sind die kleinen Einzelhändler, die im Umfeld dieser Märkte sind; genau dort sind die. Genau diese Einzelhändler haben selbst den Wunsch geäußert, doch am Sonntag aufmachen zu können. Haben wir davor keinen Respekt? Ich habe davor Respekt! Wenn sie es wollen, muss ich Ihnen ehrlich sagen, würde ich es ihnen gestatten, meine Damen und Herren!
Herr Brangs, kommen Sie von Ihrem hohen Ross endlich runter; Sie müssen Ihr Geld nicht so schwer verdienen wie die Leute im Erzgebirge.
Herr Brangs, es geht in diesem Land auch um Chancengleichheit. Sie haben vorhin gesagt, bei uns können Läden 86 Stunden aufmachen, das ist ein großer Fortschritt – ganz toll! Wissen Sie, wie das ansonsten in Europa so ist? Ich habe eine ganze Liste, die ich Ihnen gern einmal geben kann. Mit 86 Stunden sind wir Viertletzter in Europa. Länder, die momentan ein viel besseres Wirtschaftswachstum haben, die richtig wachsen, wie zum Beispiel Frankreich oder Großbritannien – denen geht es nicht schlecht, die machen sogar ganz ordentliche Wirtschaftspolitik –, kennen ein Ladenschlussgesetz nicht. Da kann man rund um die Uhr einkaufen, da komme ich auf 168 Stunden, in denen es möglich wäre, das Geschäft zu öffnen; das ist ein entscheidender Unterschied.
Herr Zastrow, jetzt haben Sie Frankreich und Großbritannien gebracht. Sie hatten uns unlängst Österreich als so herrli
ches Vorbild vorgeführt. Wissen Sie, wie dort die Ladenschlusszeiten sind – und es gibt nur 5 % Arbeitslosigkeit, es gibt fast ausreichend Ausbildungsplätze –; kennen Sie die Ladenschlusszeiten in Österreich?
Was ich weiß, lieber Herr Porsch – fragen Sie mich nicht im Detail –, aber was ich ganz genau weiß, ist, dass man in Österreich in der Woche 93 Stunden – im Gegensatz zu Deutschland mit 86 Stunden – seinen Laden aufmachen kann; das ist ein bisschen mehr als hier. Ich glaube aber, dass so manchem Händler am Marktplatz in Annaberg diese paar Stunden mehr schon eine Menge helfen würden.
Mir geht es aber noch um etwas anderes, mir geht es auch um Chancengleichheit; denn was hier niemand angesprochen hat, ist eine spezielle Situation, und gerade bei einer speziellen Situation mache ich schon den Unterschied zwischen dem Erzgebirge und zum Beispiel Weihnachtsmärkten in Dresden, Leipzig oder anderswo.
Im Erzgebirge haben wir nun mal die ganz besondere Situation einer Grenzlage. Nun raten Sie doch bitte mal, welche Beschränkungen es in Tschechien in Sachen Ladenschluss gibt. Raten Sie mal – Herr Brangs, Sie sind doch so schlau –, rufen Sie es mir zu; wie viele gibt es da? – Überhaupt keine Beschränkungen gibt es dort. Im direkten Wettbewerb mit Tschechien schaffen wir einen ganz enormen Wettbewerbsnachteil für unsere Händler im Erzgebirge. Auch da geht es um Chancengleichheit. Deswegen müssen wir hier etwas tun, meine Damen und Herren.
Herr Porsch, weil Sie vorhin Frankreich noch einmal angesprochen haben – ich war gerade im Sommer wieder dort; es ist sehr nett in Frankreich, da gibt es ganz kleine Städte –; wissen Sie, was es dort überall gibt – wenn das bei uns jemand einzuführen versuchen würde, würde wahrscheinlich das Abendland zusammenbrechen –: Dort gibt es in jedem kleinen Ort Nachtmärkte, und selbstverständlich haben alle Läden rings um diesen Markt offen – ob sie auf dem Markt selber oder außen vor sind. Das ist eine Möglichkeit, die kommen damit klar, und ich glaube, Frankreich ist ein Land, das nicht über einen Werteverfall zu reden hat.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Union hat sich ja in der Vergangenheit oft für Liberalisierung und Flexibilisierung auch in der Wirtschaft eingesetzt. Was ich merke, ist, dass es seit einem halben, dreiviertel Jahr weniger geworden ist. Wir hatten hier sogar Themen wie Paragrafenpranger – das schlummert noch irgendwo bei Herrn Mackenroth in der Schublade –; aber Sie selbst haben erkannt, dass wir Bürokratie abbauen müssen, dass wir neue Regelungen brauchen, Sie haben uns auch immer zugestimmt, wenn wir gesagt haben, Sonderregelungen in Sachsen, Sonderregelungen im Osten, das ist es, was wir gemeinsam machen können.
Warum das Notwendige im Bundesrat nicht eingeleitet worden ist – es ist ein Bundesthema und wir wissen ja von den Problemen in Annaberg und im Erzgebirge schon sehr lange; spätestens seit Februar –, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ich halte das, Herr Jurk, für fahrlässig, und ich muss ganz ehrlich sagen: Da spielen Sie mit der Existenz der dortigen Einzelhändler.
Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass unser Ministerpräsident, der heute leider die Debatte nicht verfolgen kann, genauso viel Elan in diesem Punkt an den Tag gelegt hätte wie zum Beispiel in seinem Kampf um die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Vielleicht hätte er mal für die dortigen Händler kämpfen sollen, damit sie überhaupt die Chance bekommen, Mehrwertsteuer für dieses Land zu erwirtschaften, meine Damen und Herren.
Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Der ist konkret, der ist kein Wischiwaschi, da wird nichts auf die lange Bank geschoben. Gute Worte habe ich hier schon viele gehört, es müssen Taten folgen. Unser Antrag ist wesentlich konkreter, stimmen Sie ihm bitte zu.
Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das scheint jetzt nicht mehr der Fall zu sein. Dann Herr Minister Jurk, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann den Wunsch der Händler im Erzgebirge – einige sitzen heute auch auf der Tribüne – nach einer Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten in der Adventszeit sehr gut verstehen. Die Vorweihnachtszeit hat in dieser Region ohne jeden Zweifel eine enorme wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung; allerdings eignet sich das Thema nicht zu einer solchen Polemik, wie wir sie gerade von dem Vorredner gehört haben.
Denn ich will das ausdrücklich sagen – ich habe mit Herrn Mackenroth gerade noch einmal diskutiert –: Die Staatsregierung will ja wirklich helfen. Allerdings – das muss man eben dazusagen – unterliegen wir in diesem Bereich nach wie vor dem Bundesgesetz über den Ladenschluss. Danach gibt es zum Schutz der Arbeitnehmer, aber auch zum Schutz des Wettbewerbs Regeln, an die sich jeder Händler halten muss.
Immerhin erlaubt das Ladenschlussgesetz seit dem 1. Juni 2003 die Öffnung aller Verkaufsstellen von montags bis samstags von 06:00 Uhr früh bis 20:00 Uhr abends; Bäcker dürfen bereits 05:30 Uhr öffnen. Das bedeutet, dass man an sechs Tagen in der Woche die Läden schon sehr flexibel öffnen kann.
Sonn- und Feiertage – wir haben es gehört – stehen dagegen unter einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Darum müssen die Läden an diesen Tagen grundsätzlich geschlossen sein. Es gibt eben nur wenige Regelungen, – –
Die Sache ist mir wirklich sehr ernst. Ich glaube, die anwesenden Händler haben es verdient, dass man sich sehr ernsthaft damit auseinander setzt.
Weil es sich dabei ausdrücklich um Ausnahmevorschriften handelt, sind sie entsprechend streng anzuwenden. So ist das nun einmal. Das wird von der Rechtsprechung bis hin zu den obersten Gerichten immer wieder deutlich gemacht. Darum ist letztlich keinem gedient, wenn sich die Ladenbesitzer über die bestehenden Regelungen hinwegsetzen; denn ein Kläger, sei es ein Arbeitnehmer oder ein Wettbewerber, wird vor Gericht immer Recht bekommen. So ist es auch geschehen! Ein Händler, der nicht öffnen durfte, hat geklagt und Recht bekommen. Man kann sicherlich geteilter Meinung sein, wie nett und freundlich man dort untereinander war, aber dies ist zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Ladenschlussgesetz so durchzusetzen, wie es formuliert ist.
Ich verstehe, dass man sich auf der sicheren Seite wähnte, als man öffnete und damit sicherlich auch Einkünfte erzielte. Aber die Öffnung entsprach nicht dem Ladenschlussgesetz. Deshalb hat der Kläger, der seinen Laden nicht öffnen konnte, Recht bekommen – zulasten jener,
Wir haben uns in Sachsen bewusst dafür entschieden, die Ermächtigungen, die das Ladenschlussgesetz den Landesregierungen einräumt, an die Landkreise und die Kreisfreien Städte zu übertragen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, entsprechend den besonderen regionalen Interessen über die Ladenöffnungszeiten zu entscheiden. Das betrifft beispielsweise die Regelung für Ausflugs- und Erholungsorte, in denen an 40 Sonn- und Feiertagen im Jahr bis zu acht Stunden ein bestimmtes Warenangebot verkauft werden darf. Zu diesem Angebot gehört auch die für das Erzgebirge typische weihnachtliche Holzkunst. Gerade diese wollen doch die Touristen im Erzgebirge sehen und kaufen. Verkaufsstellen, die diese Artikel in Ausflugs- und Erholungsorten anbieten, dürfen an den Adventssonntagen öffnen.
Wie gesagt, ich kann verstehen, dass sich der eine oder andere Händler, der ein solches Angebot nicht hat, durch diese Regelung benachteiligt fühlt. Wir müssen aber immer bedenken, dass eine generelle Freigabe der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen bereits nach dem Grundgesetz ausgeschlossen ist. Das Ladenschlussgesetz erlaubt es allerdings nicht, alle Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen, so auch Weihnachtsmärkten, an Sonn- und Feiertagen im Dezember zu öffnen. Da in diesem Jahr – das mag holzschnittartig klingen – der 1. Advent auf den 27. November fällt, ist eine generelle Ladenöffnung am 1. Advent aufgrund einer Verordnung der Landkreise beziehungsweise Kreisfreien Städte grundsätzlich möglich.