Wer möchte von den Fraktionen noch sprechen? – Ich sehe keine Wortmeldung mehr. Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Ministerpräsident, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Äußerungen der Oppositionsfraktionen gespannt gelauscht, um einen Eindruck dafür zu bekommen, wie denn die Alternativkonzepte aussehen. Mein Eindruck ist: Es sind
Wünsche geäußert worden, und wenn man danach fragt, wie diese Wünsche gedeckt sind, dann hat man sich ins Nebulöse verzogen.
Mehr ausgeben kann jeder, nur die Frage – Herr Porsch, wir kommen gleich dazu –, wie man denn die Einnahmensituation, die mehr oder minder konstant ist, akzeptiert und die Ausgaben konzentriert, haben Sie nicht gelöst; dieser Frage entziehen Sie sich. Da wird zum Beispiel ständig nebulös gesagt, man könne doch bei der Verwaltung abbauen. Natürlich kann man das! Aber das setzt den Abbau von Aufgaben voraus.
Wenn man ständig neue Aufgaben bzw. Verantwortlichkeiten auf den Staat laden will – dafür ist Ihre Fraktion das beste Beispiel –, dann geht das nicht. Sie können nicht sagen: wir wollen 50 % der in der Verwaltung Beschäftigten abbauen, wenn Sie nicht gleichzeitig sagen: wir wollen auch 50 % der Aufgaben abbauen. Die Mitarbeiter sitzen ja nicht herum und tun nichts. Sie erledigen ihre Arbeit! Der Aufgabenkritik müssen Sie sich stellen. Das ist eine Aufgabe, die nicht von jetzt auf gleich gelöst werden kann, sondern bedeutet eine Sisyphusarbeit über viele, viele Jahre. Das heißt, dass die Einspareffekte, zu denen ich auch stehe, wenn sie möglich sind, nicht am heutigen Tage, sondern vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren entstehen. Das ist doch der Punkt! Deswegen ist es unredlich, wenn Sie Einspareffekte, die in fünf oder zehn Jahren entstehen können, zur Deckung von heutigen Ausgaben verwenden wollen. Das ist die Methode, mit der Sie vorgehen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wir haben Vorschläge zur Funktionalreform gemacht! Grundsätze der Funktionalreform haben wir vorgelegt!)
Herr Porsch, Sie haben genügend Möglichkeiten, Ihre Positionen darzustellen. Das tun Sie doch auch. Ich habe Ihnen nur nachgewiesen, dass Sie mit den Vorschlägen, die Sie uns bisher gemacht haben, unseriös sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP! Natürlich ist Wirtschaftsförderung richtig und wichtig. Nur möchte ich auf eines hinweisen: Wenn wir Kürzungen des Bundes durch eigene Ausgaben ersetzen, dann sind wir in einer schwierigen Situation. Wenn wir den Eindruck erwecken, wir, die armen Länder im Osten, hätten noch mehr Geld als der doch so arme Bund, dann wird das Ergebnis sein, dass Sie zwar kurzfristig etwas erreichen, langfristig aber den Vorwand dafür liefern, dass Bundesmittel weiter gekürzt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP! Ich akzeptiere, dass man etwas für die Wirtschaft tun muss; aber man sollte mit Augenmaß vorgehen. Wenn Sie als Deckungslösung das Paunsdorf-Center vorschlagen, dann kann ich nur sagen: Ich dachte immer, die FDP verstünde etwas von Wirtschaft! Jeder, der sich mit dem Haushalt auskennt, weiß doch, dass das Geld für das Paunsdorf-Center sicherlich nicht bei der Bank liegt. Bei diesem Geld handelt es sich um nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigungen. Wenn also das Geld für Paunsdorf ausgegeben werden soll, muss der Staat einen Kredit aufnehmen. Dabei stellt sich eine einzige Frage: Sind die zusätzlichen Zinsausgaben höher als die Miete? Das ist eine Frage der wirtschaftlichen Abwägung.
Man kann die Entscheidung so oder so fällen. Aber diese nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigung zur Finanzierung laufender Ausgaben zu verwenden, bedeutet, den Haushalt insgesamt stärker zu belasten; denn auf jeden Fall fallen die zusätzlichen Zinsausgaben an. Man muss dies fairerweise hinzufügen, wenn man einräumt, der Freistaat sei mit einer niedrigen Kreditmarktverschuldung bestens gefahren. Kredite sollte man nur aufnehmen, wenn aus der daraus getätigten Investition irgendwann einmal Einnahmen fließen oder zumindest Ausgaben irgendwo eingespart werden. Damit bin ich bei den GRÜNEN. Frau Hermenau, ich glaube, dass Sie die Situation des Freistaates in Bezug auf Bildung und Forschung falsch darstellen. Wenn Sie unsere Forschungsausgaben, die in Sachsen besonders hoch sind, mit dem vergleichen, was in anderen Ländern passiert, dann werden Sie zum Beispiel feststellen, dass eine Region wie Dresden die höchste Konzentration an außeruniversitärer Forschung aufweist. Unser Problem ist nicht eine weitere Erhöhung der Forschungsaktivitäten – wo es Chancen gibt, nutzen wir sie, zum Beispiel in der Nanotechnologie –; unser Problem ist, dass es bisher nicht gelungen ist, die komplementäre, privatwirtschaftlich finanzierte Forschung in genügendem Umfang ins Land zu holen. Wenn das nicht gelingt, dann haben Forschungsausgaben Pingpong-Effekte, weil sie nicht bei uns, sondern woanders zu einer höheren Wertschöpfung führen. Deswegen ist es sehr wichtig, darauf zu achten, dass es zwischen der Forschung der Betriebe, also der privatwirtschaftlichen Forschung, und der besonderen Forschungsaktivität des Landes eine Verbindung gibt, damit
unsere Ausgaben später in eine erhöhte Wertschöpfung in unserem Land münden und nicht in Form von Knowhow in andere Länder und Regionen der Welt abfließen. Ich meine schon, dass wir in der Vergangenheit gerade im Bereich Forschungsförderung das Maximum dessen, was möglich war, getan haben. Sämtliche Max-PlanckInstitute und sonstigen Institute, die für uns akquirierbar waren, haben wir akquiriert; wir tun es auch mit dem Osteuropa-Institut. Deswegen ist der Vorwurf, wir täten zu wenig für die Forschung, falsch.
Damit sind wir beim Thema Bildung; ich will es auf den Bereich Schule reduzieren. Die Frage, wie gut oder wie schlecht Schule ist, hängt sicherlich auch mit der Schüler-Lehrer-Relation zusammen. Wenn man „Pisa“ gelesen hat, stellt man fest, dass aber auch richtig ist: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Schüler-Lehrer-Relation und dem Abschneiden bei „Pisa“. Es ist nicht so, dass diejenigen, die viele Lehrer eingestellt haben, ein besseres Ergebnis erzielt haben als diejenigen, die weniger Lehrer beschäftigen. Das gilt zumindest innerhalb einer gewissen Bandbreite. Es kommt also nicht nur darauf an, wie viele Lehrer eingestellt sind, sondern auch darauf, was in den Schulen passiert.
Wenn wir über Bildung reden, dann sollten wir nicht in erster Linie über Relationen reden, sondern uns auch darüber im Klaren werden, was in den Schulen passiert. Dann ist darüber zu reden, wie wir Schule freier organisieren, das heißt, wie wir auch fiskalische Anreizsysteme für Lehrer installieren können. Möglicherweise ist dem Direktor eine höhere Personalführungskompetenz einzuräumen, als wir es gegenwärtig tun. Darüber nachzudenken heißt in letzter Konsequenz, den Freistaat als Beschäftigungskörperschaft auszuschalten und die Kompetenz an die Gemeinden oder die Schulen zu übergeben, die dann aber keine Lebenszeitbeschäftigung mehr garantieren können. Man mag darüber reden, sollte aber nicht so tun, als ob man das eine u n d das andere realisieren könnte.
Zur Schüler-Lehrer-Relation! Wir haben insbesondere an den Mittelschulen und den Gymnasien eine Schüler-Lehrer-Relation, die sowohl im deutschlandweiten als auch im internationalen Vergleich traumhaft ist.
Ich habe gesagt: Wir reden von den Mittelschulen und den Gymnasien. Dort werden im Augenblick die Tarifverhandlungen geführt.
Wenn gerade in diesem Bereich die Zahl der Schüler um rund 50 % zurückgeht, dann ist es meines Erachtens unredlich, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass wir die Bildung vernachlässigen würden, wenn wir weniger Lehrerstunden einsparen, als die Schülerzahl insgesamt zurückgeht. Es ist wichtig, wie viele Lehrerstunden den Schülern zur Verfügung stehen, wie viel Kapazität wir haben. Diese wird deutlich ausgedehnt.
Man mag der Meinung sein, das sei nicht genug. Aber derjenige, der behauptet, wir verschlechterten die Relationen und die Bedingungen für die Schüler, der lügt.
Gerade in einer Diskussion über Bildung kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aber man sollte zumindest die Zahlen akzeptieren und nicht versuchen, wie es insbesondere die PDS tut, sie ständig mies zu reden. Gerade im Bereich der Schulen haben wir in den letzten Jahren eine erhebliche Verbesserung bekommen. Wenn es uns gelingt, diesen Prozess gemeinsam mit den Gewerkschaften zu einem erfolgreichen Ende zu führen, dann stehen pro Schüler 40 % mehr Lehrerkapazität zur Verfügung. Dieser Prozess müsste dazu dienen, unsere Probleme zu lösen.
Diejenigen, die ständig vom Heute reden, vergessen, dass das Heute von den heutigen Schülerzahlen beeinflusst wird. Wir reden aber nicht von den heutigen, sondern von den zukünftigen Schülerzahlen. Von jemandem wie Ihnen, der eine akademische Ausbildung hat, erwarte ich, dass er das Heute vom Morgen unterscheiden kann und nicht immer mit heutigen Zahlen die morgige Situation zu beschreiben versucht.
Auch da möchte ich auf einen Zusammenhang hinweisen. Diejenigen, die kleine Schulen fordern oder für gut halten, müssen natürlich den Zusammenhang zu der Frage der Lehrerversorgung sehen. Wenn Sie eine zusätzliche Kapazität von Lehrerstunden in Höhe von X zur Verfügung haben, dann können Sie sie theoretisch auf drei verschiedene Arten nutzen. Sie können die Arbeitszeit der Lehrer in der Hoffnung reduzieren, dass dann die geringeren Stundenzahlen effizienter und besser ausgenutzt werden. Sie können sie auf viele Schulstandorte verteilen und Sie können sie dazu nutzen, den Schülern zusätzliche Angebote zu machen.
Was wir in Sachsen gemacht haben, ist, alle drei Möglichkeiten zu nutzen. Die Arbeitszeit der Lehrer ist reduziert worden. Es sind erhebliche Kapazitäten für zusätzliche Standorte, die rein rechnerisch nicht notwendig wären, genutzt worden und wir haben auch Angebote verbessert. Ich meine, auch in Zukunft sollte man diese Position einnehmen.
Wenn man das alles zusammenfasst, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist der generelle Vorwurf, wir täten nichts für Bildung und Forschung, nicht gerechtfertigt. Man kann sich über das Wie und das Ob streiten. Man kann sagen, wir haben noch bessere Vorstellungen. Aber so zu tun, als ob Sachsen dadurch gekennzeichnet sei, dass in der Regierung früher und auch heute Leute sind, die von Bildung und Forschung nichts verstehen und auch eine entsprechende Politik machen würden, das ist falsch. Diejenigen – das nehme ich für mich selber in Anspruch –, die in dieser Regierung sind, sind zumindest nach meiner Meinung bemüht, das Beste für dieses Land zu tun. Den Vorwurf, wir würden zulasten der jungen Leute, zulasten unserer Jugend Politik
machen, lasse ich nicht auf mir sitzen. Ich bin gern bereit, über weitere Verbesserungen zu diskutieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, es ist müßig und ich will auch nicht die wertvolle Diskussionszeit meiner Fraktion verbrauchen, immer wieder auf diese Mär zu reagieren, wir würden nur Vorschläge machen und Forderungen aufstellen, aber nie sagen, wie wir sie finanzieren wollen. Ich bedanke mich dafür, dass Sie eine Diskussion angeboten haben. Diese Diskussion hätten wir schon längst führen müssen und nicht immer nur einfach in der Konfrontation: Die Opposition schlägt was vor und das wird abgelehnt; wir gehen zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Wenn hier wirklich eine richtige Diskussion entstehen würde, könnte man auch unsere Deckungsvorschläge debattieren. Natürlich, das ist doch überhaupt kein Problem. Wir haben nicht in Investitionen gegriffen.
Es ist richtig, wir haben die Personalfrage gestellt, wie Sie sie bei Lehrern stellen. Wir haben sie insgesamt für die gesamte Ministerialbürokratie und für die gesamte Staatsbürokratie gestellt. Da ist es ja völlig klar, dass ich ein Konzept brauche. Unsere Fraktion hat schon in der vorherigen Legislaturperiode Grundlagen einer Funktionalverwaltungsreform und ein Personalabbaukonzept vorgestellt. Sie haben das noch nicht gemacht. Sie machen Personalabbau, aber Sie machen kein Personalkonzept. Das habe ich vorhin auch schon gesagt. Auch bei den 3 000 Lehrern, die Sie in den nächsten zwei Jahren abbauen wollen, muss ich doch fragen: Würden die Däumchen drehen, wenn sie im Dienst bleiben würden? Mitnichten würden sie Däumchen drehen! Denn Sie haben nämlich ein verstecktes Personalkonzept, gerade für die Schule. Das ist das Schulgesetz, das gültig ist, und das sind die entsprechenden Verordnungen und Verfügungen, die gültig sind. Wir haben es durchgerechnet. Danach brauchen wir nicht weniger Lehrer, sondern etwa 5 000 Lehrer mehr. Damit würden überhaupt nur die gesetzlichen Grundlagen, die im Moment existieren, erfüllt. Dazu zeige ich Ihnen einen Stapel Briefe, die ich von den Schulen bekommen habe, in denen man schreibt, wie viel Unterrichtsausfall geplant ist und was alles eingeschränkt werden muss, wo weniger Stunden gehalten werden, als vorgeschrieben sind. Dann reden wir über Lehrerabbau. Dann reden wir über Personalabbau. Dieses Konzept ist im Gesetz enthalten.
Sie lagern Verwaltungsaufgaben zum Beispiel an die SAB aus und zahlen dafür 28 Millionen Euro, sparen die aber nirgendwo anders ein. Wozu lagern Sie die dann aus? Das möchte ich gern wissen.
Sie haben natürlich Recht, die Schüler-Lehrer-Relation ist nicht die einzige Maßzahl. Das heißt aber auch, die Schülerzahl ist nicht die einzige Maßzahl dafür, wie viel Lehrer ich brauche. Es geht doch um andere Dinge, zum Beispiel um das Außerunterrichtliche. Herr Zastrow hat sehr deutlich darauf hingewiesen, was er für eine Schule
besucht hat. Da müssen Sie mal nach Finnland fahren. Wir waren ja mit dem Ausschuss schon da. Frau Henke hat es auch gesehen, was dort für die Bibliotheken gemacht wird. Sie sparen bei den Bibliotheken ein. Sie reduzieren bei den Bibliotheken. In Finnland werden die Bibliotheken ausgebaut. Dort gibt es Entleih- und Leserzahlen, die im Vergleich zu dem, was hier passiert, astronomisch sind.
Niemand, Herr Ministerpräsident, wirft Ihnen vor, Sie würden nichts für Forschung und Bildung tun. Das wäre wirklich schlimm, wenn es so wäre. Sie tun zu wenig. Zum Beispiel wollen Sie Lehrer entlassen. Sie tun das Falsche. Zum Beispiel ist das gegliederte Schulsystem immer noch nicht richtig aufgeknackt. Dort liegen die Probleme. Die sollten wir dann wirklich in aller Ruhe diskutieren. Aber Sie hätten einmal schauen sollen, wie Lehrerinnen und Lehrer, die vorhin auf der Tribüne saßen, als Sie gesprochen haben, reagierten. Sie hätten bemerkt, dass Sie nicht von der Wirklichkeit sprechen, sondern von irgendwelchen Dingen, die Sie sich zurechtgelegt haben.