Protocol of the Session on May 15, 2009

Seit März liegt der erste Sächsische Kulturwirtschaftsbericht endlich vor. Der soll nach dem Bekunden der Auftraggeber SMWA und SMWK dazu beitragen, die Kultur- und Kreativwirtschaft stärker ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Das wollen wir weder den schönen Hoffnungen im Vorwort des Berichtes

überlassen noch den eher dünnen Handlungsempfehlungen an dessen Ende. Da leisten wir gern unseren eigenen Beitrag hier im Parlament.

Wenn wir in den vergangenen Monaten und Jahren im Landtag über Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen haben, dann mussten wir immer wieder feststellen, dass Öffentlichkeitsarbeit auch und gerade in der Politik sehr wichtig ist. Zumindest im Wirtschaftsausschuss zeigt eine Mischung aus Nichtwissen und Ignoranz, wie notwendig Informationen zu dieser Branche sind.

Umsatz erzeugen, Arbeitsplätze schaffen, das tun eben auch Leute, die nicht in ingenieurtechnischen Zusammenhängen arbeiten, die nicht klassischen Handwerksberufen nachgehen, die wenig mit den verbreiteten, noch aus dem Industriezeitalter überkommenen Vorstellungen von Wirtschaft zu tun haben. Es ist nicht das Ende von Kunst und Kultur, wenn man sachlich und unaufgeregt betrach

tet, welche wirtschaftlichen Effekte ganz konkret in der Branche selbst erzielt werden.

Bei aller Kritik, die ich am vorliegenden Bericht habe – sowohl die Ergebnisse, die er liefert, als auch die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft haben es unbedingt verdient, dass wir Politikerinnen und Politiker uns genauer und intensiver damit befassen.

Sie alle können es im Bericht nachlesen: In Sachsen setzt die Kultur- und Kreativwirtschaft 3 Milliarden Euro um. Ihr werden hohe Wachstumspotenziale bescheinigt. Knapp 40 000 Erwerbstätige sind in dieser Branche tätig. Damit platziert sie sich bei der Beschäftigtenzahl gleich nach dem Maschinenbau und noch vor der mit enormen Fördermitteln subventionierten Automobilindustrie.

Ich bin weit davon entfernt, die Kultur- und Kreativwirtschaft als eine Heilsbringerin zu stilisieren, aber wir können viel von ihr lernen, können von ihr profitieren und sollten sie deshalb endlich auch in Sachsen bewusst fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wie zu erwarten, sind Dresden und Leipzig, mit einigem Abstand auch Chemnitz, die Zentren. Aber auch in allen ländlichen Kulturräumen gibt es einen teilweise erstaunlich hohen Anteil der Branche. Wir führen hier also keine abgehobene Großstadtdiskussion. Es geht um Entwicklungspotenziale des gesamten Landes.

Typisch für die Kultur- und Kreativbranche sind Erwerbsbiografien, die für immer mehr Menschen Realität werden. Drei Viertel sind Klein- und Kleinstunternehmer. Die Selbstständigenquote ist mit 21 % mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Damit ist aber noch nicht die gesamte Branche erfasst, und damit bin ich bei einem Defizit des Berichtes. Indem in die statistische Erfassung des Berichtes nur Unternehmen mit mindestens 17 500 Euro Jahresumsatz und sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen aufgenommen wurden, hat man einen großen Teil der in der Branche Tätigen schlichtweg ausgeblendet. Das mag zwar für die reine Statistik schön sein, bildet aber nicht die Realität der sogenannten kreativen Klasse ab.

Ich weiß, dass solche Grenzen Vergleiche zu anderen Kulturwirtschaftsberichten ermöglichen, aber der sächsische Bericht ist noch in anderen Bereichen durchaus ehrgeizig und um ein rundes Bild bemüht. Er gönnt sich auch einen Exkurs zur öffentlich getragenen und geförderten Kultur im Freistaat, wieso dann nicht auch einen Ausflug in die prekäre Arbeits- und Lebensrealität vieler Kreativer, die sich aus Scheinselbstständigkeit, geförderter Projektarbeit und Transferzahlungen eine Patchworkexistenz zusammenschneidern müssen? Insbesondere, weil dieser Bericht von zwei SPD-Ministern verantwortet wird, finde ich eine solche Fehlstelle enttäuschend und beschämend.

(Michael Weichert, GRÜNE: Ich auch!)

Ich habe in den vergangenen Monaten immer wieder mit Leuten aus der Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen, auch mit einigen, die für diesen Bericht interviewt wurden. Manche äußerten die Hoffnung, dass damit zunächst einmal eine Sprache gefunden sei, die – jetzt zitiere ich – „die Menschen in der Verwaltung und in den Ministerien besser verstehen“. Daran knüpft sich die große Hoffnung, dass nun demnächst das Verweisen auf fehlende Zuständigkeiten, das Hin- und Herschicken zwischen dem Amt für Kultur und dem Amt für Wirtschaftsförderung ein Ende haben könnte. Andere wiederum waren extrem enttäuscht, eben weil sie sich und ihre Vorstellungen in diesen 120 Seiten einfach nicht wiedergefunden haben.

Ich hoffe, Frau Staatsministerin Stange und Herr Staatsminister Jurk, Sie sind sich darüber im Klaren, dass Sie mit der Erstellung dieses Berichtes auch Hoffnungen geweckt haben. Es darf nicht bei einmaligen Kontakten und Gesprächen bleiben. Eine Aufgabe der Untersuchung war es doch auch, dieser Branche bewusst zu machen, dass sie eine Lobby bilden muss, damit sie mit gutem Recht Forderungen an die Politik und die Verwaltung stellen kann.

Zu den Handlungsempfehlungen mehr in meinem zweiten Debattenbeitrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Clemen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass wir die Gelegenheit haben, in diesem Hohen Hause über den Kulturwirtschaftsbericht des Freistaates Sachsen zu sprechen und natürlich auch – das liegt auf der Hand – unterschiedliche Positionen dazu auszutauschen.

„Allgemein ist die Kulturwirtschaft geradezu ein vor allem auch international beachtetes Markenzeichen des Freistaates, das inhaltlich erhalten und künftig unbedingt ausgebaut werden sollte“ – so Andreas Richter von der SLM, SPD-Mitglied. Des Weiteren bemerkt Michael Berninger: „Die kulturelle Vielfalt bleibt das wichtigste Potenzial, und diese Szene braucht Kommunikation und Information, und da haben wir heute schon bessere Instrumente als in München und in Frankfurt“ – so Michael Berninger, Geschäftsführer der Culturträger GmbH und Mitglied von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich denke, das zeigt doch, dass wir in Sachsen in den letzten Jahren schon einiges geschafft haben und uns nicht zu verstecken brauchen, denn Michael Berninger sagt – wohlgemerkt – „bleibt“ und nicht „wird“.

Die Anzahl der Erwerbstätigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft ist von 2,3 % im Jahr 2000 auf nunmehr 2,7 % im Jahr 2006 gestiegen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist mittlerweile die zweitbeschäftigungsinten

sivste Branche in Sachsen – Herr Dr. Gerstenberg erwähnte es – nach dem Maschinenbau.

Aber, meine Damen und Herren, warum nun haben Herr Staatsminister Jurk und Frau Staatsministerin Dr. Stange diese von ihnen kritisierten Punkte herangezogen? Weil es eine Diskussion des Kulturausschusses des Bundestages gemeinsam mit den Kulturausschussvorsitzenden der Länder zum Thema Kreativ- und Kulturwirtschaft in Deutschland gegeben und man sich dort verständigt hat, dass man gemeinsame Kriterien brauche, um eine Vergleichbarkeit dessen, was in den einzelnen Bundesländern in Deutschland stattfindet, zu haben, aber auch um – und nicht zuletzt – gemeinsame Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang wurde Herr Michael Sondermann, der ja an vielen Kulturwirtschaftsberichten der jeweiligen Länder mitgewirkt hat, auch in Sachsen, in den Beirat einbezogen, um genau diese Vergleichbarkeit der Kriterien, die auch diese 17 500 Euro brutto beinhaltet, heranzuziehen.

Die – zumindest weitestgehend – genau definierte Vergleichbarkeit macht es möglich, perspektivisch im Kanon der Länder in Zusammenarbeit mit dem Bund gemeinsame Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Ich will hier ganz dezidiert auch auf die Verdienste von Kulturstaatsminister Bernd Neumann hinweisen. Ihm ist es gelungen, die doch relativ breit auseinanderklaffende Diskussionen zu dem Thema „Was ist eigentlich alles Kreativ- und Kulturwirtschaft, und wohin sollten wir uns entwickeln?“ zusammenzufassen und damit eine Handlungsempfehlung über den Bund mit den Ländern zu entwickeln, um gemeinsam in diesem Bereich voranzukommen, insbesondere auch – und nicht zuletzt – im deutschen Film.

Welche Vorteile, meine Damen und Herren, haben sich in den letzten Jahren insbesondere in Mitteldeutschland ergeben, die wir ausbauen sollten? Es sind dies unter anderem sehr günstige große Hallen aus den ehemaligen Industriebetrieben, die für die Kreativwirtschaft zu günstigen Konditionen nutzbar sind. Es sind dies generell günstige Mieten, hervorragende Kunsthochschulen, günstige Wohnungen, relativ niedrige Lebenshaltungskosten, günstige Atelierkosten usw.

Es ist uns – das sage ich bewusst als Mitglied der CDUFraktion – gelungen, in den vergangenen Jahren den Medienstandort Leipzig hervorragend zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Media City, in der wir morgen unseren Landesparteitag abhalten werden.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Eigenwerbung ist immer gut!)

Die DJ-Szene in Dresden hat sich hervorragend entwickelt. Online- und Internetunternehmen sind insbesondere – Herr Dr. Gerstenberg, Sie hatten es auch schon erwähnt – in Dresden, Chemnitz und Leipzig entstanden und haben sich hervorragend entwickelt. Die Werbewirtschaft ist vorangekommen. Wir haben mittlerweile international

beachtete Designer in Sachsen. Die Baumwollspinnerei ist zu einem Zentrum der bildenden Kunst, und zwar nicht nur sachsenweit, sondern weltweit geworden, und wir beherbergen in unseren sächsischen Landen eine ganze Reihe von viel beachteten Galerien, Ausstellungen und eben auch Kreativen.

Ich würde noch einige weitere Punkte in meinem zweiten Redebeitrag anmerken, aber bedanke mich zunächst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion, bitte; Herr Abg. Külow.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während die Sächsische Staatsregierung den Freistaat gern als permanente Nummer eins der neuen Bundesländer präsentiert, sind wir mit Blick auf die Erarbeitung eines Kulturwirtschaftsberichtes lediglich Vorletzter. Nur Thüringen sah sich bisher nicht in der Lage, ein derartiges Dokument zu erstellen, und immerhin 18 Jahre sind schon ins gesamtdeutsche Vaterland gegangen, seit 1991 Nordrhein-Westfalen diesbezüglich den Startschuss mit dem weiland ersten Kulturwirtschaftsbericht gab, dem inzwischen neun weitere Bundesländer in West und Ost folgten. Aber wie sagt der Volksmund so schön: „Besser spät als nie“ und damit zum Text selbst.

Der vorliegende Kulturwirtschaftsbericht wird von uns explizit begrüßt, wenngleich er an einigen Stellen durchaus einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Das vorgelegte Zahlenmaterial und die einschlägigen Statistiken sind zweifellos eine solide Grundlage und Statusbeschreibung – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. An manchen Stellen hätten wir uns eine kritischere Reflexion der kulturwirtschaftlichen Realitäten im Freistaat gewünscht, darin stimme ich Kollegen Gerstenberg völlig zu. Im Bericht wird zwar die ungefähre Zahl der geringfügig Beschäftigten und Minijobber in der sächsischen Kultur- und Kreativwirtschaft angegeben; die prekäre soziale Situation dieser fast 50 000 Menschen – die Dunkelziffer dürfte sicherlich noch wesentlich höher sein – wird aber leider nicht weiter thematisiert. Die Einkommen der Betroffenen sind beschämend niedrig. Oft müssen sie mit großen Schwankungen kämpfen, und Patchwork – auch dieser Begriff fiel schon – um den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist für viele Akteure an der Tagesordnung.

Um nicht missverstanden zu werden: DIE LINKE erkennt die Bedeutung der Kulturwirtschaft durchaus an und trägt ihr unter anderem dadurch Rechnung, dass sie dieses Thema als einen Förderschwerpunkt in ihrem Landtagswahlprogramm ausweist. Wir werden aber zugleich genau hinschauen, wie die Kulturwirtschaft die Wirtschafts- und Finanzkrise übersteht. Die Zahlen des vorliegenden Berichtes enden bekanntlich 2006. Wie robust die Kul

turwirtschaft tatsächlich ist, wird sich erst noch erweisen müssen.

Schaut man auf ausgewählte Teilmärkte, sind diesbezügliche Befürchtungen durchaus angebracht, wie in der Rundfunkwirtschaft. Ein Parteitag macht noch keinen Sommer, Herr Clemen. Beispielsweise hätte man sich die stärkere Einbeziehung des MDR in die Analyse gewünscht, da der MDR im vergangenen Jahrzehnt viele Aufgaben bewusst outgesourct hatte, um die Medienwirtschaft zu stärken. Da aber in diesem Bereich eine griffige Strategie seitens der Staatsregierung fehlt, die das Wachsen der Medienunternehmen befördert, steht Leipzig eben nicht, wie in den Neunzigerjahren politisch versprochen, auf dem Sprung in die 1. Liga der deutschen Medienstädte, sondern vor dem Abstieg in die 3. Liga.

Auch auf dem Buchmarkt ist Leipzig inzwischen ein marginaler Standort geworden, nachdem viele Verlage mit großem Namen und großer Tradition – ich nenne nur Reclam und Brockhaus – dichtgemacht haben oder weggezogen sind.

Auf die Defizite in der Musikwirtschaft wird in einem zweiten Beitrag der Linksfraktion Frau Kollegin Bonk näher eingehen.

Da die Aktuelle Debatte zu Recht Konsequenzen und aktives Handeln der Politik einfordert, möchte ich aus der Sicht der Linksfraktion einige Anregungen unterbreiten, zumal auch wir unter der Überschrift „Sachsens Kultur- und Kreativwirtschaft stärken“ Empfehlungen aus dem Kulturwirtschaftsbericht 2008 umsetzen und einen entsprechenden Antrag erarbeitet haben.

Um dem Querschnittscharakter der Kulturwirtschaft gerecht zu werden, ist zunächst eine intensivere Zusammenarbeit der beiden betroffenen Ministerien SMWA und SMWK unverzichtbar. Zu empfehlen ist dabei, unbedingt und zeitnah die von den Gutachtern angeregte Arbeitsgruppe „Kulturwirtschaft Sachsen“ einzurichten, um das gewonnene Wissen zu vertiefen und in landespolitische Handlungen zu überführen. Diese Arbeitsgruppe sollte nicht nur interministeriell aufgebaut sein, sondern auch nichtstaatliche Teilnehmer einschließen. Diese Arbeitsgruppe müsste die Förderinstrumente des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit überprüfen, inwieweit sie für Akteure der Kultur- und der Kreativwirtschaft offen sind, und gegebenenfalls spezifische Anpassungen erarbeiten.

Schaut man sich die 13 Förderbereiche des sächsischen Förderprofils 2009/2010 genauer an, wird man unter den titelgebenden Stichworten die Begriffe „Kultur“ und „Kulturwirtschaft“ zunächst vergeblich suchen. Erst im Förderbereich 15 wird man unter dem Oberbegriff „Sonstiges“ beim Unterförderbereich 15 02 – Kunst und Kultur – fündig. Die besagte Arbeitsgruppe könnte gegebenenfalls schnell eine Art Task Force ins Leben rufen, die in engem Kontakt mit Kulturakteuren jedweder Couleur nicht nur eine gezielte Untersuchung durchführt und prüft, inwieweit die Wirtschaftsförderung im Bereich der erwerbswirtschaftlich betriebenen Kultur bereits auf deren

Bedürfnisse zugeschnitten ist, sondern anschließend auch eine Art Schnittstelle bilden, um diese beiden Bereiche besser als bisher miteinander zu verzahnen.

Zu den Themen, die im Kulturwirtschaftsbericht nur angerissen sind und daher unbedingt vertieft werden müssen, zählt zweifellos der Kulturtourismus. Hier gibt es durch die Kontakte zwischen dem Kultursenat und dem Landestourismusverband Sachsen e. V. eine erste Kooperation, an die angeknüpft werden kann, indem zum Beispiel in Sachsen eine gemeinsame Plattform für strategisches kulturtouristisches Marketing geschaffen wird.

Alles in allem wird durch den nunmehr vorgelegten Kulturwirtschaftsbericht eine Botschaft deutlich: Das Kulturland Sachsen ist reicher und vielgestaltiger, als wir bislang wussten. Dieses starke Zukunftspotenzial künftig noch stärker auszubauen sollte für uns alle eine Herzensangelegenheit sein. DIE LINKE wird an dieser Herausforderung gern mitwirken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD, bitte, Frau Dr. Raatz.