Protocol of the Session on May 15, 2009

Das Prinzip „Altersarmut bekämpfen“ heißt für die Linksfraktion erstens – auch wenn Ihnen, Herr Gerlach, dies nicht gefällt – Rücknahme aller Dämpfungsfaktoren, die vornehmlich unter der Schröder-Regierung seit 2001 eingeführt worden sind und die Rentenformel faktisch außer Kraft gesetzt haben. Es handelt sich dabei nicht, wie Sie sagen, um eine Stabilisierung, sondern es handelt sich schlicht und ergreifend um reale Rentenkürzungen, die damit bewirkt wurden; denn in den letzten sechs Jahren ist das reale Rentenniveau in Ostdeutschland um 10 % gesunken.

Und noch etwas das will ich Ihnen sagen: Das, was Sie an Rentensteigerungen ab 1. Juli 2009 beschlossen haben, ist gut. Aber wenn Sie auch beschlossen hätten, dass das Ganze nicht wieder durch eine Fülle von Nullrunden, die wir künftig zu erwarten haben, aufgefressen wird, wäre ich zufrieden, vorher nicht.

Zweitens. Wir wollen schrittweise eine Erwerbstätigenversicherung einführen, in die alle einzahlen, verbunden – auch das sage ich – mit einer schrittweisen Aufhebung der

Beitragsbemessungsgrenze, aber mit einer Deckelung der späteren Rente nach oben hin.

Drittens, Rückkehr zum Renteneintrittsalter 65. Das ist eine Mindestforderung.

Viertens – darüber haben wir lange diskutiert, Frau Schütz – Angleichung des aktuellen Rentenwertes. Wir meinen, Herr Gerlach, das ist bis 2012 möglich. Dabei sage ich, weil das bislang hier keine Rolle gespielt hat: Natürlich müssen die 5 Milliarden Euro aus Steuermitteln finanziert werden. Wir reden hier an anderer Stelle über ganz andere Summen, also muss das auch möglich sein.

Fünftens, Überwindung der Benachteiligung von Frauen. All das haben wir hier gefordert. Ich will Sie nur an den Soziallastenausgleich erinnern, den wir für in der DDR Geschiedene haben wollen. Sie haben gesagt, das sei schlimm. Aber ich erwarte, nachdem Sie unseren Vorschlag abgelehnt haben, von Ihnen einen Vorschlag. Alles andere bringt uns nicht weiter.

Von Belang ist auch, dass wir endlich für alle Kinder Erziehungszeiten von drei Jahren für die spätere Rente anrechnen müssen, nicht nur für die Kinder, die unter BRD-Verhältnissen nach 1992 geboren worden sind.

Sechstens, höhere Einzahlbeträge in die Rentenkasse für Hartz-IV-Betroffene. Ansonsten heißt die Formel in Abwandlung: Hartz IV ist nicht nur Armut per Gesetz, sondern Hartz IV ist auch programmierte Altersarmut per Gesetz. Das muss sich ändern.

(Beifall der Abg. Gitta Schüßler, NPD)

Siebentens. Ja, wir brauchen eine Mindestsicherung für alle Bedürftigen. Ich weiß, dass ich mich da von manchen anderen Positionen in meiner Partei unterscheide. Für mich geht es um eine bedarfsorientierte Mindestsicherung. Diese könnte nach Adam Ries gegenwärtig bei etwa 800 Euro im Monat liegen.

Achtens. Schließlich brauchen wir einen flächendeckenden Mindestlohn, der armutsfest sein muss. Das ist übrigens das, Herr Krauß, was die Rentenkassen hauptsächlich mit stabilisieren würde.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich füge hinzu: Dieser Mindestlohn muss bei 10 Euro pro Stunde in einer 30-Stunden-Woche liegen. Alles andere ist nicht armutsfest.

Aber wir halten das, was die Gewerkschaften und auch die SPD heute wieder gefordert haben, für einen allerersten richtigen Schritt. Dabei dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Wir haben noch sehr viel zu tun, aber es ist nicht hoffnungslos. Wer Altersarmut verhindern will, muss einen Politikwechsel mit herbeiführen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gibt es von den Fraktionen noch Redebedarf? – Wenn das nicht der Fall ist, dann erteile ich Frau Staatsministerin Clauß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Rente ist wieder in den Schlagzeilen. Dieses Mal geht es nicht um sicher oder nicht sicher, dieses Mal geht es um höher oder wenigstens gleich.

Sie erinnern sich vielleicht an die euphorischen Äußerungen vor einigen Wochen. Aufgrund der Lohnentwicklung 2008 konnte die Bundesregierung zum 01.07.2009 die höchste Rentensteigerung seit Mitte der Neunzigerjahre ankündigen. Kurze Zeit später sagten einige Wirtschaftsforschungsinstitute für 2009 einen Rückgang der Löhne und Gehälter voraus. Daraufhin kündigten Bundesarbeitsminister und Bundeskanzlerin an, die bestehende Schutzklausel erweitern zu lassen. Das Ziel war, Rentenkürzungen auszuschließen.

Das Für und Wider dieser von Bundestag und Bundesrat zu beschließenden Gesetzesänderung wird gegenwärtig ausgiebig diskutiert. Wir können den Fraktionen der CDU und der SPD dankbar sein, dass sie mit der heutigen Debatte einen Aspekt in den Blick nehmen, der etwas unterzugehen droht. Es geht nämlich darum, die tragenden Prinzipien unseres Alterssicherungssystems zu erhalten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Unser Rentensystem basiert auf dem Generationenvertrag. Die heutigen Erwerbstätigen und ihre Arbeitsgeber kommen mit ihren Beiträgen für die Altersruhegehälter der heutigen Rentner auf. Diese Beitragsfinanzierung wird durch einen Bundeszuschuss ergänzt, der gegenwärtig mehr als ein Viertel aller Rentenausgaben abdeckt. Unser Rentensystem basiert aber auch auf Vertrauen, auf dem Vertrauen der heutigen Beitragszahler darauf, dass sie im Alter auch eine auskömmliche Rente bekommen, die von den nachfolgenden Generationen finanziert wird. Dieses Vertrauen ist bedroht, weil das System des Generationenvertrages Schwachstellen bekommt.

Ich darf die Fakten noch einmal kurz zusammenfassen.

Erstens. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer hat sich in den letzten 40 Jahren von zehn auf 17 Jahre erhöht.

Zweitens. Der Altersaufbau der Bevölkerung verändert sich. Einerseits nimmt ein alter Menschheitstraum Gestalt an: Wir werden alle älter, und das bei guter Gesundheit. Aber andererseits werden viel zu wenig Kinder geboren.

Drittens. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt.

Viertens. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, die die Grundlage der Beitragszahlung bilden, ging jahrelang zurück. In den letzten Jahren wurde dieser Trend zwar etwas gestoppt,

aber wie sich die aktuelle Wirtschaftskrise auswirken wird, das wissen wir noch nicht.

Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklungen reagiert, indem er ganz bewusst eine Senkung des Rentenniveaus vorgesehen hat. Das Nettorentenniveau vor Steuern betrug 2006 noch 52,5 %, 2030 wird es auf 43 % zurückgehen. Das ist eine Senkung um 17 %. Die Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrenten tun ein Übriges.

Aus diesen Fakten nährt sich das Gespenst der drohenden Altersarmut.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das ist kein Gespenst!)

Leider ist es nicht nur ein Gespenst, lassen Sie mich nur erst einmal ausreden.

Es könnte Realität werden, und zwar für einen wachsenden Personenkreis. Das haben wir gestern schon festgestellt. Allerdings steht die Politik dem nicht machtlos gegenüber. Es werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Die wichtigste ist nicht in der Rentengesetzgebung zu finden, sondern in der Wirtschaftspolitik. Sie muss die Rahmenbedingungen setzen, Beschäftigung sichern und ausweiten. Das ist das A und O einer stabilen Rentenversicherung.

(Beifall bei der CDU)

Akzente brauchen wir auch in der Bildungspolitik, denn eine im Februar 2009 vorgelegte Studie des Ifo-Instituts prognostiziert, dass von der drohenden Altersarmut besonders gering Qualifizierte bedroht sein könnten.

Auch im Rentensystem selbst gibt es verschiedene Stellschrauben, über die diskutiert wird. Ich erinnere an die Frage der Einbeziehung der Solo-Selbstständigen in die Pflichtversicherung bzw. die Frage, wie die Rentenansprüche von Langzeitarbeitslosen oder gering entlohnten Beschäftigten erhöht werden könnten.

Die Staatsregierung ist sich also des Problems bewusst.

Ich warne aber davor, in Panik zu verfallen und Gefahren an die Wand zu malen, die überzogen sind. Horrorzahlen in die Welt zu setzen und Ängste zu schüren, die letztlich nur das notwendige Vertrauen in das Rentensystem untergraben, das ist kontraproduktiv.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Sächsische Staatsregierung setzt sich für eine Problemdiagnose ein, die sich an den berechtigten Interessen der Betroffenen orientiert und frei von ideologischen Vorgaben ist. Auf der Grundlage dieser Problemdiagnose müssen die Optionen systematisch auf ihre Tauglichkeit untersucht werden.

Generationendebatten nützen uns nichts, sie schaffen nur Verwerfungen. Wir brauchen ein Miteinander der Generationen, nicht einen angeheizten Generationenkonflikt. Ich bitte Sie, uns dahin gehend zu unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte abgeschlossen. Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Handeln statt schöner Worte: Konsequenzen aus dem Kulturwirtschaftsbericht ziehen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zunächst erhalten die Antragsteller das Wort, danach gibt es die gewohnte Reihenfolge. Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da aus den Koalitionsfraktionen von CDU und SPD immer wieder mal die Enttäuschung geäußert wird, dass die Opposition nicht stärker die Arbeit der Staatsregierung unterstützt, sage ich es heute gleich vorbeugend am Anfang: Streng genommen folgen wir mit dieser Aktuellen Debatte der Aufforderung der Staatsregierung.

Seit März liegt der erste Sächsische Kulturwirtschaftsbericht endlich vor. Der soll nach dem Bekunden der Auftraggeber SMWA und SMWK dazu beitragen, die Kultur- und Kreativwirtschaft stärker ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Das wollen wir weder den schönen Hoffnungen im Vorwort des Berichtes