Protocol of the Session on January 23, 2009

Eine ähnliche Identitäts- und Stützfunktion hat auch die eigene Sprache, die in diesem Staat aber gering geschätzt wird. Ich erinnere nur daran, dass die Mehrheitsparteien dieses Landtages erst am 11. Dezember 2008 den NPDAntrag ablehnten, das Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Mit Recht!)

Der Philosoph Martin Heidegger nannte die Muttersprache das „Haus des Seins“, und er nannte die Muttersprache „die Behausung, in der der Mensch wohnt“. Wer also die Sprache zerstört, schafft den unbehausten, den entwurzelten, den kulturlosen Menschen, der wehrloses Manipulationsobjekt von Medien, Wirtschaft und Politik wird.

Doch um Sprache, Geschichte und Kultur des eigenen Volkes geht es bei dieser Sprechblasendebatte auch gar nicht. Worum es hier geht, zeigt die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „infodienst“, eines selbsterklärten „Magazins für kulturelle Bildung“. In dessen Januarausgabe, die im Postfach eines jeden sächsischen Landtagsabgeordneten lag, findet sich ein Beitrag unter der Überschrift – Sie hören richtig – „Musterkanaken“. Dort wird ein Interview – ich zitiere die Zeitschrift „infodienst“ – mit dem orientalischen Performancekünstler Hamdi Berdid geführt, der für sein ganz eigenes Projekt zur „kulturellen Bildung“ wirbt.

Er sagt: „Das Projekt Musterkanaken befasst sich mit der Lebenswelt der sogenannten Neudeutschen. Es geht darum herauszufinden, wer und was ein Musterkanake ist.“

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

„Das Projekt zeigt die Gesellschaft aus Sicht der Migranten.“ – Herr Patt, das war nicht von mir. Ich habe nur diesen orientalischen Künstler zitiert.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Es ist bezeichnend, dass die eben zitierte Zeitschrift vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Steuergeld gefördert und unterstützt wird.

(Caren Lay, Linksfraktion: Das ist gut so!)

Ja, natürlich ist das nach Ihrer Philosophie gut. Es versteht sich aber, dass die NPD diese multikulturelle Form der Bildung ablehnt, weil sie kulturfeindlich und identitätszerstörend ist.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Lassen Sie mich mit einem Reim schließen. Sie brauchen aber nicht gleich aufzuheulen; Herr Dulig, auch Sie nicht. Dieser Reim stammt nicht von mir, sondern von dem von Ihnen sicherlich sehr geschätzten Heinrich Heine. Heinrich Heine dichtete 1840: „Türken, Inder, Hottentotten, sind sympathisch alle drei, wenn sie leben, lieben, lachen fern von hier in der Türkei. Doch wenn sie in hellen Scharen, wie die Maden in dem Speck, in Europa nisten wollen, ist die Sympathie schnell weg!“

Mit diesem Heinrich-Heine-Zitat

(Zurufe von der Linksfraktion und der SPD)

ist für die NPD-Fraktion alles gesagt, und es ist vor allem viel mehr gesagt als mit Ihren Sprechblasen zur kulturellen Bildung.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der FDP; Herr Prof. Schmalfuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt die heutige Debatte zur kulturellen Bildung sehr. Wir wollen, dass unsere Kinder Kultur erleben und genießen. Wir wollen, dass der Theaterbesuch für unsere Kinder ein beeindruckendes Erlebnis ist. Wir wollen, dass unsere Kinder gern in die sächsischen Museen gehen. Dabei liegt es sowohl bei den Eltern als auch bei den Kultureinrichtungen selbst, Kinder für Kultur zu begeistern. Mit spannenden und altersgerechten Angeboten können Theater und Museen die Lust an Kultur wecken.

(Beifall bei der FDP)

Eine Herausforderung muss es sein, Kinder auch für die sächsische Geschichte, die sächsische Industriekultur und die sächsische Kunst zu begeistern – wohl wahr, keine leichte, aber eine lohnende Aufgabe. Der Besuch im Museum darf nicht nur ein Pflichtprogramm des regelmäßigen Schulausfluges sein. Der Theaterbesuch muss eine dauerhafte Ergänzung zum Lesen eines Schiller- oder Goethewerkes im Schulunterricht sein.

Aber wie können wir diese Zielsetzungen unterstützen? Natürlich ist das neu aufgelegte Programm der Staatsregierung „Jedem Kind ein Musikinstrument“ dabei ein guter Schritt in die richtige Richtung. Wir begrüßen es sehr, dass mit diesem Projekt jedem Kind die Möglichkeit gegeben wird, ein Musikinstrument auszuprobieren und kennenzulernen.

(Beifall bei der FDP)

Aber auch die Menschen vor Ort in den Museen und Theatern leisten einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung. Allein im vergangenen Jahr haben 20 Museums- und Theaterpädagogen an sächsischen Einrichtungen gute Arbeit geleistet: Mit gezielten pädagogischen Ansätzen setzen sie sich mit Kindern und Jugendlichen über Ausstellungen und Aufführungen intensiv auseinander. Dieses wertvolle Engagement müssen wir stärken. Deshalb spricht sich die FDP-Fraktion auch für die Aufstockung der Stellen von Museums- und Theaterpädagogen an sächsischen Museen aus. Hier ist in den vergangenen Jahren leider nicht viel passiert.

Kultur muss bereits für unsere Kleinsten so spannend wie möglich sein. Eltern, Kitas und Schulen sowie Kultureinrichtungen sind in der Pflicht, hier tätig zu werden. Die FDP-Fraktion wird alle dabei unterstützen, die hier etwas bewegen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist

schon bezeichnend: Wenn eine Debatte zum Thema „Sachsen stärkt kulturelle Bildung“ geführt wird, dann geht es ganz schnell ums Geld. Das ist auch nicht verwunderlich. Unter den Blinden ist bekanntlich der Einäugige König, und jeder Euro mehr, der vom Freistaat für kulturelle Bildung investiert wird, ist besser als das Nichts, das es bisher dafür gab.

Selbstverständlich stimmt das nicht so ganz. Wir haben im Land jetzt schon gute Museums- und Theaterpädagogen, leistungsfähige Volkshochschulen, vielfältige Angebote in soziokulturellen Zentren und Bibliotheken.

(Beifall des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Gerade dort wird die Freude groß sein, wenn die bisherige Arbeit im Ansehen aufgewertet und hoffentlich auch besser ausgestattet wird; denn nun, da es im Landeshaushalt einen extra Titel dafür gibt, werden zu Recht Erwartungen geweckt.

Die Kollegen Hatzsch und Colditz haben bereits über die Bedeutung der kulturellen Bildung im Kinder- und Jugendalter gesprochen. Kulturelle Bildung ist aber eine lebenslange Aufgabe. Sie befähigt die Menschen zum einen, sich selbst künstlerisch zu betätigen, und zum anderen, Kunst und Kultur aufzunehmen. Und es hört nicht damit auf, etwa die Gemälde in der Galerie Alte Meister zu entschlüsseln und zu begreifen oder die Werke neuer Künstler ästhetisch einordnen und beurteilen zu können. Kulturelle Bildung hilft auch, eine eigene kulturelle Identität herauszubilden und sich ihrer sicher zu sein. Mit diesem Rüstzeug ist es viel einfacher, anderen Menschen und anderen Kulturen wirklich offen zu begegnen. Und wer eine solche interkulturelle Bildung hat, der kann auch Hasssprüche, wie sie Herr Gansel gerade wieder abgegeben hat, von sich abprallen lassen.

Die Realität, in der wir leben, auf die wir unsere Kinder vorbereiten müssen, ist aber nicht nur vom Zusammenwachsen der Welt gekennzeichnet, sondern auch dadurch, dass sie immer stärker eine digitale Welt wird, mit einem unglaublich großen virtuellen Leben im weltweiten Netz. Zu einer wirklich umfassenden kulturellen Bildung gehört also heute neben dem Heranführen an das kulturelle Erbe und die kulturelle Gegenwart auch das Vermitteln echter Medienkompetenz für das digitale Zeitalter. Sie geht weit über rein instrumentelle Fertigkeiten des Bedienens hinaus. Auch hier geht es darum, wie im klassischen Teil der kulturellen Bildung zu ordnen und zu bewerten, Oberflächliches, Ablenkendes vom Seriösen zu unterscheiden.

Meine Damen und Herren, wenn wir kulturelle Bildung stärken wollen, dann sollte unser Ziel ganz bewusst kulturelle Bildung für alle sein. Wenn ich, was leider viel zu selten der Fall ist, die Zeit finde, in eine Ausstellung zu gehen, dann sehe ich oft Kinder mit ihren Eltern, Kinder, die auch das museumspädagogische Angebot mit Begeisterung aufnehmen, aber es sind eben Kinder ganz bestimmter Eltern, die so spielerisch und selbstverständlich an Kultur herangeführt werden.

Herr Kollege Colditz, einige Modellprojekte werden uns dort nicht weiterhelfen. Aufgabe von Politik muss es sein, dafür zu sorgen, dass alle Kinder diese Chancen bekommen. Deshalb frage ich das Kultusministerium, warum die Fahrten in Museen oder Theater nicht förderfähig sind, warum Unterrichtsstunden nicht so flexibel angesetzt werden können, dass innerhalb des Unterrichts Museen besucht werden. Es liegt doch weniger an den vorhandenen guten museums- und theaterpädagogischen Angeboten als vielmehr daran, dass in den Schulen andere Prioritäten gesetzt werden, dass die Zeit für einen solchen Besuch oft als verschenkte Zeit angesehen wird. Und es liegt auch daran, dass Eintrittskarten und Fahrtkosten für einige Kinder zum Problem werden.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wenn wir die Schwelle zum Besuch von Kultureinrichtungen niedrig halten wollen, dann müssen wir auch die Eintrittspreise vor allem für Kinder und Jugendliche niedrig halten und beispielsweise auch Tage mit freiem Eintritt einführen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Aus Sicht unserer Fraktion muss es ein zentrales Ziel sein, die Bibliotheken zu stärken. Bibliotheken gehören zu den wichtigsten Orten der kulturellen Bildung, in denen Freude an der Schlüsseltechnik Lesen vermittelt wird und die einen Teil unseres kulturellen Gedächtnisses bewahren. Sie sind übrigens auch Orte, in denen Medienkompetenz gestärkt wird. Unseren Haushaltsantrag dazu hat die Koalition ohne inhaltliche Begründung abgelehnt.

Regierung und Koalition interpretieren kulturelle Bildung im Moment vor allem als musikalische Bildung und kopieren das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“. Wir werden, wie angekündigt wurde, gleich mehr davon hören. Das ist auch keine schlechte Sache, wobei man gespannt sein darf, wie nachhaltig dieses Projekt funktioniert, wie viele und welche Kinder wirklich davon profitieren. Aber besser ein Mehr an musikalischer Bildung als nichts.

Ich vertraue auf die Lernfähigkeit von SMK und SMWK. Vielleicht gibt es irgendwann eine echte sächsische Konzeption zur kulturellen Bildung, wobei ich wiederum den Glauben an Konzeptionen aus dem Haus von Frau Stange ein wenig verloren habe, wenn ich an die längst überfällige Museumskonzeption denke. Es wird immerhin gemunkelt, dass in diesem Geheimpapier auch ein Schwerpunkt auf kultureller Bildung liegen soll.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt handelt es sich bei der kulturellen Bildung um ein Phänomen des lebenslangen Lernens. Nichts hält also uns, den Landtag, nichts hält die Staatsregierung davon ab, neu gewonnene Einsichten umzusetzen. Auch hier gilt: Besser spät als nie!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Clemen, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem, was hier aus der braunen Ecke kam, möchte ich auch einen berühmten deutschen Dichter zitieren, nämlich Wilhelm Busch: „Wenn jeder, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär’, dann irrt sich der.“

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! „Die Einbindung kultureller Bildung in die allgemeine Bildung und die Stärkung kultureller Bildung im Allgemeinen sind von grundlegender Bedeutung für die Entwicklungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Um der Bedeutung von Kunst und Kultur für Individuum und Gesellschaft gerecht zu werden, bedarf es einer Kulturpolitik, die insbesondere den Prozess der kulturellen Partizipation vorantreibt.“ – So der Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages vom 11. Dezember 2007.

Anlass für die Aktuelle Debatte am heutigen Tage sind nicht zuletzt die umfangreichen Anfragen zur Umsetzung des Projekts „Jedem Kind ein Instrument“. Mein Kollege Thomas Colditz hat in seiner Rede schon einige grundsätzliche Darlegungen zu unserem Ansatz für die kulturelle Bildung in Sachsen im Allgemeinen vorgetragen. Ich möchte dem ein Zitat des Sächsischen Musikrates hinzufügen, das, so glaube ich, beleuchtet, dass meine Vorredner zum Teil doch ein klein wenig auf dem Holzweg sind, was den Umfang und die Qualität der kulturellen Bildung in Sachsen bedeutet. Ich zitiere: „Sachsen ist ein Land mit einer hervorragenden künstlerisch-kulturellen Infrastruktur, die grundsätzlich auch die beste Infrastruktur kultureller Bildung bietet. Voraussetzung dafür ist eine nicht selbstverständliche Synergiebildung zwischen den formell und informell kulturell bildenden Institutionen, etwa durch Kooperation zwischen Schulen und außerschulischen kulturellen Einrichtungen vom Profi- bis zum Amateurbereich.“

Der im Dezember verabschiedete Doppelhaushalt hat die Grundlage für das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ als Pilotprojekt geschaffen. Auf Initiative der CDUFraktion und der Koalition wurden für die Jahre 2009 und 2010 jeweils 350 000 Euro dafür in den Haushalt eingestellt. Der Verband Deutscher Musikschulen, Landesverband Sachsen, führt die große Pilotphase in den Schuljahren 2009/2010 bis einschließlich 2011/2012 als innovatives Projekt gemeinsam mit dem SMWK und dem SMK durch. Ziel, auch der wissenschaftlichen Begleitung, ist es, die Frage zu klären, inwieweit es sinnvoll und realistisch ist, JeKI flächendeckend einzuführen und zu prüfen, welche Synergieeffekte zu den, wie ich zitiert habe, bestehenden hervorragenden Angeboten genutzt und ausgebaut werden können.

Im ersten Jahr von JeKI sollen alle Kinder der 1. Klasse der beteiligten Grundschulen erreicht werden und sich in einem sogenannten Instrumentenkarussell möglichst viele Instrumente aneignen bzw. diese kennenlernen. In diesem Prozess sollte sich dann möglichst jedes Kind für ein Instrument entscheiden. Dabei sollte jedoch eine möglichst große Anzahl unterschiedlicher Instrumente gewählt werden, damit ab dem zweiten Jahr ein Gruppenmusizieren und instrumentaler Gruppenunterricht möglich wird.