Protocol of the Session on December 12, 2008

Die FDP-Fraktion erhält das Wort; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus dem Bauch heraus könnte man dem Antrag sofort zustimmen. Wer

kann denn schon dagegen sein, dass alle Kinder von der Kindergelderhöhung profitieren. Nur leider ist es nun mal so, dass wir im Parlament nicht aus dem Bauch heraus entscheiden sollen und dürfen, sondern mit dem Kopf. Deshalb, das sage ich gleich vorab, werden wir Ihren Antrag ablehnen; denn wer für diesen Antrag stimmt, der muss auch die Kindergelderhöhung insgesamt für richtig halten. Doch das, meine sehr geehrten Damen und Herren, tun wir nicht.

Die Erhöhung des Kindergeldes kostet etwa 2,1 Milliarden Euro. Das ist viel Geld dafür, dass die einzelne Familie lediglich pro Kind 10 oder 16 Euro mehr hat. Man darf auch nicht vergessen, dass den Familien das Geld vorher schon über Steuern abgezogen wurde. Ich erinnere nur an die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Wenn wir also 2,1 Milliarden Euro für Kinder in die Hand nehmen – was ich, was wir ausdrücklich begrüßen –, dann sehe ich zuerst Wichtigeres als die Erhöhung des Kindergeldes.

(Beifall bei der FDP)

Wichtiger wäre beispielsweise eine bessere frühkindliche Bildung und Betreuung, denn dafür kann man mit so einem Betrag eine Menge tun. Das käme allen Kindern unmittelbar und unabhängig von der Herkunft zugute. So haben wir in den vergangenen Tagen viel über einen verbesserten Betreuungsschlüssel gesprochen. Mit dem Geld könnte man wohl in ganz Deutschland einen verbesserten Betreuungsschlüssel und auch die Schaffung zusätzlicher Krippenplätze erreichen.

Aber zurück zum Antrag, dass auch Kinder von Hartz-IVFamilien von der Kindergelderhöhung profitieren sollen. Nun möchte ich nur formal darauf hinweisen, dass der Zweck jeweils verschieden ist, und ich möchte noch vielmehr darauf hinweisen, was in diesem Bereich bereits geplant ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich versuche es.

Frau Schütz, es tut mir leid, diese Frage ist grundsätzlicher Natur. Herr Zastrow, Ihr Fraktionsvorsitzender, hat uns heute früh erklärt, dass es das Beste ist, wenn die Menschen das Geld selbst in der Hand haben und entscheiden können, was sie mit dem Geld machen. Sie erklären uns gerade das Gegenteil. Wie kommen Sie damit zurecht? Sie wollen das Geld beim Staat lassen, damit er es für die Kinder ausgibt, was ich gar nicht so schlecht finde. Wie kommen Sie damit zurecht, dass Sie vormittags das eine und nachmittags das andere erklären? Ich verstehe es einfach nicht mehr.

Herr Porsch, dann erkläre ich Ihnen das Ganze. Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass wir das Geld, so wie das System im Augenblick ist, den Eltern bereits abgenommen haben. Ich stehe hier

dafür, dass man damit etwas Besseres machen kann. Mein Fraktionsvorsitzender hat heute Morgen erklärt, dass wir es den Familien gar nicht erst abziehen sollten, damit sie selbst mit dem Geld entscheiden können, ob sie den Krippenplatz, die Tagespflegeperson in Anspruch nehmen wollen oder vielleicht auf eine ganz neue Betreuungsmöglichkeit kommen.

Folgen Sie den Vorträgen in der differenzierten Form, dann merken Sie auch, dass der Fraktionsvorsitzende und ich eine Linie fahren.

(Beifall bei der FDP)

Ich hatte damit geendet, dass wir nicht vergessen dürfen, was schon auf den Weg gebracht worden ist: dass nämlich zusammen mit der Kindergelderhöhung im gleichen Paket auch für die Kinder von ALG-II-Empfängern ein Paket mit 100 Euro pro Schuljahr für Lernmittel geschnürt wurde. Bei aller Kritik, die es daran sicherlich gibt, wurde hier ein Problem erkannt und die Lösung dafür vorgelegt. Des Weiteren gibt es den Beschluss im Sächsischen Landtag, dass der Regelsatz für Kinder endlich auf sachgerechte Grundlagen gestellt wird. Das ist heute schon von den Vorrednern genannt worden. Wir haben uns als FDP-Fraktion dem ausdrücklich angeschlossen, dass wir diese Pauschale von 60 % so nicht mittragen wollen.

Noch etwas an Sie, Herr Neubert. Sie stellen es immer so dar, als wenn Hartz IV etwas Gottgegebenes und für die Ewigkeit Gedachtes wäre. Das ist es eben nicht. Es ist nicht zum Einrichten und es ist auch nicht für die Ewigkeit gedacht. Es sollte ein Übergangsgeld sein und ein Ansporn, die Möglichkeiten zu nutzen, endlich wieder Arbeit zu finden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Aus dem Grunde, dass Sie so einen Verdrängungsmechanismus und den Drang haben, scheinbar noch etwas für die Wählerschicht tun zu wollen, werden wir den Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort; Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es gleich am Anfang: Wir werden diesem Antrag der Linksfraktion zustimmen.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Was mich an dieser Stelle wirklich wundert, ist, dass wir heute die Diskussion zu Kinderarmut führen, obwohl uns das Thema seit Beginn dieser Legislaturperiode beschäftigt. Das geht auf Kosten der Kinder, die nicht in den Genuss der Kindergelderhöhung kommen.

Frau Schütz, natürlich kann man darüber streiten, ob man das Geld an einer anderen Stelle einsetzen will oder nicht und was sinnvoller ist – nur, die Debatte dreht sich gar nicht darum. Wir müssen das Existenzminimum freistellen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, also wird es die Kindergelderhöhung geben. Es ist nur die Frage, ob davon alle Kinder profitieren oder eine bestimmte Gruppe von Kindern nicht. Wenn wir wollen, dass auch die Kinder, die Hartz IV empfangen, davon profitieren, dann müssen wir machen, was die Linksfraktion vorschlägt. Ich werde mich auch nicht an der Diskussion über die Ableitung von Herrn Krauß beteiligen. Nennen Sie es schlicht und einfach vorweggenommene Erhöhung des Regelsatzes oder sonst irgendwie. Da kann man doch einen Dreh finden.

Im Übrigen hat der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Herr Struck, gesagt, dass er über diesen Punkt im Vermittlungsausschuss reden will. Deshalb verstehe ich Ihre Zurückhaltung an dieser Stelle nicht ganz.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und bei der Linksfraktion)

Frau Herrmann, Herr Krauß möchte Ihnen gern eine Frage stellen. Gestatten Sie?

Frau Kollegin Herrmann, haben Sie hören können, dass ich gesagt habe, dass der Existenzminimumbericht auf der einen Seite dazu führt, dass das Kindergeld erhöht wird, und auf der anderen Seite dazu führen wird, dass die Hartz-IV-Sätze auch erhöht werden?

(Heike Werner, Linksfraktion: Wann?)

Ja, das habe ich gehört, Herr Krauß. Unser Antrag, der genau das im Sinn hat und der heute schon von verschiedenen Kollegen zitiert wurde, ist, glaube ich, mehr als ein Jahr alt. Das Problem dabei ist, dass wir die Diskussion ewig führen und dass wir sie vielleicht noch ein oder zwei Jahre führen werden, ehe endlich der Kinderregelsatz kommt und dort nicht mehr 60 bzw. 80 % vom Regelsatz der Erwachsenen angesetzt werden. Also, diese Diskussion läuft schon eine ganze Weile, aber die Kinder haben nichts davon.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass das Peanuts sind. Wenn nämlich Eltern diese 120 Euro oder beim dritten Kind entsprechend mehr einsetzen, dann können sie zum Beispiel ihre Kinder im Sommer an einem Ferienlager teilnehmen lassen. Genau das können sie eben oft nicht, und genau deshalb ist auch dieser zugegebenermaßen nicht besonders hohe Betrag wichtig, und zwar genau für die Kinder, deren Eltern Hartz-IV-Empfänger sind.

Wenn wir uns anschauen, was in letzter Zeit gemacht wurde, auch hier im Zusammenhang mit dem Haushalt, dann sehen wir, dass in dem Paket, das jetzt geschnürt worden ist, der Kinderfreibetrag auch um 200 Euro erhöht

werden soll. Wer profitiert nicht davon? Kinder von Hartz-IV-Empfängern! Über das Kindergeld haben wir eben schon diskutiert. Hartz-IV-Empfänger profitieren nicht davon.

Wenn Sie sagen, im Haushalt seien 5 Millionen Euro für Lernmittel eingestellt, dann sage ich: Eigentlich haben Sie uns immer erzählt, dass wir in Sachsen Lernmittelfreiheit haben. Das ist zwar schön, aber wie lange sollen 5 Millionen Euro reichen?

Also, wir können doch feststellen, dass genau die Kinder, die es am nötigsten hätten, nicht davon profitieren. Deshalb muss man eben an dieser Stelle sagen: Wenigstens jetzt sollte man dazu stehen. Im Übrigen sind die Lebenshaltungskosten in der letzten Zeit so gestiegen, dass mindestens 18 Euro herauskommen müssten, um das zu kompensieren. Und dann überlegen Sie einmal, wann der Eckregelsatz das letzte Mal gestiegen ist! Dadurch wird die Dimension klar.

Also müssen wir an dieser Stelle sagen: Wenn wir wollen, dass alle Kinder davon profitieren, dann müssen wir genau das machen, was die Linksfraktion hier vorgeschlagen hat.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf? – Das sehe ich momentan nicht. Deshalb frage ich die Staatsministerin. – Frau Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich zum Antrag Folgendes klarstellen: Das Kindergeld bezweckt in erster Linie die Steuerfreistellung des elterlichen Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes. Dadurch sollen die mit dem Kind verbundenen wirtschaftlichen Belastungen gemindert und die Familien gefördert werden.

Dies ist bei der Sozialhilfe und bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende anders. Diese Hilfesysteme bilden mit ihren steuerfinanzierten Leistungen gewissermaßen das letzte Netz der sozialen Sicherung. Wenn man dies berücksichtigt, dann muss das Kindergeld als Einkommen angerechnet werden, denn es ist der Familie zufließendes, ihr zur Verfügung stehendes Geld. Das hat auch der Bundesgesetzgeber so gesehen.

Die Einschätzung der Linksfraktion, dass die Kindergelderhöhung als familienpolitische Maßnahme ihr Ziel verfehlt, teile ich mit Rücksicht auf den unterschiedlichen Charakter der Leistungen nicht.

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Aber ob die derzeitigen Regelungen im SGB II und im SGB XII den spezifischen Bedarf von Kindern wirklich erfassen, ist eine durchaus berechtigte Frage, eine Frage, die sich auch die Staatsregierung stellt.

Sachsen hat dies im Bundesrat gemeinsam mit anderen Ländern bereits mehrfach thematisiert und die Bundesregierung dringend aufgefordert, eine Regelung vorzulegen, mit der Regelleistungen bzw. Regelsätze für Kinder unter Berücksichtigung ihres besonderen Bedarfs neu, auch qualitativ neu bemessen werden. Dieses Ziel werden wir selbstverständlich weiter verfolgen.

Die von der Linksfraktion geforderte Erhöhung ist jedoch schon mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Leistungsansätze nicht möglich. Auch die Forderung nach einem Gesetzgebungsvorhaben noch bis zum Jahresende ist zeitlich unrealistisch. Gemeinsam mit den anderen Arbeits- und Sozialministern der Länder hat Sachsen die Bundesregierung bereits Mitte November gebeten, im Gesetzgebungsverfahren zum Familienleistungsgesetz darauf hinzuwirken, dass bis zur Klärung des kinderspezifischen Bedarfs in den Regelsätzen die Kindergelderhöhung im Ergebnis auch Familien mit Bezug von Leistungen aus dem SGB II und dem SGB XII zugute kommt.

(Falk Neubert, Linksfraktion, tritt ans Mikrofon.)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Anschluss schon.