Protocol of the Session on November 12, 2008

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn man sich den Gesetzentwurf der FDP ansieht, der übrigens seit Februar letzten Jahres, also seit 18 Monaten, völlig unverändert geblieben ist, dann erkennt man auf den ersten Blick, dass die FDP „mutig“ entschieden hat, auf die Teilnahme an jeder inhaltlichen Debatte zum Thema seit Februar 2007 ganz offensichtlich zu verzichten, denn der Gesetzentwurf wurde nicht weiterentwickelt.

Im Sommer 2007 gab es einen Hinweis des Sachverständigenrates, wie man das mit dem Ausstieg aus dem Schuldenstaat vielleicht anpacken könnte. Es gibt eine Debattenlage aus den bisherigen Tagungen der Föderalismuskommission II, die in Ihrem Gesetzentwurf meiner Meinung nach unreflektiert ist. Da kann man sich hinstellen, Herr Zastrow, und sagen: Ja, wir hätten das gern einmal über Fraktionsgrenzen hinweg in einer Sache erledigt gewusst. Das Problem ist: Der einzige Sturkopf sind Sie, weil Sie seit 18 Monaten jede weitere Einsicht zu dem Thema verweigern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der FDP-Gesetzentwurf macht nur dann Sinn, wenn parallel dazu auch durchgesetzt wird, dass die Länder Finanzautonomie bekommen. Die Länder können über ihre Einnahmen nicht bestimmen. Solange das nicht geregelt ist, ist eine solche hart formulierte Verschuldungsverbotsvariante, wie Sie sie vorschlagen, eine

Selbstfesselung des Staates. – So viel zum Thema, was Sie von einem starken Staat halten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Dieser Gesetzentwurf ist eine halbe Sache: nicht zu Ende gedacht, seit 18 Monaten qua Debatte unberührt gebliebener Aktionismus. Er hat wahrscheinlich nur einen Pluspunkt aus Ihrer Sicht, der der FDP: Er ist simpel oder – in der heutigen Sprache – bildzeitungsschlagzeilentauglich und damit wahrscheinlich ein Kriterium für Sie. Aber er ist kein seriöses Kriterium für eine seriöse Finanzpolitik.

Sie wollen den Haushalt des Landes Sachsen ungebührlich knebeln. Wenn Sie sich anschauen, wie im Haushalt in Sachsen bereits die Gelder gebunden sind, dann möchte ich Sie einmal ernsthaft fragen: Wenn wir in schwierige Zeiten kommen, werden dann Lehrer kurzfristig entlassen? Ist das dann der Gestaltungsspielraum für die nächste Generation, von dem Sie träumen? Wollen Sie vielleicht für die nächsten Jahre keine neuen Polizisten mehr einstellen? Wollen Sie die Wirtschaftsförderung aussetzen, die Kommunen schröpfen? – Das alles könnte passieren, wenn das Land so stark gebunden ist, wie Sie es vorschlagen.

Der Landeshaushalt ist aber eigentlich wichtig, weil er die Stabilität im Lande verbürgen muss. Er ist das Instrument der Politik für Stabilität im Lande, und es ist überhaupt nicht ersichtlich, warum der Landeshaushalt die Berg- und Talfahrt eins zu eins in jedem Bereich jedes Mal mitmachen muss, wenn die Wirtschaft wieder mal eine ihrer Krisen durchschreitet.

Wirtschaftszentrierter Tunnelblick, meine Herren von der FDP, und wie gesagt, von einem starken Staat halten Sie offensichtlich nicht viel.

Das Haushaltsbegleitgesetz, der Entwurf der Koalition, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Er ist deutlich differenzierter als Ihr Gesetzentwurf – wir werden darüber in den nächsten Wochen debattieren. Aber auch er hat meiner Meinung nach etwas Altbackenes drin: Immer noch mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes argumentieren zu wollen verbietet sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit dem Artikel 115 Grundgesetz. Inzwischen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, ist dieser Artikel unwirksam, denn es wird regelmäßig folgenlos überschritten. Das sollten Sie aus Ihrer Regelung herausnehmen. Man könnte sich vielleicht einigen, dass man konjunkturbereinigte Einnahmen als Maßstab für den Normalhaushalt nimmt und dass wir uns festlegen, dass wir in den Landeshaushalten der nächsten Jahre ein Nullausgabenwachstum haben wollen. Dann können wir vielleicht mehr Gelder einnehmen, die wir in einem Fonds anlegen, ähnlich dem für die Kommunen, und ohne Neuverschuldung konjunkturelle Dellen selbst ausbügeln, obwohl wir als Bundesland die automatischen Stabilisatoren nicht wirklich selbst in der Hand haben. Das wäre eleganter, gleitender und erschüttert nicht immer gleich abrupt die ganze Gesellschaft, wenn die Wirtschaft mal wieder ruckartig und krisengeschüttelt

dahinwackelt. Der Haushalt ist kein Dackel, der der Wirtschaft hinterherhechelt. Da haben Sie eine völlig falsche Wahrnehmung. Es besteht in Sachsen auch keine Not zu dieser harten Variante, wie Sie sie vorschlagen.

Noch ein Wort zu Herrn Kollegen Hahn von der PDS oder DIE LINKE. Herr Hahn, mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie in einem Brief an den Bund der Steuerzahler in einer gewissen Attitüde der Nationalen Front aus früheren Zeiten unter Führung der SED versucht haben, sowohl die GRÜNEN als auch meine Person neben dem DGB für Ihre Haltung zur Verschuldungsfrage in Verpflichtung zu nehmen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ja!)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich in Zukunft nicht in Kollektivverantwortung flüchten und mit falschen Verknüpfungen meinen Ruf schädigen, sondern Ihre politischen Ansichten selbst vertreten und nicht hinter meinem – zugegeben breiten – Rücken Schutz suchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Leichte Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Sie über die veränderten Redezeiten für die Fraktionen informieren: Für die Tagesordnungspunkte 2, 4 bis 6 sowie 12 bis 14 der geänderten Tagesordnung gelten folgende Redezeiten: CDU 96, Linksfraktion 72, SPD 42, NPD, FDP und GRÜNE je 30, die Staatsregierung 72 Minuten und die fraktionslosen Abgeordneten je 5 Minuten.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Debatte fort. Ich bitte, dass ein Abgeordneter der Fraktion der FDP das Wort ergreift. – Es ist wiederum Herr Zastrow; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pecher, Sie haben recht, es stimmt: CDU und SPD haben in den letzten Jahren Schulden getilgt. Offensichtlich haben Sie sich als SPD wieder einmal nicht durchsetzen können.

(Beifall bei der FDP)

Das ist auch der entscheidende Grund und beantwortet, warum wir diesen Gesetzesvorstoß gemacht haben: weil ich Angst davor habe, dass Sie sich irgendwann einmal durchsetzen.

Wir haben es vorhin von Ihrem zukünftigen Partner, den Sie ganz gern hätten, gehört, wie DIE LINKE, wie Herr Bartl das sieht. Genau wegen solcher Personen wie Herrn Bartl und genau wegen seiner Einstellung zur Finanzpolitik brauchen wir ein Neuverschuldungsverbot in der Verfassung, weil wir solch eine Politik mit all ihren Begehrlichkeiten an die Kette legen müssen.

(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Nach dieser Rede, meine geschätzte Kollegin Hermenau, können Sie sich wehren, wie Sie wollen – Sie gehören

auch in dieses Boot. Sie wollen mit den Linken gemeinsam Finanzpolitik machen. Wie das aussieht, hat die SPDBundestagsfraktion selbst durchgerechnet. Wenn ich Herrn Struck glauben kann, kosten beispielsweise alle Vorschläge, die die Bundestags-Linksfraktion gemacht hat, insgesamt 155 Milliarden Euro, ohne jede Gegenfinanzierung. Das ist das, was Sie unter solider Finanzpolitik verstehen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der Linksfraktion und des Abg. Mario Pecher, SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte, Frau Dr. Runge.

Herr Zastrow, ich habe folgende Frage: Könnten Sie uns sagen, mit welchen Finanzmitteln und aus welchen Quellen das von der Bundesregierung verabschiedete Konjunkturprogramm finanziert wird und wie und aus welchen Quellen die Konjunkturprogramme in Großbritannien, in den USA, in Japan, in Italien, in Frankreich, in allen Industriestaaten für die Rezession finanziert werden? Könnten Sie diese Frage beantworten?

Welche Rezession noch einmal genau?

(Heiterkeit)

Dazu gibt es ja ganz, ganz unterschiedliche Meinungen, wenn man die Medien verfolgt.

Ist Ihnen die Prognose des IWF bekannt, die für Deutschland ein Minus des Wachstums von 0,8 % im nächsten Jahr vorhersagt?

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ja, das erschüttert mich auch nicht so sehr.

(Unruhe)

Es gibt sehr unterschiedliche Prognosen. Ich möchte, Frau Kollegin Dr. Runge, Ihre Spannung noch ein wenig anheizen, weil ich auf den Freitag verweisen möchte. Da steht das Thema „Konjunkturprogramm“ auf der Tagesordnung. Es gibt eine Aktuelle Debatte; wenn ich mich nicht täusche, haben die GRÜNEN sie beantragt, und dazu wird Ihnen mein sehr geschätzter Kollege Morlok – den mögen Sie auch und Sie schätzen ihn, ich weiß es – Näheres erläutern.

Ich will Ihnen noch zwei Punkte dazu sagen, Frau Dr. Runge. Punkt eins ist: Wir als FDP halten dieses Konjunkturprogramm, so wie es gemacht wird, in weiten Teilen für falsch und unnötig. Wenn wir es für gut halten würden – so wie es jetzt gepackt ist; ist es aber nicht gut, um das festzuhalten –, könnten wir es trotz Neuverschuldungsverbot finanzieren.

Ich habe vorhin gesagt, unser Gesetzentwurf lässt das Eingreifen bei Krisensituationen explizit zu. Man kann in

Krisensituationen wie der Finanzkrise mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlamentes natürlich alle denkbaren Maßnahmen beschließen. Das heißt, die Hürde, die wir uns auferlegen, ist zwar hoch, aber sie ist nicht unüberwindlich. Wenn es sich um einen nationalen Kraftakt handelt, bin ich mir ziemlich sicher – dazu habe ich eine andere Meinung als Kollege Dr. Rößler –, dass Sie und die Linken mitmachen würden. Beim Hochwasser haben Sie es damals auch gemacht. Deswegen sehe ich schon, dass man in Notsituationen auch die entsprechenden Mehrheiten in einem Parlament hinbekommen könnte.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht noch eine Sache: Herr Dr. Rößler hat mich sehr verunsichert. Das gelingt ihm selten, aber diesmal ist es ihm gelungen, weil ich noch seine Botschaft in der Debatte vom Januar zum Thema Föderalismusreform und zum Neuverschuldungsverbot sehr klar im Ohr habe. Ich habe auch Ihren Kollegen Herrn Flath zitiert und weiß, was Sie mit Ihren CDU-Fraktionsvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt und Thüringen beim letzten Treffen vereinbart haben, was mir alles sehr gut gefällt. Ich habe verstanden, Herr Dr. Rößler, in welcher Bredouille Sie sind, und deswegen akzeptiere und toleriere ich dieses verbale Auf und Ab. Aber ich kann ja in Ihr Herz sehen,

(Oh-Rufe)

und das habe ich getan – ja, Sie haben sich vorhin ein wenig zu mir herübergedreht, da konnte ich es sehen. Tief in Ihrem Herzen, das weiß ich, wollen Sie eigentlich zustimmen. Deshalb sprechen wir im Herbst nächsten Jahres noch einmal neu darüber.

(Oh-Rufe von der CDU – Beifall bei der FDP)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; wird es noch gewünscht? – Dann frage ich die Linksfraktion. – Die SPD? – NPD? – GRÜNE? – Es wird nicht mehr gewünscht. Meine Damen und Herren, damit frage ich die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Minister Unland, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Staatsregierung möchte ich kurz zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen. Der Entwurf zielt auf eine Änderung des Artikels 95 der Sächsischen Verfassung, nämlich die Aufnahme von neuen Schulden zu verbieten.

Das Ziel einer generationengerechten Verteilung der Lasten teile ich. Was wir heute ausgeben, müssen wir auch heute erwirtschaften und dürfen es der zukünftigen Generation nicht als – ich meine das wörtlich – „Mitgift“ hinterlassen.