Protocol of the Session on July 11, 2008

sondern sie lag vielleicht gerade darin, dass sich in der Dresdner „Döner-Szene“ Menschen tummeln, die nun wirklich keine Ministersolidarität verdient haben. Erst am Dienstag dieser Woche schlagzeilte die „Bild“-Zeitung: „Döner-Mann erwürgte seine Geliebte, weil die Dresdnerin keine Lust mehr hatte, seine Zweitfrau zu sein.“ Der Türke Mehmet S. war laut „Bild“-Zeitung ein treusorgender Familienvater, der aber eine deutsche Freundin hatte. Am 27. September 2007 drang er nachts in ihre Wohnung ein und versuchte die schlafende Katharina H. zu erstechen.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Als sie aufwachte und sich wehrte, würgte Mehmet sie vor den Augen ihrer eigenen Tochter zu Tode. Nun steht der Türke, der in Dresden-Reick so brav und vorbildlich Döner verkauft hat, wegen Mordes vor dem Landgericht Dresden. – So viel zu den Folgen der rituell beschwore

nen Toleranz und Weltoffenheit. An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass die Bundesregierung in den Jahren 2001 bis 2006 ganz offiziell 192 Millionen Euro Steuergelder in den Kampf gegen Rechts gesteckt hat.

(Heinz Eggert, CDU: Das ist Schwachsinn! – Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD – Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, von dieser Kollegin bis ans Ende der Tage nicht. Sie dürfen Platz nehmen.

(Beifall bei der NPD – Mehrere Zurufe von der SPD – Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Da der Lärmpegel eben so hoch war, wiederhole ich meinen Satz: Von 2001 bis 2006 wurden offiziell 192 Millionen Euro Steuergelder in den Kampf für Weltoffenheit und gegen Ausländerfeindlichkeit gesteckt. Trotzdem sieht die Mehrheit der Deutschen die Überfremdung kritisch, und trotzdem sind 69 % der jungen Sachsen der Meinung, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt.

(Beifall bei der NPD – Unruhe bei der SPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Weltbürger Jurk kann ja angesichts dieser Befunde noch einen weiteren Solidaritäts-Döner verspeisen: Alle anderen Bürger im Lande sollten, um mit Friedrich Engels zu sprechen, endlich aufhören, „die Narren der Fremden“ zu sein.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU – Michael Weichert, GRÜNE: Aber in den Topf!)

Wird von der FDP-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Ich frage die Fraktion der GRÜNEN. – Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wie könnte Sachsen wieder an seine früheren Erfolge anknüpfen und Toleranz und Weltoffenheit vielleicht neu erlernen und gemeinsam leben? Nun, wir können uns einfach Vorbilder nehmen. Was haben denn die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg aus sächsischer Sicht gemeinsam? Man könnte zum Beispiel sagen: Sie sind Geberländer. Sie haben nämlich so viel wirtschaftliche Potenz und ökonomische Kraft, dass sie Geld in den Finanzausgleich stecken können, von dem Sachsen viel bekommt. Aber sie – Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg – haben auch den höchsten Anteil von Ausländern. Sie haben die höchste kulturelle Vielfalt.

Nun möge doch einer hier behaupten, die Bayern, Schwaben, Rheinländer, Hessen oder Hamburger hätten kein Heimatgefühl und wären völlig überfremdet. Jeder, der mit einem Bayern zusammentrifft, merkt, dass das nicht der Fall ist. Wer sich auf „Phoenix“ die Serie „Janko“ in der Türkei ansieht, der erlebt einen Niederbayern vom Feinsten, auch wenn er türkischer Herkunft ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Kollegin, teilen Sie nach den Ausfällen des Herrn Gansel meine Meinung, dass, wenn die NPD-Fraktion geschlossen einen Einbürgerungstest absolvieren müsste,

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

man danach wahrscheinlich die Hälfte ausbürgern müsste?

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wenn man sich die Reden der Kollegen hier im Landtag anhört, muss man zu dieser Auffassung kommen.

Der besonders niedrige Ausländeranteil in Sachsen von 2,8 % ist ein Hemmnis für Innovationserfolge und wirtschaftliche Kraft hier in Sachsen. Es schadet uns allen. Studenten ausländischer Herkunft haben laut Hochschulforscher Dr. Peer Pasternak in Ostdeutschland ein 70-mal größeres Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden als in Westdeutschland. Im Durchschnitt studieren in Deutschland 15 % ausländische Studenten. In Sachsen sind es 9,1 %; in Dresden 9,8 % und in Chemnitz 6,4 %. Chemnitz ist die Region mit dem größten Fachkräftemangel.

Wenn ich das mit der TU Cottbus vergleiche, um nicht immer nur Westdeutschland zu bemühen, stelle ich fest: Die TU Cottbus hat einen Anteil von 20 % ausländischen Studierenden. Wie machen die denn das? Sie bieten eine viel bessere Betreuung und direkte Ansprechpartner für die Studierenden. Sie bieten Begleitkurse für Integration und Spracherwerb.

In der letzten Haushaltsdebatte haben wir schon einmal über die Internationalisierung an den sächsischen Hochschulen gesprochen. Wir werden wieder einen Internationalisierungsfonds vorschlagen; die nächste Haushaltsberatung ist im Herbst. Ich bitte Sie alle, das diesmal nicht abzulehnen, sondern die Hochschulen in Sachsen dabei zu stärken, hierbei eine Vorreiterrolle einzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine erfolgreiche Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung hängt, wenn man sich das weltweit ansieht, von Talenten, Technologie und Toleranz ab – so hat es Richard Florida zusammengefasst. Der Anteil von Ausländern beim Personal an den sächsischen Hochschulen liegt unter dem

Bundesdurchschnitt. Warum ist das so? Warum müssen wir das so machen? 2007 sind insgesamt nur 466 Hochqualifizierte nach Deutschland aus Nicht-EU-Staaten eingewandert. Die Koalition in Berlin hat jetzt auf Bundesebene beschlossen, für die Einwanderer das Mindesteinkommen von 86 400 Euro auf 64 000 Euro herunterzusetzen. Das ist ja ganz nett; aber wo im Osten, bitte schön, verdienen Fachkräfte 64 000 Euro? Ich denke, wir brauchen für Ostdeutschland eine Sonderregelung, die ein deutlich niedrigeres Einstiegseinkommen vorsieht, damit wir unser Ziel erreichen können.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Wir brauchen diese ausländischen Fachkräfte. Wir brauchen diese Hochqualifizierten, und nicht jeder von ihnen wird ein Einstiegsgehalt von 64 000 Euro bekommen. Dafür müssen wir uns etwas einfallen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Ein vereinfachtes Verfahren mit der Vorrangprüfung, die entfällt, gibt es bereits für Maschinenbauer und Elektroingenieure. Das ist für Sachsen sehr wichtig und gut. Da sollte man, meiner Meinung nach, noch mehr Mut beweisen. Die gesamte Regelung auf Bundesebene beweist zu wenig Mut. Das bezieht sich vor allem auf die neuen EUMitglieder. Ich finde das zu begrenzt. Es ist auch begrenzt auf Akademiker. Das halte ich auch für falsch. Und es ist zu spät. Die Briten und die Iren haben bereits fast das gesamte Potenzial für Zuwanderung für sich abgeworben. Wir Deutschen haben das verpennt, aus unserem Größenwahn heraus. Das ist der schlimmste ökonomische Fehler, den wir in letzter Zeit gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – SPD-Fraktion? – Dann die Linksfraktion; Frau Köditz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor acht Jahren wurde der Aufstand der Anständigen ausgerufen. Er fand und findet tagtäglich statt. Allen daran Beteiligten gilt unser Dank, und es sind sehr viele in diesem Land.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Das Programm „Weltoffenes Sachsen“ leistet für dieses Engagement einen entscheidenden Beitrag. Aber: Lob für Programm und Kritik am Anstieg rechtsextremer Tendenzen in Sachsen sind für die heutige Debatte zu wenig. Angesichts des Aufstandes der Anständigen frage ich ganz einfach: Wo bleibt endlich der Aufstand der Zuständigen? Oder sieht dieser Aufstand der Zuständigen so aus, dass eine Initiative, die sich für Opfer rechter Gewalt einsetzt, einfach vor dem Aus steht?

Herr Dr. Martens sprach vorhin davon, dass diese Woche in Görlitz Initiativen ausgezeichnet wurden. Ja, auch AMAL gehörte zu den Ausgezeichneten, ausgezeichnet

vom Bundesbündnis für Demokratie und Toleranz für ihr Engagement. Kaum eine andere zivilgesellschaftliche Initiative wurde hier im Landtag von der NPD so oft angegriffen wie AMAL. Aber die Förderpolitik der Sächsischen Staatsregierung beendet die hochprofessionelle Arbeit von AMAL.

Wir, DIE LINKE, wünschen allen bei AMAL Aktiven viel Kraft, um die Arbeit ehrenamtlich fortzusetzen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich frage weiter: Wo bleibt der Aufstand der Zuständigen? Ich wollte Frau Orosz heute– sie ist leider nicht da – zu folgendem Sachverhalt fragen: Wir als Linke unterstützen ihr Engagement zum Wohle von Kindern. Aber was sagt sie eigentlich dazu, dass es zu Pfingsten zu einem Rettungseinsatz mit zwei Notarztwagen, fünf Rettungswagen und einem Krankentransportwagen kam, weil bei sieben Kindern Verdacht auf Kreislaufdysregulation aufgrund von Dehydrierung bestand? Der Notruf ging 10:47 Uhr ein. Es war also nicht irgendwann nachmittags, in der größten Pfingsthitze, sondern vormittags.

(Jürgen Gansel, NPD: Ist daran auch die NPD schuld?)

Welche Formen von „Körperertüchtigung“ zur „Wiederbelebung von Elitegeist und Volksgemeinschaft“ hat sich da die rechtsextreme Heimattreue Deutsche Jugend in ihrem Pfingstlager in Koltzschen bei Zschadraß für die Kinder einfallen lassen, sodass sieben Kinder zusammengebrochen sind und notärztlich versorgt werden mussten?

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist der Zynismus der Nazis!)

Wir, DIE LINKE, erwarten ganz einfach, dass alle Bereiche der Staatsregierung ihrer Zuständigkeit nachkommen. Die Heimattreue Deutsche Jugend ist aus unserer Sicht eine Nachfolgeorganisation der verbotenen WikingJugend. Wir erwarten diesbezügliche Aktivitäten.

Herr Buttolo, sowohl im Osterlager im Vogtland als auch im bereits erwähnten Pfingstlager dieser HDJ – und dafür liegen Ihnen Beweise vor – wurde gegen das Uniformverbot verstoßen. Wir fragen: Was wird endlich getan?

Der Aufstand der Anständigen ist da. Er wird begleitet von Fördermaßnahmen. Aber ohne die Wahrnahme von vorhandenen Rahmenbedingungen des Staates droht der Aufstand der Anständigen ganz einfach ins Leere zu laufen.

Einer der größten CD-Versandhandel hat seinen Sitz in einer westsächsischen Kleinstadt. Es gibt sehr viel Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gegen diesen Laden. Aber der Betreiber baut mal schnell – schwarz und ohne Genehmigung – etwas an. Was passiert im Endeffekt? Er muss 500 Euro Strafe zahlen, der Bau bleibt stehen. Wie viele andere Schwarzbauer müssen ihre Anbauten abreißen?

Ich könnte weitermachen, zum Beispiel was die Kosten für den „Zug der Erinnerung“, einer hervorragenden Initiative, betrifft. Ich kann nur eines sagen: Wir sind alle aufgefordert, sowohl in Verantwortung, aber auch im Alltag etwas für die Zurückdrängung der extremen Rechten zu tun.