Protocol of the Session on September 15, 2006

Wir müssen uns allerdings auch fragen - deshalb sind wir auch für die Ausschussüberweisung -, ob wir als Land Schleswig-Holstein der richtige Akteur sind. Die Bundesebene ist schließlich sehr groß und wir als Bundesland - die föderative Ordnung ist ja auch eher eine Ausnahme im europäischen Konzert - sind nicht der Akteur, der in erster Linie gefragt ist. Trotzdem können wir sicherlich etwas beitragen.

Wir sollten auch nicht glauben, dass diese Idee des Nachdenkens über Europa auf ein Memorandum begrenzt sein muss. Vielmehr ist es eine Daueraufgabe.

Was wir auch nicht tun sollten - das ist sicherlich nicht die Intention des Antrages, aber ich möchte es trotzdem betonen -, ist, die europäische Arbeit, die jetzt schon geleistet wird, zu diskreditieren. Das ist - wie gesagt - sicherlich nicht die Intention.

Es gibt viele Menschen, die sich damit beschäftigen. Auch die Kollegen aus dem Europaausschuss ich denke zum Beispiel an die „Europawoche“ und andere Veranstaltungen - sind in diesem Bereich schon sehr aktiv. Wir müssen das alles nur noch einmal auf die Beine stellen und so verstehe ich den Antrag. In dieser Hinsicht könnte ich ihm auch zustimmen.

In der Ausschussarbeit müssen wir darüber diskutieren, ob diese fünf Fragen die richtigen sind. Die Veröffentlichungen, die zur dänischen „Denkpause“ gemacht wurden - diese gibt es übrigens auch auf Englisch -, sind sehr interessant und kommen zu durchaus guten Ergebnissen. Eines lässt sich dabei deutlich feststellen: Immer dort, wo Europa ganz konkret wird, kann man die Menschen mitnehmen. Wir müssen versuchen, grundsätzliche Fragen, wie man beispielsweise die Bürgerbeteiligung stärken kann, runterzubrechen, sodass es die Menschen nicht nur verstehen, sondern dass sie auch merken, dass es sie betrifft. In diesem Sinne sollten wir diese Fragen erörtern.

Die Bürgeranhörung in Dänemark ist ein wirklich gutes Beispiel. Ob wir als Land das leisten können das habe ich eben schon gefragt -, muss man sehen. Dänemark ist ein gut organisiertes Land, das gleichzeitig internationaler Akteur ist. Dort hat es sich geradezu angeboten.

Wenn wir es auf schleswig-holsteinischer Ebene machen, müssen wir uns fragen, ob es repräsentativ sein kann. Sind wir als Land der richtige Adressat und Akteur? - In anderen Teilen Deutschlands verbindet man nämlich ganz andere Assoziationen mit der EU. Dort hat man ganz andere Probleme und Vorteile im Grenzgebiet; ich denke hierbei an die

(Anke Spoorendonk)

tschechische oder polnische Grenze. Auch dies müssen wir berücksichtigen, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir könnten hier diese nationale Arbeit leisten.

Natürlich gibt es auch Befürchtungen in Bezug auf einen großen organisatorischen und finanziellen Aufwand; Sie haben dazu schon Vorschläge unterbreitet. Wir sollten im Ausschuss kreativ sein und nach Mitteln und Wegen suchen, um den Landtag nicht zu überfordern und gleichzeitig die finanziellen Belastungen - darüber muss man in diesen Tagen immer reden - so gering wie möglich - am besten bei null - zu halten. Wenn uns dies im Ausschuss gelingt, dann können wir als CDU mit der Intention dieses Antrages sehr gut leben und ihn unterstützen. Denn die Idee dahinter ist gut. In diesem Fall - das gilt nicht für alle Fälle - können wir von Dänemark sicherlich etwas lernen.

(Beifall bei CDU und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Niclas Herbst für die weitgehend frei gehaltene Rede. Ich möchte einmal sagen dürfen, dass das unserer Geschäftsordnung entspricht. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun der Frau Abgeordneten Astrid Höfs das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag steht in der Reihe der Anträge zur EU-Verfassung. Er ist eine weitere Aufforderung, sich intensiv mit der Debatte um die Zukunft eines der wichtigsten europäischen Projekte zu befassen. So weit, so gut. Trotzdem empfehlen wir die Ausschussüberweisung, da es einige Formulierungen gibt, die der Diskussion und der näheren Erläuterung bedürfen.

Dies gilt zum Beispiel für die Frage der offensichtlich umfassend gemeinten Finanzierung von Veranstaltungen zur Verfassung. Wie dies gemeint ist, müssen wir klären.

In diesem Zusammenhang ist auch die Koordinationsfunktion des Europaausschusses zu klären. Der Ausschuss ist zwar das europapolitische Forum der parlamentarischen Arbeit, Funktionen aber, die über die parlamentarische Arbeit hinausgehen, kann der Ausschuss nur schwer übernehmen; auch dies sollte in der Ausschusssitzung geklärt werden.

Generell begrüßen wir von der SPD jeden Antrag, der eine offensive Behandlung der Verfassungsfrage zum Inhalt hat. Ich will mich an diesem oft zi

tierten Wortspiel um die Pause zum oder im Denken nicht beteiligen. Richtig ist nämlich eines: Nach der sehr innovativen Diskussion im Verfassungskonvent über die Inhalte ist die Debatte über die Zukunft der Verfassung längst eine eigene geworden. Viele Gremien, Verbände, Europapolitiker, die Europa-Union überlegen, wie es weitergehen soll. Das ist angesichts des Krisengeredes schon ein Fortschritt. Und es ist deutlich zu sagen: Über die Inhalte und die Form können wir streiten, aber die Notwendigkeit einer EU-Verfassung ist ganz klar und darüber ist nicht zu streiten. Wir brauchen einen Werte- und Rechtsrahmen, wenn aus der Idee der europäischen Integration Wirklichkeit werden soll, und zwar eine Wirklichkeit, die nicht nur zukünftige Krisen aushält, sondern auch entschärft. Dazu bedarf es der EU-Verfassung. Längst liegen auch schon diverse Modelle einer veränderten Verfassung vor und es ist zu begrüßen, dass auch das Europäische Parlament die Verfassungsfrage wieder auf die Agenda gesetzt hat.

Ohne hier schon Vorfestlegungen anzustellen auch darüber können wir im Ausschuss diskutieren -, erscheint uns folgende Variante sinnvoll: Die vorliegende Verfassung, die ja ein Verfassungsvertrag ist, könnte in zwei große Bereiche geteilt werden, in einen Grundwerte- und einen Verfahrensteil. Erster enthält mit der Kodifizierung der Menschen- und Bürgerrechte alle Kriterien für eine echte Verfassung und es ist davon auszugehen, dass dieser Teil auf die große Zustimmung der Bürger stoßen wird. Der zweite Teil enthielt dann - allgemein gesagt - die Geschäftsordnungsvorschriften, also die Verträge, die organisatorischen Regelungen und Teile der Zuständigkeits- und Kompetenzordnung enthalten.

Diese Zweiteilung könnte dann auch das Problem der negativen Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden lösen helfen. Dort würden die Bürger in einer neuerlichen Abstimmung, die es dort geben müsste, ihr Votum zu den Bürger- und Freiheitsrechten abgeben, damit also über eine andere, aber auch nicht eine gänzlich neue Verfassung votieren.

Die Vorbereitungen laufen in Europa schon. Wir wissen, dass die finnische und auch die deutsche Ratspräsidentschaft mit hohen Erwartungen an den Verfassungsprozess belastet sind. Ich denke aber, dass gerade die Finnen, die sich mit der Idee der Nördlichen Dimension in Europa einen guten Namen gemacht haben, und die Bundesrepublik die richtigen Makler für Europa sind.

Das Minimum der Erwartungen ist, dass im ersten Halbjahr 2007 ein allgemein akzeptierter und damit

(Niclas Herbst)

mehrheitsfähiger Weg zur Verfassung entwickelt ist. Daran wollen wir teilhaben. Deshalb müssen wir weiter europapolitisch offensiv sein. Der vorliegende Antrag ist ein weiterer Anstoß, die Debatte auch auf Landesebene zu intensivieren. Ich denke, wir werden im Ausschuss eine gute Lösung finden und das ausdiskutieren. Ich bitte um Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Höfs. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von den EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Denkpause in Sachen EU-Verfassungsvertrag ist in Wahrheit eher eine verlängerte oder in die Länge gezogene Gedenkminute. Eigentlich wissen inzwischen alle, dieser Verfassungsvertrag ist mausetot, in der vorliegenden Form wird er auch nicht wiederbelebt werden können. Deshalb ist es richtig, auch angesichts der Tatsache, dass die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gezeigt haben, wie tief die Kluft ist, die inzwischen die Bürger und die politischen Eliten in Sachen Europapolitik voneinander trennt, nun zu versuchen, einen offenen Dialog einzufordern, mit einer breiteren Bevölkerungsgruppe über die Frage zu beleben, wie es in der Europapolitik weitergehen soll, wie es in der EU weitergehen soll.

Deshalb geht der Antrag des SSW - wie ich finde im Prinzip auch in die richtige Richtung. Er ist in einem Teil aber etwas zu bombastisch - ich will es einmal so ausdrücken -, wenn wir sagen - in dem einen Punkt auf der zweiten Seite steht das so -, wir beginnen eine Diskussion am 1. Januar 2007 und die endet dann zu einem bestimmten Termin im Mai 2007. Ich finde, so kann man nicht an das Thema herangehen. Das ist schlicht und ergreifend eine Vorgehensweise wie in der Schule. Ich setze einmal das Thema X von dann bis dann auf den Lehrplan, diskutiere das mit allen Bürgern und ziehe dann meine Schlussfolgerungen. Von der Anlage her ist das, was unter Nummer 4 im Antrag steht, schlicht und ergreifend so nicht machbar.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns vor allem im Ausschuss Gedanken darüber machen: Wie erreichen wir, dass zu den

Veranstaltungen, zu denen wir einladen wollen, auch zu Bürgeranhörungen, wirklich mehr Leute kommen als die, die ohnehin immer dann kommen, wenn wir zu entsprechenden Veranstaltungen den Europaverteiler der Landtagsverwaltung aktivieren, die Briefe oder die E-Mails hinausschicken?

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist doch die entscheidende Frage. Wir dürfen bei diesem Thema nicht sozusagen im eigenen Saft schmoren und uns hinterher auf die Schulter klopfen, welch tolle Diskussion wir über die Zukunft der EU geführt haben. Die entscheidende Frage also ist, wie man das Thema wirklich in die Breite bringt. Darüber sollten wir im Europaausschuss noch einmal intensiv reden.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir können diesem Antrag nicht zustimmen. Die Denkpause, die die EU beschlossen hat, aktiv zu nutzen, ist selbstverständlich richtig. Dafür allerdings größere Ressourcen zu mobilisieren, halten wir nicht für gerechtfertigt. Es gibt - Herr Kollege Klug hat das eben schon ausgeführt - solche Veranstaltungen bereits. Ich habe als europapolitischer Sprecher solche Veranstaltungen durchgeführt. Ich kann Ihren Eindruck voll unterstreichen, die Resonanz auf solche Veranstaltungen ist relativ bescheiden und es ist ein Inner Circle, das heißt, es kommen immer die gleichen an europapolitischen Fragen interessierten Menschen.

Wer dies überwinden will - das ist ja ehrenwert -, muss dann allerdings eine richtige Kampagne starten mit Anzeigen et cetera. Das wäre wünschenswert, aber ich will an dieser Stelle deutlich sagen, es wäre nicht bezahlbar. Ich habe auch den Eindruck, dass der SSW hier ein klein bisschen seinen Europaskeptizismus durch die Hintertür zur Sache des Landes machen möchte. Dies war und ist immer noch eine Minderheitenposition hier im Haus.

Im Gegenteil, der Landtag hat sehr einmütig und deutlich ein Bekenntnis zur Verfassung für Europa beschlossen. Sie erinnern sich, Herr Kollege Ritzek hat damals - die meisten werden das noch im

(Astrid Höfs)

Kopf haben - einen Beschluss zur Aufnahme eines Gottesbezuges in die europäische Verfassung analog zum Grundgesetz initiiert. Das fand hier damals auch eine Mehrheit. Ich kann heute nicht erkennen, dass sich an der Position des Landtages etwas geändert hätte.

Der Zuspruch, den das europäische Projekt viele Jahre hatte, ist in vielen Ländern teilweise einer Skepsis gewichen. Die ablehnenden Volksvoten zum Beispiel in Frankreich und Holland haben eine zügige Umsetzung der europäischen Verfassung verhindert. Wirtschaftliche Veränderungen in europäischen Ländern, auch in Deutschland, Arbeitsplatzverluste, Lohnsenkungen, Verschlechterungen in der Arbeitswelt, das Abwandern von Firmen in neue Beitrittsländer, das Steuerdumping dort und vieles mehr, auch Größe, Sprache und Kulturvielfalt haben zu Verunsicherungen geführt. Vieles wird zum Beispiel ausländischen Arbeitnehmern angelastet, die aus den neuen Ländern kommen.

Umgekehrt sind in den neuen EU-Ländern ebenfalls Ängste und Skepsis gewachsen. Politische Kräfte haben die Leichtigkeit entdeckt, auf der antieuropäischen Welle zu reiten. Darunter hat das politische Klima in der EU sehr gelitten. Mit Sorge betrachten wir die Zunahme nationalistischer Kräfte in Regierungen, zum Beispiel in Polen, aber teilweise auch in Dänemark. Ich glaube aber und bin mir da sehr sicher, das wird langfristig überwunden. Der europäische Prozess, den wir vom Grundsatz her sehr positiv sehen, ist nicht aufzuhalten. Er ist ein Langfrist-Prozess. Ich möchte an dieser Stelle anlässlich der Diskussion über die europäische Verfassung noch einmal die Gelegenheit ergreifen zu betonen, dass aus unserer Sicht der Euratomvertrag endlich beseitigt werden muss. Er gehört nicht in den Anhang einer europäischen Verfassung, sondern auf den Müllhaufen der Geschichte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Matthiessen. Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat nun Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Bemerkungen möchte ich trotzdem noch machen. Ich verstehe die Bedenken des Kollegen Klug, wenn er sagt, ihr habt hier einen Plan vorgelegt, den kann man so nicht umsetzen. Das akzeptiere ich. Das kann man diskutieren. Ich finde, das

sind konkrete Bedenken. Ich will hinzufügen, wir haben dies so konkret ausformuliert, weil es unserer Meinung nach ein Vorteil ist, es konkret zu machen. Da steht ja nicht, dass das Denken am 1. Mai 2007 aufhören soll. Das steht nicht im Antrag. Es ist ein Projekt, um etwas in Gang zu setzen. Man kann sagen, der Vergleich mit der Schule mag stimmen, aber ich finde, dieser Vergleich hinkt auch. Wir wollen gern die breite Diskussion haben. Das ist die Intention dieses Antrages. Es ist ein völlig offener Antrag und ein konstruktiver Antrag. Richtig ist natürlich, was Herr Kollege Herbst sagt: Die Inspiration ist durch die Bürgeranhörung in Dänemark gekommen. Das war eine großartige Erfahrung. Ich habe den Videofilm dazu gesehen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Wenn man Leute motivieren kann, sich dazu zu äußern, sorgt es wirklich dafür, dass wir alle weiterkommen.

Ich komme jetzt zu den Ausführungen des Kollegen Matthiessen. Man kann Anträge immer wie der Teufel die Bibel lesen und ich denke, das ist hier geschehen.

(Beifall bei SSW und FDP - Heiterkeit)

Man kann sich den Antrag ansehen und dann das nehmen, was man über den SSW und die EU meint und mit dem weitermachen, was man im Übrigen auch immer noch einmal sagen wollte. Ich finde nicht, dass das ein stringenter Beitrag war. Ich bin ein bisschen sauer.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])