Ich habe heute einen sehr interessanten Kommentar dazu gelesen. Der besagt nämlich, dass dieses Thema jetzt so populär ist, hat auch damit zu tun, dass Frauen sich schlicht verweigert haben, Kinder zu bekommen. Ich finde, dieser Aspekt ist auch ein interessanter in der Debatte. Denn wenn Frauen in den letzten Jahren mehr Kinder bekommen hätten oder Männer mehr Kinder gewollt hätten, dann hätten wir wahrscheinlich gar nicht diese heftige Diskussion um die Notwendigkeit und Vereinbarkeit von Frau und Beruf. Insofern gibt es viele Aspekte.
Meine Redezeit ist leider fast zu Ende. Ich glaube, dass wir über das Thema Elterngeld, Betreuungsfreibeträge und kostenlose Kindertagesstätten noch eine ganz intensive Debatte führen sollten. Denn das, was jetzt passiert, dass für die Infrastruktur Kindertagesstätte wenig Mittel bereitgestellt werden und über Betreuungsfreibeträge und Elterngeld wieder mehr in die Familie, noch dazu in die besserverdienenden, geschoben werden soll, das finde ich im Grundsatz falsch. Ich wäre froh, wenn wir uns einmal mit dieser Thematik beschäftigen würden, wie wir den Schwerpunkt zukünftig für die institutionelle Förderung des Kindes fokussieren könnten. Denn damit wäre uns allen gedient.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Für den SSW hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Thema Familienverträglichkeit zeigt uns gerade die Bundesregierung, wie man es nicht machen sollte: nämlich ein Gesetz verkünden, im Koalitionshickhack verwässern, um es dann mit der Gießkanne über das Land zu geben. Davon einmal abgesehen, dass man erst die Kosten für die Kinderbetreuung hat und sie dann via Steuererklärung geltend machen kann und dass das ein unnötig kompliziertes Verfahren ist, ist es auch noch ungerecht.
Für Großverdiener springt dabei nämlich mehr heraus als für Normalverdiener. Diejenige Familie, in der beide Erwachsene nicht nur arbeiten wollen, sondern auch Arbeit finden, bekommen Steuerge
schenke, vorausgesetzt das Einkommen ist entsprechend hoch. Ganz anders die Familien, in denen ein oder beide Partner arbeitslos sind oder sich ein Partner bewusst dafür entscheidet, zu Hause zu bleiben. Für diese Familien sieht das Berliner Modell überhaupt keine Entlastung vor. Kein einziger Cent, der durch Kinderbetreuung entsteht, soll so eine Familie per Steuererklärung absetzen können. Dabei müsste es genau anders herum sein: Die gut verdienenden Familien müssten geringer entlastet werden und diejenigen mit geringem Einkommen mehr entlastet werden. Das wäre sozial gerecht.
Diese Familienpolitik bringt überhaupt nichts. Sie ignoriert das, was sich erst mühsam nach dem PISA-Schock als Ergebnis durchgesetzt hat: Kinder, die qualifiziert in Krippe oder Kindergarten betreut werden, erhöhen ihre Chancen in der Schule. Das ist vor allem für Kinder aus sozial schwachen Familien immens wichtig. Gerade die profitieren überhaupt nicht von dem Steuerabschreibungsmodell der CDU-Familienministerin. Insofern kann ich, das muss ich ganz ehrlich sagen, das Lob der Grünen überhaupt nicht teilen.
So ähnlich fällt unser Urteil zur vorgeschlagenen Familienverträglichkeitsprüfung bei Verordnungen und Gesetzen aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass es keiner einzigen Familie in Schleswig-Holstein besser gehen wird, nur weil sich viele Stellen vorher anschauen, ob ein Gesetz familienverträglich ist oder nicht. Dieser erhöhte bürokratische Aufwand verschlingt außerdem Geld. Denn den Mehraufwand bezahlt der Steuerzahler. Mehr Bürokratie und höhere Ausgaben. Das Ziel der Familienverträglichkeit wird überhaupt nicht erreicht. Im Gegenteil, passieren alle Gesetze die Familienverträglichkeitsprüfung, dann wird falsche Sicherheit suggeriert. Familienpolitisch Neues ist mit der Prüfung nicht notwendigerweise verbunden. Man ruht sich dann aus oder lehnt sich zurück, weil man ja alle Gesetze auf die Familienverträglichkeit hin überprüft hat. Wozu dann noch eine eigenständige Familienpolitik führen?
Was sich ändern muss, sind Strukturen, nicht Formulierungen im Gesetz. Dem SSW liegen dabei vor allem die Kleinsten am Herzen. Die Zahl der Krippenplätze muss umgehend gesteigert werden, damit auch Kinder, die jünger als drei Jahre alt sind, eine Chance auf qualifizierte Betreuung haben und ihre Eltern wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
Erst wenn in Schleswig-Holstein flächendeckend Krippenplätze angeboten werden, sind wir familienpolitisch wirklich einen Schritt weiter gekommen. Also, wenn man schon Geld einsetzen will und Steuergeschenke sind ja auch Geld -, dann sollte man das Geld in die Kinderbetreuung stecken. Das Ziel einer familienfreundlichen Politik muss es sein, Kindergartenplätze so preiswert wie möglich zu machen. Das ist Familienpolitik ohne Umwege.
Da teilt der SSW durchaus die Anregung aus Berlin für die kostenfreie Kinderbetreuung. Kindergartengebühren können für einige Eltern eine Hürde darstellen. Sie lassen ihr Kind lieber zu Hause, anstatt den für sie entwürdigenden Gang zum Sozialamt zu wagen. Das würde eine kostenfreie Betreuung verhindern. Andererseits würde die Gesellschaft mit kostenfreien Kindergärten klar Flagge zeigen. Betreuung und qualifizierte Pädagogik für die Kleinsten ist genauso kostenfrei wie das Studium für die jungen Erwachsenen. Beides ist gleichrangig und für beides muss man zuerst Geld ausgeben, bevor man es in solche Projekte wie hier steckt.
Aber auch die Unternehmen müssen umdenken. Unsere Gesellschaft braucht familienfreundliche Arbeitszeiten, flexible Strukturen und nicht zuletzt eigene Betreuungsangebote der Betriebe. In einigen Jahren werden wir durch den Geburtenrückgang massive Rekrutierungsprobleme in den Betrieben beobachten. Dann kann man nicht mehr auf hochqualifiziertes Personal verzichten. Dann wird Familienfreundlichkeit selbstverständlich werden. Die Betriebe sind aber von der Familienverträglichkeitsprüfung gar nicht betroffen, sondern es geht im Regelfall nur um Gesetze und Verordnungen.
Noch ein letzter Punkt: Gesetze kann man auf alles Mögliche hin prüfen. Je mehr Punkte aber geprüft werden, desto mehr verliert jeder einzelne an Bedeutung. Damit kann eine geplante Familienverträglichkeitsprüfung möglicherweise sogar die Erfolge in Sachen Gender Mainstreaming gefährden. Ich denke, dass das wirklich niemand will.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Es gibt viele wichtige politische Ziele, die wir als Parlament in unseren Entscheidungen berücksichtigen müssen. Das tun wir auch. Denkt man das ganze zu Ende, müssten man jedes Ziel institutionell in eine Gesetzesprüfung und in eine Verordnungsprüfung aufnehmen: Umweltfreundlichkeit, Wirtschaftsfreundlichkeit, Integrationsfreundlichkeit, soziale Gerechtigkeit und vieles mehr. Dazu fällt bestimmt jedem etwas ein. Wenn wir das formali
Das Fazit des SSW fällt deshalb eindeutig aus: Mit dem gut gemeinten Mittel des Familienaudits ist nichts gewonnen. Was wir brauchen, ist vor allem eine aktive Familienpolitik.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Harms, ich habe das so genannte Lob - so nenne ich es einmal - der Kollegin Heinold auf die Bundesfamilienministerin anders verstanden. Ich habe Frau Kollegin Heinold so verstanden, dass sie es begrüßt, dass endlich wieder über Kinder und Familien gesprochen wird, dass sie nicht den Inhalt, wie darüber gesprochen wird, begrüßt, sondern ausschließlich, dass es eine Ministerin gibt, die das wieder anspricht.
Frau Kollegin Rodust, ich habe es so verstanden, dass Sie die Anführungszeichen, die wir um das Wort Familienverträglichkeitsprüfung gesetzt haben und das Wort „so genannt“ in unserem Antrag bemängeln. Da wir möglicherweise alle noch nicht ganz genau wissen, was wir darunter eigentlich verstehen, möglicherweise auch noch nicht wissen, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag damit gemeint haben, finde ich es konsequent, wenn wir in dem ersten Abschnitt unseres Antrages zunächst einmal Anführungszeichen setzen, weil wir mit dem zweiten Teil unseres Antrages dann erst in Erfahrung bringen möchten, was Sie denn überhaupt unter einer Familienverträglichkeitsprüfung verstehen und welche Kriterien Sie dazu entwickeln möchten.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Weil wir das so genau in Erfahrung bringen wollen und in einem Bericht dazu Antworten haben möchten, habe ich auch das schallende Gelächter des Kollegen Baasch nicht verstanden, als ich gesagt habe, dass wir doch ganz genau wissen müssen,
woran wir sind, wenn es beispielsweise zu Konflikten zwischen den beiden Zielen kommt, auf der einen Seite mehr für die Familienfreundlichkeit tun zu wollen und auf der anderen Seite feststellen müssen, dass dieses Mehr möglicherweise mit sehr viel mehr Bürokratie verbunden ist. Wir müssen doch wissen, mit welchen Spielregeln wir uns dann für das eine oder das andere entscheiden müssen. Das ist völlig wertfrei. Ich wüsste nur gern, welche Spielregeln Sie hier in Zukunft einführen möchten. Das möchte ich vorher wissen, weil dann Entscheidungen anhand dieser Spielregeln auch nachvollziehbar sind.
Herr Abgeordneter Dr. Garg, lassen Sie jetzt vielleicht doch eine Zwischenfrage des Kollegen Baasch zu?
Als Frage formuliert: Die Familienpolitik der rot-grünen Bundesregierung war von Renate Schmidt geprägt, von lokalen Bündnissen für Familien und Initiativen, Familien zu fördern. Muss jetzt alles neu erfunden werden oder ist das nicht etwas, auf dessen Grundlage hier in Schleswig-Holstein schon viel geschehen ist, sodass man darauf aufbauend weiterarbeiten kann? Sehen Sie das grundsätzlich anders?
Lieber Kollege Baasch, ich habe zur Familienpolitik der rot-grünen Bundesregierung kein Wort verloren. Ich habe nur die Aussage der Kollegin Heinold interpretiert und ich glaube, die Kollegin Heinold richtig verstanden zu haben.
Insofern ist Ihr Vortrag über die Familienpolitik der vergangenen Bundesregierung zwar interessant, tut hier aber an der Stelle überhaupt nichts zur Sache.
Ich möchte noch einmal eindringlich für uns und auch für den zweiten Teil unseres Antrages werben. Ich glaube, dass darin die interessanten Fragen dazu gestellt werden, um ein ernstzunehmendes Instrumentarium zu entwickeln. Vielleicht bekommen
wir dann auch genau die Antwort auf die Frage, die hinter den Bedenken des SSW steht - die Sie Herr Kollege Harms vorgetragen haben -, was eine solche Prüfung bewirkt. Vielleicht führt das nämlich zu sehr viel mehr bürokratischem Aufwand und zu nicht nachvollziehbaren Entscheidungen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Antrag in Gänze zustimmen könnten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Landesregierung hat Familienministerin Dr. Gitta Trauernicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viel zu lange wurde in der Bundesrepublik Deutschland Familienpolitik als finanzielle Unterstützung von Familien verstanden. Wir alle wissen, es geht in der Tat eine ganze Menge Geld an die Familien. Trotzdem gehen die Geburtenraten zurück, wir liegen am Ende internationaler Ranglisten und von Kinder- und Familienfreundlichkeit insgesamt kann leider auch keine Rede sein. Inzwischen setzt sich deshalb das Bewusstsein durch, dass die Familien nicht ausschließlich materiell zu fördern sind, sondern dass es eine ganze Palette von Aktivitäten geben muss, die mit dem Begriff der Familienpolitik umschrieben werden können und insgesamt die Bedingungen für Familien mit Kindern verbessern sollen.
Ein Wort zur Debatte auf Bundesebene, weil sie tatsächlich auch aktuelle Bedeutung hat. Ich denke, dass wir zur Kenntnis nehmen sollten, dass mit Bundesministerin Renate Schmidt hier eine ganz entscheidende Weichenstellung stattgefunden hat. Sie hat das Thema Familienpolitik in die Gesellschaft und in die wirtschaftliche Öffentlichkeit getragen.