Protocol of the Session on May 7, 2009

Nach der Unterschutzstellungsverfügung vom 6. November vorigen Jahres sind die Reaktionen der Universität Kiel, des AStA der Universität Kiel, und auch die Landtagsinitiative der FDP-Fraktion nicht ganz ohne Wirkung geblieben. Das Landesamt für Denkmalpflege hat den Denkmalschutz für einige Bereiche des Kieler Uni-Campus wieder aufgehoben, nämlich für die Hauptgebäude der Angerbauten sowie für einen Teil des Sportforums. Außerdem heißt es in dem Bericht der Landesregierung, die Denkmalschutzbehörde habe signalisiert, hinsichtlich der geplanten Errichtung eines Restaurants in unmittelbarer Nähe zum Auditorium Maximum „erhebliche Bedenken“ zurückzustellen.

Aus der Kieler Universität hört man nun zu dem Bericht der Landesregierung, dass sich das nach diesen Zugeständnissen sehr viel besser liest als am Anfang. Also auch aus Sicht der Universität ist durch die erzielten Kompromisse mittlerweile ein Fortschritt zu konstatieren. Allerdings sagt die Universität auch ganz klar: Die zu geringe Reduzierung der Außenfläche Sport und der Ensembleschutz im Bereich des Uni-Hochhauses wird von der Universität, was die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft betrifft, weiterhin kritisch gesehen.

Ich habe erst vor rund zehn Tagen ein Gespräch mit dem Präsidium der CAU geführt, in dem mir diese kritische Einschätzung, die dort nach wie vor besteht, bestätigt worden ist. Ich halte es deswegen für sinnvoll, dass wir die Thematik im Fachausschuss nacharbeiten. Anders als der Kollege Höppner, der sich immer ein bisschen als wackerer Ritter Henning vom rotem Ziegelstein vor die Fachbehörde stellt, bin ich der Meinung, dass genauso wie bei Anträgen auf Errichtung von Industrieanlagen oder Straßenbauvorhaben Dinge, die im Bereich fachlicher Behördenentscheidung liegen, für eine politische Diskussion im zuständigen parlamentarischen Bereich nicht automatisch tabu sind. Man muss solche Dinge auch erörtern können.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege, die Zeit!

(Dr. Ekkehard Klug)

Ich komme zum Schluss. - In einer Ausschusssitzung hat der Kollege Höppner das aus prinzipiellen Gründen einmal zurückgewiesen, weil er meinte, das liege allein in der Kompetenz der Fachbehörden. Wie gesagt, ich habe da eine etwas andere Sicht. Der Kollege Höppner war früher selber unterer Denkmalpfleger im Kreis Plön, hat also auch ein bisschen die eigene berufliche Erfahrung im Hintergrund. Ich meine, dass sich, wenn es um eine politische Dimension, wie gerade im Bereich der Universität Kiel, geht, auch das Parlament mit solchen Dingen beschäftigen können muss. Wir sollten diese Thematik im Ausschuss gründlich nacharbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich sehr herzlich Besucher auf der Besuchertribüne: eine andere Klasse der Klaus-GrothSchule aus Neumünster mit ihren Lehrkräften sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Schenefeld. Seien Sie uns sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Niclas Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben recht, Herr Dr. Klug: Es liegt zwar nicht im unmittelbaren Bereich des Landtags, aber da es sich durchaus um eine politische Dimension handelt, können wir das hier besprechen. Im dritten Anlauf klappt es nun endlich auch. Ihre optimistische Einschätzung, dass Ihre Initiative dazu beigetragen hat, dass es zu einer vernünftigen Einigung zwischen Behörde und CAU gekommen ist, will ich Ihnen gern belassen. Ich bin ein absoluter Fan Ihrer Landtagsarbeit; das wissen Sie. Ich schätze auch, dass Sie so selbstbewusst sind. Allerdings ist die zeitliche Abfolge eine etwas andere.

Bereits im März war in der Presse über die wesentliche Einigung zu lesen, und der Antrag kam erst zur April-Tagung. Nichtsdestotrotz können wir uns gemeinsam darüber freuen, dass Behörde und Universität gemeinsam an einem Strang ziehen und zu einer weitgehenden Einigung gekommen sind.

Das war es eigentlich schon,

(Heiterkeit)

aber ich will noch ein paar grundsätzliche Dinge sagen. Ich will nicht in den Grundsatzdiskurs des Kollegen Dr. Klug zum Denkmalschutz einsteigen.

Natürlich ist es so, dass, wenn eine solche weitreichende Unterschutzstellung an einer Universität angekündigt wird, von dort Bedenken erhoben werden. Insofern ist es richtig, dass wir uns hier darüber unterhalten. Ich kann auch gut verstehen, dass sich sowohl Senat und Präsidium als auch AStA darum gekümmert und Unterschriften gesammelt haben. Aber - dafür ein ausdrücklicher Dank an den Ministerpräsidenten - man ist zu einer guten Lösung gekommen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass man solche Konflikte auch im Dialog lösen kann.

Der Konflikt liegt zwischen auf der einen Seite einem lebendigen Campus, der sich verändern muss, der wichtige Ansprüche an Forschung und Entwicklung und Lehre hat, der ein lebendiges studentisches Leben garantieren soll, und dem Anspruch der Denkmalschutzbehörde auf der anderen Seite.

Richtig ist, dass das eigene ästhetische Empfinden nicht immer alles nachvollziehen kann. Darum geht es aber nicht. Das ist sowohl in dem schriftlichen Bericht als auch in den Worten des Ministerpräsidenten zum Ausdruck gekommen. Ich will in den Ausschussberatungen gern darauf eingehen. Es ist sicherlich ein Zeugnis einer Zeit. In diesem Sinn können wir das im Ausschuss gern beraten.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir in den nächsten Jahren - wir reden hier über einen langen Zeitraum, den das Ganze beeinflusst - ein Auge darauf haben. Ich will als ein Beispiel die angesprochenen Anger-Bauten nehmen, die zunächst in den Plänen enthalten sein sollten. Ich selber habe diese Bauten in meiner Studienzeit nie so richtig wahrgenommen; das will ich gern zu Protokoll geben. Sie liegen so schräg hinter dem CAP 3.

(Zuruf)

- Die Landwirtschaftliche Fakultät ist mir nur aus Erzählungen bekannt.

(Heiterkeit)

Wir müssen aber nicht alle gleich sein. Weite Teile der Universität sind mir aus meinem Studium bekannt, das ich nicht im Expressdurchgang gemacht habe.

(Heiterkeit - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Selbsterkenntnis!)

Die Mensa und andere Bauten sind mir natürlich bekannt.

(Zurufe)

Ich bleibe bei dem konkreten Beispiel der AngerBauten, um darzustellen, dass dies ein Prozess ist, der langfristig begleitet werden muss. Wir haben darum herum einen weitgehenden Schutz. Wir müssen darauf achten, dass dort im Rahmen des Umgebungsdenkmalschutzes nicht so etwas wie eine schleichende Unterschutzstellung der Angerbauten stattfindet. Wie Sie wissen, bestehen hier gewisse Pläne. Es ist also nichts, was abgeschlossen ist. Wir können feststellen, dass es eine gute Einigung gegeben hat. Wir werden das weiterhin begleiten. Wir sind froh, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt sagen können, dass sowohl die Interessen des Denkmalschutzes als auch der Universität gewahrt sind. Das soll insbesondere für die Bildungsexplosion der 60er-Jahre ein Denkmal sein, hat der Herr Ministerpräsident gerade gesagt. Ich hoffe, dass wir auch in 50 Jahren nicht trotz, sondern wegen des Denkmalschutzes sagen können: Wir haben auch ein Beispiel für die Bildungsexpansion des frühen 21. Jahrhunderts.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Niclas Herbst. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat in der letzten Zeit erhebliche Irritationen darüber gegeben, ob die Unterschutzstellung von Teilen des Campus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Nutzung der betreffenden Gebäude zu ihrem eigentlichen Zweck einschränken würde und ob mit einer solchen Unterschutzstellung Sanierungs- und Umbaumaßnahmen grundsätzlich ausgeschlossen wären. Hinter dieser Kontroverse steht nach meinem Eindruck ein falsches Verständnis von Denkmalschutz. Denkmalschutz bedeutet nicht, dass vorhandene Bausubstanz nicht verändert werden darf. Es bedeutet nicht, dass jede andere Nutzung von vornherein diesem Ziel hintanzustellen ist.

Dahinter steht meines Erachtens ein weiteres und wie ich meine - weit gefährlicheres Missverständnis. Es wird - wie in diesem Fall auch - häufig grundsätzlich nicht angezweifelt, dass jüngere Bauwerke, die nach Kriegsende entstanden sind, von vornherein nichts sind, was eigentlich als Kulturdenkmal betrachtet werden sollte; nach dem

Motto: Das ist noch nicht so alt, das kann weg, das kann verändert werden. Solche Vorstellungen verbinden sich mitunter mit politischen Erwägungen und führen zu Entscheidungen, die vielleicht heute auf eine breite Zustimmung, in wenigen Jahrzehnten aber auf scharfe Kritik stoßen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entscheidung, das wichtigste Repräsentationsgebäude der ehemaligen DDR, den Palast der Republik, abzureißen, in 50 Jahren als Musterbeispiel für Bilderstürmerei nach einer politischen Wende gelten kann.

Das Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz hat kürzlich eine Veröffentlichung vorgelegt, in der eine Reihe von Bauten der 60er-Jahre sowohl in der Bundesrepublik als auch in der ehemaligen DDR in ihrer Bedeutung als Kulturdenkmäler gewürdigt werden. Für manche von ihnen kam diese Rettung zu spät. Gebäude eines Universitätscampus sind nicht nur Zeitzeugnisse. Sie sind auch Sinnbilder, die über das Verständnis von Baukultur ihrer Erbauer Auskunft geben. Die Universität Kiel, die einzige und erste Volluniversität des Landes, ist eine typische Erscheinung der Nachkriegszeit und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Anders als bei den Hochschulretortenanlagen etwa in Bremen, Bochum, Wuppertal oder Würzburg haben die Planer und Architekten bei den Bauten mit zentralen Funktionen des Campus darauf geachtet, dass diese als Solitäre und seinerzeit nach städtebaulichen Kriterien mit baukünstlerischem Anspruch entstanden sind. Herr Kollege Dr. Klug, Sie sind damals im Rahmen von Wettbewerben prämiert worden. Sie sind im Rahmen von Prämierungen zum Beispiel durch den BDA ausgezeichnet worden.

Architektur ist identitätsbildend und nicht ausschließlich zweckbestimmt. Das trifft auch für unser Haus zu. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass eine so hochrangige Kultureinrichtung wie eine Universität ihre Zeitzeugnisse pflegt und in die Zukunft hineintradiert. Wir selbst haben uns als Bildungsausschuss eine Universität in Breslau angeschaut, die fast ausschließlich aus denkmalgeschützter Substanz besteht, die auch gepflegt wird. So weit sind wir noch lange nicht. Anders gesprochen: Man darf seine eigene Geschichte nicht über Bord werfen.

Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie in ganz ähnlicher Weise wie die Dokumentation des Nationalkomitees das Bauensemble des CAU-Campus architektonisch darstellt und dem Wert nach analysiert. Dieser Bericht macht deutlich, dass Erweiterungen auch im Einvernehmen mit den Denkmalschutzbehörden grundsätzlich möglich sind und

(Niclas Herbst)

dass Sanierungen nicht nur möglich, sondern auch notwendig sind. Der Genehmigungsvorbehalt für die Denkmalschutzbehörden bedeutet in der Praxis kein grundsätzliches Nein, sondern die sorgfältige Prüfung, ob die geplanten Maßnahmen mit oder ohne Auflagen durchgeführt werden können.

Ich hoffe, dass der Bericht der Landesregierung nicht nur hier im Plenum und dann im Bildungsausschuss, dem wir ihn zur abschließenden Beratung überweisen wollen, gelesen wird, sondern dass er auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Ich glaube, dass einiges an Zuspitzungen in der öffentlichen Diskussion durch diese Dokumentation deutlich entschärft worden ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Höppner. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die politische Auseinandersetzung um den Denkmalschutz des Kieler Universitätsgeländes verstehen und darüber entscheiden will, was der Zuständigkeit der Behörden trotz unserer Debatte im Landtag keinen Abbruch tun soll, der sollte einen Blick auf die politische Karriere des Denkmalschutzes der letzten 40 Jahre im Westen und im Osten Deutschlands werfen. In den 70erund 80er-Jahren besetzten junge Leute die Jugendstilvillen der Innenstädte in Frankfurt, in Berlin, in Hamburg und in vielen anderen westdeutschen Städten. Besetzt wurden die Wohnungsbauten der Gründerzeit und des Jugendstils. Das internationale Phänomen der jeweils lokal agierenden Hausbesetzerbewegung rettete in Europa und in Amerika im Laufe von knapp zwanzig Jahren so manches Quartier und verhalf dem Denkmalschutz zu einem erweiterten städtebaulichen Verständnis.

Ergänzend zum traditionellen Denkmalschutz für Schlösser und Kirchen wurden Erhaltungssatzungen zum alltäglichen städtebaulichen Planungsinstrument, beispielsweise auch zur Rettung der mittelalterlichen Altsstadt in Lübeck. Dies trug zum Erhalt der mittelalterlichen Altstadt bei. In Lübeck wissen wir das sehr zu schätzen. Die Erringung des Titels UNESCO-Weltkulturerbe geriet zu einem nicht nur auf junge Leute beschränkten, sondern ge

nerationenübergreifend gefeierten Politikum der ehemaligen „Königin“ der Hanse.

Angesichts knappen Wohnraums ging es der jungen Generation, die auf die 68er-Generation folgte, damals um Lebensqualität in Kiel und nicht um Boden- und Immobilienspekulation. Die Hausbesetzerbewegung war hinsichtlich des Erhalts von Denkmälern und Stadtquartieren erstaunlich erfolgreich. Das Voranschreiten neuer internationaler Formen der Kapitalentwicklung konnte sie nicht aufhalten. Sinnbildlich dafür steht, dass viele der damals vom Abriss bedrohten Häuser heute als Vorzeigeimmobilien überleben; nicht zuletzt auch Dank ihres durch die Besetzung erstrittenen Denkmaltitels.

Ganz anders ist die Wahrnehmung von Wohnvierteln und alten Kulturdenkmälern im Osten. Obwohl die Bausubstanz ganzer Stadtteile der Gründerzeit ebenso wie gotischer Kirchen und barocker Schlösser verfiel, gab es vergleichsweise wenig Protest gegen den Abriss und den Neubau ganzer Viertel. Funktionierende Badezimmer und andere Annehmlichkeiten lockten bis in die frühen 90er-Jahre alle gesellschaftlichen Schichten der neuen Bundesländer aus den maroden Innenstädten in neue Mietwohnungssiedlungen am Stadtrand, die in den alten Bundesländern längst mit dem Stigma des potenziellen Arme-Leute-Ghettos kämpften.

Der Denkmalschutz konnte sich als gesellschaftliche Bewegung in Deutschlands Osten erst mit der Wiedervereinigung voll entfalten und wandte sich nun vor allem dem vernachlässigten baulichen Erbe lang vergangener Bau-Epochen zu. Im Angesicht der symbolträchtig aufgeladenen bundesdeutschen Geschichte des Denkmalschutzes, steinernen Zeitzeugen der Bauhaussprache, ist die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg bisher keinen gesellschaftlichen Aufschrei wert. Im Gegenteil, diese Bauten erscheinen den meisten Menschen keineswegs denkmalwürdig. Die architektonische Formensprache der Moderne und die in die Jahre gekommene neue Sachlichkeit mit bröckelnden Betonfassaden, leckenden Flachdächern und zugigen Metallfenstern erwecken in Ost- und Westdeutschland bei den meisten Menschen den Wunsch nach der Abrissbirne.

So liegen uns trotz der Einigung auf Verwaltungsebene aktuell 3.000 Unterschriften von Studierenden der CAU Kiel vor, die sich - ganz anders als Studierendengenerationen vor ihnen - nicht für den Erhalt, sondern für den Abriss und den Neubau von Bauten stark machen. Die Dysfunktionalität der Räume für den Bedarf einer überfüllten Massenuni

(Dr. Henning Höppner)

versität ist an der CAU leicht nachzuvollziehen und ein rationales Argument für komplette Neubauten.

Hier geht es aber nicht um irgendwelche Bauten, sondern um das Herzstück der Universität. Offenbar lassen diese Lehrgehäuse die studentischen Herzen keineswegs höher schlagen und verbinden sich nicht mit einem Gefühl der Identität als Mitglied der Christian-Albrechts-Universität. Das sollte uns zu denken geben und hat wahrscheinlich nur wenig mit Baufragen zu tun.