Für die Zukunft wünschen wir uns allerdings noch mehr systematische und sichtbare Zusammenarbeit zwischen den Schulen und unseren landeseigenen Hochschulen bei der Qualitätsentwicklung im Schulwesen. Hierzu sollte die anstehende Neustrukturierung des Instituts für Praxis und Theorie der Schule Anreize geben. Wir werden später noch Gelegenheit haben, ausführlich über die Möglichkeiten zu sprechen.
Ich möchte jetzt noch einmal aus Anlass der internen Schulreform auf das eingehen, was aus meiner Sicht zentral ist, an Leitbild zu überwinden. Qualitätssicherung heißt in diesem Fall, die Qualität des Unterrichts zu verbessern, aber auch die Einbettung der Schule in die Kommune und die Zusammenarbeit zwischen anderen Institutionen und der Schule - wir sind verschiedentlich hierauf eingegangen -, die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule, die Weiterentwicklung der Schule zu einem Kommunikationszentrum, in dem sich das Geleitwort des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums realisiert, im Leben und Lernen nicht auseinander fallen zu lassen, sondern Schule auch als Lebensort erfahrbar zu machen.
Das Leitbild, das wir überwinden müssen, ist das der Lehrerin oder des Lehrers, die oder der als Einzelkämpferin oder als Einzelkämpfer vor einer Klasse steht und versucht, im fragenden, entwickelnden Unterricht halbwegs zu unterhalten. Wenn das misslingt,
werden die Fragen immer kleinschrittiger und die Antworten immer einsilbiger. Meistens setzen sie keinen großen Lern-, sondern eher einen Rateprozess der Schülerinnen und Schüler voraus.
Es mag sein, dass diese pädagogische Methode zu Platons Zeiten einmal eine neue Erfindung war. Aber als einzige Methode im Unterricht, wie sie vielfach in Deutschland Tradition hat, ist sie nicht mehr sinngebend. Wir brauchen stattdessen eine große Binnendifferenzierung. Unterschiedliche Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler sollten im Unterricht genutzt werden, damit die Kinder und Jugendlichen auch voneinander lernen. Das bedeutet auch eine Kooperation zwischen Pädagoginnen und Pädagogen untereinander über Fachgrenzen hinweg und über die Ängste hinweg, die es auslöst, die eigenen Schwächen in der Kollegenschaft offen zu besprechen und sich gegebenenfalls einer professionellen Supervision zu stellen. Das Ganze ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Wir werden uns über die Kosten für die Fortbildung noch Gedanken machen müssen.
Logischerweise kann ein solches Leitbild eines Lehrers, der möglichst eine leistungshomogene Gruppe vor sich hat, nicht dazu führen, dass wir dahin kommen, diese Binnendifferenzierung tatsächlich zu praktizieren. Im Grunde genommen streben alle Lehrerinnen und Lehrer immer wieder zu dieser homogenen Gruppe. Dann wissen alle das Gleiche. Wenn wir dann auch noch zentralistische Prüfungen haben, ist das Leitbild auf die Spitze getrieben.
Wir brauchen das Gegenteil. Wir brauchen eine Kultur, die Differenzen aushält. Das gilt nicht nur für ethnische Differenzen. Das gilt nicht nur für die Integration von Kindern mit Handicaps, sondern das gilt auch im Hinblick auf unterschiedliches Lerntempo und das gilt auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Schulprofile. Insofern begrüße ich es sehr, dass nicht nur einzelne Modellversuche gemacht werden, sondern es tatsächlich gelungen ist, ein Netzwerk von Schulentwicklung zu schaffen. Das ist tatsächlich eine kleine Revolution, dass wir erst einmal Schulen haben, die Neues ausprobieren, die sich der Evaluationsarbeit stellen, sie selber mit entwickeln und dies dann auf Schulen ihrer Umgebung übertragen. Hierzu lohnte es sich, sich im Ausschuss einmal genauer über diese Erfahrungen berichten zu lassen.
Nicht erwähnt haben Sie, Frau Ministerin, die Arbeitszeitsituation, die wir im Moment modellhaft in einer Überprüfung haben. Das gehört auch zur Evaluation dazu, nämlich sich darüber klar zu werden, womit Lehrerinnen und Lehrer ihre Zeit verbringen, wie sie effizienter genutzt werden könnte, welche Räumlichkeiten wir an Schule brauchen, damit die
Kooperation zwischen Lehrerinnen und Lehrern, zwischen Eltern und Lehrerschaft, zwischen Schülerschaft und Lehrerschaft und außenstehenden Institutionen wirklich gelingt.
Ich habe mir viele Lehrerzimmer angeschaut. Als ehemalige Referendarin kann ich sagen: Es ist schon merkwürdig, dass wir immer sagen, Lehrerinnen und Lehrer sollten mehr an der Schule sein, aber die Aufenthaltsorte, die sie dort vorfinden, ihre Arbeitsplätze sind oft nicht sehr geeignet, diesen Aufenthaltsort angenehm und vor allem für das Arbeiten effizient zu machen. Ich will jetzt nicht sagen, dass jeder seinen eigenen Schreibtisch und sein 20-QuadratmeterZimmer in der Schule haben soll. Das ist sicherlich nicht möglich und nicht wünschenswert. Aber ich glaube, auch hier müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir das, was wir an neuem Leitbild für die Arbeit haben, mit entsprechenden pädagogischen Rahmenbedingungen versehen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die so genannte TIMS-Studie erregte 1998 nicht annähernd so viel Aufsehen wie die PISA-Studie im Dezember letzten Jahres. Dabei deuteten auch in dieser Studie die Testleistungen deutscher Schülerinnen und Schüler auf große Defizite hin. Insbesondere bestand eine große Diskrepanz zwischen den Kompetenzen, die im Rahmen einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbildung angestrebt und erwartet wurden, und dem am Ende eines Ausbildungsgangs in der Sekundarstufe II erreichten Niveau der Fähigkeiten. Obwohl damals Leistungsvergleiche von einer halben Million Schülerinnen und Schülern aus rund 15.000 Schulen in 46 Ländern ermittelt wurden und die Bundesrepublik dabei unterdurchschnittlich abschnitt, gab es erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Aussagekraft der Ergebnisse. Das führte dazu, dass die öffentlichen Diskussionen nach kurzer Zeit verstummten. Seit PISA wissen wir, dass die TIMS-Studie bei allen Vorbehalten solchen internationalen Vergleichsstudien gegenüber vielleicht doch einige Anhaltspunkte über den Zustand unseres Schulwesens gab.
Heute befinden wir uns in der Situation, dass das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der PISAStudie immer mehr zum Wahlkampfthema wird - siehe
zum Beispiel die aktuelle Ausgabe des „Spiegel“. Dabei droht in Vergessenheit zu geraten, was wir zumindest seit TIMSS wissen, dass nämlich Reformen erst nach einer gewissen Zeit zu wirken beginnen. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass wir ohne Konzepte überhaupt nicht weiterkommen. Aus Einzelmaßnahmen lässt sich überhaupt keine Reform zusammenstricken. Neu an der jetzigen Situation ist, dass diese Problematik endlich auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Wer die Qualität von Schule verbessern will, muss deshalb vor allem klären, was zu lernen eigentlich wichtig ist, welches der unverzichtbare Bestand an Kernwissen und an Basisqualifikation überhaupt sein soll. Geklärt werden muss auch, welche Aufgaben Schule erfüllen soll. Sollen Schulen in der Hauptsache Lernorte sein oder auch Lebensräume?
Von der Entscheidung dieser Frage hängt ab, was alles für die Qualität einer Schule bedeutsam sein soll, wie viel Personal mit welcher Ausbildung benötigt wird und welche Kosten damit verbunden sind.
Die Bildungsministerin hat dargelegt, welche Maßnahmen seit 1998 - so lautete der Auftrag - zur Verbesserung der Unterrichtsqualität an den schleswigholsteinischen Schulen in Angriff genommen worden sind. Für mich ist dabei der Zeitpunkt nicht entscheidend. Wichtig ist allein, was getan wird. Da hat das Ministerium seit Anfang des Jahres einige - so finde ich - viel versprechende Initiativen in Gang gesetzt, auf die man weiter bauen kann.
So soll die Zusammenarbeit zwischen vorschulischen Einrichtungen und der Grundschule in Zukunft verbindlich geregelt werden. Beide Institutionen sollen enger zusammenarbeiten, beispielsweise damit Lehrkräfte der Grundschule schon im vorschulischen Bereich sprachliche Defizite erkennen und, wenn möglich, auch beheben können. Dieser Ansatz ist richtig. Es ist kein Geheimnis, dass bereits im Kindergartenalter oft die Weichen für die späteren schulischen Leistungen gelegt werden.
Auch bei den Lehrplänen will das Bildungsministerium ansetzen. Dazu hat die Ministerin heute Ausführungen gemacht. Wir haben gehört, dass im Bereich der Hauptschule im Rahmen der Qualitätsoffensive Hauptschule die Lehrpläne in Form von Handreichungen und Beispielaufgaben konkretisiert werden sollen. In einem nächsten Schritt geht es dann um Handreichungen und Beispielaufgaben als Standardsetzungen für die Orientierungsstufe und für die Grundschule.
Auch die geplante externe Evaluation der schulischen Arbeit, ein Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit des pädagogischen Handelns sieht der SSW
durchweg positiv. Für uns ist aber entscheidend - das möchte ich unterstreichen -, dass dadurch die Selbstevaluation von Schulen gestärkt wird; denn dies ist vermutlich die sinnvollste Form der Qualitätskontrolle. Die will aber gelernt sein. Eine Schule kann sich nicht mal eben selbst evaluieren. Die Ziele der Evaluation müssen klar, akzeptiert und auch überschaubar sein und es muss eine reale Chance geben, aus den Ergebnissen praktikable Schlussfolgerungen zu ziehen.
Alles das könnte mithilfe von externen Beratern erarbeitet werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur so macht aus unserer Sicht der so genannte Schul-TÜV überhaupt Sinn.
Noch etwas, weil heute ja auch einiges zum Thema Schulranking, Schulleistungsvergleich gesagt worden ist: Soll ein Ranking - das ist die Frage - gegebenenfalls zur freien Schulwahl führen? Ich finde, diese Frage müsste erörtert werden. Oder soll das so verstanden werden, dass nur die Gymnasien „gerankt“ werden sollen, weil hier vielleicht sogar die stärkste Elternlobby sitzt? Was passiert dann mit den anderen Schulen?
Noch eines möchte ich hinzufügen: Von der Einführung verbindlicher Hauptschulprüfungen sind wir längst noch nicht überzeugt. Es mag sein, dass diese Prüfungen letztlich doch Sinn machen, wenn sie richtig gehandhabt werden. Aber einfach so von oben solche Prüfungen zu diktieren, bitte schön, jetzt macht einmal eine verbindliche Hauptschulprüfung, das ergibt überhaupt keinen Sinn.
Noch eines: Wer meint, Qualität an Schulen sei in erster Linie mit Leistungstests und mit Vergleichsarbeiten zu erreichen, muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob dadurch im Grunde genommen etwas für die Motivation der Betroffenen gemacht wird, ob dadurch die Motivation gestärkt wird.
Denn Motivation sollte eigentlich gern von innen kommen und Motivation sollte auch dazu führen, dass - ich sage es einmal ganz platt - nicht fürs Berufsleben, sondern wirklich fürs Leben gelernt wird.
Wie sieht denn die Situation an den Schulen aus? In unseren Schulen ist es doch heute schon so, dass viel zu viele Arbeiten geschrieben werden, Arbeiten, die vorbereitet werden müssen, die benotet werden müssen und die dann hinterher ganz schnell wieder vergessen
werden, weil man sich dann erst einmal von diesem Kraftakt erholen muss - so sind Schülerinnen und Schüler, so waren wir auch selbst, möchte ich einmal behaupten -, und man kann bei Psychologen nachfragen, wie sich dann die Lernkurve entwickelt.
Es ist also naiv zu glauben, dass man einfach etwas erreichen kann, indem man sagt: Noch mehr von allem, noch mehr Leistungstests. Das wird so nicht machbar sein. Man müsste stattdessen wirklich das mündliche Arbeiten in der Schule - ich sage das auch noch einmal -, im Team stärken.
Auch bei den Lehrplänen will das Bildungsministerium ansetzen. Das haben wir gehört. Wir haben von dieser Qualitätsinitiative Hauptschule gehört, wir haben auch davon gehört, dass gerade die ausländischen Schülerinnen und Schüler, die in der PISA-Studie besonders schwach abschneiden, besser gefördert werden sollen. Das macht Sinn; denn das ist ja etwas, was gerade durch die PISA-Studie deutlich geworden ist, dass das deutsche Schulwesen hier wirklich ein riesiges Problem hat.
Zu guter Letzt wird man sich auch noch mit der Lehrerfortbildung beschäftigen müssen. Wir werden das im Rahmen eines späteren Tagesordnungspunktes ja auch noch diskutieren.
Aber eines steht fest: Für alle Maßnahmen zur Qualitätssicherung gilt, dass sich die Qualität der Schule nachhaltig nur mit qualifiziertem und motiviertem Personal sichern und steigern lässt. Darum noch einmal: Wer meint, Qualitätssteigerung, Qualitätsentwicklung sei nur mit Tests zu machen, ist auf dem Holzweg.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist nicht ausdrücklich eine Ausschussüberweisung verlangt worden. Ich schlage deshalb vor, den Bericht für erledigt zu erklären, oder wird Ausschussbehandlung gewünscht?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist auch zu diesem Punkt sprechfähig; sie wäre es auch vorhin gewesen, wenn sie nicht allzu sehr auf den auch dem Innenminister vorliegenden Ablaufplan für diese Tagung vertraut hätte. Aber wir sind ja lernfähig.
Meine Damen und Herren, in dem Bericht werden die vielfältigen Aktivitäten der Landesregierung zur Förderung der Toleranz sowie der repressiven und präventiven Bekämpfung von Gewalt dargestellt. Beispielhaft weise ich auf das gesellschaftliche Bündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie auf die Maßnahmen zur konsequenten Strafverfolgung hin.