Protocol of the Session on November 14, 2001

Was die Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes angeht, so ist sie genauso zu werten, wie es in der allgemeinen Wertung, die ich zu Beginn der Fragestunde abgegeben habe, zum Ausdruck kommt. Wir befinden uns noch im Haushaltsverfahren. Ob die Schule wirklich von der Schließung bedroht ist, wie es zum Teil formuliert wird, bleibt - so denke ich - abzuwarten.

Das Wort zu seiner letzten Zusatzfrage hat Herr Kollege de Jager.

Eigentlich ist es nur die Wiederholung der Frage, die ich eben gestellt habe, die aber noch nicht beantwortet worden ist, nämlich ob die Ministerin die Auffassung teilt, dass die Auswirkungen der Kürzungen an den einzelnen Schulen darin bestehen, dass entweder Lehrkräfte entlassen werden die Elternbeiträge drastisch erhöht werden müssen.

Herr de Jager, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, dass den Waldorfschulen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um das bei ihnen entstehende Defizit auszugleichen. Ich habe sowohl von Elternbeiträgen, Fördervereinsbeiträgen als auch davon gesprochen, dass die Schulen, wenn sie in der Vergangenheit Defizite in ihren Haushalten oder Wirtschaftsplänen hatten, diese durch Kredite ausgeglichen haben. Aber dies pauschal für jede einzelne Schule zu bejahen, wäre falsch.

Das Wort zu ihrer ersten Zusatzfrage hat Frau Kollegin Dr. Happach-Kasan.

Frau Ministerin, weshalb hat die Stellungnahme des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - mein Kollege, Herr Hildebrand, hat daraus zitiert - die Kultusministerin nicht veranlasst, zur Frage eventuell drohender Schließungen solcher Schulen in der Sitzung des Finanzausschusses und des Bildungsausschusses am 8. Oktober dieses Jahres eine andere Stellungnahme abzugeben als die, dass ihr die drohende Schließung einer bestimmten Schule nicht bekannt sei?

Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich erst einmal das Protokoll über die Sitzung zur Hand nehme. - Wenn ich mich richtig erinnere, ist die Frage der Kürzung der Privatschulförderung in ungefähr fünf Minuten behandelt worden. Es ist nach den Begründungen für die Kürzungen und nach den Auswirkungen gefragt worden. Es ist nicht die Rede von der drohenden Schließung einer bestimmten Schule gewesen. Dazu stehe ich auch. Wir haben nicht die Stellungnahmen einzelner Verbände zur Situation einzelner Schulen besprochen. Niemand der Abgeordneten hat nach einer bestimmten Schule gefragt, auch nicht nach einer bestimmten Stellungnahme eines Verbandes. Insofern

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

konnte meine Antwort zu diesem Zeitpunkt auch nicht anders ausfallen.

Zu einer zweiten Zusatzfrage erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan das Wort.

Hat das Ministerium aufgrund der verschiedenen, auf eine drohende Insolvenz- oder Existenzgefährdung von Schulen in freier Trägerschaft bezugnehmenden Stellungnahme zu den Kürzungsplänen Anlass gesehen, dieser Frage nachzugehen und was im Konkreten hat das Ministerium veranlasst?

Es ist nicht jeder einzelnen Ankündigung, dass eine Existenzgefährdung vorhanden sei oder gar eine Schließung drohe, nachgegangen worden. Dies konnte auch nicht der Fall sein. Dann hätte man in jedem einzelnen Fall die Wirtschaftspläne überprüfen müssen, wie dies in regelmäßigen Abständen geschieht. Dann hätte eine Wirtschaftsprüfung vorgenommen werden müssen. Bei solchen Wirtschaftsprüfungen ist das Ministerium dabei. Auch Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sind dabei. Ich glaube, es ist nicht vorstellbar, dass in einer solchen Phase die Situation jeder Waldorfschule und ihrer spezifischen Wirtschaftlichkeit aufgrund dieser Stellungnahmen überprüft wird.

In der Tat ist aber die Frage der Bedrohung und die Frage der schwierigen Situation, in die die Waldorfschulen kommen, Gegenstand mehrerer Beratungen gewesen.

Das Wort zu seiner letzten Zusatzfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Klug.

Frau Ministerin, ist angesichts der Tatsache, dass nach den Vorlagen der Landesregierung die Zuschüsse pro Schüler pro Jahr - jedenfalls bei den Waldorfschulen vom nächsten Jahr an unter den Stand des Jahres 1991 zurückfallen werden, in Ihrem Hause anhand einer Modellrechnung geprüft worden, ob eine solche Schule in der Lage ist, unter diesen finanziellen Voraussetzungen den Schulbetrieb auch unter Einhaltung der Genehmigungsauflagen zu gewährleisten?

Herr Abgeordneter, Sie fragen jetzt zum wiederholten Male nach demselben Sachverhalt. Ich kann nur sagen: Natürlich setzt sich bei jeder Waldorfschule die Finanzierung durch Elternbeiträge, durch Fördervereinsbeiträge und durch die Finanzierung des Landes auf sehr unterschiedliche Art und Weise zusammen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie geht hinter 1991 zurück!)

Wir haben keine einheitlichen Beiträge quer durch das Land, sondern wir haben sehr unterschiedliche Situationen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Einheitliche Schülerkostensätze!)

- Aber einheitliche Schülerkostensätze! Selbstverständlich! Die sind auch gesetzlich festgelegt.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie fallen zurück hinter den Stand von 1991!)

Nun will ich das einmal etwas genauer erklären. Also: Dass die Schülerkostensätze gekürzt werden, ist Ausfluss des Haushaltsgesetzes von 1995. Seinerzeit ist in den Schülerkostensätzen der Förderschulanteil auf 18 % angehoben worden, weil nämlich der den Schülerkostensätzen zugrunde liegende Gesamtschülerkostensatz sehr niedrig war. Die Gesamtschule war eine junge Schulart. Die Pensionslasten waren noch sehr niedrig und die Schülerkostensätze wären für die Waldorfschulen sehr niedrig gewesen. Deshalb hat man einen Förderschulanteil von 18 % einbezogen, gleichzeitig aber beschlossen, diesen Förderschulanteil im Laufe der Jahre bis einschließlich 2003 abzusenken. Die Senkung im nächsten Jahr ist immer noch Ausfluss dieses Haushaltsgesetzes.

Seit 1998 sind nun die Schülerkostensätze festgeschrieben. Sie sind seitdem aufgrund der steigenden Schülerzahlen in bestimmten Schularten gesunken. Wenn wir die Festschreibung etwa bei den Waldorfschulen, die den Gesamtschülersatz zur Grundlage haben, im nächsten Jahr nicht mehr festschrieben, sondern die Festschreibung aufhöben, würde das bedeuten, dass sie geringere Zuschüsse bekämen als 1998, weil sich der zugrunde liegende Schülerkostensatz verändert hat. So ist die Lage.

Das Wort zu ihrer ersten Zusatzfrage erteile ich der Frau Abgeordneten Schwarz.

Frau Ministerin, verfassungsrechtlich relevant ist, ob das Existenzminimum der freien Schulen unterschritten wird. In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Wurde von der Landesregierung jemals das Existenzminimum der Waldorfschulen ermittelt? Wenn ja: Wo liegt es und wird es jetzt unterschritten?

Ich habe vorhin bereits ausgeführt, dass das Bundesverfassungsgericht - die entsprechenden Urteile zu verlesen oder zu prüfen, kann nicht Gegenstand einer Fragestunde sein - sinngemäß ausgeführt hat, dass die Existenz des Privatschulwesens zu sichern ist und nicht - ich wiederhole mich jetzt - die der einzelnen Schule. Ein Existenzminimum für die einzelne Schule - mir ist nicht bekannt, wie das definiert werden sollte. Ich bin gern bereit, das noch einmal zu prüfen. Dann können wir uns im Ausschuss noch einmal darüber unterhalten.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Fragestunde abgeschlossen.

(Holger Astrup [SPD]: Jetzt sind wir jeden- falls schlauer geworden! Das finde ich gut!)

Bevor ich Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, möchte ich eine geschäftsleitende Bemerkung machen. Gestern Abend hat es im Schleswig-Holsteinischen Landtag, im Landeshaus aufgrund einer Verdachtssituation im Keller einen so genannten Milzbrandalarm gegeben. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, der Landtagsverwaltung, aber auch den zuständigen Beamten der Polizei und der Feuerwehr für ihr sehr umsichtiges und sehr zügiges Eingreifen zu danken.

(Beifall im ganzen Haus)

Der erste Zwischenbericht, der vorliegt, zeigt, dass es nichts Besorgnis Erregendes ist, sondern dass es sich um Baumaterial handeln könnte. Die endgültige Analyse wird aufgrund der notwendigen Form der Untersuchung noch etwas auf sich warten lassen. Also: Kein Grund zur Panik, aber gleichwohl Grund zum Dank für das umsichtige Handeln!

Ich darf jetzt Tagesordnungspunkt 2 aufrufen:

Regierungserklärung zu den Milzbrand-Verdachtsfällen in Schleswig-Holstein

Für die Landesregierung darf ich Frau Gesundheitsministerin Moser das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hält es für nötig, trotz des letztlich glücklicherweise negativen Ergebnis der Beprobung der verdächtigen Paketfunde in Neumünster den Landtag detailliert über die Informations- und Entscheidungsabläufe in diesem Milzbrand-Verdachtsfall zu informieren.

Die Zuständigkeit für die Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit beim Menschen liegt nach dem Infektionsschutzgesetz bei den Gesundheitsbehörden. Folgerichtig hat das Gesundheitsministerium nach den bioterroristischen Anschlägen in den USA und der generellen Gefahreneinschätzung die Kreisgesundheitsbehörden in Schleswig-Holstein bereits am 9. Oktober um erhöhte Wachsamkeit gebeten, im Benehmen mit den Laboren, den Ärzten in niedergelassener Praxis und den Krankenhäusern, und zur schnellen Übermittlung und Meldung über ungewöhnliche Krankheitsbilder aufgefordert.

Mit einem Erlass des Gesundheitsministeriums vom 12. Oktober erhielten die Kreisgesundheitsbehörden und die Medizinaluntersuchungsämter in Kiel und Lübeck umfangreiche Hinweise zum Vorgehen beim Verdacht auf bioterroristische Anschläge besonders in Bezug auf Milzbrand. Um angesichts der sich abzeichnenden Vielzahl von Fällen möglichst zeitnah aufklären zu können, wurden neben den Medizinaluntersuchungsämtern auch das Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt des Landes in Amtshilfe als Untersuchungsmöglichkeit angegeben. Die Informationen wurden ergänzend dem Innenministerium zur Unterrichtung der Polizei und der Feuerwehr zur Verfügung gestellt und es gab am 25. Oktober eine aktualisierte Information an die genannten Stellen. Diese umfassten insbesondere die Empfehlungen des RobertKoch-Institutes vom 24. Oktober und den Erlass des Innenministers vom 25. Oktober.

In den vergangenen drei Wochen sind in allen drei genannten Untersuchungseinrichtungen insgesamt 120 verdächtige Funde auf Milzbrand getestet worden. Gestern ist einer dazu gekommen, seit dem Zeitpunkt, an dem wir die 120 festgestellt haben, wahrscheinlich noch ein paar mehr. 55 von den 120 Funden wurden in Kiel, 35 in Lübeck und 30 in Neumünster untersucht. Die Pakete in Neumünster zählen selbstverständlich als ein Fund und nicht als 30 Funde.

Am Montag, dem 29. Oktober 2001, wurden zwei weiß angestrichene Pakete in Neumünster mit zum Teil pulverisierter weißer Substanz gefunden. Hinterher wurde zerbröselter Gips festgestellt. Das Ordnungsamt der Stadt Neumünster hat das Lebensmittel

(Ministerin Heide Moser)

und Veterinäruntersuchungsamt des Landes um Untersuchung der Pakete gebeten. Das Institut hat das für dieses Gesundheitsamt in Amtshilfe durchgeführt.

Der Ablauf der Untersuchungen und die Bewertung der Ergebnisse fand wie folgt statt - ich versuche das einmal im Telegrammstil -:

Montag, 29. Oktober: Anlieferung zweier Pakete, anders als in Thüringen Beginn der sofortigen Beprobung, Untersuchung durch Anlegen einer Bakterienkultur, die 24 Stunden dauert.

Dienstag, 30.Oktober: Das Untersuchungsergebnis der beiden ersten Pakete ist negativ, das heißt keine verdächtigen Bakterien in der Kultur vorhanden. Die Kriminalpolizei Neumünster stellt die Pakete dennoch sicher. Es erfolgt die Anlieferung weiterer 19 Pakete. Wieder wird eine Bakterienkultur angelegt, Dauer 24 Stunden. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft, nachdem sich ein Anwalt bei der Polizei Neumünster mit dem Hinweis gemeldet hat, sein Mandant, den er namentlich nicht nennen wolle, habe 30 weiße Pakete in der Stadt verteilt.

Mittwoch, 31. Oktober: Das Untersuchungsergebnis zeigt verdächtige Bakterienkolonien in zwei Proben; Anlegen einer Sekundärkultur zur biochemischen Charakterisierung, Dauer: weitere 24 Stunden; parallel dazu entsprechende mikroskopische Präparate sowie Antibiogramm.

Donnerstag, 1. November: Das Untersuchungsergebnis zeigt: Kulturelle, biochemische und mikroskopische Eigenschaften der Probe können „bacillus anthracius“ nicht ausschließen, also Milzbrandverdacht. Das LVUA veranlasst noch vormittags die Übersendung der Probe per Kurier an das nationale Referenzlabor für Milzbrand im Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in Jena. Im Rahmen der Ermittlungen wird am Abend in Neumünster eine Wohnung durchsucht - nicht die des später ermittelten Tatverdächtigen. Es werden keine Beweismittel gefunden.

Freitag, 2. November: Um circa 12 Uhr wird das LVUA vom BGVV - das ist das Institut in Jena - benachrichtigt, dass der so genannte Ascoli-Test - ein Test von 1913, wenn ich richtig informiert bin -, ein speziell zum Nachweis von Milzbranderregern entwickelter Test, positiv sei. Damit sei das Isolat, die Probe, mit 98-prozentiger Sicherheit Milzbrand. Es erfolgt die Weiterleitung an das Robert-Koch-Institut in Berlin gleichzeitig mit der ebenfalls in demselben Institut positiv getesteten Probe aus einem thüringischen Postamt. Mit einem Ergebnis wird nach Aussage der Fachleute im Laufe des Abends gerechnet, wenn es denn keine Komplikationen bei der Untersuchung

gäbe. Etwa zeitgleich unterrichtet das LVUA seine Fachaufsicht im Landwirtschaftsministerium, dieses informiert das zuständige Gesundheitsministerium, die Staatskanzlei und das Innenministerium. Um 14 Uhr findet eine erste Lagebesprechung statt. Unter Führung des Gesundheitsministeriums wird der interministerielle Leitungsstab eingesetzt, der um 16 Uhr seine Arbeit aufnimmt.

Inzwischen, meine Damen und Herren, ist über dpa die Meldung gelaufen, dass in Thüringen ein Milzbrandfall aufgetreten sei und die dortige Landesregierung um 16:30 Uhr eine Pressekonferenz abhalten werde. Das Gesundheitsministerium unterrichtet das Bundesgesundheitsministerium. Bundesgesundheitsministerin Schmidt ruft persönlich an und wird von mir über das geplante Vorgehen und auch über die für 18 Uhr vorgesehene Pressekonferenz informiert. Um 17:24 Uhr läuft eine dpa-Meldung über einen Milzbrandfall in Schleswig-Holstein. Um 18 Uhr habe ich die Presse informiert, auf die 98-prozentige Wahrscheinlichkeit eines positiven Milzbrandbefundes hingewiesen und die von uns für nötig gehaltenen Vorsichtsmaßregeln vorgestellt.

Auf Nachfragen nach weiteren Konsequenzen habe ich mehrfach den von Fachleuten zwar gering eingeschätzten, aber dennoch vorhandenen Vorbehalt der endgültigen Überprüfung durch das Robert-KochInstitut benannt, ohne damit irgendeine Frage bei irgendjemandem auszulösen.

Zeitgleich zur Pressekonferenz hat sich ein Tatverdächtiger mit seinem Anwalt bei den Ermittlern gemeldet und ist in Anwesenheit der zuständigen Staatsanwältin verhört worden. Gegen ihn wird zunächst wegen Vortäuschens einer Straftat ermittelt. Im Laufe des Abends werden die restlichen neun der 30 Pakete, von denen die Rede war, gefunden. Um 20 Uhr wird das Bürgertelefon geschaltet.