Ute Erdsiek-Rave
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Blick auf das, was heute Morgen der Sitzung vorausging, muss man noch einmal festhalten: Das beste Mittel gegen Rechtsextremismus und die beste Lebensversicherung für die Demokratie ist mehr Bildung,
und zwar mehr Bildung für alle, nicht nur für diejenigen, die ohnehin aus ausbildungsnahen oder leistungsorientierten Elternhäusern kommen. Das ist unser Ziel.
Ich habe hier schon mehrfach dargestellt, welchen Weg wir dabei gehen werden. Wir haben kurz- und mittelfristig ein umfassendes Reformpaket auf den Weg gebracht, das in den Schulen und in den Kindertageseinrichtungen bereits mit Erfolg umgesetzt wird: vom Bildungsauftrag für die Kindergärten über Parallel- und Vergleichsarbeiten, Standards, Schul-TÜV und so weiter. Über vieles gibt es Gott sei Dank mehr Gemeinsamkeit, als solche Debatten hier es vermuten lassen.
Wir sind davon überzeugt, dass mehr Bildung und mehr Bildungsgerechtigkeit nicht allein mit Umsteuerungen im System zu erreichen sind; wir brauchen dazu auch eine Reform des Systems. Für die Opposition steht das dreigliedrige Schulsystem sozusagen fest gemauert in der Erden, als sei es von Moses auf Gesetzestafeln gemeißelt. Aber der Lehm, aus dem das gebrannt ist, ist alt geworden, ist bröckelig geworden. Sie haben das nur noch nicht gemerkt. Wir halten im europäischen und internationalen Vergleich einfach nicht mehr stand, auch mit unserem System nicht mehr.
Ich treffe ja häufig europäische Kollegen; die halten das alles für absolut unmodern, was wir hier machen. Keines dieser Länder, auch wenn es im Schulsystem Probleme hat, kommt - auch nicht im Traum - auf den Gedanken, wieder in ein gegliedertes System zurückzufallen, das sie früher ja alle einmal hatten, aber in den 70er-, zum Teil schon in den 60er-Jahren umgestellt haben. Das müssen Sie doch schlicht und ergreifend einmal zur Kenntnis nehmen!
Dieses System führt zu viele Kinder auf den Holzweg. Daran ändern auch arrogante und beleidigende Ausdrücke wie „Deppendorf“ nichts, wie Sie sie benutzt haben, Herr Klug, auch keine plakativen Initiativen. Das ist so. Sie haben zu Recht die rote Karte für Ihre Initiative bekommen. Hätten Sie nicht gleich Ihre alte ideologische Brille aufgesetzt und sich im Land umgehört, würden Sie hören, was viele Menschen, gerade Eltern von schulpflichtigen Kindern, bewegt. Sie machen sich oft bereits in der ersten Klasse Sorgen, wenn die Kinder eingeschult werden, dass die Weichen für den Schulbesuch schon so früh gestellt werden. Aus dieser Sorge heraus lassen Sie ihre Kinder zurückstellen und noch nicht einschulen. Kinder entwickeln sich aber individuell. Das ist ein ganz wichtiges Thema, worüber viel zu wenig gesprochen wird.
Jungs entwickeln sich viel später und anders als Mädchen. Viele Eltern hier im Norden begreifen längeres gemeinsames Lernen als Chance, gerade weil sie über den Tellerrand hinausgucken.
Übrigens nehmen Sie nicht zur Kenntnis, dass nicht nur Eltern und Bildungspolitiker diese Aufgabe erkannt haben, sondern dass zunehmend auch Wirtschaftsexperten auf unserer Seite stehen. In der letzten Woche fand der IHK-Jahresempfang statt. Dort hat Herr Professor Sinn vom ifo-Institut gesprochen. Das ist bestimmt kein Sozialromantiker. Viele von Ihnen haben schon von ihm gehört. Er hat wörtlich gesagt - ich habe es mir gleich aufgeschrieben -:
„In dieser Frage, Frau Simonis“,
- er meinte das Bildungssystem -
„bin ich ganz bei Ihnen. Das dreigliedrige Schulsystem gehört abgeschafft. Es spiegelt den preußischen Ständestaat wider. Es ist absurd, 10-jährige Kinder aufzuteilen und festzulegen. Wir brauchen das Ausschöpfen jeder Begabung.“
Das hätte wörtlich von mir sein können. Denn genauso habe ich mich geäußert.
Ich habe mich gewundert: Woher kennt er das, was ich gesagt habe? Auch Wirtschaftsexperten sehen das also so, vielleicht auch aus anderen Beweggründen: weil sie sich erhoffen, dass bei einer solchen Umgestaltung des Systems mehr Begabung ausgeschöpft wird. Es sind also nackte ökonomische Gründe. Sinn ist ein knallharter Marktwirtschaftler. Solche Leute versprechen sich davon anscheinend mehr und betrachten es gänzlich unideologisch. Ich finde es einen Fortschritt, dass wir so miteinander diskutieren können. Aber hier leider noch nicht. Doch ich sage Ihnen: Auch das kommt noch!
Unser Ziel ist also nicht die Einheitsschule. Manchmal denke ich zwar: Einheit ist ein positiver Begriff: Einheit von Herz und Kopf, von Kopf und Hand.
Sie meinen das aber diffamierend. Die Leute sollen an Sozialismus denken und Angst davor bekommen. Wir verstehen darunter mehr gemeinsames Lernen, so viel Differenzierung wie nötig, so viel Gemeinsamkeit wie möglich, die Orientierung am individuellen
Kind, das Fordern und Fördern jedes Einzelnen, überhaupt mehr Verantwortung für Erziehung und Bildung in der Gesellschaft insgesamt -
in den Familien, auch bei den Schülerinnen und Schülern, die manchmal Schule lediglich als Unterbrechung ihrer Freizeit betrachten. Nein, dieses Bewusstsein muss sich in Deutschland verändern. Es muss erkannt werden, wie wichtig Bildung ist, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum. Bis wir das hinbekommen, auch die Umgestaltung des Schulsystems, brauchen wir einen langen Atem. Ich halte nichts von kurzfristigen Plänen, alles umzukrempeln. Wir brauchen mindestens ein Jahrzehnt der Kooperation, der Veränderung von Lernmethoden, der Veränderung von Unterricht. Wir werden daran beharrlich, aber behutsam festhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ende des vergangenen Jahres hat die OECD einen Länderbericht zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in Deutschland vorgelegt. Er liefert so etwas wie eine Rückmeldung über das deutsche KitaSystem, über die Struktur und die Praxis. Er gibt auch Impulse vor, wie es weitergehen könnte und sollte. Er bestätigt eine grundlegende Maxime der Bildungspolitik, die unabhängig von anderen Debatten gilt. Ich glaube, da sind wir uns absolut einig. Das muss man gar nicht besonders herausheben. Das wird der einzige Weg sein. Es ist völlig klar: Auf den Anfang im Bildungsweg kommt es an.
Die Daten für den OECD-Länderbericht wurden in fünf Bundesländern erhoben. Schleswig-Holstein war in dieser Stichprobe nicht vertreten. Als positive Merkmale für Deutschland wurden unter anderem herausgehoben: die lange deutsche Kita-Tradition mit reichhaltigen integrativen, sozialpädagogisch orientierten Konzepten, der ganzheitliche Ansatz von Betreuen, Bilden und Erziehen, das Gleichheitsprinzip, wonach alle Kinder gefördert und gefordert werden, die guten räumlichen Bedingungen, Ausstattung auch im Außenbereich, überzeugende Einbindung von Eltern, die neuen Konzepte zum Übergang Kita/Grundschule, der Verzicht auf Gewinnorientierung, das hohe Bewusstsein für Veränderungsbedarf aufgrund der dezentralen Organisation.
All das gilt bundesweit. Es gilt auch für SchleswigHolstein. Unsere Kindertageseinrichtungen verstehen sich als lernende Organisationen. Sie arbeiten an sich selbst. Wenn Sie einmal eine Kita, die modernen Standards entspricht, besuchen, werden Sie feststellen: Was dort an Struktur, an Konzepten und Fortbildungswillen da ist, kann sich mit jedem Schulprogramm einer guten Grundschule heute messen. Es ist wirklich erstaunlich.
Sie arbeiten also an sich selbst und werden dadurch den veränderten Erwartungen von Eltern und dem, was moderne Bildungspolitik heute fordert, gerecht.
Wir haben in Schleswig-Holstein unter der Devise „erfolgreich starten“ zusammen mit den Partnern vor Ort den Kitas ein Profil gegeben, das von den Trägern und Fachkräften sehr engagiert aufgenommen wird. Wir haben seit 1996, lange vor PISA, in einem sehr konsequenten Verfahren 3.000 Erzieherinnen und Erzieher in dem integrativen Sprachförderkonzept fortgebildet. Es wird von vielen anderen Bundes
ländern als absolut vorbildlich erkannt. Das Stichwort heißt phonologische Bewusstheit. Den Erzieherinnen wird beigebracht, wie sie Sprachdefizite erkennen und beheben können.
Dieses Projekt werden wir fortsetzen. Jede Kindertagesstätte verfügt inzwischen über eine Erzieherin, die dies kann, und das muss auch so sein, meine Damen und Herren.
Wir setzen darüber hinaus einen neuen Akzent. Im Jahre 2004 haben wir den Anstoß für eine bessere naturwissenschaftliche Grundbildung in den Kindertageseinrichtungen gegeben. In diesem Jahr wollen wir intensive Fortbildung in Sachen naturwissenschaftliche Grundbildung geben. Das ist auch dringend notwendig, genauso wichtig wie die Sprachförderung. Und wir haben die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern - das ist der zweite Punkt, über den heute zu reden ist - den aktuellen Anforderungen angepasst.
Seit 2004 gibt es für die Fachschulen einen neuen modernen Lehrplan, der jetzt auch die integrative Sprachförderung mit einschließt. Der OECDBericht bestätigt uns, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, aber er formuliert eben auch Anforderungen und auch Ausbauperspektiven. Das betrifft vor allem das mangelnde Angebot in Deutschland für Kinder unter drei Jahren, das durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz, das seit dem 1. Januar in Kraft ist, stärkere Verbindlichkeit bekommen hat, und das bezieht sich auch auf die Forderung, dass in Deutschland eine nachhaltigere Förderung von Kindern mit Risikohintergrund erfolgen muss. Außerdem betrifft es das Personal.
Die OECD empfiehlt mehr männliche Erzieher. Wohl wahr, kann man da nur sagen.
Aber wir können - auch in den Grundschulen - nur um junge Männer werben und versuchen, sie davon zu überzeugen, dass es sich um ein interessantes Berufsfeld handelt. Oftmals sind die einzigen jungen Männer in den Kindertageseinrichtungen die Zivildienstleistenden. Das ist sehr positiv und es gibt wirklich nicht wenige, die sich aufgrund dieses Zivildienstes hinterher mindestens für einen sozialen Beruf, manchmal auch für den Beruf des Sozialpädagogen, entscheiden. Diese Art von Integration junger Männer in die Kindertageseinrichtungen darf nicht
verloren gehen, auch wenn irgendwann bei Wehrdienst und Zivildienst neue Bedingungen herrschen.
Wir dürften uns auch darüber einig sein, dass KitaFachkräfte an den Fachschulen Schleswig-Holsteins gut ausgebildet werden. Die Eingangsvoraussetzungen haben wir angehoben. Die Mitarbeiter sind überaus motiviert, an Fortbildung teilzunehmen. Eine grundständige Ausbildung für diesen Beruf ist im Rahmen der Anhörung überwiegend abgelehnt worden.
Wir wollen zum einen - ich hoffe, wir sind uns darüber weitgehend einig - die Ausbildungsstandards an den Fachschulen kontinuierlich anheben und verbessern, auch durch Kooperation mit der Fachhochschule und mit der Universität, und wir wollen zum anderen die Möglichkeit zu einem Hochschulstudium im Elementarbereich eröffnen und dieses Personal mittelfristig dann auch in den Kindertagesstätten einsetzen, entsprechend dem Standard der meisten Mitgliedsstaaten der EU.
Meine Damen und Herren, der OECD-Bericht bestätigt unseren Kurs im Grundsatz. Wir möchten ihn mit Anstrengungen in der nächsten Wahlperiode fortsetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss hier zwei Dinge richtig stellen.
Erstens. Herr Dr. Klug, für einen flotten Spruch nehmen Sie es manchmal mit den Fakten nicht so ganz genau. Zur Frage Kita-Beiträge für ALG-IIEmpfänger und der diesbezüglichen Berichterstattung in den „Lübecker Nachrichten“. Diese Berichterstattung betraf den Kreis Segeberg, der in der Tat die Kindergartenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Empfänger um 40 % erhöht hatte, was zu dramatischen Folgen - allerdings auch nur bei wenigen Eltern - führte. Dies oblag komplett der Verantwortung des Kreises und inzwischen hat man eingesehen, dass es so nicht geht und man will es zurückführen. Ein weiterer Kreis nahm eine leichte Erhöhung vor. Alle anderen Kreise haben ihre soziale Verantwortung wahrgenommen und nicht an den Sätzen gedreht. - Das sind die Fakten.
Der Bericht in den „Lübecker Nachrichten“ war nicht besonders gut recherchiert und von einem Abgeordneten erwarte ich, dass er sich wirklich um die Fakten bemüht.
- Natürlich ist das schlimm genug und es ist kritikwürdig, aber es ist nicht unsere Schuld.
Zweitens. Sie haben die Deckelung der Kindergartenbeiträge angesprochen. Fakt ist: Sie sprechen immer wieder - auch bei Veranstaltungen und so weiter - die Deckelung an. Unsere Abrechnung für 2004 zeigt, dass zwei Kreise weniger bekommen haben; das hat natürlich etwas mit der Entwicklung von Kinderzahlen und so weiter zu tun. Alle anderen Kreise haben mehr bekommen. Es gibt überhaupt keine Klagen. Das Geld für 2004 hat entsprechend unserer Prognose ausgereicht. Und in diesem Zusammenhang
von Deckelung und möglichen Folgen für die Eltern zu reden, ist schlicht unseriös.
Wir erarbeiten gerade ein Monitoring über die Entwicklung von Kindergartenbeiträgen in den Kommunen in Schleswig-Holstein und legen es im Mai vor. Unsere Prognose hat sich also erfüllt, dass die 60 Millionen € nicht dazu geführt haben, dass über erhöhte Ansprüche der Kreise sozusagen ein Deckel aufgelegt werden musste.
Wir werden im Mai das erarbeitete Monitoring über die Entwicklung der Situation im Kindertagesstättenbereich vorlegen; wie es hier auch beschlossen worden ist. - Meine Damen und Herren, das wollte ich an dieser Stelle richtig stellen.
Herr de Jager hat ja auch ein bisschen über die Ursachen von Geburtenrückgang und so weiter philosophiert. Ich möchte dazu etwas anfügen, was manchmal als kleine Bemerkung Rückschlüsse auf bestimmte Einstellungen zu Entwicklungen zulässt. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen hat vor zwei Tagen gesagt, in Deutschland bekämen die falschen Leute Kinder. - Das lassen Sie sich doch einmal auf der Zunge zergehen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, man kann in Deutschland feststellen, dass es seit einigen Jahren jedenfalls unter den Erwachsenen einen gravierenden Bewusstseinswandel im Zusammenhang mit jeder Art von Drogen- und Suchtmitteln gibt. Das kann man wirklich feststellen.
Die meisten Bürger gehen bewusster mit Alkohol um, lehnen Drogen und Suchtmittel entschiedener ab als es noch in den 80er-Jahren war. Sie tun das heute vor allen Dingen aus gesundheitlichen Gründen, wir wissen heute einfach auch mehr über bestimmte Dinge. Ein guter Gradmesser dafür ist übrigens das Fernsehen. Wenn Sie an Talkshows oder auch Presseclubs von vor zehn Jahren denken, da wurde kräftig Wein getrunken und geraucht - da fand kein Mensch etwas dabei. Das ist heute undenkbar.
Also, Nichtrauchen ist die Norm und Rauchen ist die Abweichung. Für die schleswig-holsteinischen Schulen gilt das Leitbild der rauchfreien Schulen und in sehr vielen Schulen wurde dieses Leitbild bereits in enger Zusammenarbeit mit der Aufklärungskampagne aus eigenem Antrieb heraus verwirklicht, weil sich die Schulkonferenzen nach sehr ausführlichen Debatten bewusst dafür entschieden haben.
Bei all dem, was wir jetzt diskutieren, muss man immer wieder sagen: Der eigenen Einsicht, dem eigenen Engagement vor Ort, muss man allemal die größten Erfolgschancen in dieser Frage einräumen, mehr als einem puren Verbot. Ich glaube, das ist unumstritten.
Ich glaube, dem stimmen auch diejenigen zu, die immer schon für ein Rauchverbot waren. Die eigene Einsicht und die eigene Organisation ist immer das erfolgreichere Mittel.
Aber wir müssen eben auch feststellen, dass Prävention in Bezug auf junge Menschen und den Bewusst
seinswandel, den man da feststellen kann, nicht ausreicht. Das sagen uns die Statistiken, das ist der Eindruck, den man hat, und das sagen uns die Schülerinnen und Schüler. Wir reden heute nicht über das Problem von Cannabis und Hasch. Das ist aber auch eines, dem wir uns widmen müssen. Das ist ebenfalls ein gravierendes Problem.
Die Statistiken sagen uns, dass Kinder und junge Menschen immer mehr zu Zigaretten greifen, sogar schon in Grundschulen kommt das heute vor. Das Einstiegsalter sinkt und der Konsum steigt. Das ist eine beunruhigende Entwicklung und wir wissen auch, dass sich Kinder gerade während der Pubertät von Erwachsenen weniger leiten und etwas sagen lassen als von den eigenen Freunden.
Bei aller Gemeinsamkeit hier und der Richtigkeit dessen, was wir jetzt vorhaben, muss ich auch sagen, dass die Schulen in dieser Frage wahrlich nicht alles richten können. In einer Gesellschaft, in der es nach wie vor selbstverständlich ist, dass Zigarettenautomaten überall hängen, dass Kinder Zigaretten in den Läden kaufen können und in der die Frage des Rauchens in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Gebäuden und überhaupt im öffentlichen Raum in Deutschland so großzügig gehandhabt wird, wie in keinem anderen europäischen Land, geschweige denn in Skandinavien, das eben hier zitiert wurde, gehören diese Rahmenbedingungen eben auch mit zu diesem Problem. Das muss ebenfalls mit angepackt werden.
Seitdem ich Schweden kenne - das wurde eben hier zitiert -, habe ich dort noch nie einen einzigen Zigarettenautomat gesehen. Seitdem ich Schweden kenne, weiß ich, dass es dort in den Krankenhäusern - das ist in Deutschland dagegen immer noch selbstverständlich - keine Räume für Raucher gibt. Das gibt es in Deutschland immer noch. Die gesamte Einstellung dazu, das gesamte Leitbild ist in Deutschland eben noch anders. Auch daran müssen wir arbeiten und nicht immer meinen, die Schule könne alle Probleme dieser Welt lösen.
Es gibt für die Umsetzung dessen, was wir heute hier beschließen, noch eine ganze Reihe von Fragen zu klären. Dazu gehört die Frage: Wie sichern wir auch in Zukunft eine wirksame Prävention? Denn es soll nicht so sein, dass die Schulen sagen: Jetzt haben wir
ein Verbot, jetzt brauchen wir präventiv nichts mehr zu machen. Natürlich ist Prävention nach wie vor wichtig und muss gesichert sein. Weiter ist zu fragen: Welche praktischen Konsequenzen haben diese Verbote in juristischer Hinsicht? Auch das wird zu klären sein, vor allem in Bezug auf die Lehrer. Außerdem: Wie sichern wir den Erfolg und die Durchsetzbarkeit, vor allem, wie sichern wir dabei den Schulfrieden? Natürlich gibt es dieses Problem auch jetzt schon. Wie sichern wir die Durchsetzung der Regel, dass für Kinder unter 16 Jahren generell das Rauchen verboten ist, Herr Dr. Klug? Das war für die Schulen schon immer ein Problem. Wie setzen sie bestimmte Verbote, die über das Jugendschutzgesetz auch in die Schulen hineinwirken, durch? Welche Sanktionen werden ergriffen? - Ich finde, darüber müssen wir mit den Schulen gemeinsam nachdenken. Deshalb finde ich, diese ganzen Fragen zu klären, ist Aufgabe der kommenden Monate. Wir müssen dies mit den Fachleuten von der KOSS, mit den Lehrerverbänden, mit den Schülervertretungen, mit den Elternvertretungen und mit den Schulträgern tun. Dazu braucht man ein bisschen Zeit, das kann man nicht von heute auf morgen übers Knie brechen.
Den Beschluss, den wir heute fassen, fassen wir auch deshalb, weil sehr, sehr viele Schulen mir gegenüber geäußert haben, dass sie sich eine klare Haltung des Landtages, der Landesregierung, zu einem Verbot wünschen. Das steht also deshalb auf unserer Agenda und die Schulen sind deshalb verpflichtet, auch zukünftig präventive Maßnahmen zu ergreifen. Sie sollten sich auf das, was kommt, intensiv vorbereiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine institutionalisierte Landeselternvertretung ist wichtig und richtig. Das habe ich, glaube ich, schon in der ersten Lesung gesagt. Sie allein kann die Interessen der Eltern aufnehmen und vertreten sowie Reibungspunkte zügig klären. Wie dies gelingen kann, zeigt
sich schon jetzt. Die Landeselternvertretung hat sehr kooperativ und konstruktiv an den inhaltlichen Entwicklungen teilgenommen und bei den Leitlinien zum Bildungsauftrag und bei den Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Kita und Grundschule produktiv mitgewirkt. Ihr Stellenwert soll in Zukunft erweitert werden. Es ist überhaupt keine Frage, dass das so sein muss. Eine institutionalisierte Elternvertretung auf Kreisebene beispielsweise - Frau Birk, da haben Sie Recht - hätte sich mit einem ganz anderen Gewicht vermittelnd und klärend einschalten können, als es um die punktuelle Erhöhung von Kita-Beiträgen in manchen Kreisen ging.
Für das spezielle Beispiel wäre es in jedem Fall nicht schnell genug gegangen, Herr Dr. Klug. Hätte, könnte. Das hätten wir in diesem Zeitraum ohnehin nicht schaffen können.
Der Vorsitzende der Vertretung, die jetzt gebildet worden ist, hat mir gegenüber deutliches Verständnis signalisiert, dass wir das nicht übers Knie brechen, dass angehört werden muss, dass insbesondere die freien Träger und die Kommunen ein Recht haben, ihre Meinung dazu zu sagen. Was ich von der kommunalen Seite höre, ist, dass man das durchaus nicht so einfach mit dem Schulgesetz und der Schulelternvertretung vergleichen kann. Sie reklamieren das Konnexitätsprinzip. Sie sagen, 75 % seien freie Träger. Was bedeutet das für die Kosten und was bedeutet es für die Verantwortlichen für die Kosten? Das muss man alles sorgfältig abwägen. Sie sind doch sonst immer dafür, dass man die kommunale Seite gründlich anhört und mit ihr entsprechende Lösungen möglichst im Konsens findet.
Es gibt darüber hinaus Fragen, die zu klären sind: Wie werden die Kostenfolgen sein? Wie werden sie verankert werden? Wer zahlt am Ende die gesamten Kosten? All das lassen Sie uns in einer sorgfältigen Anhörung klären.
In der Sache selbst - das finde ich erfreulich, Herr Dr. Klug; vielleicht kann man sich darauf am Ende der Debatte verständigen - gibt es überhaupt keinen Dissens. Das ist völlig klar. Wir arbeiten schon jetzt - dafür bin ich dankbar - sehr konstruktiv mit den Eltern zusammen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In keiner anderen Erziehungs- oder Bildungseinrichtung sind Kontakt und Austausch zwischen Eltern und Personal so wichtig und auch so intensiv wie in den Kindertageseinrichtungen. Das ist wichtig und auch notwendig. Es funktioniert in der Regel sehr gut, jedenfalls besser, als es in den Grundschulen in der Regel der Fall ist. Eltern beteiligen sich an der Gestaltung und am Programm der Kindertageseinrichtungen. Das Kita-Gesetz sieht das auch ausdrücklich vor. Es gibt Verfahrensweisen und Organisationsformen vor, wie sich Eltern in die Kindertageseinrichtungen einbringen sollen. Im Gesetz heißt es: Sie sind an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Kindertageseinrichtungen zu beteiligen. - Das betrifft allerdings nur die einzelnen Kindertageseinrichtungen vor Ort.
Die Kita-Eltern haben sich in den vergangenen Jahren nun aus eigenem Antrieb in den Kreisen und kreisfreien Städten organisiert, in der Regel allerdings noch nicht wirklich dauerhaft. Wir haben aber seit 2003 eine Landeselternvertretung, die den Kontakt zu den bestehenden Kreiselternvertretungen hält und darüber hinaus die Bildung von Kreiselternbeiräten in allen Kreisen anregt. Bis auf drei Kreise - der
Kreis Plön gehört dazu, Herr Kalinka - gibt es jetzt überall im Land Kreiselternvertretungen. Herr Kalinka, unterstützen Sie doch bitte, dass eine solche Vertretung auch in Ihrem Kreis Wirklichkeit wird!
Das Ministerium hat die Gründung der Landeselternvertretung für Kindertageseinrichtungen sehr begrüßt. Wir arbeiten vertrauensvoll mit ihr zusammen. Das letzte Beispiel dafür sind die Leitlinien zum Bildungsauftrag für die Kindertageseinrichtungen. Wir haben diese im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern nicht in einem so genannten Top-downProzess erlassen, sondern wir haben sie in konstruktiver Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden, also den Trägern, der Landeselternvertretung und natürlich auch Fachleuten aus der Wissenschaft erarbeitet. Selbstverständlich arbeitet die Landeselternvertretung auch in der übergeordneten Steuerungsgruppe und in den nachgeordneten Arbeitsgruppen mit. Dazu bedurfte es übrigens keiner besonderen Aufforderung von irgendjemandem, sondern das war für uns selbstverständlich.
Meine Damen und Herren, die Frage ist, ob man diese sehr gute Zusammenarbeit, diesen Prozess, der sich von unten heraus entwickelt hat und dem wir sehr gern gefolgt sind, gesetzlich normieren soll. Wir hatten vor, dies in der nächsten Wahlperiode im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Kita-Gesetzes, die notwendig ist, da die zweijährige Erprobungsphase der neuen Finanzierung ausläuft, zu tun. Wir hatten es auch vor, weil die kommunale Ebene, Herr Kalinka, von dieser Normierung massiv betroffen ist.
Die kommunale Ebene ist betroffen und das hat - das ist selbstverständlich - für alle Beteiligten, für alle Ebenen Kostenfolgen. Dies muss im Einvernehmen mit der kommunalen Seite ablaufen und es ist - darüber muss man sich natürlich im Klaren sein - auch eine neue Form der Standardsetzung, die wir hier vornehmen.
- Doch, das ist es. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir dies in eine gesetzliche Regelung überführen. Wenn es sich das Parlament zutraut, dies noch in dieser Wahlperiode zu tun, und nicht meint, man müsse gleichzeitig noch tausend andere Sachen im Kita-Gesetz regeln - Sie schütteln den Kopf, aber es kann ja Überlegungen an anderer Stelle geben -
- ja, da Sie es hier so ausdrücklich erklären, müssen Sie es im Ausschuss auch durchhalten -, kann man das so machen.
Man kann das Gesetz allerdings nicht einfach so übernehmen, wie Herr Klug es hier vorgelegt hat. Von der Überschrift bis zu einzelnen Verfahrensfragen, die dort vorgeschlagen werden, ist es wirklich mit der heißen Nadel gestrickt, Herr Dr. Klug; das sagen mir meine Fachleute.
Insofern bedarf es einer Überarbeitung. Es bedarf natürlich auch der ordnungsgemäßen Anhörung; das ist klar. Wenn es sich das Parlament zutraut, dies zwischen Weihnachtspause und nächster Landtagstagung ordnungsgemäß und vernünftig bewerkstelligen zu können, ohne die kommunale Seite und alle anderen Beteiligten dabei auf die Palme zu bringen,
dann soll es an uns wahrlich nicht scheitern. Denn die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kindertageseinrichtungen und Elternvertretungen ist uns auf jeder Ebene ein wichtiges Anliegen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer erwartet hatte, dass die deutsche PISA-Debatte Nummer 2 ein bisschen sachlicher, ein bisschen unaufgeregter und vielleicht ein Stück optimistischer ausfallen wird, der sah sich spätestens nach den Vorveröffentlichungen getäuscht. Die Liste der Schlagzeilen reichte in den Zeitungen von „Aufgerückt bis Mittelmaß“ bis zur „Bild“-Zeitung, die getitelt hat: „PISASchock - warum sind Asiaten so viel schlauer als wir?“. Dies liest sich wie ein einziges Katastrophenszenario und manchmal so, wie andere europäischen Länder die Deutschen sehen, nämlich mit der deut
Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 130. Sitzung - Mittwoch, 15. Dezember 2004 10073
schen Krankheit behaftet, alles negativ zu sehen und fast eine depressive Grundstimmung zu haben.
Eine erste Analyse der PISA-Ergebnisse gibt diese gänzlich negative Einordnung nicht her. Die Ergebnisse sind komplex und sie sind ambivalent. Es gibt Licht und Schatten, es gibt positive Entwicklungen und es gibt alarmierende Befunde.
Zu den positiven Entwicklungen zählen die deutlich besseren Ergebnisse in den mathematischen Kompetenzen und die ebenfalls besseren in den naturwissenschaftlichen Aufgaben. Leider kann man das bei der Lesekompetenz nicht sagen. Besonders hier wird übrigens deutlich, dass eineinhalb Jahre Zeit zwischen dem Ergebnis der ersten Studie und der Erhebung zur zweiten Studie nicht ausreichen, um messbare Verbesserungen zu erreichen.
Zum ersten Mal wurden übrigens unsere Schüler auf ihre allgemeine Problemlösefähigkeit hin überprüft. Und, siehe da, sie schnitten weit überdurchschnittlich besser ab, als in den mathematischen Leistungen. Die Bildungsforscher nennen das ungenutztes Potential. Das gilt insbesondere für Mädchen, die im Problemlösen wesentlich besser sind, als ihre mathematischen Leistungen dies vermuten lassen. Gerade daraus müssen wir übrigens für den Unterricht und die Motivation deutliche Schlüsse ziehen.
PISA beschreibt aber nicht nur Kompetenzen, sondern auch Lernbedingungen, Klassengröße und Stundenzahl, Umfang von Hausaufgaben, Wiederholungen, Lehrergehälter und so weiter, also alles, was an formalen und materiellen Voraussetzungen am Zustandekommen dieser Kompetenzen beteiligt ist.
Die Studie beschreibt weiter die Verteilung der Leistungen auf Kompetenzstufen, also die Leistungsstreuung. Wir haben in Deutschland nach wie vor im internationalen Vergleich eine relativ kleine Spitzengruppe, aber viele Schülerinnen und Schüler, die zur so genannten Risikogruppe gehören. Die Differenz zwischen den Starken und den Schwachen ist noch größer geworden. Verbessert haben sich bei PISA vor allem die leistungsstärkeren Schulen und die sind natürlich auch verantwortlich für den besseren Gesamtdurchschnitt.
PISA untersucht darüber hinaus die sozialen Hintergründe von Bildung. Da steht Deutschland nach wie vor nicht gut da, um es einmal vorsichtig zu formulieren. In keinem anderen Land sind nach wie vor der Bildungserfolg und die Bildungsbeteiligung so stark von den sozialen Situationen, vom Bildungshinter
grund der Eltern abhängig. Das ist das eigentliche deutsche Armutszeugnis, meine Damen und Herren. Das ist es nicht nur in einem humanen, sozialen Sinne, sondern auch im ökonomischen Sinne. Mir macht der Befund Sorgen, mir macht das wirklich Sorge. Deshalb lasse ich es nicht zu, dass Sie nur mit Ideologie und Polemik gegen solche Sorgen angehen.
- Lieber Herr de Jager, dass Sie dabei so hochgehen, zeigt Ihr schlechtes Gewissen. Mit dieser Problematik setzen Sie sich nämlich überhaupt nicht auseinander.
Meine Damen und Herren, die Beschreibung unseres Schulsystems im internationalen Kontext
- nun einmal ruhig! - ist komplex. Eines ist klar:
Die PISA-Studie - ich zitiere jetzt Herrn Prenzel - sei nicht so angelegt - -
- Dürfte ich meine knappe Redezeit weiter nutzen, meine Damen und Herren?
Die PISA-Studie - das sagt Herr Prenzel und das ist wichtig in diesem Kontext - sei nicht so angelegt, dass direkte Ursachen für Leistungsunterschiede überhaupt erforscht worden seien. Also, sie enthält keine monokausalen Ursachen- und Wirkungszusammenhänge; das habe ich übrigens auch nie behauptet. Sie ist ein Befund und keine Therapie. Und sie darf auch nicht auf Einzelaussagen nach dem Motto „Sie ist ein Beleg für die erfolgreiche deutsche Tradition des dreigliedrigen Schulsystems“ zurechtgebürstet werden.
- Darf ich bitte zu Ende reden? Herr Stritzl, bitte bringen Sie ein bisschen Geduld auf.
Sie ist auch kein eindeutiger Beweis für die Überlegenheit integrativer Systeme. Solche Systeme gibt es allerdings mehrheitlich bei den Siegerländern, aber sie gibt es auch am unteren Ende der Leistungsskala, meine Damen und Herren. Das ist doch eine Grundlage, auf der wir in Zukunft sachlich und unideologisch über die Auswirkungen von Schulsystemen reden können.
Meine Damen und Herren, die Ergebnisse sind komplex. Die Frage und Herausforderung besteht darin, wie wir verantwortlich, sachlich und differenziert mit ihnen umgehen. All die Initiativen, die zur Qualitätssicherung von Schule und Unterricht auf den Weg gebracht worden sind - von den Standards über Vergleichsarbeiten, mehr Verlässlichkeit, mehr Eigenverantwortung bis hin zu individuellem Fordern und Fördern -, müssen konsequent und bundesweit fortgeführt werden.
Genauso konsequent und früh müssen wir beginnen - da haben alle Recht, die dies sagen; auch Sie, Herr Dr. Klug - mit der vorschulischen Bildung - mit der Sprachförderung vor allen Dingen -, mit dem Aufbau von Ganztagsschulen, mit der Stärkung der Grundschule müssen wir unbedingt konsequent weiterkommen. Das ist ein Kurs, der Gott sei Dank von allen mitgetragen wird.
Aber wir hatten in den letzten Jahren allen Anlass, meine Damen und Herren, uns die Schulsysteme der Länder anzuschauen, die besser sind als wir und denen es besser gelingt, überdurchschnittliche Leistungen und zugleich mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Mehr Bildungsgerechtigkeit ist der Aspekt, der in der Diskussion, die sich jetzt etwas verschärft hat, leider zu stark ausgeblendet wird. Wir haben festgestellt: Mitverantwortlich an unserem schlechten Abschneiden ist die frühe Auslese der Kinder. Das ist mit Händen zu greifen und das sagen sogar diejenigen, die unserem Konzept von der Gemeinschaftsschule nicht zustimmen.
Ich könnte Herrn Jürgen Kaube aus der „FAZ“ zitieren, der gesagt hat: Unsere Schule in Deutschland ist der große Ungleichheitsverstärker. - Das Prinzip des Auseinanderdividierens überlagert bei uns das Prinzip des Forderns und Förderns. Es ist eben manchmal bequemer, einen Schüler nach unten durchzureichen, statt um ihn zu kämpfen.
Nun denken Sie nicht, ich sähe den Wald vor lauter Bäumen nicht und würde jetzt selbst den einfachen monokausalen Zusammenhang herstellen. Natürlich weiß ich, dass etwa allein die Abschaffung dieser europaweit - Österreich ausgenommen - einmalig frühen Auslese im Alter von zehn Jahren relativ wenig verändern würde. Natürlich sehe ich die Gefahren und Risiken, die Überforderung aller Beteiligten, wenn man dieses Ziel - das längere gemeinsame Lernen - zu schnell, zu abrupt ansteuern und den Schulen überstülpen würde. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben, und daran anknüpfen. Wir haben ein enormes pädagogisches Potenzial, das unsere Lehrerinnen und Lehrer Tag für Tag entfalten.
Es ist übrigens in allen Schulen vorhanden. Hauptschullehrer arbeiten genauso engagiert wie die Kollegen an den Gymnasien. Aber Hauptschullehrer haben überdurchschnittlich häufig mit sehr schwierigen Lernmilieus zu tun. Herr Professor Baumert, den Sie so gern zitieren, hat in einer großen Studie dargestellt, wie dieses Lernmilieu verfestigend auf die Lernbereitschaft und die Schwierigkeiten, die in diesen Klassen vorhanden sind, wirkt.
Ausgerechnet die Hauptschullehrer kämpfen gegen fehlende elterliche Unterstützung, während die Gymnasialkollegen meistens auf ein privilegiertes Lernumfeld und große elterliche Unterstützung setzen können.
Meine Damen und Herren, ich stehe nicht für radikale Zäsuren. Ich stehe für eine Politik der kleinen Schritte und für die Beteiligung aller. Und da sagen mir die Diskussionen der letzten Wochen: Die Schulträger und die Schulen vor Ort und viele Lehrerinnen und Lehrer sehen das alles wesentlich gelassener und offener, als es uns manche Verbände glauben machen wollen, meine Damen und Herren.
Ich rede hier keine Schule und keine Schulart schlecht - auch die Hauptschule nicht. Ich weiß, dass die bloße Abschaffung einer Schulart die Probleme überhaupt nicht löst. Ich weiß vor allem auch, welche enorme Integrationsleistung die Lehrerinnen und Lehrer insbesondere an den Hauptschulen Tag für Tag bewältigen müssen.
Sie leisten eben einen Gutteil der sozialen Integration, die an und für sich die Aufgabe von allen Schulen ist, meine Damen und Herren.
Von der Opposition habe ich bisher keine Antworten auf die Probleme der demographischen Entwicklung gehört; ich will dies hier nur am Rande erwähnen. Wir haben keine Antwort auf die soziale Schieflage gehört, die wir konstatieren, sondern nur eine Art trotziges „Weiter so!“ und ein wenig hilfreiches Polemisieren, das natürlich bewusst mit Kampfvokabular wie „Einheitsbrei“ und „Gleichmacherei“ operiert. Das ist es, was Sie immer wiederholen und das soll natürlich verunsichern und abstempeln, aber Sie können mit diesen Angriffen nicht davon ablenken, dass wir jedenfalls konstruktive Vorschlägen gemacht haben.
Wollen Sie ausgerechnet mit der Verschärfung der Auslese, die Sie fordern, bessere Bildungserfolge für alle Jugendlichen und Kinder erreichen, meine Damen und Herren?
Es sollte Ihnen doch zu denken geben, dass selbst die Länder, die trotz integrativer Systeme bei der PISAStudie schlechter als wir abgeschnitten haben, wirklich nicht auf den Gedanken kommen, das deutsche Schulsystem übernehmen zu wollen.
Meine Damen und Herren, Sie versuchen immer noch, uns mit dem Stichwort „Ideologieverdacht“ zu bekämpfen. In Wahrheit - das sage ich Ihnen - hat die ideologische Abrüstung Gott sei Dank längst begonnen.
Sie haben es nur noch nicht bemerkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle mich ausdrücklich vor die Meinungsfreiheit der Verbandsvertreter. Die politische Äußerung von Herrn Höppner ist trotzdem nachvollziehbar. Sie haben sich nicht bildungspolitisch geäußert, sondern ausdrücklich parteipolitisch. Aber sollen sie das doch tun.
- Natürlich, Sie haben zur Wahl der Parteien aufgerufen, die das dreigliedrige Schulsystem unterstützen. Was ist das denn sonst, meine Damen und Herren? Nun bleiben wir einmal ehrlich.
Aber ich sage ganz deutlich, dass Sie das tun können. Die GEW tut das nicht. Die GEW äußert sich bildungspolitisch.
Ich habe noch nie gehört, dass die GEW zur Wahl der SPD aufgerufen hätte. Das wäre einmal etwas Neues.
- Herr Dr. Klug, ich sehe das alles mit großer Gelassenheit. Das können Sie mir wirklich abnehmen.
Lassen Sie mich zum Schluss der Debatte noch einmal eine ebenso gelassene Bemerkung machen. Herr Wagner, ich nehme das, was aus Ihrem Beitrag herausklang, durchaus ernst. Ich weiß, dass diese Bedenken und Fragen bei vielen Eltern auch da sind: Wie schaffen wir es, dass wir sowohl den sehr guten Schülern als auch den sehr schwachen Schülern in einem solchen System langfristig gerecht werden? Hier ist vieles über die Veränderung von Schulen und Unterricht gesagt worden, was man sich dabei mit vorstellen muss. Ich bin gern bereit, Ihnen das einmal - weil das wirklich in diesen kurzen Beiträgen nicht möglich ist - anhand der Beispiele anderer Länder darzulegen, die anders unterrichten und ganz anders arbeiten; sie differenzieren natürlich auch so viel wie möglich, um allen Leistungsmöglichkeiten gerecht zu werden. Das will ich Ihnen gern einmal erklären.
Noch einmal: Ein bisschen mehr Gelassenheit in der Debatte! Wir reden über die Sekundarstufe I, wir reden über fünf Jahre in der Bildungsbiografie eines Kindes. Wir haben Probleme in diesen fünf Jahren. Das bescheinigen uns alle Bildungsforscher, das bescheinigen uns alle internationalen Vergleiche. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir diese fünf Jahre anders und besser gestalten. Die Begabungspotentiale, die wir gerade bei den Kindern aus den sozial schwachen Schichten haben besser auszunutzen, das muss unser aller gemeinsames Anliegen sein. Lassen Sie uns doch bitte in Zukunft gemeinsam etwas sachlicher vernünftige neue Wege suchen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe hier vor ziemlich genau einem Jahr meine Position erläutert und begründet und habe mich seinerzeit klar gegen das Tragen eines Kopftuchs von Lehrerinnen
und Lehrern im Klassenzimmer ausgesprochen. Das ist nicht gleichbedeutend mit einem Verbot.
Ich habe seinerzeit auch entschieden dafür plädiert, dass die Religionen gleichbehandelt werden. Das ist selbstverständlich. Ich meine, dafür sogar Zustimmung von Ihnen bekommen zu haben. Ich habe auch auf die Vorbildwirkung von Lehrerinnen und Lehrern verwiesen. Das Schulgesetz fordert von den Lehrkräften, dass sie im Unterricht in jeder Weise die Werte des Grundgesetzes vertreten und vorleben. Es geht um religiöse Toleranz, Menschenwürde, Freiheitsrechte und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Ich will trotzdem gerade nach dem Beitrag von Wolfgang Kubicki wiederholen, was ich damals nach meiner Erinnerung gesagt habe: Muslime tragen das Kopftuch aus religiöser Überzeugung, oder sie tragen es, weil der Druck von den Eltern oder vom familiären Umfeld vorhanden ist. Diesen Druck darf man nicht unterschätzen. Man muss nicht Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um eine eindeutige islamistische Expansion in Deutschland zu beobachten, für die die Unterdrückung von Frauen sozusagen zum Programm gehört. Ich möchte, dass unsere Schülerinnen und Schüler und gerade auch die muslimischen Schülerinnen und Schüler vor Druck und Beeinflussung geschützt werden, auch vor ungewollter Beeinflussung.
Damit will ich aber auch sagen: Selbst wenn das Kopftuchtragen eben nur religiös begründet ist, darf man die objektive und manchmal auch ungewollte Wirkung dessen nicht unterschätzen.
Es geht hier also nicht darum, Frau Eisenberg, über eine isolierte Frage zu entscheiden, sondern es geht um eine Güterabwägung, und zwar nicht nur im juristischen Sinne. Man muss das natürlich auch im Kontext unserer eigenen emanzipatorischen und kulturellen Tradition sehen. Man kann viel zerstören, wenn man vorschnell eine Regelung vom Zaun bricht. Manchmal gibt es ja wirklich gute Gründe, abzuwarten und die Entwicklung zu beobachten, insbesondere dann, wenn man überhaupt keinen akuten Anlass hat, eine rechtliche Regelung zu schaffen. Wir warten bewusst auch deswegen ab, endgültig über diese Frage zu entscheiden, weil wir eine verbindliche Rechtslage haben wollen. Im Übrigen steht auch noch die Antwort der EU-Kommission aus, der die Gesetzestexte übermittelt worden sind, um sie vor dem Hintergrund der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU zu prüfen.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns damit auch im Einklang mit einer ganzen Reihe anderer Bundesländer, nämlich Sachsen, Sachsen-Anhalt und auch Hamburg, das im Gegensatz zu uns wegen des höheren Ausländeranteils mit dieser Frage sehr viel stärker konfrontiert ist. Für gesetzliche Verbotsregelungen hat sich bisher also nur eine Minderheit der Bundesländer ausgesprochen. Unterlassen Sie deswegen den Vorwurf an Rot-Grün. Das greift ein bisschen zu kurz und spricht eher dafür, dass wir uns immer wieder sehr sorgfältig mit dieser Frage befasst haben.
Das Thema ist komplex. Es betrifft ja nicht nur das Kopftuch und die Symbolkraft des Kopftuchs, sondern damit sind auch ganz wesentlich christliche und jüdische Symbole berührt. Diese Frage berührt auch Grundwerte unseres Zusammenlebens: das Gebot der Toleranz, der Religionsfreiheit und die Frage, wo dies seine Grenzen findet.
Ich finde, wir können uns die Zeit des Prüfens und Darübernachdenkens auch deswegen nehmen, weil - das ist völlig richtig - die derzeitige Rechtslage absolut ausreicht, um im Einzelfall auf gegebenenfalls verfassungswidriges, die Normen, die ich vorhin genannt habe, verletzendes Verhalten reagieren zu können.
Ich will noch ein Wort zur aktuellen deutschen Debatte über Integration, Parallelgesellschaften und das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft sagen. Für mich gilt dabei immer noch dasselbe, was hier vor einem Jahr - so hoffe ich jedenfalls - Konsens war: dass Integrationspolitik und Integration eben nicht heißt, einer naiven Multikultur das Wort zu reden.
Integration heißt immer, sich auch mit radikalen Tendenzen und missionarischen Tendenzen auseinander setzen zu müssen, sich dieser Auseinandersetzung immer wieder zu stellen und sie nicht einfach unter den Teppich zu kehren. Aber diese Art von Auseinandersetzung darf eben in unseren Schulen so nicht stattfinden, meine Damen und Herren.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und ich finde, wir sollten uns immer wieder mit diesem Thema befassen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist schon ein bisschen komplexer und schwieriger, als dass man sie verengen könnte auf die Frage des Rauchverbots in den Schulen - ja oder nein.
Wir müssen uns fragen: Woher kommt es, dass heute schon Grundschüler rauchen? Woher kommt es, dass das Kiffen so normal geworden ist? Das ist zum Teil in Jugendlichen-Kreisen akzeptierter als das Rauchen, weil es angeblich nicht so viel schadet. Woher kommt es, dass Kinder Tabletten nehmen? Woher kommt es, dass die Alcopops so populär sind? Woher kommt es, dass sich Gymnasiasten - da müssen Sie sich am Wochenende nur einmal hier in den Kieler Kneipen umgucken - sinnlos besaufen? Woher kommt das alles?
- Ja, das ist die typische Antwort auf die Probleme aller Art der Gesellschaft: Die Schule versagt! Ich bin das wirklich langsam leid. Das ist der typische Reflex, von der eigenen Verantwortung abzulenken, die die Eltern, die Familie, die Gesellschaft insgesamt haben. Die Schule soll es lösen, soll es richten, möglichst mit Verboten, mit neuen Unterrichtsfächern und dergleichen mehr. Ich finde schon, wir müssen uns auch ein bisschen an die eigene Nase fassen. Es sind unsere Kinder, über die wir da reden.
Nein, ich habe ganz wenig Zeit und muss das zu Ende führen. Wir werden im Ausschuss weiter darüber debattieren.
Meine Damen und Herren, wenn man dieses verengte Ziel der rauchfreien Schule - und es ist legitim, darüber zu diskutieren - erreichen will, hat man im Wesentlichen zwei Handlungselemente. Das eine sind die präventiven Maßnahmen, die auf Aufklärung und Selbstverpflichtung setzen. Da gibt es eine Fülle von Angeboten in Schleswig-Holstein: Beratung der
Lehrkräfte, Fortbildung, Elternarbeit, Unterstützung bei Schulprojekten und so weiter. Wir bringen gerade eine neue Lehrerhandreichung auf den Weg, eine Zusammenstellung aller Drogenpräventionsangebote, die den Schulen ab Anfang nächsten Jahres zur Verfügung steht. Wir machen eine intensive interministerielle Zusammenarbeit. Der schleswig-holsteinische Präventionspreis „Nicht rauchen, tief durchatmen“ richtet sich in diesem Jahr an Schulen. Das geht in diesem Monat los und die Schulen werden darauf aufmerksam gemacht.
Bei vielen Jugendlichen hat all dies aber keinen Erfolg. Sie rauchen nach wie vor und das Durchschnittsalter des Einstiegs sinkt immer weiter. Das macht mir auch Sorgen. Es ist doch nicht so, dass das an uns vorbei geht, liebe Frau Tengler, darüber redet man auf Elternversammlungen, darüber redet man auf öffentlichen Veranstaltungen. Oft stehen die Eltern total hilflos vor diesem Problem. Sie wissen nicht, wo sie mit den Verboten, mit der Aufklärung, mit der Erziehung anfangen sollen, übrigens auch deswegen, weil sie leider oft selbst schlechte Vorbilder sind.
Aus diesem Grund, weil das so ist, weil eine gewisse Hilflosigkeit in der Gesellschaft da ist, wird diese Diskussion um die Verbote geführt. Es gibt durchaus Argumente dafür, das will ich gar nicht bestreiten, aber es gibt auch Beweggründe dagegen. Mich erreichen in letzter Zeit immer häufiger Briefe und auch Diskussionsbeiträge, die mich auffordern, die Schulen sollten seitens des Ministeriums klare Vorgaben erhalten, nach denen das Rauchen in der Schule generell untersagt wird, auf welche Art auch immer. Ich will mich diesen Argumenten überhaupt nicht entziehen, weil ich das Thema auch viel zu ernst nehme. Aber wie diese klaren Vorgaben aussehen sollen, welche Art und Weise denn die effektivste ist, um all das, was sozusagen an Nebenwirkungen beschrieben worden ist, ist für mich noch nicht endgültig klar.
Einen zahnlosen Tiger oder eine neue Grauzone wollen wir nicht, auch keine Welle von Klagen. Auch das kann man nicht ausschließen. Ein solches Verbot, ein solcher Erlass muss wirklich nachvollziehbar und muss durchsetzbar sein. Selbst bei den Schulen, die sich selbst ein Rauchverbot auferlegt haben, ist es oft so, dass es den Lehrern zu unbequem ist, immer hinterher zu laufen, dass dieses Verbot eben nicht konsequent durchgesetzt wird, Verstöße geahndet werden. Das muss dann aber bitte dazu gehören. Das ist das eine.
Niemand sollte aber wirklich glauben, dass ein solches Verbot allein ausreicht. Die tragende Säule muss nach wie vor die Erziehung bleiben, muss die Prävention bleiben, damit das Rauchen nicht durch ein
Verbot erst recht attraktiv ist. Das wäre das Schlimmste, was man da an Effekt erzeugen könnte. Deswegen müssen alle Beteiligten Vorbild sein. Der Ruf sozusagen nach den Regelungen von oben, der bei Ihnen reflexartig in allen Themen da ist, ist wirklich nicht immer der Königsweg. Ich will mich aber absolut einer solchen Lösung nicht entziehen. Ich sehe das nicht als eine Grundsatzfrage gegen oder für Verbote, sondern ich suche nach einem pragmatischen und möglichst effektiven Weg, um das Problem zu mindern. Lassen Sie uns darüber im Ausschuss weiter diskutieren.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Programm für offene Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein ist eine Erfolgsgeschichte.
Man kann sehr deutlich sagen: Sie ist es nicht nur, aber auch Dank eines wirklich großen Bundesprogramms.
- Lieber Wolfgang, hör dir das an, dem müsstest du eigentlich zustimmen. Dein Kollege Klug hat sich sicher an der einen oder anderen Stelle auch davon überzeugt. Man kann sich diese Erfolgsgeschichte von Ahrensburg bis Flensburg anschauen. Ich sage ganz deutlich: Dazu tragen die Schulträger ebenso wie die einzelnen Schulen landauf, landab mit großem Engagement bei. Das haben wir im August bei der ersten Messe für offene Ganztagsschulen gesehen.
Ich mache die Erfahrung, dass die Öffentlichkeit diese Öffnung der Schulen für ein vielfältiges Angebot von der Hausaufgabenbetreuung über die Entwicklung und Förderung von spezifischen Kompetenzen bis hin zur gezielten Berufsorientierung begrüßt. Die Kinder und Jugendlichen profitieren davon. Die Eltern und auch die Schulen tun es ohnehin. Viele Schulen haben das Programm dazu genutzt, Kooperationen mit anderen Schulen vor Ort und auch mit außerschulischen Partnern einzugehen. An der Ganztagsschule Hohenlockstedt zum Beispiel beteiligen sich eine Grundschule, ein Förderzentrum und eine Realschule mit Hauptschulteil. Von den insgesamt 900 Schülern hat sich jeder dritte Schüler für ein Ganztagsangebot angemeldet.
Ähnliches gilt für das Schulzentrum Büchen. An der Hauptschule Boostedt ist jedes zweite Kind dabei. Dort liegt der Schwerpunkt auf den sozialen Kompetenzen und bei der Drogenprävention. Gestern habe ich einen Brief von der Gemeinde Schönberg bekommen. Ich will Ihnen kurz vortragen, was dort geplant ist: Die Schönberger Ganztagsschule verbindet auf der Grundlage eines gemeinsamen pädagogischen Konzepts drei verschiedene Schularten und die offene Jugendarbeit. Realschule, Grund- und Hauptschule, Förderschule und Jugendzentrum wachsen so zu einer neuen pädagogischen Einheit zusammen. Das, was da geplant wird, ist vorbildlich.
Ich könnte noch eine ganze Reihe von anderen Beispielen anführen. Sie belegen, dass sich an den Schulen etwas tut. Durch das Programm und die Anreize, die dadurch gegeben werden, ist eine enorme Dynamik entstanden. Es ist enorm viel Kreativität und Phantasie freigesetzt worden. Schule wird an vielen Stellen ganz neu gedacht und erhält neue Profile. Sie öffnet sich und wird zum Lern- und Lebensort einer Gemeinde.
Folgendes steht hinter den Zahlen, Fakten und Tabellen: Wir haben 134 Anträge auf Anerkennung als offene Ganztagsschule genehmigt. Viele davon haben Mittel aus dem Bundesprogramm erhalten. In 2003 konnten 29 Investitionsvorhaben in Höhe von 8,9 Millionen € gefördert werden. Im Jahr 2004 konnten 74 Vorhaben mit einem Umfang von insgesamt 34,4 Millionen € gefördert werden. Und jetzt kommt es; einige von Ihnen wissen das schon: Für 2005 lie
gen fast 150 Anträge mit einem Fördervolumen von etwa 104 Millionen € vor.
Dem steht eine für 2005 vorgesehene Fördersumme des Bundes von allerdings nur 34 Millionen € gegenüber. Also, wenig Geld zu verteilen ist schwierig, viel aber manchmal auch. Wir werden gute Lösungen finden müssen, um möglichst viel Bedarf zu decken.
Wir haben mit dem Schulbaubeirat des Landes folgendes Verfahren abgesprochen: Zunächst sollen die Maßnahmen finanziert werden, die im vergangenen und im laufenden Jahr begonnen worden sind. Wir bitten die Kreise um ihre Prioritätenlisten. Wir werden die regionale Ausgewogenheit und die Qualität der vorgesehenen Angebote berücksichtigen müssen. Wir werden das Antragsvolumen in Beziehung zu den Ganztagsschulplätzen setzen, die geschaffen werden, und wir müssen immer fragen, wo mit den verfügbaren Mitteln möglichst viel erreicht wird.
Dabei werden wir auch in Zukunft vor allem die Grund- und Hauptschulen fördern - nicht nur, ich sage vor allem -, aber nicht ausschließlich, und schließlich werden wir prüfen, ob größere Vorhaben über mehrere Haushaltsjahre verteilt werden können, wenn sie ohnehin nicht innerhalb eines Jahres verwirklicht werden können.
Dabei wird auch Kompromissbereitschaft und Kreativität vonseiten der Schulträger gefordert sein. Aber alle Beteiligten sind dazu entschlossen, die Schulen, die Partner der Schulen und ganz besonders auch die Schulträger. Dafür möchte ich ihnen meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen.
Eine Bemerkung noch zur CDU und dem, was Sie propagieren. Sie schlagen vor, nur noch gebundene Ganztagsschulen einzurichten.
- Wie bitte?
- Na gut, Sie schreiben etwas in ein Wahlprogramm, das kann ich auch so sagen. Also, Sie schlagen vor, nur noch gebundene Ganztagsschulen einzurichten. Ist Ihnen eigentlich klar, wie viel Aktivität und Kreativität vor Ort Sie damit ersticken würden,
abgesehen davon, dass Sie die bereits eingerichteten Ganztagsschulen, die offenen Ganztagsschulen, nicht mehr weiterführen könnten? Woher sollte das Geld kommen, wenn Sie die Kommunen komplett aus der Finanzierung heraushalten wollen, was im Übrigen bei den gebundenen Ganztagsschulen auch bisher nicht der Fall ist? Ist Ihnen überhaupt klar, dass sich bundesweit das Modell der offenen Ganztagsschulen absolut durchgesetzt hat? Die Vorstellungen, die Sie haben, gehen an der Realität, an den Wünschen der Schulträger und an den Wünschen der Eltern - das muss man ganz klar sagen - komplett vorbei.
Wir wollen ein lebendiges Angebot, wir wollen ein landesweites Angebot an Ganztagsschulen und auf diesem Weg ziehen wir heute eine erste wirklich positive Bilanz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich weder zur Föderalismusreform äußern noch zu Studiengebühren. Dazu reicht die Zeit nicht. Ich will mich vielmehr zunächst für die konstruktive Beratung der vorliegenden Gesetze bedanken, insbesondere auch bei der Opposition für die konstruktive Beratung und Zustimmung zum Muthesius-Umwandlungsgesetz. Ich glaube, das ist ein sehr positives Signal auch für die Hochschule, die im Übrigen eine hervorragende Perspektive hat und auch in der Vergangenheit schon hatte. Schauen Sie sich einmal die Bilanz von Preisen an, die dort eingefahren wurden, oder die Karrieren der Absolventen. Das spricht wirklich für sich.
Damit bin ich beim Thema Anerkennung und Renommee und Ruf der schleswig-holsteinischen Hochschulen. Ich gehe nun nicht so weit wie Herr Lüthje, der Präsident der Hamburger Universität, der gesagt hat: „Dieses CHE-Länder-Ranking ist methodisch ein verantwortungsloser Unsinn. Dieser Unsinn wird nicht dadurch besser, dass er regelmäßig wiederholt wird.“ Das sagen natürlich immer diejenigen, die schlecht abschneiden; das ist klar. Deswegen sage ich auch, so weit gehe ich nicht. Ich halte es eher mit Herrn Dräger, der gesagt hat, es dauert etliche Jahre, bis sich die positiven Veränderungen an den Hochschulen auch im Ranking widerspiegeln.
Meine Damen und Herren, bedenken Sie auch, wenn Sie ehrlich sind und nicht nur taktisch oppositionell - das ist einfach zu billig, Herr de Jager -, dass es Hochschulen gibt, die im In- und Ausland über so viel historisch gewachsenes Renommee verfügen, wie etwa Heidelberg oder die Humboldt-Universität, das selbst dann noch gilt, wenn sie in einzelnen Fächern inzwischen Mittelmaß sind oder selbst dramatische Unterfinanzierung beklagen wie etwa die HumboldtUniversität. Das ist einfach so; das hält sich unglaublich lange. In einzelnen Bereichen sind schleswigholsteinische Universitäten - etwa im Bereich der Medizintechnik, im Bereich der Agrarwissenschaften und in den Meereswissenschaften - so gut, dass die anderen ihnen überhaupt nicht das Wasser reichen können. Die Universität Bremen ist auch solch ein schönes Beispiel. Sie liegt ganz weit vorn bei der Drittmitteleinwerbung, hat eine Spitzenposition, aber im Renommee hat sich das überhaupt noch nicht niedergeschlagen. Das sind ganz, ganz langfristige Prozesse.
Trotzdem will ich sagen: Mit den Hochschulen verhält es sich ein bisschen so wie mit der Konjunktur. Einerseits müssen die Rahmendaten stimmen, aber es
muss andererseits auch ein positives Klima herrschen. Ähnlich wie bei der Wirtschaftskonjunktur verhält es sich auch bei den Hochschulen. Ist die Konjunktur gut, hat die Regierung natürlich nie etwas dazu getan; ist sie schlecht, ist sie an allem schuld. So einfach ist das nun auch nicht. Ich hätte schon erwartet, Herr de Jager, dass Sie in einer solchen Diskussion ein bisschen mehr Respekt vor den Leistungen unserer Hochschulen zum Ausdruck bringen. Das muss man wirklich sagen.
Stattdessen diese Art von billigem Schlechtreden und in keiner Weise Würdigen. Sie können ja sagen, das haben die Hochschulen alles allein gemacht. Es ist auch so. Ich habe Respekt vor den hervorragenden Leistungen unserer Wissenschaftler. Ich nenne als Beispiel die Medizin, die sich in Schleswig-Holstein zu einem wirklichen Schwerpunkt der Innovationen entwickelt. Denken Sie etwa daran, was an bahnbrechenden Innovationen in Lübeck und Kiel in letzter Zeit erfolgt ist. Das muss man in einer solchen Debatte wirklich einmal würdigen. Ich finde es zu billig, nur auf das Ranking zu verweisen und zu sagen, da ist überall nichts.
Also, verlässliche Rahmendaten und ein gutes Klima, habe ich gesagt. Beides haben wir versucht anzuschieben. Die verlässlichen Rahmenbedingungen bilden sich im Hochschulvertrag und in den Zielvereinbarungen ab. Die vorliegende Novelle stärkt die Managementstrukturen, also die Leitungsverantwortung der Dekanate und Rektorate und die Kontrollaufgaben von Senaten und Konventen, und dies in Übereinstimmung mit den Hochschulen. Noch mehr Leitungsverantwortung und noch mehr Management durch die Rektorate waren ausdrücklich nicht gewollt. Vielleicht befinden wir uns da auch noch in einem Prozess, dem wir uns in der Zukunft annähern.
Meine Damen und Herren, wir setzen auf Erneuerung von innen statt auf Top-down-Prozesse. Deswegen haben wir uns bewusst gegen die Einführung eines Hochschulrates ausgesprochen.
Für das fusionierte Universitätsklinikum schaffen wir mit den Zentren eine effiziente und transparente Entscheidungsebene. Auch hier gilt: In der Frage der Fusion der Universitätskliniken, die Sie ja seinerzeit so vehement bekämpft haben, haben wir inzwischen eine Vorreiterposition. Wir werden bundesweit eingeladen, um unser Modell vorzustellen. Es sind fast alle auf diesem Weg, natürlich unter Druck und zum Teil aus der Not geboren. Selbst im gelobten München werden solche Modelle derzeit diskutiert.
Meine Damen und Herren, die Hochschulen des Landes nehmen die Herausforderungen an. Sie wissen, dass sie in einer Aufholjagd im Wettbewerb stehen. Sie sind in ganz vielen Bereichen im Umbruch, mit der Umstellung auf Bachelor-Master-Strukturen, wo jetzt alle wirklich an einem Strang ziehen, mit der Einführung der leistungsorientierten Mittelvergabe - Sie wollten darüber im Bildungsausschuss bisher gar nichts hören; das wundert mich -, die Anreize zur Einwerbung von Drittmitteln geben soll, mit der Gestaltung der Eigenverantwortung, die wir mit diesem Gesetz erweitern.
Unsere Hochschulen profilieren sich gemäß den Zielvereinbarungen im Bereich der Medizintechnik, der molekularen Biotechnologien, der Windenergie - an der FH Flensburg - und so weiter. Dafür sollten wir gemeinsam werben. Der Hochschulstandort Schleswig-Holstein braucht sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, bedarf jedoch der Unterstützung und einer positiven Kommunikation. Dafür möchte ich bei Ihnen werben.
Ich bedanke mich für die Beratung. Ende November sind sicherlich viele von uns dabei, wenn die Muthesius-Hochschule ihre Umwandlung in eine Kunsthochschule feiert - und dies zu Recht. Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung dabei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang 2002 wurde die Patentverwertungsagentur SchleswigHolstein als GmbH als Serviceeinrichtung für die Hochschulen gegründet mit dem Ziel, an den Hochschulen eine professionelle Patentverwertung aufzubauen und zu betreiben. Dies war möglich und dies war notwendig vor dem Hintergrund eines geänderten Arbeitnehmererfindergesetzes, das den Hochschulen das Verwertungsrecht überträgt. Durch die Gründung sollten mehrere Ziele erreicht werden. Hochschulen sollten eigenständig Einnahmen erwirtschaften können, der Transfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft sollte verbessert werden und im Ergebnis sollen natürlich mittelfristig neue wirtschaftliche Aktivitäten durch die Ausgründung von Unternehmen und die Realisierung von solchen Innovationen ermöglicht und gefördert werden.
In den Jahren 2002/2003 wurde vom BMBF im Rahmen der so genannten Verwertungsoffensive des Bundes 1,1 Millionen € finanziert, eine wirklich gute Initiative, da haben Sie Recht, Herr Dr. Klug. Nicht Recht haben Sie mit der Bewertung, dass dies das Einzige gewesen sei. Ich finde, wir profitieren auch finanziell im Lande Schleswig-Holstein in hohem Maße von Finanzierungsprogrammen, die der Bund gerade im Bildungsbereich angeschoben hat. Ich erinnere nur an die Ganztagsschulen.
Für 2004 bis 2006 übernimmt das BMBF noch immerhin 50 % der Kosten. Zusätzlich kann bei herausragender Arbeit noch ein Bonus von 10 % der Kosten erstattet werden. Für 2004 ist es der PVA gelungen, diesen Bonus zu erhalten. Das ist wirklich bemerkenswert, dies ist nämlich ein Zeichen für den Erfolg der Agentur. Das heißt, die PVA leistet gute Arbeit. In dieser Zeit sind 182 Erfindungen bearbeitet worden, es gibt 24 Patentanmeldungen und elf erteilte Patente.
Herr Matthiessen, es sind auch schon Ausgründungen erfolgt. Ich erinnere zum Beispiel an die Firma ETE in Kiel, die ein Patent verwertet, das an der Technischen Fakultät der CAU unter der Leitung von Professor Föll entstanden ist.
Es ist in dieser ersten Arbeitsphase der PVA aber auch deutlich geworden, dass eigene Erträge aus der Verwertung von Patenten erst mittelfristig zu erwarten sind. Kenner sprechen unter Verweis auf die Situation in den USA übrigens nicht von einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren, sondern eher von erheblich längeren Zeiträumen. Es geht um bis zu zehn Jahre, die man braucht, nennenswerte Erträge aus solchen Agenturen zu ziehen. Innovative Strukturpolitik braucht eben Zeit und langen Atem.
Es ist also erforderlich, die Finanzierung der Agentur solide und dauerhaft darzustellen. Gesellschafter der Agentur sind vor allem die Hochschulen und jetzt schon mit 50 % die ehemalige ttz. Insbesondere die Hochschulen als Gesellschafter sehen sich auf Dauer überfordert, die Finanzierung der Arbeit sicherzustellen. Durch die BMBF-Förderung sind bis 2006 50 % der Kosten gedeckt. Aber danach wird der Zuwendungsbedarf von der Höhe der eigenen Erträge abhängen.
Die Hochschulen haben deswegen nach dem Finanzierungsangebot des BMBF im Frühjahr einen Antrag an den Innovationsfonds gestellt. Wir haben zur Sicherung der Arbeit für 2004 Mittel in Höhe von 125.000 € bewilligt mit der Auflage, ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für die Zukunft zügig zu entwickeln. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:
Die ttz, die schon jetzt zu 50 % Gesellschafter der PVA ist, ist nunmehr Teil der neuen WTSH. Die Wirtschaftspolitiker hier wissen das, vielleicht auch die Abgeordneten insgesamt.
Zu den Kernaufgaben der WTSH gehören auch Technologietransfer und Innovationsförderung. Auch die Hochschulen sind jetzt bereits fast vollständig - bis auf die CAU - Gesellschafter der WTSH.
Ziel der Neustrukturierung der Wirtschafts- und Technologieförderung war es ja, die Kräfte in Schleswig-Holstein zusammenzuführen, zu bündeln und sie damit insgesamt schlagkräftiger zu machen. Das ist ein Ziel, hinter dem wir uns alle versammeln können.
Es liegt also mehr als nahe, meine Damen und Herren, die PVA mit der WTSH enger zu verbinden. Dies war übrigens auch die klare Empfehlung der Gutachter, die die neue Konzeption der WTSH vorbereitet haben. Aber solche Kooperationen brauchen Zeit, besonders wenn man bisher durchaus auch im Wettbewerb miteinander stand.
Die Gespräche sollen vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats der PVA, dem Kanzler der CAU, im Oktober mit dem Vorstand der WTSH geführt werden. Ich gehe davon aus, dass man dabei eine Lösung findet, die die gute Arbeit der PVA mit den Aufgaben der Technologie- und Innovationsförderung der WTSH enger verbinden wird. Dabei muss dann auch eine tragfähige wirtschaftliche Basis für die PVA geschaffen werden. Denn die WTSH ist nun einmal eine wesentlich stärker aufgestellte Institution, die vom Land, den Hochschulen und den Kammern getragen wird und damit eine breitere Basis für die künftige Arbeit der PVA bieten würde.
Lassen Sie uns diese Gespräche abwarten. Ich setze auf eine konstruktive Haltung beider Partner. Natürlich wird es nicht zu einer Beendigung der Aktivitäten auf dem Gebiet der Patentverwertung in SchleswigHolstein kommen. Das ist selbstverständlich. Eine Insolvenz ohne Anschlusslösung kommt natürlich auch nicht infrage.
Über den weiteren Fortgang der Dinge werde ich den Ausschuss gern regelmäßig informieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kunsthochschulen bilden keine exotische Zierde, die sich eine Gesellschaft als zusätzliches Kulturdekor leistet. Kunsthochschulen übernehmen vielmehr eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Sie bilden zu ästhetischem Bewusstsein als einem zentralen Bestandteil von Kultur aus. Wohl wahr! So heißt es in dem Konzept, das die Muthesius-Hochschule - natürlich mithilfe von Studierenden - im Vorfeld der Wissenschaftsratsentscheidungen entwickelt hatte. Das ist gewissermaßen das Credo dieser neuen Hochschule und drückt sich in ihrer neuen, einzigartigen Netzwerkstruktur aus, einer Struktur, die in ihrer kreativen und engagierten Art an der Hochschule entwickelt worden ist, und zwar - dies will ich gern noch einmal bestätigen - unter hervorragender Beteiligung der Studierenden. Der Wissenschaftsrat hat dies übrigens außerordentlich
gewürdigt und von einer Hochschule neuen Typs gesprochen, die bundesweit einzigartig sein kann.
Vor gut zwei Monaten - kurz vor der Sommerpause - hat der Wissenschaftsrat grünes Licht gegeben. Ich kann Ihnen versichern: Die Sitzungen des Wissenschaftsrats sind nicht immer sehr angenehm, diese jedoch war eine, von der ich dickes Lob für die Hochschulen mit nach Hause nehmen konnte und die ausgesprochen erfreulich war. Es liegt ein langer, hürdenreicher Weg hinter uns und ich muss sagen: Ich bin stolz darauf, dass wir das geschafft haben.
Herr de Jager, ganz ohne Unterstützung vonseiten der Landesregierung und durch mich persönlich ist es nicht gegangen, will ich mit dem nötigen Selbstbewusstsein sagen.
Wenn Sie sich zum Beispiel beim Abschlussfest der Muthesius-Hochschule, bei dem ich diese Nachricht überbringen konnte, hätten blicken lassen, hätten Sie es auch hören können.
Ich meine, dieser Schritt bedeutet auch eine Stärkung der Kultur des ganzen Landes, und es gilt nun, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umwandlung zu schaffen, und zwar mit dem hier vorgelegten Gesetz, das übrigens von den Fraktionen jetzt allein aus Zeitgründen eingebracht worden ist, da die Umwandlung zum 1. Januar 2005 erfolgen soll.
Herr Klug, wie Sie es geschafft haben, diese Frage mit der Diskussion an der CAU zu verbinden, die einzig und allein etwas mit den Erichsen-Empfehlungen und dem Hochschulvertrag sowie den Zielvereinbarungen mit der CAU zu tun hat, und wie Sie dies mit der vorgesehenen Abstimmung und Profilierung zwischen Hamburg und Kiel in Verbindung bringen konnten, ist mir schleierhaft. Das hat hiermit absolut nichts zu tun, sondern die Finanzentwicklung der Muthesius-Hochschule und die finanzielle Entwicklung der CAU sind in Zielvereinbarungen und im Hochschulvertrag festgeschrieben. Da wird nichts von der CAU auf die Muthesius-Hochschule umgeschichtet, sondern die Finanzierung der Muthesius-Hochschule bzw. die Erhöhung ihrer Finanzausstattung ist sozusagen Ergebnis dessen, was im Erichsen-Gutachten festgestellt wurde und in den daraus folgenden Zielvereinbarungen an Verlusten und Gewinnen insgesamt festgestellt wurde.
Parallel zum gesetzlichen Vollzug der Umstellung geht es jetzt darum, die vakanten Professorenstellen so zügig wie möglich zu besetzen. Auf die ersten fünf Ausschreibungen - meine Damen und Herren, Sie haben sie vielleicht in der „Zeit“ und anderen überregionalen Zeitschriften gesehen - für die Professorenstellen in den Fächern Freie Kunst und Design haben sich insgesamt mehr als 500 Männer und Frauen aus dem In- und Ausland beworben. Auch das ist ein Ausweis der Attraktivität dieser neuen Kunsthochschule, wo die Chance besteht, ein wirklich neues Konzept mitzugestalten und mitzuentwickeln. Wir hoffen sehr auf gute Besetzung.
Bis 2007 werden insgesamt 70 % der vorhandenen Professuren neu zu besetzen sein, das heißt, die Hochschule hat eine ganz schwierige Zeit hinter sich, weil die Besetzungen natürlich erst erfolgen sollten, wenn das neue Konzept steht und die Zusage, Kunsthochschule zu werden, da ist.
Die neuen Bachelor-/Master-Studiengänge werden zügig entwickelt, auch im Bereich Interior Design, das übrigens den Vorstellungen des Wissenschaftsrates entsprechend keine Neuauflage der Architektur in anderem Gewand sein soll, auch keine reine Innenarchitektur, sondern hier geht es um etwas wirklich Neues und Attraktives, was es so in der Bundesrepublik bisher kaum gibt. Das Spektrum reicht von der Innenraumgestaltung von Schiffen bis zur Raumgestaltung insgesamt. Es ist also ein attraktiver neuer Studiengang.
Zum Wintersemester 2005/2006 werden die Studienanfänger als Bachelor-Studierende beginnen. Der Master-Studiengang ist ab Wintersemester 2008/09 vorgesehen, also von dem Zeitpunkt an, an dem es die ersten Bachelors of Arts gibt.
Die Netzwerkstruktur der Kunsthochschule, also die interdisziplinäre Ausbildungsperspektive, die übrigens für das positive Votum des Wissenschaftsrates ganz wesentlich war, wird nun zügig in der Hochschulverfassung verankert und umgesetzt. Auch die Studien- und Prüfungsordnungen sollen diese Vernetzung widerspiegeln, übrigens auch mit der CAU und den anderen Hochschulen hier. Das sind sehr positive Entwicklungen.
Meine Damen und Herren, die Hochschule ist mit Hochdruck dabei, die neuen Strukturen weiterzuentwickeln. Das Parlament legt den Rahmen fest. Wir unterstützen die Hochschule weiter nach Kräften, auch was die Raumsituation angeht. Ein Anbau am Standort Lorentzendamm soll, so ist im Wissen
schaftsrat zugesagt worden, für den Hochschulrahmenplan 2006 angemeldet werden. Wir werden diesen Prozess, diese Beförderung - wie es öffentlich genannt wurde - weiterhin begleiten. Diesbezüglich bitte ich das Parlament, bitte ich Sie alle um Unterstützung in Form von zügiger Beratung, aber auch von Wertschätzung gegenüber dieser neuen Kunsthochschule.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der OECD-Bericht umfasst ungefähr 500 Seiten. Noch bevor er überhaupt veröffentlicht war, waren die Schlagzeilen schon formuliert: „Die nächste Fünf fürs Bildungssystem“, „Klippschule Deutschland“, „Bildung braucht Nachhilfe“. Dabei ist klar, der Bericht greift im Teil „Schule“ nicht auf neue Erkenntnisse zurück, sondern berücksichtigt PISA und IGLU und alle Daten sind drei beziehungsweise ein Jahr alt. Die Ergebnisse haben zu weitreichenden Veränderungen in der Bildungspolitik geführt. Wir in SchleswigHolstein haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben die Bildungsausgaben erhöht, allein in den letzten Jahren von 2000 bis 2004 im Schulbereich um 8 %. Wir haben Standards und Vergleichsarbeiten eingeführt, den Unterrichtsausfall halbiert, Ressourcen in die Grundschule verlagert, die Lehrerausbildung reformiert, den Schul-TÜV eingeführt, einen Bildungsauftrag für Kitas formuliert: alles Veränderungen und Reformen, auf die die Opposition mit immer demselben Reflex reagiert.
Es ist wirklich absurd. Und das, obwohl andere Bundesländer unsere Konzepte, etwa der Sprachförderung in den Kitas oder der schulischen Evaluation im Team - Schul-TÜV -, nachfragen und nachmachen. Ein jüngstes Beispiel, Frau Eisenberg: Bildungsauftrag für Kitas viel zu spät, viel zu schlecht, nur ein Anfang. Ich sage Ihnen, wir gehören zur ersten Hälfte der Länder, die das überhaupt machen. Das erarbeitet man mit Experten und allen Beteiligten. Frau Eisenberg, Sie haben keine Ahnung, wie Regierungsarbeit funktioniert.
Meine Damen und Herren, messbare, nachweisbare Erfolge all dieser Reformen wird es so schnell nicht geben. Das sage ich Ihnen auch. Im Dezember kommt die neue PISA-Studie und ich vermute, Herr Schleicher hat die Ergebnisse schon ein bisschen vorweggenommen: Es wird noch keine messbare Veränderung geben. Veränderungen brauchen Zeit. Trotzdem, die Schulen sind enorm in Bewegung gekommen, übrigens machen die Lehrerinnen und Lehrer dabei mit.
Es gab nach PISA viel Gemeinsamkeit in der KMK, der viel gescholtenen, aber einer der zentralen und gravierenden Befunde, den uns die OECD noch einmal bestätigt hat, spielt in der Debatte bisher die geringste Rolle und das finde ich schon irritierend. Sie in der Opposition haben überhaupt keine Antwort
darauf, Sie reden hier kleinkariert herum. Das muss ich wirklich sagen, Herr de Jager. Sie haben keine Antwort auf die Frage, dass Bildung nirgends so sehr mit dem sozialen Status zusammenhängt wie in Deutschland. Ich behaupte, dieser Befund wurde lange und vor allem immer noch deshalb ausgeblendet, weil er das System selbst ins Mark trifft.
Unser Bildungssystem mit seiner frühen Selektion verfestigt den fatalen sozialen Zusammenhang, es schöpft Begabungen nicht aus sozusagen an den Enden und es ist schlicht und einfach ungerecht. Wir schaffen damit auch nicht die breite Qualifikation und den Umfang an Spitzenleistungen, um uns in Deutschland international konkurrenzfähig zu halten. Im Gegenteil, wenn wir so weitermachen, wenn wir nicht bereit sind, einmal über diesen ideologischen Graben zu springen und unser System grundlegend infrage zu stellen und von Grund auf zu verändern, dann werden alle Reformen nicht ausreichen, auch dann nicht, wenn wir die Investitionen noch weiter steigern und Inhalte des Bildungssystems umverteilen. Dass dies notwendig ist, bestreitet ja niemand.
Wir haben einen Vorschlag für längeres gemeinsames Lernen vorgelegt, eine Schule für alle. Das bedeutet, dass wir uns endlich davon verabschieden, Selektion zur Quintessenz des Schulsystems zu machen. Das bedeutet, dass wir nicht mehr überlegen, welcher Schüler zu dieser oder jener Schulform passt, dass wir also die Schüler mit spätestens zehn Jahren oder sogar schon früher standardisieren und klassifizieren nach dem Motto: „In welchen Rahmen, in welches System passt das Kind?“. Nein, wir werden dieses Umdenken nicht im Handstreich erreichen. Wir werden es vor allem nur dann erreichen, wenn wir uns von manchen falschen Vorstellungen trennen. Gemeinsames Lernen heißt nämlich nicht, dass der überforderte Hauptschüler neben dem unterforderten Gymnasiasten sitzt und am Ende alle die Hochschulreife erlangen, auch wenn Sie dieses Gespenst noch so gebetsmühlenartig beschwören. Gemeinsames Lernen heißt, dass wir uns verabschieden von einer Didaktik, von einer Methodik und Unterrichtsform, die Lernen und Lehren stets vom Lehrer aus denkt, ob als Frontalunterricht oder als fragend entwickelnder Unterricht.
Unser Ziel muss ein Unterricht und ein Lernen sein, das wie in den Ländern, die bei PISA gut abgeschnitten haben, vom Schüler aus gedacht wird. Dass es auch in diesen Ländern Probleme gibt, bestreitet doch niemand, bestreiten nicht einmal die Finnen oder Dänen selbst. Niemand kommt aber auf den Gedan