Protocol of the Session on July 13, 2001

Es freut mich allerdings, dass Sie sich überhaupt so detailliert mit dieser Frage auseinander setzen. Ich erinnere mich daran, dass Sie früher dem Gedanken des Quereinstiegs sehr skeptisch gegenüberstanden.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig! - Sylvia Eisenberg [CDU]: Ich?)

Es gibt aber - das will ich hier nicht verschweigen ein weiteres zentrales Problem des Beamtenrechts und insofern ist es sehr interessant zu sehen, wie Baden-Württemberg diese Hürde überwunden hat: Bisher ist es nach Beamtenrecht immer noch so, dass zunächst alle Bewerber mit Staatsexamina das Recht auf einen Referendariatsplatz beziehungsweise auf eine spätere Einstellung haben und die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger erst danach am Zuge sind. Das führt faktisch dazu, dass erst alle anderen Bewerberinnen und Bewerber abgefragt werden müssen, bevor die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ganz am Schluss, also kurz vor dem Einstellungstermin, zum Zuge kommen. Das führt weiter dazu, dass jemand, der in einem festen Arbeitsverhältnis steht, nicht mehr rechtzeitig kündigen kann. Zudem macht es die vorausschauende Nachqualifizierung, wie sie hier beschrieben worden ist, ganz und gar unmöglich.

Deshalb gehe ich davon aus, dass neben der klassischen Laufbahnverordnung ein rechtlich abgesicherter Korridor für die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger geschaffen wird, sodass diese konkreten Vor

(Angelika Birk)

stellungen - beziehungsweise, wie ich es bevorzuge, verkürzte Varianten davon - Realität werden. Hier ist die Fantasie der Regierung gefordert. Ich bin gespannt, was uns Frau Erdsiek-Rave dazu zu sagen hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt dessen Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will es einigermaßen kurz machen; denn eigentlich ist es schon jetzt beschlossene Sache, dass wir uns im Bildungsausschuss über dieses Thema weiter unterhalten werden.

Ich finde es richtig, wenn man darauf hinweist, dass wir uns schon ausführlich mit dem Problem des zukünftigen Lehrerbedarfs und mit dem Bedarf zusätzlicher Einstellungen an den öffentlichen berufsbildenden Schulen beschäftigt haben und dass dazu bereits ein Konzept vorliegt.

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Es liegt überhaupt kein Konzept vor!)

- Frau Eisenberg, wir können diese Diskussion im Bildungsausschuss führen. Wir haben uns im Bildungsausschuss - darüber können wir uns hoffentlich einig werden - mehrfach und sehr intensiv mit dem Problem des zukünftigen Lehrerbedarfs und mit der Situation an den beruflichen Schulen beschäftigt. Dann können wir darüber diskutieren, ob ein Konzept vorliegt oder nicht. Meiner Meinung nach liegt ein entsprechendes Konzept vor.

Die Frage ist jetzt, was erreicht würde, wenn man wie Sie es wollen - die Änderung der Lehrerlaufbahnverordnung vorzöge, um die Möglichkeiten des Quereinstiegs zu erhöhen. Ziel soll sein - das geht aus dem Antrag hervor -, dass insbesondere Hochschulabsolventen mit mehrjährigen Berufserfahrungen für den Schuldienst in den Berufsschulen vermehrt infrage kommen. Diese Gratwanderung zwischen Quereinstieg und normalem Ausbildungsweg, die schon angesprochen wurde, muss geklärt werden. Denn es kann nicht sein, dass wir Quereinsteigern - wie der Kollege Jacobs vorhin schon sagte - alle Steine aus dem Weg räumen, sodass es unattraktiver wird, den normalen Ausbildungsweg zu beschreiten. Letztlich geht es also um die Frage, ob wir uns nicht insgesamt mit einer Änderung des Studiengangs für Berufsschullehrer beschäftigen müssen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen mache ich es genauso wie der Kollege Klug: Ich schenke dem Landtag zweieinhalb Minuten.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir bedanken uns. - Frau Ministerin Erdsiek-Rave hat für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Redundanz ist zwar ein Mittel der Politik, aber man kann es auch übertreiben. Das, was heute hier diskutiert wurde, ist wirklich schon mehrfach öffentlich vorgestellt worden. Ich will es daher gern den anderen gleichtun und es kurz machen. Ein paar Bemerkungen seien mir dennoch gestattet.

Schon jetzt lässt es das geltende Recht zu, Lehrkräfte ohne volle Laufbahnbefähigung in den Schuldienst an Berufsschulen einzustellen, natürlich als Angestellte. Davon gibt es - nageln Sie mich jetzt nicht auf die Zahl fest - ungefähr 100. Das sind also die Quereinsteiger für den Dienst in Mangelbereichen an Berufsschulen. Aber natürlich geht es in erster Linie darum, den Lehrerbedarf mittel- und langfristig zu sichern, insbesondere an den Berufsschulen. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die wichtigste Voraussetzung ist - darüber wollten Sie ja auch reden -, dass die Strukturen in Ausbildung und Einstellungspraxis so flexibel wie möglich gestaltet werden. Daran wird konkret gearbeitet; das wurde öffentlich mitgeteilt und muss hier wirklich nicht noch einmal beschlossen werden. Wir arbeiten an der Veränderung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen, um qualifizierten Quereinsteigern den Zugang zum Beamtenverhältnis zu erleichtern. Wenn die vorgesehenen Zeitpläne dafür eingehalten werden, ist dies zum 1. Februar 2002 in Kraft. Ausgangspunkt muss jedoch - auch das betone ich noch einmal - immer der Maßstab einer hohen Qualität der Lehrkräfte sein. Das hat oberste Priorität und dabei muss es auch bleiben.

Ein paar Informationen im Einzelnen in aller Kürze! Erstens, abgeschlossenes Hochschulstudium, Diplom: Bereits nach geltendem Recht besteht die Möglichkeit, nach einem abgeschlossenen Studium an einer Universität oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einer vergleichbaren praktischen Berufstätigkeit in den Vorbereitungsdienst einzutreten. Es wird an einer Lösung gearbeitet, nach der der zeitliche Umfang der

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Berufstätigkeit, die nachgewiesen werden muss, reduziert werden kann.

Zweitens, abgeschlossenes Hochschulstudium plus Berufserfahrung: Die Übernahme von Quereinsteigern kann - unter Verzicht auf den Vorbereitungsdienst; das ist ja hier gemeint - bereits nach der geltenden Rechtslage erfolgen. Allerdings ist dies nur im Einzelfall möglich und bedarf jeweils der Zustimmung des Landesbeamtenausschusses. Qualifizierte Quereinsteiger können auf Antrag des Bildungsministeriums im Einzelfall direkt als Beamte auf Probe eingestellt werden, wie gesagt, mit Genehmigung des Landesbeamtenausschusses.

Drittens, abgeschlossenes Fachhochschulstudium mit oder ohne mehrjährige Berufserfahrung: Auch diese Möglichkeit, an einem Referendariat des höheren Dienstes teilzunehmen, besteht bereits. Sehen Sie dazu bitte in die Prüfungsordnung der Lehrkräfte POL I. Die Frage der erforderlichen Zahl der Semester wird zurzeit mit den Universitäten geklärt. Wir streben eine Regelstudienzeit von vier Semestern an. Möglich sind darüber hinaus im Einzelfall auch individuell gestaltbare Aufbaustudiengänge, die es den Studierenden unabhängig von der Frage eines Stipendiums - ermöglichen, mit einer gleichzeitigen Unterrichtstätigkeit an der beruflichen Schule einen Teil der Lebenshaltungskosten zu finanzieren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ek- kehard Klug [FDP])

Ich finde, das ist ein sehr vernünftiger Weg. Diesen wollen wir gern noch weiter verbreitern.

Sie sehen: Die Wünsche, die Sie hier vorgebracht haben, um es öffentlichkeitswirksam so darzustellen, als sei das Ihre Initiative, betrifft Maßnahmen, die entweder bereits umgesetzt sind oder intensiv bearbeitet werden. Der Weg in den Quereinstieg ist wirklich offen. Ich möchte qualifizierte junge Menschen mit Nachdruck ermuntern, ihn auch tatsächlich wahrzunehmen. Er ist ein sehr viel versprechender Weg, den wir weiter gehen wollen. Wir können das auch gern noch einmal im Bildungsausschuss darstellen. Allerdings hoffe ich, dass dann, wenn wir damit durch sind, die entsprechenden Verordnungen bereits in Kraft sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/1057, in den

zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um sein deutliches Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so verabschiedet! Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Pakt für den Mittelstand - Wachstum und Beschäftigung für Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1086

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Die Ferienzeit steht bevor, aber sie ist noch nicht angebrochen. Darum darf ich um Aufmerksamkeit für die nächste Rednerin bitten. Das Wort für die antragstellende Fraktion der CDU hat die Frau Abgeordnete Schmitz-Hübsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Wirtschaft lahmt, der Abschwung ist da. Nach mehreren Wirtschaftsinstituten hat jetzt das DIW seine Wachstumsprognose für 2001 auf 1 % herunter korrigiert. Auch das Weltwirtschaftsinstitut prognostiziert nur noch 1,3 %. Arbeitgeberpräsident Hundt wirft Kanzler Schröder verärgert wörtlich „eklatante Unkenntnis über ökonomische Zusammenhänge“ vor. Langsam wird es offensichtlich: Der Schönwetter-Kanzler ist nicht geeignet für stürmische Zeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Leider haben wir es nicht nur mit einer Konjunkturdelle zu tun. Tatsache ist, dass zurzeit die reiche Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland bei den Wirtschaftsdaten auf einen der letzten Plätze in der Europäischen Union abgerutscht ist. Tatsache ist ebenfalls, dass das Land Schleswig-Holstein beim Wirtschaftswachstum den letzten Platz unter den westlichen Bundesländern einnimmt und sogar hinter Sachsen und Thüringen liegt. Dies ist kein Zufall. Dies ist das Ergebnis einer verfehlten Wirtschaftspolitik, die schädliche Folgen für die Menschen in unserem Land hat.

(Beifall bei der CDU)

Die dürren Zahlen werden anschaulicher, wenn man sich einzelne Branchen in Schleswig-Holstein ansieht. Vor zwei Tagen hat die Bauwirtschaft demonstriert. Herr Baasch, ich denke, Sie sollten sich auch für die

(Brita Schmitz-Hübsch)

Bauwirtschaft interessieren, denn der geht es nämlich schlecht.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Aber nur!)

Bereits ein Drittel der Beschäftigten hat sie in den letzten sieben Jahren freisetzen müssen. Wenn der freie Fall anhält, werden in Kürze weitere Tausende Menschen arbeitslos.

Da ist das Transportgewerbe. Schon seit ein paar Jahren ist die mangelhafte Umsatzrendite bekannt. Der explosionsartige Anstieg der Treibstoffpreise hat viele Betriebsschließungen und Betriebsverlagerungen zur Folge gehabt. Für 2001 rechnet der Präsident der IHK zu Flensburg damit, dass rund 20 % der Betriebe im Transportwesen von Schließung beziehungsweise von Konkurs bedroht sind.

Da ist schließlich die katastrophale Lage in der Landund Ernährungswirtschaft. Die BSE-Krise hat tiefe Spuren hinterlassen. Die Umsätze erholen sich langsam, aber die Gewinne sind immer noch im Keller.

Diese drei Branchen sind mittelständisch strukturiert. Wenn es den Firmen in diesen Bereichen schlecht geht, geht es auch Anschlussbranchen nicht gut, also zum Beispiel den KFZ- und Maschinenschlossern, dem Landhandel, den Dienstleistungsbetrieben - um nur einige zu nennen.

Diese Entwicklung ist schlecht für unser Land. Es sind die mittelständischen Betriebe, die für die Menschen in der Region Arbeitsplätze bereitstellen, für jene Menschen, die nicht mobil sind und nicht weggehen können, für jene Menschen, die hier in SchleswigHolstein leben wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Es ist der Mittelstand, der Ausbildungsplätze für Jugendliche anbietet, die von den Hauptschulen und den Realschulen kommen. Wenn dieser Mittelstand den Bach heruntergeht, geht in Schleswig-Holstein das Licht aus!