Protocol of the Session on December 10, 2003

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich finde, das in dem vom Konvent erarbeiteten Verfassungsentwurf die sehr wichtige Institution des Ausschusses der Regionen immer noch zu wenig Gewicht hat. Wollten Sie dies mit Ihrem Antrag ausdrücken, Frau Rodust und Herr Matthiessen?

Kam dem Ausschuss der Regionen eine beratende Funktion bereits im EG-Vertrag zu, so hat sich dieser Status in der Verfassung nicht wesentlich verändert. Denn eine Aufwertung des Ausschusses der Regionen fand nicht in der Verfassung selber, sondern nur im so genannten Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit statt. Allein der Verweis auf dieses Protokoll, das als Anhang der Verfassung beigefügt ist, gibt dem Ausschuss der Regionen eine Klagemöglichkeit, und diese auch nur für die Gesetzgebungsakte, für deren

Annahme die Anhörung des Ausschusses der Regionen nach der Verfassung vorgeschrieben ist.

Meine Damen, meine Herren, der Konvent ist unter anderem mit dem Ziel angetreten, mehr Transparenz zu schaffen und die europäischen Entscheidungsprozesse verständlich und effizient zu machen. Aber genau dieses Ziel ist nicht überall vollständig erreicht worden. Gerade was den Ausschuss der Regionen betrifft, hätte dessen Klagebefugnis nicht in einem Zusatzprotokoll versteckt werden dürfen. Deshalb hat der Ausschuss der Regionen auch zu Recht gefordert, dass seine beratende Funktion gerade in den Bereichen der geteilten Zuständigkeit mehr Gewicht haben sollte. Dabei ist auch darüber nachzudenken, inwieweit ein Recht der Vorabkontrolle über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit dem Ausschuss der Regionen zukommen sollte.

Meine Damen, meine Herren, der vorliegende Antrag enthält leider sehr viele Selbstverständlichkeiten, die teilweise sogar noch im sprachlichen Widerspruch zueinander stehen. Hierzu bräuchte man keinen Beschluss zu fassen. Dennoch stimmt die FDP-Fraktion Punkt 1 uneingeschränkt zu. Die Punkte 2, 3 und 4, zu denen Frau Rodust nicht viel gesagt hat, sind eigentlich überflüssig. Aber wenn wir auch dem zustimmen, wird es nicht schaden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Rolle der Regionen, der Länder und Kommunen und die Rolle der Verbände beziehungsweise Nichtregierungs-Organisationen im europäischen Prozess unterstreichen. Mit der neuen europäischen Verfassung werden auch deren Wichtigkeit und deren Beteiligungsmöglichkeiten gesehen und berücksichtigt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir appellieren an die Verantwortlichen, das komplexe Paket nicht wieder aufzuschnüren. Einer der Hauptkonflikte ist die Entscheidungsbildung in der Union, also die innere Demokratie Europas, zum Beispiel die Zusammensetzung der Kommission oder

(Detlef Matthiessen)

Abstimmungen im Ministerrat. Wir haben Verständnis,

(Es gibt ein lautes, anhaltendes Geräusch)

zum Beispiel für die Geräusche hier.

(Zurufe)

Herr Abgeordneter, Sie haben immer noch das Wort.

Ich fühle mich durch die Geräuschkulisse etwas irritiert, Herr Präsident. Machen wir jedoch tapfer weiter.

Wir haben einerseits für die kleinen Länder Verständnis, die befürchten, mit ihren Interessen im großen Europa unterzugehen. Wir können andererseits nicht akzeptieren, dass jeder Staat insbesondere nach der Erweiterung mit eigenen Kommissaren vertreten ist. Europa setzt sich aus Staaten zusammen und aus Menschen. Daher sollte bei Entscheidungen gelten, dass sie von einer Mehrheit der Staaten getragen werden, aber gleichzeitig die Mehrheit der Bevölkerung Europas widerspiegeln.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sagen Sie etwas Aufregendes!)

Mit dem von uns vorgelegten Antrag machen wir deutlich, dass in Europa neben einem staatlich geprägten Verständnis ein Denken in regionalen Bezügen angemessen ist. Nach meiner Meinung wird das im europäischen Prozess immer mehr an Bedeutung gewinnen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Als Beispiel seien hier die gemeinsamen Interessen der Ostsee-Anrainerstaaten genannt oder die Interessen der baltischen Staaten oder die gemeinsamen Interessen von Schleswig-Holstein und Dänemark in der Grenzregion. In der letzten Sitzung des Agrarausschusses haben wir uns zum Beispiel mit der Schwierigkeit der Vermarktung von in Schleswig-Holstein erzeugten Schweinen in Dänemark befasst. Auch wäre ein Regime zur Vorbeugung gegen Tierseuchen sinnvoller an der Nord-Ostsee-Kanal-Grenze zu ziehen als an der Grenze zwischen Dänemark und Deutschland.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen: Euratom. Der SchleswigHolsteinische Landtag hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2002, also vor ziemlich genau einem Jahr, dazu aufgefordert, den Euratom-Vertrag mit dem

Ziel der Beendigung der Nutzung der Atomenergie aufzuheben.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Minister für Finanzen und Energie, Claus Möller, hat für die Landesregierung mit Schreiben vom 27. Januar 2003 diesen Beschluss der Bundesregierung mitgeteilt. Der deutsche Außenminister hat sich gegenüber dem Konventspräsidium hinsichtlich der Euratom-Regelung sehr kritisch geäußert. Im Ergebnis ist der Euratom-Vertrag nicht integraler Bestandteil der europäischen Verfassung geworden, sondern wurde dieser nur angehängt. Der Euratom-Vertrag hat damit eine bedeutend geringere Stellung erhalten als ursprünglich geplant und ist damit einer weiteren Überarbeitung zugänglicher. Dies ist ein schöner Erfolg unserer Politik im Prozess der Entwicklung der europäischen Verfassung.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zuletzt noch ein wichtiger Punkt. Der Schritt zu einer ersten europäischen Verfassung ist historisch einmalig. Mit der Entäußerung nationalstaatlicher Rechte und der Einordnung in die Europäische Union ist weltweit ein vorbildlicher Weg beschritten worden, der ein Weg des Friedens und der Kooperation in Gleichberechtigung ist. Es ist ein Europa der Staaten, es ist ein Europa der Menschen. Wir Grüne wollen, dass dieser Schritt durch eine Volksabstimmung über die europäische Verfassung von den Menschen in unserem Land demokratisch legitimiert wird. Dafür sollte der Weg frei gemacht werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits gehört: Am Wochenende wird die Regierungskonferenz über die Vorschläge des europäischen Konvents zur europäischen Verfassung entscheiden. Dazu liegt uns heute ein Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Stellung der Länder und Kommunen in dieser kommenden europäischen Verfassung vor.

Natürlich braucht die EU eine solche Reform. Das ist schon lange klar. Zum einen müssen die Mängel der alten EU der 15 ausgeräumt werden. Zum anderen

(Anke Spoorendonk)

muss sich der Rahmen der neuen EU der 25 anpassen. Schon der erste Punkt stellt - angesichts der sich über Jahrzehnte verfestigten Strukturen in Brüssel - eine Herkulesaufgabe dar. Den meisten Bürgerinnen und Bürgern bleibt immer noch verborgen, was in der europäischen Politik geschieht. Kaum jemand kann sehen, wie die Entscheidungen gefällt und wovon sie beeinflusst werden. Wer heute Morgen Zeitung gelesen hat, weiß, dass jetzt in Schleswig-Holstein ein von der EU gefordertes Seilbahngesetz beschlossen werden soll.

Leider hat der Konvent in Bezug auf mehr Transparenz nur bedingt Erfolge vorzuweisen. Der Konvent war für die Normalbürgerin oder den Normalbürger nicht durchschaubar. Sein öffentliches Bild wurde von einer Präsidentschaft geprägt, die die Diskussion, die Inhalte und die Empfehlungen offensichtlich stark dominiert hat. Das Ziel der Transparenz europäischer Politik wurde sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei den Beschlussvorschlägen des Konvents verfehlt.

Deshalb ist die jetzige Diskussion, die insbesondere die großen Länder wie Deutschland und Frankreich nach dem Motto führen: Kein Komma darf am Konventsergebnis geändert werden, ansonsten gibt es überhaupt keine europäische Verfassung!, nach der Osterweiterung äußerst schädlich für die Akzeptanz der EU bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Natürlich überreizen aus unserer Sicht Länder wie Spanien und Polen ihre Karten, wenn sie radikale Änderungen an dem Konventsergebnis fordern. Dennoch hat sich bei vielen Menschen der Eindruck verfestigt, dass die großen EU-Staaten den Ton angegeben und die kleineren immer weniger zu melden haben. Auch wenn das nicht stimmt, so bleibt doch dieser Eindruck. Im Interesse der gesamten EU ist der Eindruck, der mit dieser Vorgehensweise geweckt wird, mit Sicherheit nicht.

Es ist doch aus demokratischen Erwägungen heraus nicht einzusehen, warum es nicht möglich sein soll, vernünftige Änderungen an einem Entwurf zur europäischen Verfassung einzubringen. Beispielsweise - ich habe das schon mehrfach gesagt - hätten wir uns gewünscht, dass die Rechte der nationalen Minderheiten in Europa in der künftigen Verfassung festgeschrieben werden. Auch ist die Frage der EUKommissare für kleine Länder schon eine äußerst wichtige Angelegenheit. Auch ist es aus der Sicht des SSW ein grundlegender Fehler, dass die europäische Verfassung nicht durch Volksabstimmung demokratisch legitimiert wird.

(Beifall bei der FDP)

Daher können wir den ersten Punkt des vorliegenden Antrages nicht unterstützen. Wir - ich glaube, auch viele andere Bürgerinnen und Bürger Europas - sind nicht restlos von dem vorliegenden Vorschlag des Konvents überzeugt. Wir meinen deshalb auch, dass es weiterhin möglich sein muss, Änderungen am Entwurf vorzunehmen. Nun wissen wir, dass diese Forderung nicht realistisch ist. Denn - wie der Kollege Geißler schon ausgeführt hat - die Entscheidung wird am kommenden Wochenende getroffen.

Daher ist es aus unserer Sicht richtig, dass in dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert wird, ein Frühwarnsystem für die Länder und Kommunen bei Entscheidungen der EU einzuführen und umzusetzen. Allerdings warne ich davor zu glauben, dass die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips mit der neuen europäischen Verfassung leichter wird. Mein Eindruck ist, dass der Entscheidungsprozess auf EU-Ebene eher noch undurchschaubarer wird und dass wir es als Entscheidungsträger in den Ländern und Kommunen auch in Zukunft schwer haben werden, wenn wir unseren Einfluss in Brüssel geltend machen wollen. Richtig ist natürlich auch, dass sich die Föderalismusdebatte mit diesem Aspekt auseinander setzen muss.

Ich fasse zusammen. Wir werden dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen - wir werden uns der Stimme enthalten -, weil wir uns grundsätzlich nicht einem Antrag anschließen können, in dem gesagt wird: Wir wollen alles so belassen, wie es ist. Das heißt, wir können nicht einer Entmündigung des Parlaments zustimmen.

Nochmals, damit es deutlich wird: Die anderen Punkte finden durchaus unsere Zustimmung.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile der Frau Ministerpräsidentin das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den kommenden beiden Tagen findet in Brüssel die entscheidende Regierungskonferenz zur europäischen Verfassung statt. Ich finde, dass es darauf ankommt, die Vorschläge des Konvents so geschlossen wie möglich durch die Verhandlungen zu bringen, damit das Ergebnis nicht infrage gestellt und die Entwicklungsfähigkeit der Union gesichert wird. Das wird noch ein Stück harte Arbeit für die Staats- und Regierungschefs werden. Es kommt für alle darauf an, genügend Kooperationsgeist zu beweisen, um zu zeigen, dass es uns wirklich um ein geeintes Euro

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

pa geht. Ich freue mich, dass der SchleswigHolsteinische Landtag so aktuell über dieses Thema diskutiert.

(Lachen bei CDU und FDP - Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Bei Europafragen laufen wir häufig ein halbes Jahr hinterher. Da haben sich die Leute schon darüber geärgert. Jetzt sind wir so schnell, dass wir auch sprechfähig sind, wenn uns jemand danach fragen möchte.