Protocol of the Session on November 17, 2016

Wir haben zu einem gewissen Zeitpunkt natürlich die Kenntnis gehabt, dass der Bundesinnenminister – zehn Länder sind betroffen gewesen bei dieser Durchsuchungsund Beschlagnahmeaktion und bei der Aktion, die Verbotsverfügung zu übergeben – gesagt hat: Das machen wir zentral. – Wir haben natürlich alle unsere Beiträge dazu geleistet und haben das Ganze aktiv unterstützt; denn es war sehr in unserem Sinne, dass das Verfahren so durchgeführt wurde, wie es Anfang dieser Woche geschehen ist. Noch einmal: Es handelt sich um einen großen Erfolg der Sicherheitsbehörden, und zwar von Bund, Ländern und der kommunalen Ebene. Das hat sicherlich eine sehr intensive gemeinsame Vorbereitung zur Grundlage gehabt.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hüttner.

Herr Minister, Sie sprachen davon, dass Rheinland-Pfalz bei dieser Aktion keinen Schwerpunkt bildete, sondern vielmehr Hessen und Nordrhein-Westfalen schwerpunktmäßig betroffen waren. Der Bundesinnenminister redete davon, dass etwa 140 junge Leute aufgrund der Ansprachen im Zusammenhang mit der „Lies!“-Aktion ausgereist sind. Ist Ihnen bekannt, ob auch aus Rheinland-Pfalz junge Leute aufgrund dieser Situation ausgereist sind?

Sie kennen die Zahlen. Wir gehen davon aus, dass es in Rheinland-Pfalz in diesem Bereich rund 570 Islamisten gibt. Davon schätzen wir 40 als überwiegend gewaltbereit ein. Die Zahl der Salafisten in Rheinland-Pfalz beträgt 145, im Bund liegt sie bei 9.200.

Das habe ich vorausgeschickt, um damit aufzuzeigen, dass der Schwerpunkt in der Tat nicht in Rheinland-Pfalz liegt. Aber auch 145 Salafisten und 40 Gewaltbereite bedeuten eine Herausforderung für die Sicherheitsorgane in unserem Land. Aus Rheinland-Pfalz sind nach unserer Kenntnis 16 Personen nach Syrien und in den Irak ausgereist, aus Deutschland insgesamt 870 Personen.

Wir haben nach Rheinland-Pfalz bereits vier Rückkehrer und nach Deutschland 290 Rückkehrer. Die 16 können wir im Augenblick noch nicht – wir hoffen, dass wir bei den beschlagnahmten Materialien dazu genauere Erkenntnisse bekommen – der „Lies!“-Aktion zuordnen, aber es sind 16 aus Rheinland-Pfalz, die in die Kampfgebiete nach Syrien und in den Irak gegangen sind.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junge.

Vielen Dank, Herr Minister. Erstens: Hat es im Zuge der Ermittlungen Erkenntnisse darüber gegeben, dass es Verbindungen zu möglichen Verhandlungspartnern der Landesregierung im Zusammenhang mit dem möglichen Staatsvertrag gibt, beispielsweise DITIB?

Zweitens: Sie sprachen gerade von 40 gewaltbereiten Salafisten. Die sind Ihnen offensichtlich bekannt. Stehen die auch unter ständiger Beobachtung?

Danke schön.

Sie dürfen davon ausgehen, dass Gewaltbereite von der Polizei, von den Sicherheitsbehörden natürlich sehr genau im Blick behalten werden.

Ich würde sehr davon abraten, eine Verbindung zwischen

gewaltbereiten Salafisten und den Vertretern der türkischen Minderheiten in Rheinland-Pfalz oder in Deutschland herzustellen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dazu keine Erkenntnisse. Ich will sagen, Salafisten, extremistische Salafisten sind extrem gewaltbereite Menschen. Es ist für uns vollkommen klar, dass wir alles dafür tun, um die Gegenwehr, die notwendig ist, zu organisieren. Das ist bei DITIB eine ganz andere Ebene.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Also keine Erkenntnisse?)

Keine Erkenntnisse!

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paul.

Herr Innenminister, viele Experten sagen, dass dieses Verbot um Jahre zu spät kommt. Wir haben ausgebildete Strukturen. Bundesweit sind es fast 10.000 Salafisten. Was sagen Sie den Experten, die von einem Verzug sprechen und anmahnen, dass das Verbot viele Jahre früher hätte durchgesetzt werden sollen?

Bei mir hat sich keine dieser Personen gemeldet. – Sie haben gefragt, was ich denen sage. Da sich bei mir keiner gemeldet hat, kann ich denen auch nichts sagen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bollinger.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Minister, Sie haben uns eben die Maßnahmen der Prävention gegen Islamismus geschildert. Meine Frage: Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Beobachtung des Islamismus, und gegebenenfalls auf welche Weise geht sie gegen extremistischen Islamismus vor?

Herr Bollinger, das kann ich Ihnen nur sehr pauschal sagen, weil die Einzelauflistung das Hineingehen in einzelne Fälle bedeuten würde. Mit all unseren Möglichkeiten – Verfassungsschutz, Polizei – gehen wir neben der Prävention natürlich gegen alle Bemühungen von dieser Seite gegen unsere Gesellschaft, gegen unsere freiheitliche Grundordnung, gegen Volksverhetzung vor. Ich habe das einführend gesagt. Für uns ist vollkommen klar, zu einem starken Rechtsstaat, zu einem starken Staat gehört hier ein völliges Dagegenhalten. Das tun wir mit all den Möglichkeiten, die Polizei und Verfassungsschutz haben.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hüttner.

Herr Minister, wir reden davon, und die Presse war voll davon, dass insbesondere junge Menschen angesprochen werden, dann möglicherweise ausreisen oder dort hineingezogen werden. Auf der Ebene des Rechtsextremismus haben wir ein sogenanntes Aussteigerprogramm. Die Fachleute sagen uns, dass wir genau an der Stelle arbeiten müssen. Vielleicht können Sie uns sagen, ob wir etwas Ähnliches haben und wie es funktioniert.

Wir haben beim Landesjugendamt die Ansprechstellen. Wir haben „Salam“. Die funktionieren dem Grunde nach nach dem gleichen Mechanismus wie bei dem Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten. Ich habe auf einer Fachtagung vor wenigen Tagen genau zu dem Thema gesagt: Selbst wenn wir oft monatelang keine Ansprache an die Hotline oder an die Personen bekommen, die dahinter stehen, aber es reicht, wenn wir eine Person, einen jungen Menschen, aus einem solchen Netzwerk herausholen können, aus einer Situation, in der man bereit ist, sein eigenes Leben einzusetzen.

Ich will noch einmal sagen, nach unserer Erkenntnis sind aus Deutschland mittlerweile 140 Menschen in Syrien umgekommen, davon viele, die sich als Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt haben. Da steht also eine unglaubliche Gewaltbereitschaft hintendran. Wenn diese Menschen zurückkommen, sind sie traumatisiert oder tickende Zeitbomben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus einer solchen Situation jemand sozusagen so zurückkommt, wie er in einen solchen Kriegseinsatz gegangen ist.

Herr Hüttner, wenn ich von „er“ spreche, sie haben recht, wir schätzen 80 % Männer und 20 % Frauen. Jede Person, die man aus dieser Situation herausholen und wieder sozusagen in die Gesellschaft integrieren kann, ist ein Riesengewinn für uns alle. Deswegen arbeiten wir daran mit der gleichen Intensität wie in der Frage Rechtsextremismus.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paul.

Herr Innenminister, ich muss Sie trotzdem noch einmal fragen, auch wenn Sie eben ausweichend reagiert haben. Zunächst einmal stelle ich fest, dass schon 2006 der Hassprediger Pierre Vogel in der DITIB-Moschee in Dinslaken gepredigt hat und dann nach wenigen Jahren diese Männer in den sogenannten Dschihad ausgereist sind. Daher frage ich Sie noch einmal: Es gibt Äußerungen von einigen Experten. In der Frankfurter Rundschau hat sich eine zu Wort gemeldet, die gesagt hat, es kommt um Jahre zu spät, weil die Strukturen eben gewachsen sind. Dazu würde ich trotzdem einmal Ihre Einschätzung hören, ob diese

Experten – das sind keine AfD-Politiker – recht haben oder unrecht haben. Darauf würde ich gerne eine Antwort haben.

Meine Einschätzung ist, dass der Bundesinnenminister nach sorgfältiger Vorbereitung zum jetzigen Zeitpunkt handeln konnte und dann auch unmittelbar, nachdem die Voraussetzungen vorgelegen haben, gehandelt hat.

Wir haben Pierre Vogel natürlich auch in Koblenz und an anderer Stelle erleben müssen. Wir schauen da natürlich hin. Ich weiß, was der predigt, und ich weiß, wie taktisch klug diese bis an die Grenze gehen und in öffentlichen Reden diese Grenze gerade noch einhalten. Es ist auch nicht der Prediger ausgereist, sondern es sind andere ausgereist, die bei den Veranstaltungen dabei waren.

Wir nehmen das Thema „DWR“, „Lies!“ und alles, was damit zusammenhängt, enorm ernst. Die große Aktion, der große Schlag gegen diese Organisation ist, glaube ich, auch Ausdruck dessen, dass dieser Staat durchgreift.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Friedmann.

Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie vorhin gesagt, dass es nicht gegen die Verteilung dieses Korans und gegen die Werbung für den Islam, sondern speziell gegen diese Gruppe geht. Jetzt frage ich: Wenn diese Gruppe jetzt verboten ist, wie sieht es aus, wenn sich eine neue Gruppe unter anderem Namen, aber eventuell mit den gleichen Leuten zusammentut und ebenfalls wieder diese Stände macht und diesen Koran verteilt? Ist das dann in Ordnung?

Ja, selbstverständlich ist das Verteilen eines Korans nicht verboten. Das fällt, im Grundgesetz geschützt, unter die Religionsfreiheit. Das habe ich eben auch betont.

Was wir glauben, ihnen nachzuweisen zu können, ist, dass das nur ein Transportinstrument war, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sie dann von extremistischen, salafistischen, gewaltbereiten Überlegungen und Überzeugungen zu überzeugen. Das ist das, worauf sich dieses Verbotsverfahren gründet.

Ich kann Ihnen das gerne noch einmal sagen: Aus unserer Sicht – Sicht des BMI, mit der wir übereinstimmen – verbreitet der „DWR“ seine verfassungsfeindlichen und gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßenden Botschaften anlässlich von Seminaren, öffentlichen Veranstaltungen und – jetzt kommt es – beim Verteilen des Korans. Nicht der Koran ist der Anlass, sondern das ist sozusagen nur die Methode, um Menschen an einen Stand zu ziehen und dann abzutesten, mit wem man vertieft in dieses extremistische Gedankengut einsteigen und wen

man in die extremistische salafistische Richtung bis hin zu der von mir beschriebenen Gewaltbereitschaft hineinführen kann. Deswegen ist das Verteilen des Korans nicht verboten, aber das, was damit verbunden ist. Das ist eine der Maßnahmen, worauf wir das Verbotsverfahren stützen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Joa.

Herr Minister, eine Rückfrage zum Thema Rückkehr von ausgereisten Personen gerade aus Syrien. Es gab beispielsweise in den USA vor drei Tagen ein Urteil. Es hatte jemand versucht, dem IS beizutreten. Dafür geht er dort 30 Jahre ins Gefängnis. Bei uns verfolgt man die Strategie, Rückkehrer ein Stück weit mit Samthandschuhen anzufassen und zu resozialisieren.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ach Gott!)

Glauben Sie wirklich, dass die Rechtsumsetzung, dass die Gesetze aktuell ausreichend sind,

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Wo ist die Frage?)

oder sollten wir nicht eher eine ganz harte Hand und klare Kante gegen solche Feinde unserer Demokratie zur Anwendung bringen?

Herr Joa, zu dem, der in Deutschland nachgewiesen bekommt, dass er Kriegshandlungen vorgenommen hat, geht nicht der Sozialarbeiter, sondern der Staatsanwalt. Das ist bei uns nicht anders als in den USA.

Allerdings ist es trotzdem der richtige Ansatz zu versuchen, schon im Vorfeld Menschen, insbesondere junge Menschen, aus dieser Szene wieder zurückzuholen, damit sie eben nicht gewalttätig werden. Wenn Gewalt ausgeübt wurde, ist das zunächst einmal eine Frage für den Staatsanwalt. Das ist bei uns nicht anders als in den USA.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lammert.

Herr Minister, stimmen Sie den Aussagen der Bundesintegrationsbeauftragten zu, dass die durchgeführten Razzien eventuell willkürlich waren und nicht das entsprechende Augenmaß bei der Polizei vorhanden war?

Ich habe den Einsatz beschrieben, und ich habe ihn aus meiner Sicht bewertet.