Präsident Hendrik Hering, Vizepräsident Hans-Josef Bracht, Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund.
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung, Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport, Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; Dr. Thomas Griese, Staatssekretär, Philipp Fernis, Staatssekretär.
Abg. Guido Ernst, CDU, Abg. Thomas Weiner, CDU; Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Herbert Mertin, Minister der Justiz; Clemens Hoch, Staatssekretär.
Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie recht herzlich zur 16. Plenarsitzung begrüßen.
Schriftführende Abgeordnete sind die Kollegen Steinbach und Oelbermann. Herr Oelbermann wird die Rednerliste führen.
Entschuldigt fehlen heute die Abgeordneten Guido Ernst, Michael Frisch und Thorsten Wehner. Seitens der Regierung fehlen entschuldigt Frau Staatsministerin Höfken, Herr Staatsminister Mertin und Herr Staatssekretär Hoch. Herr Staatssekretär Langner wird heute Nachmittag nicht anwesend sein können.
Wir beginnen mit der ersten Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Hans Jürgen Noss und Michael Hüttner (SPD) , Razzia gegen Islamistennetzwerk – Nummer 1 der Drucksache 17/1562 – betreffend.
3. Wie beurteilt die Landesregierung die Rolle der Vereinigung „Die Wahre Religion (DWR)“ in RheinlandPfalz?
Zu Frage 1: Der Grund für die Durchsuchungen war das vom Bundesminister des Inneren ausgesprochene Vereinsverbot der Vereinigung „Die Wahre Religion (DWR)“ alias
„Lies!“-Stiftung. Das Verbot gegen die Vereinigung „DWR“ stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Alt. 3 in Verbindung mit § 17 Nr. 3 Vereinsgesetz. „DWR“ richtet sich gegen die verfassungsgemäße Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Im Rahmen der Vollziehung des Verbots wurden bundesweite Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen vollzogen. Bundesweit bringt „DWR“ in Fußgängerzonen dschihadistische Islamisten unter dem Vorwand der Werbung für den Islam zusammen. Mit der Koranübersetzung in der Hand werden Hassbotschaften und verfassungsfeindliche Ideologien verbreitet sowie Jugendliche mit Verschwörungstheorien radikalisiert. Bisher sind über 140 junge Männer nach Syrien bzw. in den Irak ausgereist, um sich dort dem Kampf terroristischer Gruppierungen anzuschließen, nachdem sie an „Lies!“-Aktionen teilgenommen haben.
Das Verbot zielt dabei nicht – und das möchte ich betonen – auf die Werbung für den islamischen Glauben oder dessen Verbreitung, ebenso wenig auf die Verteilung von Koranen oder Koranübersetzungen. Verboten wird hier der Missbrauch einer Religion durch Personen, die unter dem Vorwand, sich auf den Islam zu berufen, extremistische Ideologien propagieren und terroristische Organisationen unterstützen.
Zu Frage 2: Im Vorfeld der Umsetzung des vom Bundesinnenminister verfügten Verbotes der Organisation „Die Wahre Religion (DWR)“ beantragten die in unserem Land für den Vollzug des Vereinsgesetzes zuständigen Kreisordnungsbehörden Durchsuchungsbeschlüsse bei den zuständigen Verwaltungsgerichten Neustadt und Koblenz. Die Gerichte ordneten die Durchsuchung der Wohnungen von insgesamt vier Anhängern der verbotenen Gruppierung – zwei wohnhaft in Neuwied sowie einer in Schifferstadt und einer Ludwigshafen – an. Grundlage waren Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden, dass diese Personen mehrfach entweder an öffentlichen Aktionen des verbotenen Vereins teilnahmen oder diese organisierten. Dabei suchten die Aktivisten in der Regel über das kostenlose Verteilen deutscher Übersetzungen des Korans das Gespräch mit Passanten, um sie – nach Bewertung des Bundesinnenministers – von ihrer islamistischen Ideologie zu überzeugen.
Die Durchsuchungen dienten dabei zwei Zielen: Einerseits waren die dem verbotenen Verein zuzuordnenden Vermögenswerte sicherzustellen und einzuziehen; andererseits galt es, weitere Gegenstände zu finden, die als Beweismittel zur Untermauerung der Verbotsgründe in Betracht kommen. Mit Unterstützung von Polizeibeamtinnen und -beamten der Polizeipräsidien Koblenz und Rheinpfalz vollzogen die Kreis- bzw. Stadtverwaltungen am 15. November 2016, beginnend ab 06:30 Uhr, diese Beschlüsse und stellten gleichzeitig die Verbotsverfügungen zu. Die Durchsuchungskräfte stellten dabei Unterlagen zu Vereinstätigkeiten sowie Computer, Mobiltelefone und Speichermedien sicher. Diese sind nunmehr im Hinblick auf die Beweisbedeutung auszuwerten.
Weiteren neun Vereinsmitgliedern – wohnhaft in Speyer, Neuwied, Linz am Rhein, Koblenz, Höhr-Grenzhausen,
Mendig, Hagenbach und Ludwigshafen – händigten die Vertreter der Kreisordnungsbehörden mit Unterstützung der Polizei Verbotsverfügungen aus. Eine Wohnungsdurchsuchung kam in diesen Fällen jedoch nicht in Betracht, weil die Vereinsanhänger lediglich in zwei Fällen an Informationsständen des verbotenen Vereins teilnahmen und kostenlose Übersetzungen des Korans an Passanten verteilten.
Zu Frage 3: Die Vereinigung „Die Wahre Religion (DWR)“ ist bundesweit ein Hauptakteur im Bereich des Salafismus, einer besonders rigiden und in Teilen gewaltbereiten Ausprägung innerhalb des Islamismus. Während die salafistische Bewegung ansonsten keine festen Strukturen aufweist, hat „DWR“ einen hohen Organisationsgrad entwickelt, der sich insbesondere in der Initiierung der „Lies!“Aktion in Deutschland sowie in weiteren Staaten äußert. Die hierbei durchgeführte Koranverteilung hat auch die Vernetzung der Beteiligten, die Rekrutierung neuer Anhänger und deren Indoktrinierung zum Ziel.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich ein Teil der an den „Lies!“-Aktionen Beteiligten an Dschihad-Fronten in Syrien und im Irak begeben hat. Dies vorausgeschickt, lässt sich für Rheinland-Pfalz Folgendes feststellen: Die Vereinigung „Die Wahre Religion (DWR)“ ist in den vergangenen Jahren auch in Rheinland-Pfalz in Erscheinung getreten. Ihre ersten Auftritte hatte die Gruppierung zur Jahreswende 2010/2011, als sie kurzfristig ein Islamseminar von Nordrhein-Westfalen nach Mayen verlegte. Die dort gehaltenen Vorträge enthielten charakteristische salafistische Positionen.
Des Weiteren trug Denis Cuspert, inzwischen ein führender Propagandist der Organisation „Islamischer Staat (IS)“, eine Kampfhymne vor. Vorrangig trat „DWR“ jedoch im Zusammenhang mit örtlichen Koran-Verteilungsständen der groß angelegten „Lies!“-Aktion auf. Seit Herbst 2011 fanden mehr als 100 Verteilaktionen in rheinland-pfälzischen Städten statt, unter anderem in Koblenz, Ludwigshafen, Mainz, Neustadt an der Weinstraße, Neuwied und Speyer. Hieran beteiligten sich über 50 Personen, darunter mehrheitlich Personen aus Rheinland-Pfalz selbst, in geringerer Zahl auch aus benachbarten Bundesländern.
Die Aktion diente nicht allein der Koranverteilung, sondern auch der Vernetzung der Beteiligten und ihrer Bindung an „DWR“. Die „Lies!“-Aktion ist in das Gesamtspektrum salafistischer Aktivitäten in Rheinland-Pfalz eingebettet. Etwa ein Viertel der von den Sicherheitsbehörden in RheinlandPfalz als Salafisten eingestuften Personen weist einen Bezug zu der Aktion auf. Ein Teil von ihnen wurde sogar vorrangig über die Beteiligung an „Lies!“-Ständen zum Anschluss an die salafistische Szene mobilisiert.
Zu Frage 4: Mit dem Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen verfolgt die Landesregierung zwei Hauptziele: selbstverständlich die Intervention, aber natürlich auch die Prävention. Unser Ziel ist es, jeder Verklärung islamistischer Bewegungen den Boden zu entziehen. Dazu soll jungen Menschen ein tragfähiges Gegenangebot zur Unterstützung ihrer persönlichen Entwicklung sowie zur Orientierung in der Gesellschaft angeboten werden.
Im Rahmen des Landeskonzeptes arbeiten unter Federführung des Integrations- und Jugendministeriums das Innen-, Bildungs-, Justiz- und Sozialministerium zusammen. Eingebunden sind zudem das Landesjugendamt, die Beratungsstelle Salam in Trägerschaft des Instituts zur Förderung von Bildung und Integration, das Landeskriminalamt sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Darüber hinaus gibt es einen Beirat, in dem auch viele Organisationen vertreten sind. Außerdem gibt es noch die Landeskoordinierungsstelle gegen Extremismus im Landesjugendamt, die sich ebenfalls dieser Themen annimmt. Wir haben ein Präventionsnetzwerk „DivAN“ – diversitätsorientiertes Arbeiten im Netzwerk – gegründet, das sich diesen Schwerpunkten stellt.
Ein zweites wichtiges Projekt ist das Modellprojekt „Leitplanke“. Durch dieses Projekt werden Haupt- und Ehrenamtliche aus der Kinder- und Jugendarbeit, Schulen und muslimischen Gemeinden qualifiziert, um im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zum Thema religiöse Radikalisierung kompetent und handlungssicher zu agieren. Selbstverständlich – das ergibt sich aus dem ersten Teil meines Vortrages – sind auch unsere Sicherheitsbehörden mit einem großen Beitrag im Bereich der allgemeinen Islamismusprävention mit im Boot.
Ich darf zunächst Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, nämlich Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 147. Landtagsseminars und Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Mainz-Hechtsheim. Herzlich willkommen im Landtag!
Ich darf noch etwas zu den Entschuldigungen korrigieren: Wie Sie sehen, ist der Kollege Frisch anwesend. Er wird erst heute Nachmittag ab 14:30 Uhr entschuldigt fehlen.
Herr Minister, welche Kompetenz hat die Landesregierung hinsichtlich des Verbots einer Vereinigung? Wie war in dem vorliegenden Fall die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden auf der Ebene des Bundes?
Sie haben gehört, dass der Bundesinnenminister das Verbot am 25. Oktober 2016 ausgesprochen hat. Wir haben eine Koordination hinbekommen – und zwar ohne dass die Betroffen, oder auch die Öffentlichkeit, im Vorfeld davon Kenntnis erlangt haben – zwischen der Bundesebene, also Bundesinnenministerium, Bundeskriminalamt und andere, den zehn betroffenen Ländern, die wiederum Landeskriminalämter, Ministerien und andere Behörden einschalten mussten, und den vielen kommunalen Stellen, die am
Danke, Herr Präsident. Herr Minister, Sie haben eben die Zusammenarbeit geschildert. Können Sie noch darauf eingehen, wie lange ungefähr die Vorbereitung eines solchen Vereinsverbots in der Abstimmung bundesweit dauert, wie viel Aufwand dahinter steckt und welche Arbeit die Beamtinnen und Beamten dafür aufwenden?
Die Situation in der Vorbereitung gestaltet sich sehr intensiv. Das Ganze wird im Bundesministerium des Inneren durchgeführt. Die Frage ist also, wie die Vorbereitungen dort in der Polizeiabteilung und in der Abteilung Verfassungsschutz aussehen. Dann sind die beteiligten Behörden, insbesondere die Kreisordnungsbehörden, sehr intensiv mit einzubinden. Wir – ich habe den Rahmen geschildert – sind als Landesregierung unter anderem mit der Polizei betroffen. An jenem Morgen hatten wir in Rheinland-Pfalz rund 50 Beamte im Einsatz. Die größeren Einsätze fanden unter anderem in Hessen und in Nordrhein-Westfalen statt, wo eine Vielzahl an Einsatzkräften benötigt wurde.
Herr Minister, ich habe folgende Frage: Welche Anstrengungen hat das Land konkret unternommen, um das Verbotsverfahren gegen die Vereinigung „Die Wahre Religion“ zu betreiben? Andere Länder waren da entsprechend aktiv. Wie waren wir da beteiligt?
Wir haben zu einem gewissen Zeitpunkt natürlich die Kenntnis gehabt, dass der Bundesinnenminister – zehn Länder sind betroffen gewesen bei dieser Durchsuchungsund Beschlagnahmeaktion und bei der Aktion, die Verbotsverfügung zu übergeben – gesagt hat: Das machen wir zentral. – Wir haben natürlich alle unsere Beiträge dazu geleistet und haben das Ganze aktiv unterstützt; denn es war sehr in unserem Sinne, dass das Verfahren so durchgeführt wurde, wie es Anfang dieser Woche geschehen ist. Noch einmal: Es handelt sich um einen großen Erfolg der Sicherheitsbehörden, und zwar von Bund, Ländern und der kommunalen Ebene. Das hat sicherlich eine sehr intensive gemeinsame Vorbereitung zur Grundlage gehabt.